Originaltitel: X-Men Origins: Wolverine
Herstellungsland: Australien / Neuseeland / USA
Erscheinungsjahr: 2009
Regie: Gavin Hood
Produktion: Richard Donner
Darsteller: Hugh Jackman, Ryan Reynolds, Liev Schreiber, Dominic Monaghan, Lynn Collins, Danny Huston, Daniel Henney, Taylor Kitsch, Kevin Durand, Scott Adkins, Christian Clark u.a.
Zuletzt hatte X-Men III – der Aufstand nicht mehr wirklich neue Erkenntnisse zum X-Men Universum hinzufügen können. Viel mehr musste man bemerken, dass die Gehälter der Stars explodiert waren und es auch immer schwerer wurde, die gesamte Riege terminlich unter einen Hut zu bekommen. Die Kritiken zu Teil III fielen obendrein eher mau aus. Die Folge: In der Branche munkelte man über Spin Offs, die sich intelligenterweise auf die beliebtesten Figuren konzentrierten und deren Leben leinwandfüllend abarbeiten würden. Magneto machte ebenso die Runde wie Wolverine. Bei Fox entschied man sich schnell für Publikumsliebling Wolverine und dessen bis dato recht geheimnisvolle Vorgeschichte.
Als Regisseur verpflichtete man Oscarpreisträger Gavin Hood, der mit seinem Streifen Tsotsi bewiesen hatte, dass er Geschichten erzählen konnte. Als Blockbusterregisseur empfahl er sich dabei aber nicht wirklich. Und, soviel vorweg, bei Wolverine kommt er auch ziemlich unter die Räder, tut man sich als Zuschauer doch schwer, eine Art eigenständige Handschrift im Film zu entdecken. Dabei leidet auch und vor allem der Storypart, von dem man sich einfach aufgrund des zugrunde liegenden Franchises viel mehr erwartet hatte, als eine dann doch arg simple Rachegeschichte. Dabei beginnt alles wahrlich brillant mit einer unglaublich cool montierten und inszenierten Pre Title Sequenz, die, nach jener von Watchmen, die wohl besten ersten zehn Minuten des aktuellen Kinojahres stellt. Hier erleben wir, wie James Logan und sein Stiefbruder Victor Creed dank ihrer Mutantenfähigkeiten an allen wichtigen Kriegen der USA seit den Sezessionskriegen teilnehmen und aufgrund ihrer Unverwundbarkeit immer an vorderster Front kämpfen. Doch spätestens mit Beginn des Vietnamkrieges ist James des Tötens überdrüssig und tritt mit Victor einer Gruppe unter Führung von William Stryker bei, die dank der Fähigkeiten diverser Mutantenmitglieder den Bösewichtern dieser Welt einen Scheitel zieht.
Dabei wird die Gruppe immer rigoroser in ihrem Vorgehen, weshalb sich James irgendwann im Streit von der Gruppe trennt und ein abgeschiedenes Leben als Logan in den Weiten der kanadischen Rockies vorzieht. Hier lebt er mit seiner süßen Lebensgefährtin friedlich vor sich hin. Doch wie das so ist: Das Böse findet einen Weg. Und so taucht Victor auf einmal ziemlich sauer bei Logan auf und tötet seine Liebste. Fortan setzt Logan alles daran, Victor unschädlich zu machen. Ein alter Bekannter, Stryker, rüstet ihn zum Kampf gegen Victor, indem er Logans Skelett mit einer unzerstörbaren Adamantiumlegierung überzieht. Wolverine wird geboren ...
Und der macht in den folgenden 60 Minuten ordentlich Bambule auf der Suche nach Victor und dessen Verbündeten. Zwar gibt es gegen Ende ein paar nette Enthüllungen, die Wolverine doch ein wenig komplexer erscheinen lassen, als er es letztlich ist, das treibende Element hinter Wolverine heißt aber dennoch nicht Story. Das treibende Element sind die Mutantenclashs und die damit verbundene, teils spektakuläre Action, die im Mittelteil ihren unbestreitbaren Höhepunkt in einer cool konzipierten und nett umgesetzten Actionszene hat. Hier beharken sich zwei Hummerfahrzeuge, ein Helikopter und ein schweres Motorrad mit Wolverine darauf. Hier setzt es einige geniale Bilder. In Deutschland leider nicht bis zum konsequenten Ende, denn in unseren Landen scheint man das Racheelement überbewertet zu haben. Anders ist nicht zu erklären, dass der deutsche Verleih Fox selbst für eine FSK 16 Freigabe offensichtlich und auch logische Fehler erzeugend die Schere ansetzen musste, um den Film wenigstens halbwegs in der Gewinnzone zu halten. Und auch wenn die Grundstimmung in Wolverine eine düstere und recht konsequente ist und auch die Mutantenfights sehr druckvoll und brachial geraten, gibt es kaum Blut und selbst in Körper gerammte Klingen werden klinisch rein wieder aus den Opfern herausgezogen. Was auch nicht verwundert, ist der Film doch in den USA ab 13 freigegeben. Dass man da in Deutschland nicht mal eine FSK 16 Freigabe erteilen konnte, spottet wahrlich jeder Beschreibung.
Von derartigen Fauxpas und unrunden Elementen in den Mutantenclashs abgesehen, ist die Action in Wolverine definitiv sehr gelungen und macht enormen Spaß. Vor allem die coolen Actioneinlagen um die Figur Zero und ihre beeindruckenden Schießkünste rocken enorm und versprühen inklusive coolen One Linern charmanten B-Filmcharme – der freilich von den groß angelegten Bombastszenen wieder weggebügelt wird. Dabei fällt vor allem der starke Showdown auf, in dem ein B-Recke zeigen darf, wo der Kampfsportbauer den Most holt. Denn wo im Film angedeutet wird, Projekt XI sei Deadpool / Wade Wilson und damit der Schauspieler Ryan Reynolds, wird dem kundigen Auge schnell auffallen, dass die körperliche Konstitution von Projekt XI nicht annähernd auf den eher schmalen Reynolds passt. Stattdessen versteckten die Produzenten Kampfsportwunder Scott Adkins unter der Maske von Projekt XI und ließen ihn zeigen, was er drauf hat. Und er macht, inklusive starker Beameffekte, im Kampf gegen gleich zwei Kombattanten eine enorm geniale Figur. Hoffentlich ebnet ihm Wolverine nun endlich mal den Weg in den Stardom Hollywoods, denn gerade in Actionfilmen könnte er für einige WOW Effekte sorgen.
Und wo wir gerade bei dem Punkt WOW Effekte sind, so fällt bei Wolverine stark auf, dass hier einiges mit der heißen Nadel gestrickt wurden zu sein scheint. Hier und da hat man fast den Eindruck, man hätte Wolverine noch einen oder zwei Monate reifen lassen sollen, stehen doch absolut genialen Effekten wie der Explosion eines Atommeilers gnadenlos misslungene Effekte gegenüber (Zero steigt in fliegenden Hubschrauber ein, Wolverines Krallen sind in den X-Menfilmen deutlich überzeugender, der megapeinliche Professor Xavier aus der Retorte usw.), die auch immer wieder aus dem Filmgenuss herausreißen. Schade. Optisch macht Regisseur Gavin Hood dagegen nicht soviel verkehrt, allerdings muss man auch feststellen, dass ein ganz normaler Auftragsregisseur die hier lancierte Optik auch hinbekommen hätte. Hood findet einfach keine eigene optische Handschrift und ist eher Sklave des X-Menfranchises, anstatt es um neue optische Nuancen zu erweitern. Am gelungensten sind die mehrfach eingebundenen, grandios schönen Naturpanoramen geraten. Abgesehen davon ließ er aber nicht nur ein paar käsige Special Effects durchrutschen, sondern auch ein paar trashige Einlagen, wie den Auftritt vom Blob, der dem Film eher schadet, als ihm zu nützen. Und seltsam uninspiriert agiert auch Harry Gregson Williams, der nach Unbeugsam in diesem Jahr zum zweiten Mal eher lustlos wirkt.
Für die Darsteller gilt dies weitestgehend nicht. Alle sind mit sichtlichem Spaß bei der Sache und lassen sich auch von ihren unerwartet eindimensionalen Figuren nicht abschrecken. Dabei ist freilich vor allem Hugh Jackman als Wolverine eine sichere Bank, kennt er den Charakter doch mittlerweile nur zu gut und ist er nicht ohne Grund zum beliebtesten der X-Men Darsteller geraten, was seine derzeitige Topkarriere nur belegt. Liev Schreiber als Victor Creed oder auch Sabretooth geht leider ein Stück weit unter in der Wolverine Show. Zwar stiehlt er Jackman in den ersten zehn Minuten mehrfach die Show, leider greift ab da dann aber der recht simpel gestrickte Charakter des Victor Creed deutlicher durch und Schreiber kommt dagegen leider nicht mehr an. Die anderen Darsteller werden durch das Intimduell der beiden Stiefbrüder deutlich in den Hintergrund gerückt, machen aber einen soliden Job und erwecken eine Vielzahl an neuen, noch nicht im X-Men Filmfranchise genutzten Mutanten zum Leben. Schade ist, dass Figuren wie William Stryker nicht von den bereits etablierten Darstellern der X-Men Reihe gespielt werden (hier wäre es Brian Cox gewesen), was deutlich zur Kontinuität innerhalb der Reihe beigetragen hätte. Den einzigen Ausfall stellt Lynn Collins dar, die als Love Interest von Logan so blass und farblos bleibt, dass man sich fragt, wieso er für so eine Luftblase einen Rachefeldzug startet.
Was bleibt ist ein Film, der mit den tollen ersten zwei X-Menfilmen nicht mithalten kann, zumindest aber knapp besser abschneidet als X-Men III. Ich hatte mir persönlich von dem Regisseur einfach ein Quäntchen mehr Story und auch ein paar interessantere Einblicke in Wolverines Leben vor den X-Men erhofft. Gerade in den Zeiten eines Batman oder der Watchmen eigentlich kein allzu unerfüllbarer Wunsch mehr. Doch man legte in Wolverine das Hauptaugenmerk deutlich auf unterhaltsam und zügig vorgetragene Action. Das ist freilich absolut legitim, wird aber durch ein paar miese SFX und Schnitte in der deutschen Fassung wieder geerdet. Macht unterm Strich unterhaltsames und dank Hugh Jackman schwer charismatisches Popcornkino, das als eventueller Einstieg in eine Wolverinereihe freilich nicht der verkehrteste Anfang ist!

In diesem Sinne:
freeman