
Originaltitel: Gojira
Herstellungsland: Japan
Erscheinungsjahr: 1954
Laufzeit: 92:14 Min.
Regie: Ishirô Honda
Darsteller: Akira Takarada, Momoko Kouchi, Akihiko Hirata, Takashi Shimura, Fuyuki Murakami, Sachio Sakai, Toranosuke Ogawa, Ren Yamamoto, Miki Hayashi, Takeo Oikawa, Seijiro Onda, Toyoaki Suzuki
Als ungewolltes Kind einer törichten Menschheit erschaffen, zu deren Nemesis er wurde - als Ikone der Popkultur und Sympathieträger abgetreten: Godzilla. Die Wandlung dieses Sohnes aus Gorilla und Fisch, dieser Amphibienabwandlung des amerikanischen “King Kong”, beweist, wie wenig an menschlichen Zügen ihm gegeben ist. Die Menschen lieben an ihm vor allem das Knuddelig-Unbeholfene eines Stofftiers, außerdem den eigenen Charme der “Suitmation” genannten Effektetechnik, einen Menschen in ein tonnenschweres Gummikostüm zu stecken. Tragik haftet dem Monster aber kaum an, Godzilla-Romantik ist ein flüchtiges Gut, sofern es überhaupt existiert. Godzilla ist bloß ein Reptil, das hat sich das gesamte halbe Jahrhundert gehalten, bei aller Veränderung.
Die von Tomoyuki Tanaka erschaffene und von Ishiro Honda erstmals in Szene gesetzte Kreatur zeigt sich dabei vorrangig von Ray Harryhausens Tricktechnik und somit von der US-Filmindustrie inspiriert. “Panik in New York” wird als wichtiger Einfluss gehandelt und zeichnet sich in verschiedenen Einstellungen deutlich ab, so etwa, als Godzillas monströser Kopf erstmals hinter einem Landstrich auftaucht, von dem kreischende Japaner flüchten.
Und apropos Flucht. Das Erbe des “Godzilla”-Regisseurs ist es auch, Japan als gesellschaftlichen Gigakomplex nach dem Vorbild eines Ameisenhaufens entworfen zu haben. Europäer, die ohnehin naturgegeben Probleme damit hatten und haben, asiatische Gesichter auseinander zu halten, verdrängen seither jegliche Individualität aus dem Bild, das sie in ihrem Kopf von der ostasiatischen Inselkette haben. Weniger Persönlichkeiten sind es, die ihnen mit “Japan” in den Sinn kommen, sondern flüchtende Punkte auf einer Landkarte, flüchtend vor etwas Riesigem, das diese Punkte durch systematisches Agieren miteinander selbst erschaffen haben. Nicht erst seit “Mechagodzilla” ist eine von Godzillas vielen Lesarten die Symbolik einer globalen Hi-Tech-Industrie, die erst auf ihrem Heimatland wütet, um sich dann gegebenenfalls - Roland Emmerich machte diesen (Alp)traum wahr - auf andere Kontinente auszubreiten.




Der Blick des Volkes auf sein selbst erschaffenes Monster muss ein anderer sein. “Godzilla” ist Japans Antwort auf die mit "King Kong" öffentlich zur Schau gestellte amerikanische Angst vor der Weltwirtschaftskrise. Er widmet sich gut zwanzig Jahre später der Verwirtschaftung von Atomenergie und setzt sich mit der Atombombenkatastrophe von Hiroshima und Nagasaki auseinander. Ein Weltkrieg steht zwischen den beiden Monstern und er hat seine Auswirkungen hinterlassen.
So steht die Nichtnatürlichkeit von Godzilla der Urpräsenz King Kongs entgegen; der eine hat das eigentliche Anrecht auf die Welt, während es den anderen gar nicht geben dürfte. Die Reptilienhaftigkeit entbindet Godzilla deutlich mehr von Gefühlsaufbau als das menschenähnliche Affenwesen. Folglich wird jede Art von Mitleid mit dem Echsenkoloss ausgespart. Im Originalfilm ist Godzilla ein Irrtum, der gar nicht böse oder gut im eigentlichen Sinne ist. Kaum mehr moralische Werte gehen von dem Ungetüm aus als von einer beliebigen Gewitterwolke aus einem Katastrophenfilm; beide zerstören, weil sie nun mal als Zerstörer funktionieren.
Das Resultat ist bei “Godzilla” und “King Kong” aber weitgehend das Gleiche: Menschen rennen kreischend davon. Und hier sitzt das Bindeglied zu den cineastischen Werten beider Filme.
Historisch vielleicht, aber keineswegs filmisch kann das japanische Werk mit Coopers und Schoedsacks Meilenstein mithalten, und diesem Vergleich muss es standhalten. In der kultischen Verklärung des grünen Riesen geht schnell unter, wie unterdurchschnittlich “Godzilla” in allen wichtigen Kategorien abschneidet. Szenenfolgen wechseln sich zu rhythmisch miteinander ab, als dass sie groß Spannung erzeugen würden, einzelne Szenen ähneln sich untereinander. Anstatt von SFX-Handwerkskunst regiert der Vorschlaghammer mit gnadenlos geführter Hand. Als die schwitzenden Komparsen mit bleilidernen Bewegungen Stück für Stück den Bodysuit in Bewegung versetzten, konnten sie kaum ahnen, dass sich die Schwerfälligkeit der “Suitmation” mal als filmische Ästhetik etablieren würde. Wie auch?
Nicht nur die schon für damalige Verhältnisse eher billigen Effekte sorgen in jungen Franchise-Jahren bereits für latenten Trash-Charakter. Vor allem das vollends absurde, aus dem ökologischen Zusammenhang gerissene Setting trägt das seine dazu bei. Wie aus dem Nichts durchbricht eine überdimensionale See-Echse die Stadtmauern Tokyos, von dem die Stadtmenschen geradezu überrumpelt werden. Der Strand von Odo Island, hier betritt Godzilla erstmals Land, fungiert symbolisch als Grenzüberschreitung zwischen zwei Welten, die vorne und hinten nicht zusammenpassen. Aus der dreisten, einfachen Handhabung, die Leute nicht etwa zu etwas Großem auf eine Insel zu bringen und damit großes Budget zu riskieren, sondern das Große gleich vor ihren Haustüren abzuladen, resultiert der Kult um den “König der Monster”. Der Drang, eine Geschichte zu erzählen, kann es jedenfalls nicht gewesen sein.
Daher regieren Bilder, die als Slow Motion-Kompositionen Modelle von Bauwerken in ihre Einzelteile zerlegen. Sie wecken wissbegierig Assoziationen zum Chemieunterricht, wenn der Lehrer in einem praktischen Beispiel die vernichtende Kraft des Feuers erläutert. Die Stadt brennt ohne Unterlass in “Godzilla”, doch selten hat man das Gefühl, da würde Monumentales zerstört; vielmehr Provisorisches, ja Pappenes ist es, das den Flammen zum Opfer fällt. Wovor sie da weglaufen mögen, fragt man sich, immer auf die Kamera zu oder an ihr vorbei. Was sie so in Schrecken versetzt, die Japaner, fragt man sich. Fragen, die man angesichts der Kreaturen Harryhausens nie gestellt hätte.




Immerhin der wissenschaftlich-experimentelle Unterbau bietet einiges mehr als die tumben Monster-Clash-Fortsetzungen, wirklich ergiebig ist aber auch er für sich alleine genommen nicht. Godzilla wird am Ende des Films gar heruntergespielt und eine noch viel größere Gefahr prophezeit, sollte sich der Mensch nicht ändern. Gemeint ist der nukleare Holocaust. Dass dieser Satz den Weg ebnete für Dutzende von Sequels mit teils abenteuerlichen Titeln, stellt einen lukrativen Nebeneffekt dar.
Als Monsterfilm betrachtet ist “Godzilla” eine Legende, die ihrem Ruf nie gerecht werden kann, erst recht nicht, je länger die Legende nachhallt. Voller Standards fällt es schwer, aus dem rohen Filmmaterial etwas auszusondern, eine Szene nur, die ähnlich nachhallen würde wie einer der unzähligen Momente, die das andere große Monster der Filmgeschichte, “King Kong”, zu einer Sternstunde des Kinos machte. Allenfalls mit Blick auf die Motivation der japanischen Filmschaffenden, auf derart provisorische, ja beinahe reaktionäre Art und Weise ihr eigenes Monster zum Leben zu erwecken, füllt sich ein Film mit Bedeutung, der es alleine ob seiner Bilder und der Geschichte, die mit ihnen erzählt wird, nicht könnte.

Eine Komplettversion gibt es die 50th Anniversary T-Digipack-Edition: auf drei DVDs gibt es Godzilla in der deutschen Fassung, in der US-Fassung (mit eigens nachgedrehten Szenen) und in der originalen japanischen Langfassung zu begutachten. Weiterhin ist dem 5-DVD-Set der letzte Teil der Reihe, "Godzilla - Final Wars" von 2004, inklusive Bonus-Disc beigelegt.