Auch wenn Brett Ratner 2006 mit "X-Men: Der letzte Widerstand" der beliebten Mutanten-Trilogie den kreativen Todesstoß verpasst hatte, kann man diese insgesamt für ihre wohlüberlegte Ausführung loben. Doch so gut die Charaktere auch gezeichnet gewesen sein mögen, bei der Fülle an Figuren, die die Filme vorweisen konnten, war es beinahe unmöglich näher auf die Hintergründe einzelner Protagonisten einzugehen. Mit Sympathiebolzen Hugh Jackman in seiner unwiderstehlichen Rolle als cooler Wolverine an Bord versucht man nun also in einem ersten Spin-Off zur Reihe, dies zu ändern. Diese sehr spezielle Figur dafür auszuwählen, war in Anbetracht ihrer Präsenz in der Original-Trilogie nur der folgenrichtige Schritt, zumal bereits "X-Men United" einige Fragen aufgeworfen hatte und nur wenige davon beantworten konnte. So überzeugen in "Origins" immer besonders die Momente, in denen man sich an die Vorgänger erinnert fühlt, in denen man Sets oder alte Bekannte wieder entdeckt. Hugh Jackmans animalisches Auftreten in Kombination mit seinem enormen Charisma sind dabei ebenso für einen Großteil des Spaßes verantwortlich, wie auch der restliche Cast, besonders gefallen können Liev Schreiber als Sabretooth, Ryan Reynolds als viel zu kurz auftretender Wade Wilson sowie Danny Huston in einer Rolle, die in einem der Vorfilme bereits vom grandiosen Brian Cox verkörpert wurde. Mag man über Castingentscheidungen wie will.i.am oder Scott Adkins zurecht verwundert den Kopf schütteln, sind die Darsteller wahrscheinlich am wenigsten daran Schuld, das bei all dem Potenzial "X-Men Origins: Wolverine" kein richtig großartiger Film geworden ist. In Anlehnung an die raue Art Wolverines und seiner Frankenstein-ähnlichen Entstehungsgeschichte entschloss sich Regisseur Gavin Hood offenbar dazu, diesem Film einen bewusst B-Movie-artigen Anstrich mit auf dem Weg zu geben. Deutlich anders als die X-Men-Filme setzt er auf dunkle und raue Locations, die dem Gesamteindruck ein paar düstere Attribute verleihen sollen. Stattdessen hinterlassen die Kämpfe in heruntergekommenen Kneipen und amerikanischen Hinterhöfen eher einen billigen Eindruck und lassen auf dieser Grundlage die fantastischen Elemente, wie die Superkräfte der unterschiedlichen Mutanten, beinahe lächerlich wirken. Das Drehbuch unterstützt dies dann ungünstigerweise auch noch. Doch von einer wirklichen Handlung mag man in diesem Falle ohnehin gar nicht sprechen. Handelte die X-Men-Trilogie noch von bedeutenden moralischen und ethischen Themen wie dem Anders sein und der Suche nach Akzeptanz und der eigenen Identität, bekommen wir hier eine simple Rachestory aufgetischt, wie sie banaler nicht sein könnte und in der die Fronten von Anfang an klar definiert sind. Die einen sind die edlen Saubermänner, während alle anderen verlogene Drecksäcke sind. Ist man besonders aus dem Glanzlicht der Reihe "X-Men United" noch eine angenehme Ambivalenz bei der Frage Gut oder Böse gewohnt, wird hier erst geschossen und dann nach dem Warum gefragt. Hood allerdings stellt keine Fragen nach der Motivation seiner Charaktere, sie gehen ihm eigentlich am Allerwertesten vorbei, lieber möchte er seine ausgefallenen CGI-Actionsequenzen präsentieren. Und auch wenn diese weder an die filmische Raffinesse eines Bryan Singers noch an die optische Bildgewalt eines Brett Ratners anknüpfen können, sind sie in ihrem angenehmen Tempo gut dosiert über den Film verteilt. Dank einer schönen Kameraführung von Donald McAlpine sind die Zweikämpfe übersichtlich und anschaulich gehalten und vor allem eine Verfolgungsjagd quer durch die kanadischen Wälder macht auch durch ihre handgemachte Stuntarbeit eine Menge Spaß. Erscheint einem Harry Gregson-Williams Soundtrack in den emotionalen Momenten noch eine Spur zu aufdringlich, funktioniert sie in solchen Szenen richtig gut und treibt den Zuschauer passend zum Geschehen an. Im Showdown wird es dann etwas zu übertrieben und selbst für einen Film der Marke "Comicverfilmung" kann man über die Nachvollziehbarkeit der Ereignisse streiten, unterhaltsam mag es zwar sein, doch wird man praktisch einfach dazu gezwungen, den ein oder anderen Entschluss der Filmemacher genauer zu hinterfragen. Immerhin beeindruckt zumindest Jackman auch neun Jahre nach seinem Antritt als Logan (der hier endlich auch einen Vornamen erhalten darf) nach wie vor durch seine physische Stärke und Ausstrahlung, dramaturgisch fühlt man sich jedoch vor allem im letzten Akt mehr an ein Videospiel erinnert, als an einen Film, denn ähnlich wie in Actionadventures für die heutige Konsolengeneration hangelt man sich von einem Bossgegner zum Nächsten und kaum ein Protagonist macht das so deutlich wie der von Taylor Kitsch (ziemlich farblos) dargestellte Mutant Gambit. Seine Eingliederung in "Origins" ist schon bemerkenswert, so taucht er das erste Mal nach über einer Stunde Laufzeit auf, nur um sich einen kurzen Kampf mit Logan zu liefern und dann wieder zu verschwinden. Seinen Auftritt werden wohl nur Comicliebhaber so richtig genießen können, für alle anderen hinterlässt diese Szene nur ein großes Fragezeichen.
Fazit: "X-Men Origins: Wolverine - Wie alles begann" ist ein harter und über weite Strecken kurzweiliger und unterhaltsamer B-Actioner mit einem charismatischen Helden und zwei wahrhaft fiesen Antagonisten geworden. Als Spin-Off zur X-Men-Trilogie und insbesondere zu den beiden Filmen von Bryan Singer darf man ihn jedoch als gescheitertes Experiment betrachten. Ist man nach dem 5 Minuten langen umwerfend gemachten Intro noch guter Dinge und in euphorischer Vorfreude, verfliegt diese recht zügig mit zunehmender Laufzeit und das Drehbuch zeigt klare Defizite. Seinen Anspruch, die Ambivalenz der Person Wolverine genauer auszuleuchten, wird Gavin Hood kaum gerecht, genauso wenig versteht er es, alle anderen Rollen tiefer zu charakterisieren und verliebt sich in seine Hommageszenen. Inhaltlich greift er daher auf Stereotypen und plumpe Machoposen zurück. Mit einem etwas intelligenterem Vorgehen wäre hierbei eindeutig mehr drin gewesen.
