Filmtagebuch: Vince
Moderator: SFI
Re: Filmtagebuch: Vince
Das Tagebuch hab ich jetzt ein bisschen arg lange schleifen lassen, da kam jetzt ein bisschen was zusammen:
Deadly Games
Dass wir heute vom Kevinismus sprechen anstatt von einem Thomasismus, liegt daran, dass „Kevin Allein zu Haus“ erstens eine amerikanische Mainstream-Produktion ist und zweitens aus dem recht simplen Konzept „schutzloser Junge verteidigt sich gegen Einbrecher“ mit bemerkenswerter Treffsicherheit eine Mischung aus Slapstick und weihnachtlicher Rührseligkeit anstimmt, der die Welt einfach nicht widerstehen konnte und kann. Der niedliche Blondschopf erhascht im Zuge der Verteidigung seines Hauses einen ersten Blick auf die Härte des wahren Lebens (in Form seiner ganz und gar nicht festlich gestimmten Gegner), was den Erwachsenen an den eigenen Moment des Erwachens aus der Kindheit erinnert – und das schöne Gefühl familiärer Geborgenheit um so willkommener erscheinen lässt.
Thomas aus dem französischen Thriller „Deadly Games“ gelangt schon ein Jahr vorher in eine ähnliche Situation, doch sein Versteckspiel mit einem psychopathischen Weihnachtsmann wird anders als das von Kevin nicht jedes Jahr zu Weihnachten im Free-TV ausgestrahlt. Möglicherweise, weil es weniger schöne Assoziationen hervorruft. In der stillen Vereinbarung zwischen dem Jungen und seinem geisteskranken Gegner (mit dem Gemüt eines Jungen), dass der Weihnachtsmann echt sei, liegt immerhin die Verleugnung der Realität verborgen, die zu zeigen René Manzor sich nicht scheut. Wenn der Film nicht auf Anhieb die Wärme eines brennenden Kamins verströmt, liegt das daran, dass er mit dem Stress und dem Überlebenskampf im Job einsteigt, der frappierende Ähnlichkeiten zur Simpsons-Weihnachtsepisode „Simpsons Roasting on an Open Fire“ aufweist, die ebenfalls im Jahr 1989 erstmals ausgestrahlt wurde.
Tatsächlich strömt die gesamte Handlung im folgenden eine melancholische Bitterkeit aus, obwohl die Handlung eigentlich genau wie beim amerikanischen Pendant auf Slapstick-Situationen ausgelegt ist. Das gesamte Anwesen wird von der Hauptfigur mit Referenzen zum Actionfilm der 80er Jahre gespickt. Es wird im Eiltempo von einem Raum zum nächsten geschlittert, über Geländer und durch Geheimgänge, wobei der Heimvorteil des Jungen gegenüber der körperlichen Überlegenheit des Mannes ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis herstellt. Und trotz des hohen Tempos ist immer Zeit für ein wenig Nächstenliebe. Alain Lalanne mag als Elfjähriger mit grausamer Vokuhila bisweilen wie ein unausstehlicher Rotzlöffel wirken, der Umgang mit seinem ebenfalls daheim verweilenden Großvater könnte aber liebevoller kaum sein. Und Patrick Floersheim liefert als unberechenbarer Eindringling eine unvergessene Leistung ab.
Der Autovampir
Jeder Autofahrer kennt dieses mulmige Gefühl, wenn er auf die Anzeige der Zapfsäule blickt und mit den Augen verfolgt, wie sich der zu zahlende Betrag mit jedem Tropfen Kraftstoff laufend erhöht. Die Nachkommastellen rotieren so schnell, dass jede Relation von Angebot und Preis verschwimmt. Zur Kasse geht man völlig benommen, aus dem Tritt gebracht durch diesen Akt des freiwilligen und doch sonderbar willenlosen Handelns. Vielleicht sind es gar nicht die aufsteigenden Dämpfe, wegen denen man sich beim Tanken so unbehaglich fühlt; vielleicht ist es einfach das Wissen, dass man gerade ausgesaugt wurde wie von einem Vampir.
Die Verbindung zwischen Automobil und Vampirismus ist eine abstrakte, voller Exzentrik und Absurdität. Somit hat man sie schnell als Trash eingeordnet, wo es doch schon problematisch genug ist, einem Publikum überhaupt menschliche Eigenschaften durch den Benzintank einzuflößen. Wenn der penetrante Tanklaster aus Spielbergs „Duell“, der diabolische Lincoln aus „The Car“ oder die eifersüchtige „Christine“ aus Carpenters King-Adaption menschliche Charakterzüge aufweisen, dann liegt das daran, dass ihnen vom Drehbuch die Fähigkeit zur Selbstbestimmung angedichtet wird und damit zum Ausbruch aus der autonomen Funktionsweise, die ein Auto eben zum Auto macht.
„Der Autovampir“ ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswert origineller Film, der sich mit solch geradlinigen Genre-Horrorfilmen über Autos weniger vergleichen lässt als mit wesentlich abstrakteren Filmkonzepten. Juraj Herz greift sich die wenig naheliegende Idee eines mit Blut betriebenen Autos völlig unbekümmert und verarbeitet sie zu einer bösen Satire über Medien (Paparazzi spielen eine entscheidende Rolle bei der Auswertung der Unfälle, die im Film stattfinden) und die Automobilindustrie, ohne Angst davor, die Verbindungslinie zwischen der Funktionsweise eines Automotors und vampirischen Verhaltensweisen könnte möglicherweise zu dünn sein.
Man muss sich also nicht wundern, wenn der Regisseur die Möglichkeiten, die ihm das Medium bietet, einfach nutzt. Noch zwei Jahre bevor David Cronenberg (der sich mit „Fast Company“ und „Crash“ selbst ebenfalls dem Thema Auto widmete) „Videodrome“ drehte, lässt Herz seine Hauptfigur mit dem Arm wie Butter durch die Motorhaube des Vampirautos greifen und nimmt damit bereits die berühmte Effektsequenz vorweg, in der James Woods eine Videokassette in die Bauchhöhle geschoben wird. Die Übergänge zwischen ernstzunehmendem Thriller und krudem B-Movie werden ebenso fließend vorangetrieben wie sie abrupt in den Film editiert werden. Hartes Metall wird einfach aufgeweicht, Mechanisches für Biologisches zugänglich gemacht. Das beginnt bei der Figurenzeichnung (allen voraus eine toughe Rettungswagenfahrerin und ein leicht zerstreut wirkender Arzt, der Licht in den surrealen Tunnel werfen möchte, in den er irgendwie geraten ist) und endet in groben Szenenwechseln, die mit harten Schnitten immer wieder die Stimmung zugunsten schwarzer Komödie, surrealem Horror, sleazigem Thriller oder Action-Krimi kippen.
Der schwarz lackierte „Ferat Vampir“, ein Skoda aus der Supersport-Reihe, wacht über alldem wie eine dunkle Eminenz und verleiht dem Film Charakter und Schnitt, ohne selbst so sehr Anthropomorphismen zu unterliegen wie seine berühmten Filmstar-Kollegen auf vier Rädern (schon gar nicht wie der schwarze Trans-Am, der mit vielen Ähnlichkeiten im Design kurz darauf in einer albernen SciFi-Action-Krimiserie in den USA gegen das Verbrechen kämpfte). Vielmehr ist er das Resultat einer vom Menschen erschaffenen, blutsaugenden Industrie.
Zurück bleiben Dinge, die man vorher unter Garantie als Cronenberg-Patente eingestuft hätte: abgefressene Fußsohlen, nicht-ergonomische, dem Körper widersprechende Bedieninstrumente, metallisch-organische Verbindungen und Autorennen mit fatalem Ausgang. Dazu gesellen sich surreale Besuche in der Leichenhalle mit unkonventionellen Ritualen (zur Begrüßung ein Biss in die Hand – wer kennt es nicht?) und ein Hauch von Trash – eine betörende Mischung.
Holidays - Surviving Them Is Hell
Jedem Feiertag wohnt etwas Böses inne, dachten sich neun Regisseure und erdachten prompt sieben Kurzgeschichten für sieben Feiertage, die sich hier zur Anthologie "Holidays" vereinen. Was den Zuschauer vor ein schwieriges Rätsel stellt: Was ist eigentlich der beste Zeitpunkt des Jahres, um sich so etwas anzusehen?
Hat man sich einmal auf ein passendes Datum geeinigt (ich empfehle als Kompromiss die kalten Januartage; wer ganz hart drauf ist, macht es vielleicht im feiertagslosen Juni), so trifft man auf eine recht traditionelle Ansammlung von Erzählungen, deren stumpfe Pointen typisch sind für die weniger liebevollen Vertreter dieser Filmgattung. So versuchen die meisten Beiträge, den symbolischen Grundgedanken des jeweiligen Feiertags auf pervertierte Art und Weise wörtlich zu nehmen. Die sture Übersetzung des Symbolischen ins Reale soll dabei für den Horror sorgen. Ausgerechnet der "Valentine's Day"-Auftakt ist dabei besonders plump geraten. Das ist allerdings auch dem wenig ergiebigen Thema anzurechnen, muss das Herz doch die wohl älteste Metapher der Menschheitsgeschichte sein. An dieser ersten Episode reizt allenfalls das völlig überzeichnete Mobbing im Sinne altbekannter High-School-Klischees; die Auflösung dagegen kündigt sich durch seinen Aasgeruch bereits lange vorher an.
"St. Patrick's Day" macht es da mit einer kreativen Regieleistung und vor allem einer teuflischen Jungdarstellerin etwas besser, könnte durch seine surreale, mit Wischeffekten und Doppelbildern versehene Inszenierung allerdings auch den ein oder anderen Zuschauer abschrecken, spätestens wenn er schließlich in einem esoterischen Heidentanz mündet.
Nicholas McCarthy hat mit "Easter" ohne Zweifel das coolste Monster der Sammlung zu bieten. Die Mischung aus Jesus-Zombie und Man-Bunny, die hier bei Nacht durch ein Wohnzimmer stolpert und kleine Küken aus den Wunden in seiner Hand verliert, bietet einen wahrhaft verstörenden Anblick, zumal nächtliche Aussichten auf mannsgroße Hasen in dunklen Wohnzimmern die Erinnerungen an "Donnie Darko" wachküssen. Dramaturgisch ist dieser Kurzfilm allerdings weniger ausgereift, fühlt er sich doch an wie ein aus dem Kontext gerissener Schnipsel aus einem Langspielfilm, der nie die Ehre hatte, gedreht zu werden.
Auch "Mother's Day" nimmt sein Sujet sehr wörtlich, bleibt aber dem mütterlichen Grundgedanken fern. Er konzentriert sich auf den biologischen Vorgang der Schwangerschaft, driftet allerdings am Ende ähnlich wie "St. Patricks Day" zu sehr in kultische Gefilde ab und hat überdies so wenige Schauwerte zu bieten, dass sich zumindest der finale Schockeffekt ein wenig hervorhebt.
Dem Muttertag gleich den Vatertag folgen zu lassen, liegt natürlich nahe (hoch lebe die Gleichberechtigung), das Resultat indes weicht stilistisch deutlich ab: Keiner der anderen Feiertage ist näher dran an den klassischen Twilight-Zone-Stories. Es gibt Audiobotschaften, Paralleldimensionen und jede Menge Farbfilter, ganz nach alter Hausmannskost. Eine metaphorische Lesart wird immerhin angeboten, jedoch nicht allzu spannend verpackt: Unter dem Strich bleibt die Suche einer Tochter nach ihrem Vater in Bezug auf die Handlung doch recht öde.
Dann hätten wir da noch "Halloween", zurechtgeklopft mit dem Holzhammer, der geschwungen wird vom wohl prominentesten Regisseur an Bord, Kevin Smith. Jenen scheint Halloween als solches nicht sonderlich zu interessieren (warum auch, mit "Tales Of Halloween" kann man sich ohnehin nicht messen). Seine Geschichte hätte ebenso gut vor dem Hintergrund jedes anderen Feiertags spielen können, was ihr durchaus eine interessante Meta-Stellung verleiht. Das karge Milieu-Setting mit Tarantino-Reißbrettcharakteren und unflätiger Gossensprache sammelt allerdings keine Sympathiepunkte. Entsprechend der Geschwätzigkeit dieses Kurzfilms basiert dann auch die Auflösung auf der Doppeldeutigkeit eines Oneliners, den man wahlweise schlagfertig oder primitiv finden kann.
Um Weihnachten kommt natürlich keine Feiertagssammlung herum, also läuft Seth Green in bester "Turbo Man"-Schwarzenegger-Manier am heiligen Vorabend durch die Gegend, um ein ganz besonderes Geschenk aufzutreiben - und sich dabei die Hände ordentlich schmutzig zu machen. Eine passable Folge, die zwar auf altbekannte Weise den wahren Sinn hinter dem Geschenkewahn hinterfragt, dabei aber auf visuell interessante Weise mit virtueller Realität experimentiert.
Den Schlusspunkt setzt logischerweise "New Year's Eve" mit einem Jahreswechsel, der zur Showbühne für Lorenza Izzo und Andrew Bowen wird. Ein richtiger Knaller ist auch diese Dating-Episode nicht, zumal man den Twist erneut Meilen gegen den Wind riecht, aber doch ein netter Kommentar zum Thema Einsamkeit - mit einem Schuss Psycho-Wahnsinn, der ironischerweise in so mancher Einstellung fast normaler wirkt als das sogenannte "perfekte Date".
Hardcover
Inwiefern die Beschreibungen aus einem fiktiven Roman einen Nachahmungseffekt in der Realität auslösen können, ist eine Frage, die zuletzt wohl im vergangenen Jahrhundert gestellt wurde. Bücher werden zwar nach wie vor gelesen, einen allzu starken Einfluss auf die Psyche der Leser traut man ihnen aber eher nicht mehr zu, sind doch Medien wie Videospiele, Filme und Internet der allgemeinen Wahrnehmung zufolge viel lauter, greller und somit potenziell gefährlicher. Wenn Tibor Takács in "I, Madman" also einen Wahnsinnigen aus einem Buch entspringen lässt, dann hat das dreißig Jahre später einen altbackenen, ja fast historischen Charme; als ob man der alten Stadtbibliothek neben dem neu eröffneten Virtual-Reality-Center bewusst den Vorzug gibt, weil man einfach in meditativer Stille den Duft und die Haptik der Seiten in sich aufnehmen will.
Was nicht bedeuten soll, dass Takács einen leisen Film gedreht habe. Türen werden aufgestoßen, Blitze erhellen die Nacht, der Wind stößt Fenster auf und die Fratze des Buhmanns pirscht sich in Vorbereitung auf einen saftigen Jump Scare aus dem Dunklen an. Die Nachahmer-Thematik wird auf offensive Weise in die Phantastik überführt, dank eines fast übernatürlich erscheinenden Monsters und einer fast Lovecraft'schen Versunkenheit in das erzählerische "Ich" des Romans, der sich nach und nach in der Welt einer Büchernärrin manifestiert.
Bezüglich des Spiels mit den Ebenen des Erfundenen und der Wirklichkeit ist es nicht einmal ein besonders raffinierter Film. Das Drehbuch ist relativ flach in seiner Struktur und lebt hauptsächlich von den unheimlichen Begegnungen bei Nacht, ungesehen von Freundeskreis und Polizei, die folglich nicht bereit sind, auch nur eine Minute an das Übernatürliche zu glauben. Es bleibt bei der Intimität zwischen dem Besucher und der Heimgesuchten, beeinflusst von frühen Vampirfilmen oder vielleicht auch dem "Phantom der Oper", dem Randall William Cooks Kreatur aus dem Roman nicht nur wegen seines entstellten Äußeren und seiner vermummten Erscheinung eine Menge Inspiration zu entziehen scheint.
Dementsprechend hat "I, Madman" seine Stärken vor allem im atmosphärischen Aufbau. Schon der Buchladen gibt eine wundervolle Kulisse ab mit all der Ware, die regelrecht die Treppen und Regale verstopft. Wenn Jenny Wright aber nachts alleine auf ihrer Couch sitzt und im Buch schmökert, während sie den prasselnden Regen bei geöffnetem Fenster mit Blick zum Hof als stimmungsvolle Untermalung nutzt, kommt sogar Hitchcock-Stimmung auf. Auch wenn es letztlich bei solchen Oberflächenreizen bleibt und das Potenzial der Story nicht genutzt werden kann, haben diese Stimmungselemente bis heute ihren Wert bewahrt, wenn nicht sogar gesteigert.
The Death Of Stalin
Natürlich bleibt einem der Klos im Hals stecken beim Gedanken an die Begleitumstände zur Zeit von Stalins Tod, so dass der herrlich trocken inszenierte Humor auch mal in Grabesstille versanden kann. Sicherlich haben die Opfer von Stalins Herrschaft es nicht verdient, nur im Off der Kamera zu leiden, ungehört und ungesehen vom Publikum, das sich derweil von einer politischen Farce unterhalten lässt, die sich quasi wie auf einer Theaterbühne abspielt. Doch fallen diese Aspekte gar nicht erst in das Wirken dieser bitterbösen Satire, die vielmehr dazu bestimmt ist, jeden Zug ihrer Schachfiguren zu ganz genau zu beobachten, anstatt den Blick neben das Feld zu werfen. "The Death Of Stalin" lebt von seiner allgegenwärtigen Atmosphäre der Furcht, die wie giftiger Nebel in den Kopf der Akteure steigt und sie zu willenlos hampelnden Marionetten ihrer eigenen Macht- und Geltungsgier macht. Armando Iannucci versteht es hervorragend, dieser beklemmenden Situation, in der jedes falsche Wort das letzte sein kann, komödiantisches Potenzial zu entlocken; und das nicht etwa, um sich über die russischen Machthaber oder deren Thronschubser lustig zu machen (nun ja, vielleicht ein wenig), sondern vielmehr um aufzuzeigen, wie schrecklich würdelos sich der Mensch verhält, wenn er dazu gezwungen ist, sich in einem Haifischbecken zu behaupten. Das Lachen über all die hochdekorierten Geier, Schlangen, Schweine und Koyoten in ihren Uniformen voller Medaillen kommt aus tiefster Galle, denn es ist nah genug an der Realität, dass man zugleich bitterlich mit dem Kopf schütteln möchte, aber doch auch wieder keine historisch korrekte Wiedergabe von Tatsachen.
Die darin liegende Diskrepanz wird von Akteuren wie Steve Buscemi, Jason Isaacs, Michael Palin oder Simon Russell Beale vortrefflich überbrückt. Grau oder kahl gewordene Amtsträger in Lauerstellung, die sich gegenseitig schwarze Peter oder zumindest bedeutungslose Aufgaben zuschieben, um sich selbst einen taktischen Vorteil zu verschaffen? Iannucci hat Recht: Das ist ebenso witzig wie tragisch.
Flucht vor dem Tode
Outlaw Bill Doolan war immerhin Begründer der Bande "The Wild Bunch", die nicht zuletzt durch Sam Peckinpah an Bekanntheit erlangt hat. Man hätte ihn sich aufgrund dessen vielleicht etwas einschüchternder vorgestellt, mehr als jemanden, der seines eigenen Schicksals Schmied ist. In "Return Of The Bad Men" (1948) mit Robert Armstrong und Randolph Scott ist er sogar Anführer der wohl berühmtesten "Kids" der Western-Geschichte, Sundance und Billy. Hier nun wird er wie ein Blatt im Wind von einer Situation zur nächsten getrieben und regelrecht zu seinen Entscheidungen genötigt. Gefangen in einer Schere zwischen den Auflagen des Gesetzes und den Trieben der eigenen Gruppe scheint der Verlauf seines Weges längst besiegelt; Audie Murphys jugendlich-weiche Gesichtszüge und seine schmale Statur entsprechen diesem Eindruck. Ob er nun unter den geifernden, buckelnden Halunken seiner eigenen Gruppe die Position zu halten hat oder den prüfenden Blicken der Fährtenleser entkommen muss, Herr der Lage ist er selten.
Doch es ist nicht Hauptdarsteller Murphy, sondern Regisseur Budd Boetticher, der diese Eindrücke letztlich zementiert. Sein erster Western von vielen legt bereits ein Mordstempo an den Tag. Schon in der Eröffnungsszene drehen sich die Dialoge um etwas, das bereits geschehen ist, bevor auch diese Szene in Windeseile zur Vergangenheit gehört, als sich im Minutentakt neue Situationen ergeben. Zufälle werden ebenso hastig wie Bekanntschaften gesponnen, kleine Ereignisse führen im Schnellvorlauf zu großen, ja selbst die Liebe, für die sich ein Revolverheld auch mal gerne mit seiner Angebeteten in den Sonnenuntergang legt, erblüht wie im Zeitraffer. Passenderweise adaptiert Boetticher, obgleich er es mit den Details nicht immer so genau nimmt, ausgerechnet den synchron ausgeführten Raubüberfall auf zwei Banken gleichzeitig; so etwas Abenteuerliches passt schließlich zur unverbindlichen Szenenmontage.
In der Konsequenz leiden natürlich Charakterzeichnung und andere Dinge, die einfach Zeit benötigen, wenn man sie ordentlich umsetzen möchte. Im besten Fall amüsiert man sich über den schelmenhaften Spießrutenlauf eines jungen Kerls, der gerade erst aus der Haft entlassen wurde und schon wieder ein halbes Dutzend neuer Coups auf der Tagesplanung stehen hat, doch zu oft ärgert man sich auch über unausgearbeitete, skizzenhafte Figuren, die das ungenutzte Potenzial in sich tragen, einen stärkeren Einfluss auf den Handlungsverlauf auszuüben. "Cimarron Kid" trägt die Züge eines Epos, das man um mehr als die Hälfte an essenzieller Vertiefung beschnitten hat. Übrig bleiben relativ actionreiche, aber auch sehr hölzerne Momente.
Knight Moves
Mit seiner Tendenz zu kühler Optik, lasziven Posen und aufgebauschtem Schauspiel gehört "Knight Moves" sicherlich zu den archetypischen Thrillern der 90er Jahre. Seine zeitliche Nähe zu "Basic Instinct" ist kein Zufall; damals wurden funkelnden Großstädten gerne die verrückten Regeln von Psychopathen aufgedrängt (vgl. auch "Die Hard With A Vengeance", 1995; "The Game", 1997). Charaktere werden dann zu Spielfiguren, Polizeiermittlungen zu (teils blinden) Spielzügen, Stadtviertel zu Spielfeldern. Mittendrin rätselhafte Tatorte mit ungewöhnlich drapierten Leichen, die sich wie Bilderrätsel lesen lassen, mit deren Hilfe man sich als Zuschauer aktiv an der Auflösung des Whodunit versuchen und eine Wette mit dem Film eingehen kann: Wetten, ich errate den Mörder, bevor du ihn entlarvst?
In dieser Disziplin erweist sich Carl Schenkels Arbeit allerdings als wenig geübt, hält die Enthüllung doch in keiner Weise den großen Klassikern dieser Zeit (zB. "Sieben", 1995) stand, selbst wenn man dieses kleine Detail unbeachtet lässt, das einen schon recht früh auf das richtige Pferd tippen lässt. In der Schwarzweiß-Eröffnung mit blutroten Credits und bedrohlichem Orchester ist immerhin etwas Exzentrisches verborgen, das trotzdem einen gewissen Genuss nach Guilty-Pleasure-Art verspricht, gerade jetzt, da Jahrzehnte vergangen sind und man jene Dinge zu schätzen lernt, die es so heute nicht mehr gibt, weil sie mit der Zeit zum Klischee wurden oder politisch einfach nicht mehr tragbar sind: Daniel Baldwin etwa, der die Hauptfigur permanent auf dem Kieker hat, oder das etwas abschätzige Frauenbild, das abgesehen von einem halben Dutzend Bettgespielinnen lediglich eine Psychologin in einem als weich empfundenen Beruf (gerade im Kontrast zu den harten Hunden vom Polizeirevier) vorzuweisen hat, die sich dann auch noch in die bis zum Ende zum Kreis der Verdächtigen zählende Hauptfigur verliebt (ganz wie im wahren Leben, waren die Beiden zum Zeitpunkt des Drehs doch bereits miteinander verheiratet). Die Art und Weise, wie Christopher Lambert das Schachgenie darstellt, wird heute auch höchstens noch von Nicolas Cage in seinen weniger bekannten B-Movies gepflegt und ist somit ebenfalls zum seltenen Vergnügen geworden.
Für Feinkost-Experten hat "Knight Moves" also vermutlich nicht allzu viel zu bieten; im Direktvergleich mit den großen Thrillern seiner Zeit ist er völlig zu Recht untergegangen. Überhaupt das Schachspiel zum Aufhänger der Story zu machen, eine der ältesten Spiele-Metaphern der Geschichte, zeugt von einer platten, reißerischen Taktik, die bis ins hektische Finale hinein auch voll durchgezogen wird. Doch das soll nicht daran hindern, die ganze Farce in all ihrer 90er-Jahre-Herrlichkeit zu genießen.
Der Grosse Eisenbahnraub
Klassisch-modern oder eben einfach zeitlos könnte man Michael Crichtons Herangehensweise an seine eigene Romanverfilmung bezeichnen. Nimmt man den "Grossen Eisenbahnraub" in eine Schere zwischen "Frankie und seine Spießgesellen" (1960) und "Ocean's 11" (2001), so muss man zur Feststellung gelangen, dass sich bei den lupenreinen Eigenschaften des Caper-Movies über Jahrzehnte hinweg fast nichts geändert hat. Sieht man von einigen langwierigen Passagen in der Schlüsselsuche ab, die den Hauptteil der Handlung ausmachen, so reichten Tempo und Schauwerte vermutlich auch noch heutigen Ansprüchen, was die Regie selbst 40 Jahre später noch taufrisch wirken lässt. Spannung und komödiantische Einlagen sorgen für einen wohlfühlenden Austausch von An- und Entspannung; bei der Beschaffung der Schlüssel zum begehrten Tresor wird exzessiv mit Timing und Zeitdruck gespielt, was insbesondere beim minutiös vorbereiteten und fast wie eine Plansequenz inszenierten Einbruch in eine Bahnhofsstation für so manchen Adrenalinschub sorgt. Ein solcher tritt ohnehin spätestens dann auf, wenn Sean Connery auf dem Höhepunkt des Films bei 90 Kilometern pro Stunde über ein Zugdach läuft und Hindernissen ausweicht. Im Vergleich mit den Materialschlachten, die man heute gewohnt ist, mag so ein vermeintlich simpler Stunt bescheiden sein, seine Wirkung verfehlt er allerdings nicht.
Den Star-Appeal hat das Gaunerstück aktuellen Filmen sogar weit voraus. Sean Connery und Donald Sutherland verströmen zusammen eine Präsenz, für die das Breitbild kaum ausreicht. Ihr Gentleman-Humor passt zur Heist-Thematik ebenso gut wie zur portraitierten Zeit, die dank opulenter Kostüme und Bauten regelrecht auflebt. Natürlich wird das Bild des sympathischen Gauners mit Herz in Tradition alter Robin-Hood-Sagen weiter gepflegt (wie sollte man einem Connery seine Schandtaten auch übel nehmen); insofern bewegt man sich stromlinienförmig durch das vorgedruckte Regelwerk. "Der Grosse Eisenbahnraub" ist sicher kein Film, der in irgendeiner Art und Weise dazu prädestiniert war, Geschichte zu schreiben, das Herz hat er aber am rechten Fleck.
David Lynch - The Art Life
Scheinbar unaufgefordert gibt David Lynch die Anekdoten seines Lebens zum Besten. Mit völlig nüchternem Tonfall arbeitet er sich durch die einzelnen Stationen seines Daseins. Seine Interviewpartner finden sich dabei völlig aus der Tonspur entfernt, aus dem Bild ohnehin. Auch wenn man die Regie und den Schnitt hinter der sorgfältig aufgebauten Dokumentation spürt, so erweckt sie doch den Anschein, ihrem Protagonisten völlig die Kontrolle überlassen zu wollen. Lynchs Stimme transzendiert in einen nie versiegenden Off-Kommentar, der unabhängig von externen Vorgaben agiert. Das jedenfalls könnte man beinahe glauben, denn in der Kombination aus biografischen Details und obskuren Erlebnisberichten ist eindeutig etwas verborgen, das man heute als "lynchesk" bezeichnen würde. Derweil ist der Lynch vor der Kamera von seinem akustischen Pendant völlig separiert, denn er spricht niemals und ergibt somit nie eine Einheit mit dem Sprecher, so dass nicht nur die Dokumentarfilmer eine Distanz zur Biografie erzeugen, sondern interessanterweise auch der Gegenstand der Biografie selbst. Auch schaut er nicht in die Kamera, sondern geht einfach der Arbeit in seinem Atelier auf den Hollywood Hills nach. So wie er umgeben ist von Tischen, Leinwänden und Werkzeugkästen, während er zumeist im Profil von der Seite gefilmt wird, entfaltet sich eine Szenerie wie aus einem kubistischen Picasso-Gemälde. Eine Aneinanderreihung flacher Kastenformen in idyllischer Umgebung (Staubwolken, die im hellen Licht tanzen, Materialien, die überall griffbereit liegen, so als stünde der Künstler mitten in seinem eigenen Malkasten), die bald überspült wird mit den Alpträumen von Lynchs Leinwänden und seiner ähnlich alptraumhaften Musik (wie erschienen auf den Alben "Crazy Clown Time" und "The Big Dream").
Die Fotos aus seiner Zeit als Kind, Jugendlicher und heranwachsender Mann verbinden sich organisch mit den Werken aus Malerei, Musik und Film; wer die nach eigener Aussage schöne und behütete Kindheit des Erschaffers so verstörender Werke als Widerspruch begreift, wagt damit vielleicht nur einen oberflächlichen Blick auf die Umstände zu werfen. Die über mehrere Jahre hinweg gedrehte Dokumentation ist um die Erläuterung der Kontexte jedoch ebenso bemüht wie um Zurückhaltung, so dass man am Ende zu einem Verständnis der Person gelangt, das in etwa der Traumlogik seiner Werke entspricht. Die dabei eingesetzten Hilfsmittel sind subtil, aber wirkungsvoll. Man sieht in einer verwackelten 8mm-Aufnahme aus der Kindheit einen weißen Zaun und fühlt sich sogleich an "Blue Velvet" erinnert; dann hält die Kamera aus dem fahrenden Auto auf eine Straße und prompt ruft man im Kopf die Bilder aus der Eröffnungs- und Endsequenz aus "Lost Highway" ab.
"The Art Life" bleibt in letzter Konsequenz angemessen distanziert, um das Gesamtwerk nicht zu entmystifizieren, gräbt andererseits aber an den tiefsten Wurzeln, ohne dass man dies besonders merken würde. Der Blick auf David Lynch verändert sich nicht grundlegend, wenn man sich bereits anderweitig mit seinem Werk beschäftigt hat, aber vielleicht wird das Milchglas ein wenig transparenter. Ein Balanceakt, den diese Biografie gekonnt ausführt.
Hotel Artemis
Eine weitere Apokalypse, von der man nichts mitbekommt außer die Randerscheinungen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es ist kostengünstig und regt im besten Fall auch noch die Vorstellungskraft an. Der Nachteil: Wenn man sich dumm anstellt, sieht es so aus, als wolle man sich einfach nur billig um die eigentlichen Schauwerte drücken.
Auf das "Hotel Artemis" jedenfalls fällt höchstens hin und wieder mal der Scheinwerfer, wenn sich zufällig eine abgefeuerte Leuchtrakete ins Viertel verirrt oder schwer gepanzerte Cops (der martialischen Judge-Dredd-Schule) einen Gesetzesbrecher um den Block jagen, in dem das marode wirkende Gebäude sich versteckt wie ein Transformer im Vorgarten. Ein paar Bankräuber mit futuristischen Totenkopfmasken lassen das Chaos von "The Dark Knight" wieder aufleben, während der neonfarbene Wahnsinn von draußen an das strikt abgeriegelte Gebäude hämmert, als werde gerade die Purge Night gefeiert. Innen hält Jodie Foster als Chef-Krankenschwester das Zepter, die wie ein greisenhaftes Überbleibsel ihrer "Panic Room"-Figur die Spreu vom Weizen trennt, indem sie souverän entscheidet, wer reingelassen wird und welche Regeln unter ihrer Obhut gelten. Sie ist nur wenige Sekunden im Bild, da ist bereits glasklar, dass sie nicht nur das schauspielerische Highlight des dystopischen Kammerspiels sein wird, sondern überhaupt jeden anderen Aspekt dieser Produktion übertrifft. Die Agoraphobie ihrer Rolle mag eine selbstzweckhafte Barriere um den eingeschränkten Geltungsbereich der Handlung ziehen, sie wird aber unverschämt gut gespielt. So gut sogar, dass man glauben könnte, dieser Film zimmert allen hart arbeitenden Kräften des Gesundheitswesens das längst überfällige Denkmal.
Obgleich der restliche Cast in der Pflicht steht, Tarantinoismen nicht aussterben zu lassen (wobei die Codenamen der Patienten basierend auf den vergebenen Zimmern mehr als hilfreich sind), tragen auch sie ihren Teil zur Unterhaltung bei. Bei hastigen Gelegenheitskonversationen in Gemeinschaftsräumen oder zwischen Tür und Angel ergeben sich fetzige Wortgefechte, die fast mehr Action austeilen als die eigentliche physische Variante, die sich in ein paar Kabinettstückchen wie kurzen Schießereien, Handgemengen und artistischen Martial-Arts-Einlagen (im Abendkleid) erschöpfen. Dabei werden diverse Stereotypen so künstlich am Leben erhalten wie der angeschossene Bankräuber im Operationssaal: Zachary Quinto etwa als aggressives Papasöhnchen mit Psycho-Potenzial, Jeff Goldblum als enigmatischer Gangsterboss, der nicht einmal mehr furchteinflößend auftreten muss, um sich des Respekts seines Umfelds sicher zu sein, oder Charlie Day als legitimer Nachfolger von Rob Schneider. Nur Dave Bautista ist irgendwie sein ganz eigenes Klischee, ein knuddeliger Riese, der dem Modell Türsteher etwas Herzliches hinzufügt, das man immer wieder gerne sieht.
Während das in düstere Ecken versunkene und nur von den grellen Signalfarben der eigenen Reklametafel beleuchtete Hotel eine durchaus stimmungsvolle Kulisse abgibt, weiß das Drehbuch mit der ewigen Mexican-Standoff-Situation allerdings leider recht wenig anzufangen. Erinnerungsstücke aus der Vergangenheit werden umständlich an das situative Szenario montiert und die Motivation der Figuren bleibt vergleichsweise oberflächlich. Dass man wenig darüber erfährt, was da draußen vor sich geht, wirkt dadurch weniger geheimnisvoll als vielmehr unbefriedigend. Die Regie lässt darüber hinaus eine klare Linie vermissen, verirrt sich immer wieder in Sackgassen und trägt dazu bei, dass den gar nicht so dummen nächtlichen Smalltalks nicht mehr Tiefe zu entnehmen ist. Wenn man bedenkt, welche Dinge ein Alfred Hitchcock bis Sonnenaufgang in einem Apartment mit einem Mörder, einer Leiche und einigen Partygästen bewegen konnte; dagegen fühlt sich eine Nacht im Hotel Artemis an, als sei die Zeit stehen geblieben.
Deadgirl
Ein Hauch von „Kids“ weht durch die Kellergewölbe, in denen zwei Jugendliche eine nackte Unbekannte unter einer Plastikplane finden, nicht wissend, was sie nun mit ihrer ungewöhnlichen Entdeckung anstellen sollen (dass es sich in diesem Fall eigentlich um Twens handelt, könnte ein Indiz dafür sein, dass Kinder sich inzwischen mit dem Erwachsenwerden mehr Zeit lassen als noch in den 90ern). Die experimentelle Fantasy-Prämisse – eine unsterbliche Zombie-Braut - taugt dazu, nicht nur den moralischen Kompass der heranwachsenden Finder aus dem Takt zu bringen, sondern auch den Zeigefinger der empörten Moralinstanzen. Wo sich unreife Coming-Of-Ager nämlich an einer hilflosen Frau vergehen, ist Entrüstung vorprogrammiert. Insbesondere gilt dies, wenn dem Opfer auch noch sämtliche Züge eines mit Selbstbestimmung bedachten, menschlichen Wesens genommen werden, wenn es also quasi zum Vieh reduziert wird, das genutzt werden kann wie ein Gebrauchsgegenstand.
Manch einem genügt das vielleicht schon, den Stab über „Deadgirl“ zu brechen. Sofern man allerdings willens und in der Lage ist, Inhalt und Aussage getrennt voneinander zu betrachten, fällt auf, dass die Regie von Marcel Sarmiento und Gadi Harel eine beträchtliche Distanz zu den meist unmoralisch handelnden Figuren aufzubauen versteht. Weder fährt die Kamera voyeuristisch über den entblößten Körper Jenny Spains, noch macht sich die Form anderweitig zum Komplizen der Täter, wie man es erwarten würde, wären niedere Beweggründe im Spiel.
Dass dieser Spiegel einer perspektivlosen, selbstzerstörerischen Jugend keine höhere Relevanz erlangt, liegt allerdings nicht nur an dem schwierigen Thema; es fehlt vielleicht auch das Besondere im Detail, der finale Schliff im Dialogbuch beispielsweise oder das schauspielerische Vermögen, vielleicht auch einfach die Authentizität, die ein Larry Clark dank seiner Beobachtungsgabe aus Generationen bezog, die weit von seiner eigenen entfernt waren.
Gotti
Wenn man genau hinschaut, sieht man das Fegefeuer der Produktionshölle eifrig in den Hintergründen lodern. Es flackert im uneinheitlichen Szenenbild, in der Sprunghaftigkeit des willkürlich durch die Epochen hüpfenden Drehbuchs und der Lustlosigkeit der Akteure, die überhaupt nicht an ihre Rollen gebunden zu sein scheinen. Selbst als John Travolta sich in der Eröffnungssequenz nach House-Of-Cards-Art wie ein Moderator direkt an sein Publikum richtet, hinter ihm die Brooklyn Bridge zur imposanten Postkartenansicht aufgetürmt, versandet dieser initiale Aufputscher ganz merkwürdig im Nichts und verrät vom Fleck weg, dass es um einen echten Plan nicht gut bestellt ist.
Folglich wirkt diese Biografie über einen der ganz großen Namen der Cosa Nostra so, als habe sie im Grunde nichts Relevantes über ihn zu erzählen. Anstatt John Gotti tief auszuleuchten, wird seine Geschichte mit Scorsese-Standards aus der Gattung des Mafiafilms überschüttet, was den Hauptcharakter zur Holzmarionette werden lässt. Gesten werden im Kleinen imitiert und das Epische im Großen. Tragische Vorfälle im Umfeld des Gambino-Clans werden wie emotionale Trigger bedient, sie heischen aus kalter Berechnung um jede Träne, die der Zuschauer entbehren kann.
Travolta hat nicht viel entgegenzusetzen, um die Versäumnisse der Produktion zumindest mit einer spektakulären One-Man-Show vergessen zu machen; er bevorzugt es, sich hinter der durchaus gelungenen Maske zu verstecken, die immerhin jedem der beschriebenen Jahrzehnte einen anderen Mann zu servieren weiß. Spencer Lofranco chargiert als Gottis Sohn wie einer der Krays aus der jüngsten Verfilmung mit doppeltem Tom Hardy, der Rest erlangt höchstens die Wirkung von Abziehbildern der bekanntesten Darsteller von Mafiosi, von denen mit Joe Pesci einer im Laufe der Vorproduktion verprellt wurde.
Es fehlt an echtem Drama, destilliert aus einem individuell nachgezeichneten Lebenswerk einer Vita, die mit Sicherheit mehr Filmstoff hergegeben hätte. Dieser Gotti ist eine blasse Kopie filmischer Vorbilder und folglich nicht sein eigener Herr.
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Espen und die Legende vom Bergkönig
Ein hoffnungslos naives, gleichwohl angenehm von sämtlichen Herr-der-Ringe-Trends befreites Fantasy-Märchen aus dem tiefen Norwegen, das im Grunde nur durch seine gelegentlich eingesetzten Computereffekte dem aktuellen Jahrzehnt zuzuordnen ist. Einflüsse aus der germanischen und kaukasischen Folklore spiegeln sich in der Berglandschaft, die allerhand naturverbundene Kreaturen über ihre bemoosten Wanderflächen kreuchen lässt, während der leicht einfältige, aber gutherzige Titelheld eine Reise quasi "wie aus dem Märchenbuch" antritt, oder vielleicht auch wie aus "Donkey Kong": Es gilt schließlich, einen riesigen Rabauken aufzuspüren und die Prinzessin aus seinen Klauen zu befreien.
Gefilmt ist das Ganze in ansteckenden Signalfarben; die Bäume ertränken das Bild mit Chlorophyll, wie man es seit "Troll 2" nicht mehr gesehen hat. Der Himmel strahlt so kräftig, wie Dorothy ihn über dem Königreich Oz empfunden haben muss. Eine bewusst von naturalistischen Vorgaben abweichende Designentscheidung, mit der sich die Fantasy wieder in ein Wunderland verwandelt, das arm an Parallelismen zur Realität ist und dafür um so reicher an Ausdruck. Der verwunschene Wald, den Espen durchkreuzt, ist dabei gefüllt mit unverhofften Überraschungen, die das Drehbuch in autonome Einzelepisoden aufgliedert. Der Protagonist rennt mit dem Kopf durch die Wand wie einst Atreju in der "Unendlichen Geschichte", um ziemlich verrückte Dinge zu erleben, die sich in der Regel hinter unauffällig platzierten Brotkrumen verstecken - einem Korb voller goldener Äpfel beispielsweise, der die hungrigen Wanderer betört und einen Klassiker nach sich zieht, die nymphenhafte Verlockung schöner Frauen, hinter denen sich hässliche Kreaturen verbergen.
Ob die sklavische Einhaltung alter Märchentraditionen heute noch zieht, ist die andere Frage, zumal die vollkommene Illusion einer fremden Welt zumindest durch die Computereffekte verfehlt wird - man hätte hier vielleicht auch einfach mal wieder auf animatronische Effekte setzen können (wenn Straßenumzüge überdimensionale Pappfiguren zusammengebastelt bekommen, sollte das für eine Filmproduktion eigentlich auch keine unergründliche Kunst sein). Einen wahrhaftigen Märchenfilm ohne postmoderne Wendungen wie toughe Action-Prinzessinnen oder sprechende Esel allerdings hat man schon viele Jahre nicht gesehen - dafür gibt's einen Sonderbonus.
Absurd
Das höhlenmenschartige Make-Up aus „Anthropophagous“ mag verschwunden sein, doch der paralysierte Blick in den zornig-leeren Augen George Eastmans ist immer noch der gleiche. Man möchte gerne glauben, dass tief in der Motorik des bärtigen Unzerstörbaren die Gene des „Man-Eaters“ verborgen sind und seine Bewegungen koordinieren, erst recht, wenn er sich an den Spitzen eines Zauns ungeschickterweise die Bauchdecke aufreißt und erneut mit seinen eigenen Gedärmen konfrontiert wird. Wenn in der späteren Einordnung des Films Parallelen zum Maskenmann Michael Myers aus „Halloween“ gezogen wurden, dann liegt das vor allem daran, dass die zombiehafte, zur einer Artikulation jenseits stöhnender Laute nicht fähige Kreatur ihre Opfer mit einer vergleichbaren Hartnäckigkeit verfolgt und dabei allerhand Verletzungen einsteckt, ohne dass sie ihn nennenswert von seinem primitiven Ziel abbringen würden.
Joe D'Amatos Quasi-Sequel zu seinem Vorgängerfilm wird so zum Stalker-Movie mit gemütlichem Nordic-Walking-Tempo. Im günstigsten Fall erfreut man sich dabei an nächtlichen Impressionen einer kleinen Ortschaft nördlich von Rom, im ungünstigsten Fall nimmt „Absurd“ aber leider auch in Sachen Spannung und Aufregung deren Eigenschaften an. Es gibt wenig Attraktives an Setpieces wie Waldstraßen oder einem Kaff mit hochgeklappten Bürgersteigen, wo man allenfalls mal einen Alkoholiker mit seiner Flasche die Kreuzung überqueren sieht. Gerade die erste Hälfte wird so aufgrund ausbleibender Schauwerte zu einem wahren Geduldsspiel. Die zweite Hälfte könnte man dank der anschwellenden Dramaturgie zwar als die spannendere bezeichnen, die letzten Minuten sogar als brauchbaren Suspense (wegen des strategisch eingesetzten Handicap-Final-Girls mitsamt „Child in Distress“), doch zu diesem Zeitpunkt haben die absolut regelmäßig, fast schon rhythmisch eingesetzten Gore-Effekte einem das Hirn schon völlig bräsig gemacht. Eine Szene rund um einen Backofen sticht zwar mit ihrem zur Schau gestellten Sadismus heraus, ansonsten dominiert aber das typische Posieren für die Kamera in Ekelsituationen, wenn Eastman beispielsweise gefühlte Minuten mit angewinkeltem Arm den rotierenden Bohrer hält, bevor er sich einen Ruck gibt und das Leiden seines Opfers endlich beendet. Hauptsache, die Bauern haben es schön lange spritzen sehen.
Wenn man das italienische Schmuddelkino nicht gerade aus Prinzip vergöttert, wird man wohl trotz des versöhnlichen Finishs kaum mit Partylaune aus diesen 90 Minuten hervorgehen. Wenn Eastman seinen Foltereien so pünktlich nachgeht wie ein Fahrplan die Busse ankündigt, bleibt irgendwo der Spaß auf der Strecke.
Futureman - Season 1
Die Identifikationsfigur sei der Nerd! Seine Passion sei das Videospiel, sein Genre die Retro-SciFi! Möge er mit seinen wunderlichen Begleitern aus der Polygonwelt unzählige Zeitzonen durchkreuzen, auf dass die Autoren einen endlosen Vorrat an Filmzitaten einarbeiten können. Reichlich soll es zu lachen geben, eher über als mit dem milchgesichtigen Retter der Menschheit. So gebieten es jedenfalls die Experten von der Marktanalyse, sofern der US-Sender Hulu mit seiner neuen Serie einen kommerziellen Erfolg feiern möchte.
"Futureman" hat demnach einfach alles, was in den letzten Jahren beim Publikum eingeschlagen ist wie eine Bombe... und ziert sich nicht, das gesamte Arsenal schon in der Auftaktstaffel hemmungslos abzufeuern. Obwohl der SciFi-Action-Comedy-Mix auf altbekannte Rollenmuster vertraut, allen voran auf den jugendlichen Nixchecker, der vom Versager zum Helden des Tages wird, war wohl kaum ein Serienstart des vergangenen Jahres so typisch "2010er" wie dieser. Insbesondere betrifft das die ausgeprägte Affinität zu allem, was die 80er an Popkultur hinterlassen haben. Aufgrund der allgegenwärtigen Zeitreise-Thematik werden zwar auch mal die 40er oder 60er besucht, erwartungsgemäß spucken die 80er aber die meiste Lava und lassen allerlei unverblümte Zitate ins Bild regnen.
Dass es dabei an Werken wie "Zurück in die Zukunft" oder "Terminator" kein Weg vorbeiführen würde, war vorherzusehen, allerdings hätte man derart bekannte Meilensteine der Popkultur gerne noch subtiler in die Liste der Referenzen einbinden können. So keimt nun der Verdacht auf, dass man sein Publikum für dumm hält (was andererseits natürlich eine korrekte Beobachtung sein mag). Aber machen wir uns nichts vor, wenn der Held bei der Ankunft seiner zeitreisenden Besucher versehentlich auf selbige ejakuliert, ist im folgenden nicht viel Feingespür zu erwarten (ein Blick auf die Regisseursliste mit Seth Rogen erklärt dann auch einiges).
Trotz der bisweilen äußerst primitiven Gangart ist die Einbettung der virtuellen Welt in die unterschiedlichen Zeitebenen der Realität aber streckenweise erstaunlich witzig geraten, was hauptsächlich am gut harmonierenden Main Cast liegt. Josh Hutcherson ist als Mischung aus Marty McFly ("Zurück in die Zukunft") und Morty ("Rick & Morty") die ideale Identifikationsfigur für die durchschnittliche Couchkartoffel. In triangulärer Verbindung mit seinen Co-Stars fungiert er quasi als Weichstelle, die zum Auffanglager für alle Arten von Gags wird. Eliza Coupe könnte auch eine Warrior Princess in der geplanten "He-Man"-Verfilmung spielen, zumal sie die dafür notwendige Ironie unter Beweis stellt. Derek Wilson serviert derweil eine Karikatur von Actionhelden der Marke Michael Biehn und generiert durch den gezielten Bruch von Männlichkeitsregeln einige der größten Lacher, bevor er die Kurbel gegen Ende dann doch ein wenig überspannt. Hinzu gesellen sich schrille Nebenfiguren, von Akteuren wie Keith David, Haley Joel Osmont oder Ed Begley, Jr. teils mit der gleichen Lust an der Selbsterniedrigung verkörpert wie sie Hutchinson an den Tag legt.
Dass die Produktion offenbar nicht über ein grenzenloses Budget verfügte, verstärkt sogar noch einmal den parodistischen Effekt, hat man doch mitunter das Gefühl, eine Reihe von trashigen Kurzfilmen mit Stock Footage und anderen Handicaps zu sehen. Auf ein einheitliches Produktionsdesign oder runde Storybögen wurde anscheinend auch weniger Wert gelegt als auf ereignisreiche Drehbücher mit überraschenden Wendungen. Hier hat man sich vielleicht ein Beispiel an "Ash vs Evil Dead" genommen und versucht, dessen Rhythmus auf ein neues Genre zu übertragen. Hier wie dort ist das mit vergleichbaren Problemen verbunden, die aber stets zuverlässig zu frischen Ideen führen; alleine James Camerons Haus in der Zukunft (mitsamt künstlicher Intelligenz SIGORN-E) ist die investierte Zeit wert.
Aller Konventionsbrüche zum Trotz ist einem Produkt wie "Futureman" die Marktkalkulation natürlich von der Nase abzulesen. Das gut aufeinander abgestimmte Hauptdarstellertrio sorgt aber dafür, dass die ganze Nummer am Ende nicht zu berechnend wirkt.
Penny Dreadful - Season 2
Groschenromane mögen vielleicht davon leben, dass ihre reißerischen Geschichten völlig unverbindlich und zusammenhanglos miteinander in einen Kontext gesetzt werden. Der ersten Staffel von "Penny Dreadful" hat diese Vorgabe nicht viel gebracht. Das unkontrollierte Nebeneinander der berühmtesten Monster des viktorianischen Zeitalters erwies sich als großes Manko, wusste man den 10-Cent-Appeal der Konzeptidee doch kaum organisch in die edlen Produktionswerte einzubinden. Rückblickend wurde je nach Geschmack zu wenig Ironisches in die Präsentation gelegt oder eben einfach nicht genug Mühen in die Verknüpfung der Subplots, je nachdem, ob man die sensationelle Variante bevorzugte oder die geschmackvolle. Zurück blieben interessante Ansätze aus zweierlei Denkrichtungen, die sich gegenseitig egalisierten - und damit eine Serie, die auf hohem Niveau viele Möglichkeiten vergab.
Die zweite Staffel bietet diesbezüglich ein deutlich verbessertes Feintuning. Sie stellt somit in Aussicht, dass sich Pulp und Prunk nicht ausschließen müssen. "Penny Dreadful" sieht immer noch exquisit aus, nimmt die Schicksale der Geplagten nach wie vor ernst und weiß das wilde Durcheinander von Themenfeldern diesmal doch erstaunlich gut unter einen Hut zu bringen. Es ist fast so, als habe man das Spielfeld einmal neu sortiert und ließe das Repertoire an Figuren einfach von Neuem beginnen. So sind nun Charaktere fest miteinander verbunden, die zuvor nur am Rande miteinander agierten (Eva Green als Vanessa Ives und Josh Hartnett als Ethan Chandler), andere nehmen gleich ganz neue Rollen ein (Billie Piper als Lady Frankenstein) oder vertiefen die Anlagen, die sie in Staffel 1 etablierten (Rory Kinnear als Frankenstein-Kreatur, Reeve Carney als Dorian Gray). Der dominante Main Plot rund um eine vampirische Bedrohung wurde im gleichen Verhältnis gegen einen diabolischen Hexenzirkel ausgetauscht. Und siehe da, plötzlich fließt alles ineinander. Spielend scheinen sich die Handlungsstränge zu umschlingen, selbst wenn sie ihrer Anlage nach unvereinbar erscheinen. Ab der sechsten Epsidoe explodieren als Folge dessen immer wieder kleine Höhepunkte innerhalb der Dramaturgie, bis zur finalen Konfrontation in Episode 10 ein nicht mehr endendes Feuerwerk. Visuelle Highlights wie der Blutball aus Episode 6 sind dabei ebenso behilflich wie die schaurig-schönen Settings, ein Hexenhaus in den Moorfeldern beispielsweise, ein Wachsfigurenkabinett oder die liebevoll ausgestattete Schlosskulisse.
Das alleine sorgt bereits für eine satte Aufwertung. Besiegelt wird diese noch durch das seltene Gefühl, einen runden Abschluss erleben zu dürfen. Nachdem alle Paukenschläge verklungen sind, wird nämlich auf Cliffhanger-Orgien verzichtet und die Energie stattdessen in gelungene Abschlüsse mit feinen Zwischentönen gelegt. Selbst, wenn keine dritte Staffel mehr gefolgt wäre, hätte der zweite Band also einen würdevollen Weg gefunden, den Buchdeckel zu schließen.
Rick & Morty - Season 3
Die Sitcom-Fassade hat "Rick & Morty" in seinem dritten Jahr im Grunde nicht mehr nötig. Anstatt die Storylines noch mühselig mit einem eröffnenden Akt im Familienhaus der Smiths nach klassischer Simpsons-Rezeptur in Position zu bringen, sind wir oft schon mittendrin in den hirnverknotenden Abenteuern des Mad Scientists und seines Sidekicks, wenn die erste Spielminute zu zählen beginnt. Man hat beim Einstieg das Gefühl, zu spät auf einer fetten Party angekommen zu sein, die längst voll im Gange ist. Minutenlang ist man also erst einmal beschäftigt damit, Zeit und Raum zu ordnen. Wo sind wir eigentlich und worum geht's heute? Für Rick & Morty der ganz normale Alltag, könnte man meinen; doch gerade die Routine wird in einer herzzerreißenden Ruhephase in einem Anfall von akuter Selbstreflektion gebrochen, wenn die Beiden in Schrei- und Heulkrämpfe ausbrechen, weil sie in diesem Höllentempo nicht weitermachen können.
Im krassen Widerspruch dazu schwingt sich die dritte Staffel erstmals spürbar zu Entwicklungen bei den Charakteren und zwischenmenschlichen Beziehungen auf. Obwohl der Wahnsinn rückblickend ein weiteres Mal auf die Spitze getrieben zu werden scheint, so schmuggeln sich doch immer wieder fast unbemerkt ruhigere Momente ein, die sich mit den Veränderungen im Leben der Familie befassen. Das traurige Single-Leben des Vaters wird ebenso beleuchtet wie die Bedürfnisse der Kinder nach Therapie und Selbstanalyse oder Ricks weichere Seiten. Erstaunlich, dass so etwas in gerade einmal 10x20 Minuten voller Doppelgänger, Paralleluniversen und um zehn Ecken gedachter Aliens überhaupt möglich ist.
Trotzdem reicht die Zeit wieder für völlig abgefahrene Gedankenexperimente. Herausragend natürlich die Gurken-Episode "Pickle Rick", die nicht zu Unrecht das Cover-Artwork ziert, könnte ihr Aufbau die Eigenschaften der kompletten Serie doch kaum treffender auf den Punkt bringen: Sie beginnt bei Null und steigert sich binnen Minuten in eine regelrechte Explosion von schrägen Einfällen.
The Walking Dead - Season 7
Der Akt äußerster Grausamkeit, mit dem die siebte Staffel eröffnet wird, kommt durch den Cliffhanger der sechsten Staffel zwar nicht unverhofft, trifft sein Ziel (unsere Empathie) jedoch mit voller Wucht. Derartige Gewaltexzesse in einer TV-Serie wären noch vor wenigen Jahren völlig unvorstellbar gewesen, insbesondere da sie aus niederen Beweggründen vom Menschen am Menschen begangen werden und Figuren treffen, die man einen langen Weg begleitet hat, dessen abruptes Ende den Überlebenskampf im ersten Moment völlig sinnlos erscheinen lässt. Entsprechend paralysiert reagieren die Verbleibenden auf die neue Situation, inklusive Anführer Rick, dessen Stärke und Selbstbewusstsein in dem Moment zerschlagen werden, als "Lucille" auf einen Schädel trifft. Der vorherrschende Status Quo ist von einer Sekunde auf die nächste völlig auf den Kopf stellt.
Dabei ist die Argumentation der Serienmacher durchaus schlüssig: Hätte man alles Explizite ausgespart, wäre der neue König unter den Antagonisten nicht der, der er ist. Negan (Jeffrey Dean Morgan), ein permanent milde lächelnder Soziopath mit Baseballschläger, ist nicht einfach irgendein aus dem Hut gezauberter neuer Gegenspieler; er bestimmt die neuen Regeln auf dem Spielfeld. Er legt die Restriktionen ebenso hart fest wie die Freiheiten, die Ricks gespaltene Gruppe in den folgenden Ereignissen erfährt. Seine anfangs noch schwer durchschaubare Persönlichkeit legt die Grundlage für alle nachfolgenden Entscheidungen der Machthabenden. Und mehr denn je wird die Zombieserie zum sozialen Experiment.
Es mag eine unbequeme Staffel sein, denn sie stellt schonungslos die Schwächen der Gruppe bloß, deren Werdegang wir seit sieben Jahren verfolgen - im Gegensatz zur sechsten Staffel, die dies nur unterschwellig tat. Die Machtlosigkeit des einst so starken Anführers wird immer wieder vorgeführt; Andrew Lincoln ist sehr damit beschäftigt, im Staub zu kriechen, zu flehen und um Gnade zu betteln. Den Balanceakt an der Schwelle zur Gebrochenheit untermalt er schauspielerisch immer wieder mit dem wild entschlossenen Blick aufkeimender Rebellion - ein Blick, der dem geschulten Auge seines offenbar intelligenten Gegners keineswegs entgeht.
Während sich zwischen Rick und Negan so ein psychologisches Schachduell entwickelt, das Nebenfiguren wie Carl, Daryl oder Eugene in Subplots geschickt als Bauern einsetzt, verschiebt das Hauptskript seinen Fokus immer mehr zwischen verschiedenen Gruppen aus Überlebenden, wobei neben Ricks Gruppe und den Saviors mit den Scavengers, Oceanside und dem Königreich drei bisweilen sehr exotische neue Vereinigungen eingeführt werden. Taktik und Strategie im Umgang mit Fremden, mit Feinden und Verbündeten nehmen eine zunehmend größere Rolle ein.
Mögen die Setpieces sich mit Alexandria und umliegender Waldlandschaft kaum geändert haben und weiter den Unmut enttäuschter ehemaliger Fans auf sich ziehen (ebenso wie die fortschreitende Bedeutungslosigkeit der Zombies, die dennoch mit viel Liebe zum Make-Up in Dutzenden durch die Gegend wanken), so unterscheidet sich Staffel 7 doch wieder grundlegend von allen anderen Staffeln. Ungeduldige Naturen mögen zwar die Position vertreten, dass der Fall "Negan" spätestens am Ende der Staffel hätte zu den Akten gelegt werden müssen, aber manchmal geht die Gleichung eben nicht so glatt auf, wie man sich das vorstellt. Das Pathos der letzten Episode lässt immerhin erschaudern und hält das Versprechen, dass die Karten auch für Staffel 8 wieder ganz neu gemischt werden.
Weitere Sichtungen:
Ant-Man And The Wasp
Aquaman
Escape Plan 2
Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer
Frankensteins Höllenbrut
Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster
Ghostland
Hereditary
Humanity Bureau, The
Mandy
Peelers
Pitchfork
Predator - Upgrade
Schneeflöckchen
Siberia - Tödliche Nähe
Stille Nacht, Horror Nacht
Strangers 2 - Opfernacht, The
Deadly Games
Dass wir heute vom Kevinismus sprechen anstatt von einem Thomasismus, liegt daran, dass „Kevin Allein zu Haus“ erstens eine amerikanische Mainstream-Produktion ist und zweitens aus dem recht simplen Konzept „schutzloser Junge verteidigt sich gegen Einbrecher“ mit bemerkenswerter Treffsicherheit eine Mischung aus Slapstick und weihnachtlicher Rührseligkeit anstimmt, der die Welt einfach nicht widerstehen konnte und kann. Der niedliche Blondschopf erhascht im Zuge der Verteidigung seines Hauses einen ersten Blick auf die Härte des wahren Lebens (in Form seiner ganz und gar nicht festlich gestimmten Gegner), was den Erwachsenen an den eigenen Moment des Erwachens aus der Kindheit erinnert – und das schöne Gefühl familiärer Geborgenheit um so willkommener erscheinen lässt.
Thomas aus dem französischen Thriller „Deadly Games“ gelangt schon ein Jahr vorher in eine ähnliche Situation, doch sein Versteckspiel mit einem psychopathischen Weihnachtsmann wird anders als das von Kevin nicht jedes Jahr zu Weihnachten im Free-TV ausgestrahlt. Möglicherweise, weil es weniger schöne Assoziationen hervorruft. In der stillen Vereinbarung zwischen dem Jungen und seinem geisteskranken Gegner (mit dem Gemüt eines Jungen), dass der Weihnachtsmann echt sei, liegt immerhin die Verleugnung der Realität verborgen, die zu zeigen René Manzor sich nicht scheut. Wenn der Film nicht auf Anhieb die Wärme eines brennenden Kamins verströmt, liegt das daran, dass er mit dem Stress und dem Überlebenskampf im Job einsteigt, der frappierende Ähnlichkeiten zur Simpsons-Weihnachtsepisode „Simpsons Roasting on an Open Fire“ aufweist, die ebenfalls im Jahr 1989 erstmals ausgestrahlt wurde.
Tatsächlich strömt die gesamte Handlung im folgenden eine melancholische Bitterkeit aus, obwohl die Handlung eigentlich genau wie beim amerikanischen Pendant auf Slapstick-Situationen ausgelegt ist. Das gesamte Anwesen wird von der Hauptfigur mit Referenzen zum Actionfilm der 80er Jahre gespickt. Es wird im Eiltempo von einem Raum zum nächsten geschlittert, über Geländer und durch Geheimgänge, wobei der Heimvorteil des Jungen gegenüber der körperlichen Überlegenheit des Mannes ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis herstellt. Und trotz des hohen Tempos ist immer Zeit für ein wenig Nächstenliebe. Alain Lalanne mag als Elfjähriger mit grausamer Vokuhila bisweilen wie ein unausstehlicher Rotzlöffel wirken, der Umgang mit seinem ebenfalls daheim verweilenden Großvater könnte aber liebevoller kaum sein. Und Patrick Floersheim liefert als unberechenbarer Eindringling eine unvergessene Leistung ab.
Der Autovampir
Jeder Autofahrer kennt dieses mulmige Gefühl, wenn er auf die Anzeige der Zapfsäule blickt und mit den Augen verfolgt, wie sich der zu zahlende Betrag mit jedem Tropfen Kraftstoff laufend erhöht. Die Nachkommastellen rotieren so schnell, dass jede Relation von Angebot und Preis verschwimmt. Zur Kasse geht man völlig benommen, aus dem Tritt gebracht durch diesen Akt des freiwilligen und doch sonderbar willenlosen Handelns. Vielleicht sind es gar nicht die aufsteigenden Dämpfe, wegen denen man sich beim Tanken so unbehaglich fühlt; vielleicht ist es einfach das Wissen, dass man gerade ausgesaugt wurde wie von einem Vampir.
Die Verbindung zwischen Automobil und Vampirismus ist eine abstrakte, voller Exzentrik und Absurdität. Somit hat man sie schnell als Trash eingeordnet, wo es doch schon problematisch genug ist, einem Publikum überhaupt menschliche Eigenschaften durch den Benzintank einzuflößen. Wenn der penetrante Tanklaster aus Spielbergs „Duell“, der diabolische Lincoln aus „The Car“ oder die eifersüchtige „Christine“ aus Carpenters King-Adaption menschliche Charakterzüge aufweisen, dann liegt das daran, dass ihnen vom Drehbuch die Fähigkeit zur Selbstbestimmung angedichtet wird und damit zum Ausbruch aus der autonomen Funktionsweise, die ein Auto eben zum Auto macht.
„Der Autovampir“ ist in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswert origineller Film, der sich mit solch geradlinigen Genre-Horrorfilmen über Autos weniger vergleichen lässt als mit wesentlich abstrakteren Filmkonzepten. Juraj Herz greift sich die wenig naheliegende Idee eines mit Blut betriebenen Autos völlig unbekümmert und verarbeitet sie zu einer bösen Satire über Medien (Paparazzi spielen eine entscheidende Rolle bei der Auswertung der Unfälle, die im Film stattfinden) und die Automobilindustrie, ohne Angst davor, die Verbindungslinie zwischen der Funktionsweise eines Automotors und vampirischen Verhaltensweisen könnte möglicherweise zu dünn sein.
Man muss sich also nicht wundern, wenn der Regisseur die Möglichkeiten, die ihm das Medium bietet, einfach nutzt. Noch zwei Jahre bevor David Cronenberg (der sich mit „Fast Company“ und „Crash“ selbst ebenfalls dem Thema Auto widmete) „Videodrome“ drehte, lässt Herz seine Hauptfigur mit dem Arm wie Butter durch die Motorhaube des Vampirautos greifen und nimmt damit bereits die berühmte Effektsequenz vorweg, in der James Woods eine Videokassette in die Bauchhöhle geschoben wird. Die Übergänge zwischen ernstzunehmendem Thriller und krudem B-Movie werden ebenso fließend vorangetrieben wie sie abrupt in den Film editiert werden. Hartes Metall wird einfach aufgeweicht, Mechanisches für Biologisches zugänglich gemacht. Das beginnt bei der Figurenzeichnung (allen voraus eine toughe Rettungswagenfahrerin und ein leicht zerstreut wirkender Arzt, der Licht in den surrealen Tunnel werfen möchte, in den er irgendwie geraten ist) und endet in groben Szenenwechseln, die mit harten Schnitten immer wieder die Stimmung zugunsten schwarzer Komödie, surrealem Horror, sleazigem Thriller oder Action-Krimi kippen.
Der schwarz lackierte „Ferat Vampir“, ein Skoda aus der Supersport-Reihe, wacht über alldem wie eine dunkle Eminenz und verleiht dem Film Charakter und Schnitt, ohne selbst so sehr Anthropomorphismen zu unterliegen wie seine berühmten Filmstar-Kollegen auf vier Rädern (schon gar nicht wie der schwarze Trans-Am, der mit vielen Ähnlichkeiten im Design kurz darauf in einer albernen SciFi-Action-Krimiserie in den USA gegen das Verbrechen kämpfte). Vielmehr ist er das Resultat einer vom Menschen erschaffenen, blutsaugenden Industrie.
Zurück bleiben Dinge, die man vorher unter Garantie als Cronenberg-Patente eingestuft hätte: abgefressene Fußsohlen, nicht-ergonomische, dem Körper widersprechende Bedieninstrumente, metallisch-organische Verbindungen und Autorennen mit fatalem Ausgang. Dazu gesellen sich surreale Besuche in der Leichenhalle mit unkonventionellen Ritualen (zur Begrüßung ein Biss in die Hand – wer kennt es nicht?) und ein Hauch von Trash – eine betörende Mischung.
Holidays - Surviving Them Is Hell
Jedem Feiertag wohnt etwas Böses inne, dachten sich neun Regisseure und erdachten prompt sieben Kurzgeschichten für sieben Feiertage, die sich hier zur Anthologie "Holidays" vereinen. Was den Zuschauer vor ein schwieriges Rätsel stellt: Was ist eigentlich der beste Zeitpunkt des Jahres, um sich so etwas anzusehen?
Hat man sich einmal auf ein passendes Datum geeinigt (ich empfehle als Kompromiss die kalten Januartage; wer ganz hart drauf ist, macht es vielleicht im feiertagslosen Juni), so trifft man auf eine recht traditionelle Ansammlung von Erzählungen, deren stumpfe Pointen typisch sind für die weniger liebevollen Vertreter dieser Filmgattung. So versuchen die meisten Beiträge, den symbolischen Grundgedanken des jeweiligen Feiertags auf pervertierte Art und Weise wörtlich zu nehmen. Die sture Übersetzung des Symbolischen ins Reale soll dabei für den Horror sorgen. Ausgerechnet der "Valentine's Day"-Auftakt ist dabei besonders plump geraten. Das ist allerdings auch dem wenig ergiebigen Thema anzurechnen, muss das Herz doch die wohl älteste Metapher der Menschheitsgeschichte sein. An dieser ersten Episode reizt allenfalls das völlig überzeichnete Mobbing im Sinne altbekannter High-School-Klischees; die Auflösung dagegen kündigt sich durch seinen Aasgeruch bereits lange vorher an.
"St. Patrick's Day" macht es da mit einer kreativen Regieleistung und vor allem einer teuflischen Jungdarstellerin etwas besser, könnte durch seine surreale, mit Wischeffekten und Doppelbildern versehene Inszenierung allerdings auch den ein oder anderen Zuschauer abschrecken, spätestens wenn er schließlich in einem esoterischen Heidentanz mündet.
Nicholas McCarthy hat mit "Easter" ohne Zweifel das coolste Monster der Sammlung zu bieten. Die Mischung aus Jesus-Zombie und Man-Bunny, die hier bei Nacht durch ein Wohnzimmer stolpert und kleine Küken aus den Wunden in seiner Hand verliert, bietet einen wahrhaft verstörenden Anblick, zumal nächtliche Aussichten auf mannsgroße Hasen in dunklen Wohnzimmern die Erinnerungen an "Donnie Darko" wachküssen. Dramaturgisch ist dieser Kurzfilm allerdings weniger ausgereift, fühlt er sich doch an wie ein aus dem Kontext gerissener Schnipsel aus einem Langspielfilm, der nie die Ehre hatte, gedreht zu werden.
Auch "Mother's Day" nimmt sein Sujet sehr wörtlich, bleibt aber dem mütterlichen Grundgedanken fern. Er konzentriert sich auf den biologischen Vorgang der Schwangerschaft, driftet allerdings am Ende ähnlich wie "St. Patricks Day" zu sehr in kultische Gefilde ab und hat überdies so wenige Schauwerte zu bieten, dass sich zumindest der finale Schockeffekt ein wenig hervorhebt.
Dem Muttertag gleich den Vatertag folgen zu lassen, liegt natürlich nahe (hoch lebe die Gleichberechtigung), das Resultat indes weicht stilistisch deutlich ab: Keiner der anderen Feiertage ist näher dran an den klassischen Twilight-Zone-Stories. Es gibt Audiobotschaften, Paralleldimensionen und jede Menge Farbfilter, ganz nach alter Hausmannskost. Eine metaphorische Lesart wird immerhin angeboten, jedoch nicht allzu spannend verpackt: Unter dem Strich bleibt die Suche einer Tochter nach ihrem Vater in Bezug auf die Handlung doch recht öde.
Dann hätten wir da noch "Halloween", zurechtgeklopft mit dem Holzhammer, der geschwungen wird vom wohl prominentesten Regisseur an Bord, Kevin Smith. Jenen scheint Halloween als solches nicht sonderlich zu interessieren (warum auch, mit "Tales Of Halloween" kann man sich ohnehin nicht messen). Seine Geschichte hätte ebenso gut vor dem Hintergrund jedes anderen Feiertags spielen können, was ihr durchaus eine interessante Meta-Stellung verleiht. Das karge Milieu-Setting mit Tarantino-Reißbrettcharakteren und unflätiger Gossensprache sammelt allerdings keine Sympathiepunkte. Entsprechend der Geschwätzigkeit dieses Kurzfilms basiert dann auch die Auflösung auf der Doppeldeutigkeit eines Oneliners, den man wahlweise schlagfertig oder primitiv finden kann.
Um Weihnachten kommt natürlich keine Feiertagssammlung herum, also läuft Seth Green in bester "Turbo Man"-Schwarzenegger-Manier am heiligen Vorabend durch die Gegend, um ein ganz besonderes Geschenk aufzutreiben - und sich dabei die Hände ordentlich schmutzig zu machen. Eine passable Folge, die zwar auf altbekannte Weise den wahren Sinn hinter dem Geschenkewahn hinterfragt, dabei aber auf visuell interessante Weise mit virtueller Realität experimentiert.
Den Schlusspunkt setzt logischerweise "New Year's Eve" mit einem Jahreswechsel, der zur Showbühne für Lorenza Izzo und Andrew Bowen wird. Ein richtiger Knaller ist auch diese Dating-Episode nicht, zumal man den Twist erneut Meilen gegen den Wind riecht, aber doch ein netter Kommentar zum Thema Einsamkeit - mit einem Schuss Psycho-Wahnsinn, der ironischerweise in so mancher Einstellung fast normaler wirkt als das sogenannte "perfekte Date".
Hardcover
Inwiefern die Beschreibungen aus einem fiktiven Roman einen Nachahmungseffekt in der Realität auslösen können, ist eine Frage, die zuletzt wohl im vergangenen Jahrhundert gestellt wurde. Bücher werden zwar nach wie vor gelesen, einen allzu starken Einfluss auf die Psyche der Leser traut man ihnen aber eher nicht mehr zu, sind doch Medien wie Videospiele, Filme und Internet der allgemeinen Wahrnehmung zufolge viel lauter, greller und somit potenziell gefährlicher. Wenn Tibor Takács in "I, Madman" also einen Wahnsinnigen aus einem Buch entspringen lässt, dann hat das dreißig Jahre später einen altbackenen, ja fast historischen Charme; als ob man der alten Stadtbibliothek neben dem neu eröffneten Virtual-Reality-Center bewusst den Vorzug gibt, weil man einfach in meditativer Stille den Duft und die Haptik der Seiten in sich aufnehmen will.
Was nicht bedeuten soll, dass Takács einen leisen Film gedreht habe. Türen werden aufgestoßen, Blitze erhellen die Nacht, der Wind stößt Fenster auf und die Fratze des Buhmanns pirscht sich in Vorbereitung auf einen saftigen Jump Scare aus dem Dunklen an. Die Nachahmer-Thematik wird auf offensive Weise in die Phantastik überführt, dank eines fast übernatürlich erscheinenden Monsters und einer fast Lovecraft'schen Versunkenheit in das erzählerische "Ich" des Romans, der sich nach und nach in der Welt einer Büchernärrin manifestiert.
Bezüglich des Spiels mit den Ebenen des Erfundenen und der Wirklichkeit ist es nicht einmal ein besonders raffinierter Film. Das Drehbuch ist relativ flach in seiner Struktur und lebt hauptsächlich von den unheimlichen Begegnungen bei Nacht, ungesehen von Freundeskreis und Polizei, die folglich nicht bereit sind, auch nur eine Minute an das Übernatürliche zu glauben. Es bleibt bei der Intimität zwischen dem Besucher und der Heimgesuchten, beeinflusst von frühen Vampirfilmen oder vielleicht auch dem "Phantom der Oper", dem Randall William Cooks Kreatur aus dem Roman nicht nur wegen seines entstellten Äußeren und seiner vermummten Erscheinung eine Menge Inspiration zu entziehen scheint.
Dementsprechend hat "I, Madman" seine Stärken vor allem im atmosphärischen Aufbau. Schon der Buchladen gibt eine wundervolle Kulisse ab mit all der Ware, die regelrecht die Treppen und Regale verstopft. Wenn Jenny Wright aber nachts alleine auf ihrer Couch sitzt und im Buch schmökert, während sie den prasselnden Regen bei geöffnetem Fenster mit Blick zum Hof als stimmungsvolle Untermalung nutzt, kommt sogar Hitchcock-Stimmung auf. Auch wenn es letztlich bei solchen Oberflächenreizen bleibt und das Potenzial der Story nicht genutzt werden kann, haben diese Stimmungselemente bis heute ihren Wert bewahrt, wenn nicht sogar gesteigert.
The Death Of Stalin
Natürlich bleibt einem der Klos im Hals stecken beim Gedanken an die Begleitumstände zur Zeit von Stalins Tod, so dass der herrlich trocken inszenierte Humor auch mal in Grabesstille versanden kann. Sicherlich haben die Opfer von Stalins Herrschaft es nicht verdient, nur im Off der Kamera zu leiden, ungehört und ungesehen vom Publikum, das sich derweil von einer politischen Farce unterhalten lässt, die sich quasi wie auf einer Theaterbühne abspielt. Doch fallen diese Aspekte gar nicht erst in das Wirken dieser bitterbösen Satire, die vielmehr dazu bestimmt ist, jeden Zug ihrer Schachfiguren zu ganz genau zu beobachten, anstatt den Blick neben das Feld zu werfen. "The Death Of Stalin" lebt von seiner allgegenwärtigen Atmosphäre der Furcht, die wie giftiger Nebel in den Kopf der Akteure steigt und sie zu willenlos hampelnden Marionetten ihrer eigenen Macht- und Geltungsgier macht. Armando Iannucci versteht es hervorragend, dieser beklemmenden Situation, in der jedes falsche Wort das letzte sein kann, komödiantisches Potenzial zu entlocken; und das nicht etwa, um sich über die russischen Machthaber oder deren Thronschubser lustig zu machen (nun ja, vielleicht ein wenig), sondern vielmehr um aufzuzeigen, wie schrecklich würdelos sich der Mensch verhält, wenn er dazu gezwungen ist, sich in einem Haifischbecken zu behaupten. Das Lachen über all die hochdekorierten Geier, Schlangen, Schweine und Koyoten in ihren Uniformen voller Medaillen kommt aus tiefster Galle, denn es ist nah genug an der Realität, dass man zugleich bitterlich mit dem Kopf schütteln möchte, aber doch auch wieder keine historisch korrekte Wiedergabe von Tatsachen.
Die darin liegende Diskrepanz wird von Akteuren wie Steve Buscemi, Jason Isaacs, Michael Palin oder Simon Russell Beale vortrefflich überbrückt. Grau oder kahl gewordene Amtsträger in Lauerstellung, die sich gegenseitig schwarze Peter oder zumindest bedeutungslose Aufgaben zuschieben, um sich selbst einen taktischen Vorteil zu verschaffen? Iannucci hat Recht: Das ist ebenso witzig wie tragisch.
Flucht vor dem Tode
Outlaw Bill Doolan war immerhin Begründer der Bande "The Wild Bunch", die nicht zuletzt durch Sam Peckinpah an Bekanntheit erlangt hat. Man hätte ihn sich aufgrund dessen vielleicht etwas einschüchternder vorgestellt, mehr als jemanden, der seines eigenen Schicksals Schmied ist. In "Return Of The Bad Men" (1948) mit Robert Armstrong und Randolph Scott ist er sogar Anführer der wohl berühmtesten "Kids" der Western-Geschichte, Sundance und Billy. Hier nun wird er wie ein Blatt im Wind von einer Situation zur nächsten getrieben und regelrecht zu seinen Entscheidungen genötigt. Gefangen in einer Schere zwischen den Auflagen des Gesetzes und den Trieben der eigenen Gruppe scheint der Verlauf seines Weges längst besiegelt; Audie Murphys jugendlich-weiche Gesichtszüge und seine schmale Statur entsprechen diesem Eindruck. Ob er nun unter den geifernden, buckelnden Halunken seiner eigenen Gruppe die Position zu halten hat oder den prüfenden Blicken der Fährtenleser entkommen muss, Herr der Lage ist er selten.
Doch es ist nicht Hauptdarsteller Murphy, sondern Regisseur Budd Boetticher, der diese Eindrücke letztlich zementiert. Sein erster Western von vielen legt bereits ein Mordstempo an den Tag. Schon in der Eröffnungsszene drehen sich die Dialoge um etwas, das bereits geschehen ist, bevor auch diese Szene in Windeseile zur Vergangenheit gehört, als sich im Minutentakt neue Situationen ergeben. Zufälle werden ebenso hastig wie Bekanntschaften gesponnen, kleine Ereignisse führen im Schnellvorlauf zu großen, ja selbst die Liebe, für die sich ein Revolverheld auch mal gerne mit seiner Angebeteten in den Sonnenuntergang legt, erblüht wie im Zeitraffer. Passenderweise adaptiert Boetticher, obgleich er es mit den Details nicht immer so genau nimmt, ausgerechnet den synchron ausgeführten Raubüberfall auf zwei Banken gleichzeitig; so etwas Abenteuerliches passt schließlich zur unverbindlichen Szenenmontage.
In der Konsequenz leiden natürlich Charakterzeichnung und andere Dinge, die einfach Zeit benötigen, wenn man sie ordentlich umsetzen möchte. Im besten Fall amüsiert man sich über den schelmenhaften Spießrutenlauf eines jungen Kerls, der gerade erst aus der Haft entlassen wurde und schon wieder ein halbes Dutzend neuer Coups auf der Tagesplanung stehen hat, doch zu oft ärgert man sich auch über unausgearbeitete, skizzenhafte Figuren, die das ungenutzte Potenzial in sich tragen, einen stärkeren Einfluss auf den Handlungsverlauf auszuüben. "Cimarron Kid" trägt die Züge eines Epos, das man um mehr als die Hälfte an essenzieller Vertiefung beschnitten hat. Übrig bleiben relativ actionreiche, aber auch sehr hölzerne Momente.
Knight Moves
Mit seiner Tendenz zu kühler Optik, lasziven Posen und aufgebauschtem Schauspiel gehört "Knight Moves" sicherlich zu den archetypischen Thrillern der 90er Jahre. Seine zeitliche Nähe zu "Basic Instinct" ist kein Zufall; damals wurden funkelnden Großstädten gerne die verrückten Regeln von Psychopathen aufgedrängt (vgl. auch "Die Hard With A Vengeance", 1995; "The Game", 1997). Charaktere werden dann zu Spielfiguren, Polizeiermittlungen zu (teils blinden) Spielzügen, Stadtviertel zu Spielfeldern. Mittendrin rätselhafte Tatorte mit ungewöhnlich drapierten Leichen, die sich wie Bilderrätsel lesen lassen, mit deren Hilfe man sich als Zuschauer aktiv an der Auflösung des Whodunit versuchen und eine Wette mit dem Film eingehen kann: Wetten, ich errate den Mörder, bevor du ihn entlarvst?
In dieser Disziplin erweist sich Carl Schenkels Arbeit allerdings als wenig geübt, hält die Enthüllung doch in keiner Weise den großen Klassikern dieser Zeit (zB. "Sieben", 1995) stand, selbst wenn man dieses kleine Detail unbeachtet lässt, das einen schon recht früh auf das richtige Pferd tippen lässt. In der Schwarzweiß-Eröffnung mit blutroten Credits und bedrohlichem Orchester ist immerhin etwas Exzentrisches verborgen, das trotzdem einen gewissen Genuss nach Guilty-Pleasure-Art verspricht, gerade jetzt, da Jahrzehnte vergangen sind und man jene Dinge zu schätzen lernt, die es so heute nicht mehr gibt, weil sie mit der Zeit zum Klischee wurden oder politisch einfach nicht mehr tragbar sind: Daniel Baldwin etwa, der die Hauptfigur permanent auf dem Kieker hat, oder das etwas abschätzige Frauenbild, das abgesehen von einem halben Dutzend Bettgespielinnen lediglich eine Psychologin in einem als weich empfundenen Beruf (gerade im Kontrast zu den harten Hunden vom Polizeirevier) vorzuweisen hat, die sich dann auch noch in die bis zum Ende zum Kreis der Verdächtigen zählende Hauptfigur verliebt (ganz wie im wahren Leben, waren die Beiden zum Zeitpunkt des Drehs doch bereits miteinander verheiratet). Die Art und Weise, wie Christopher Lambert das Schachgenie darstellt, wird heute auch höchstens noch von Nicolas Cage in seinen weniger bekannten B-Movies gepflegt und ist somit ebenfalls zum seltenen Vergnügen geworden.
Für Feinkost-Experten hat "Knight Moves" also vermutlich nicht allzu viel zu bieten; im Direktvergleich mit den großen Thrillern seiner Zeit ist er völlig zu Recht untergegangen. Überhaupt das Schachspiel zum Aufhänger der Story zu machen, eine der ältesten Spiele-Metaphern der Geschichte, zeugt von einer platten, reißerischen Taktik, die bis ins hektische Finale hinein auch voll durchgezogen wird. Doch das soll nicht daran hindern, die ganze Farce in all ihrer 90er-Jahre-Herrlichkeit zu genießen.
Der Grosse Eisenbahnraub
Klassisch-modern oder eben einfach zeitlos könnte man Michael Crichtons Herangehensweise an seine eigene Romanverfilmung bezeichnen. Nimmt man den "Grossen Eisenbahnraub" in eine Schere zwischen "Frankie und seine Spießgesellen" (1960) und "Ocean's 11" (2001), so muss man zur Feststellung gelangen, dass sich bei den lupenreinen Eigenschaften des Caper-Movies über Jahrzehnte hinweg fast nichts geändert hat. Sieht man von einigen langwierigen Passagen in der Schlüsselsuche ab, die den Hauptteil der Handlung ausmachen, so reichten Tempo und Schauwerte vermutlich auch noch heutigen Ansprüchen, was die Regie selbst 40 Jahre später noch taufrisch wirken lässt. Spannung und komödiantische Einlagen sorgen für einen wohlfühlenden Austausch von An- und Entspannung; bei der Beschaffung der Schlüssel zum begehrten Tresor wird exzessiv mit Timing und Zeitdruck gespielt, was insbesondere beim minutiös vorbereiteten und fast wie eine Plansequenz inszenierten Einbruch in eine Bahnhofsstation für so manchen Adrenalinschub sorgt. Ein solcher tritt ohnehin spätestens dann auf, wenn Sean Connery auf dem Höhepunkt des Films bei 90 Kilometern pro Stunde über ein Zugdach läuft und Hindernissen ausweicht. Im Vergleich mit den Materialschlachten, die man heute gewohnt ist, mag so ein vermeintlich simpler Stunt bescheiden sein, seine Wirkung verfehlt er allerdings nicht.
Den Star-Appeal hat das Gaunerstück aktuellen Filmen sogar weit voraus. Sean Connery und Donald Sutherland verströmen zusammen eine Präsenz, für die das Breitbild kaum ausreicht. Ihr Gentleman-Humor passt zur Heist-Thematik ebenso gut wie zur portraitierten Zeit, die dank opulenter Kostüme und Bauten regelrecht auflebt. Natürlich wird das Bild des sympathischen Gauners mit Herz in Tradition alter Robin-Hood-Sagen weiter gepflegt (wie sollte man einem Connery seine Schandtaten auch übel nehmen); insofern bewegt man sich stromlinienförmig durch das vorgedruckte Regelwerk. "Der Grosse Eisenbahnraub" ist sicher kein Film, der in irgendeiner Art und Weise dazu prädestiniert war, Geschichte zu schreiben, das Herz hat er aber am rechten Fleck.
David Lynch - The Art Life
Scheinbar unaufgefordert gibt David Lynch die Anekdoten seines Lebens zum Besten. Mit völlig nüchternem Tonfall arbeitet er sich durch die einzelnen Stationen seines Daseins. Seine Interviewpartner finden sich dabei völlig aus der Tonspur entfernt, aus dem Bild ohnehin. Auch wenn man die Regie und den Schnitt hinter der sorgfältig aufgebauten Dokumentation spürt, so erweckt sie doch den Anschein, ihrem Protagonisten völlig die Kontrolle überlassen zu wollen. Lynchs Stimme transzendiert in einen nie versiegenden Off-Kommentar, der unabhängig von externen Vorgaben agiert. Das jedenfalls könnte man beinahe glauben, denn in der Kombination aus biografischen Details und obskuren Erlebnisberichten ist eindeutig etwas verborgen, das man heute als "lynchesk" bezeichnen würde. Derweil ist der Lynch vor der Kamera von seinem akustischen Pendant völlig separiert, denn er spricht niemals und ergibt somit nie eine Einheit mit dem Sprecher, so dass nicht nur die Dokumentarfilmer eine Distanz zur Biografie erzeugen, sondern interessanterweise auch der Gegenstand der Biografie selbst. Auch schaut er nicht in die Kamera, sondern geht einfach der Arbeit in seinem Atelier auf den Hollywood Hills nach. So wie er umgeben ist von Tischen, Leinwänden und Werkzeugkästen, während er zumeist im Profil von der Seite gefilmt wird, entfaltet sich eine Szenerie wie aus einem kubistischen Picasso-Gemälde. Eine Aneinanderreihung flacher Kastenformen in idyllischer Umgebung (Staubwolken, die im hellen Licht tanzen, Materialien, die überall griffbereit liegen, so als stünde der Künstler mitten in seinem eigenen Malkasten), die bald überspült wird mit den Alpträumen von Lynchs Leinwänden und seiner ähnlich alptraumhaften Musik (wie erschienen auf den Alben "Crazy Clown Time" und "The Big Dream").
Die Fotos aus seiner Zeit als Kind, Jugendlicher und heranwachsender Mann verbinden sich organisch mit den Werken aus Malerei, Musik und Film; wer die nach eigener Aussage schöne und behütete Kindheit des Erschaffers so verstörender Werke als Widerspruch begreift, wagt damit vielleicht nur einen oberflächlichen Blick auf die Umstände zu werfen. Die über mehrere Jahre hinweg gedrehte Dokumentation ist um die Erläuterung der Kontexte jedoch ebenso bemüht wie um Zurückhaltung, so dass man am Ende zu einem Verständnis der Person gelangt, das in etwa der Traumlogik seiner Werke entspricht. Die dabei eingesetzten Hilfsmittel sind subtil, aber wirkungsvoll. Man sieht in einer verwackelten 8mm-Aufnahme aus der Kindheit einen weißen Zaun und fühlt sich sogleich an "Blue Velvet" erinnert; dann hält die Kamera aus dem fahrenden Auto auf eine Straße und prompt ruft man im Kopf die Bilder aus der Eröffnungs- und Endsequenz aus "Lost Highway" ab.
"The Art Life" bleibt in letzter Konsequenz angemessen distanziert, um das Gesamtwerk nicht zu entmystifizieren, gräbt andererseits aber an den tiefsten Wurzeln, ohne dass man dies besonders merken würde. Der Blick auf David Lynch verändert sich nicht grundlegend, wenn man sich bereits anderweitig mit seinem Werk beschäftigt hat, aber vielleicht wird das Milchglas ein wenig transparenter. Ein Balanceakt, den diese Biografie gekonnt ausführt.
Hotel Artemis
Eine weitere Apokalypse, von der man nichts mitbekommt außer die Randerscheinungen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Es ist kostengünstig und regt im besten Fall auch noch die Vorstellungskraft an. Der Nachteil: Wenn man sich dumm anstellt, sieht es so aus, als wolle man sich einfach nur billig um die eigentlichen Schauwerte drücken.
Auf das "Hotel Artemis" jedenfalls fällt höchstens hin und wieder mal der Scheinwerfer, wenn sich zufällig eine abgefeuerte Leuchtrakete ins Viertel verirrt oder schwer gepanzerte Cops (der martialischen Judge-Dredd-Schule) einen Gesetzesbrecher um den Block jagen, in dem das marode wirkende Gebäude sich versteckt wie ein Transformer im Vorgarten. Ein paar Bankräuber mit futuristischen Totenkopfmasken lassen das Chaos von "The Dark Knight" wieder aufleben, während der neonfarbene Wahnsinn von draußen an das strikt abgeriegelte Gebäude hämmert, als werde gerade die Purge Night gefeiert. Innen hält Jodie Foster als Chef-Krankenschwester das Zepter, die wie ein greisenhaftes Überbleibsel ihrer "Panic Room"-Figur die Spreu vom Weizen trennt, indem sie souverän entscheidet, wer reingelassen wird und welche Regeln unter ihrer Obhut gelten. Sie ist nur wenige Sekunden im Bild, da ist bereits glasklar, dass sie nicht nur das schauspielerische Highlight des dystopischen Kammerspiels sein wird, sondern überhaupt jeden anderen Aspekt dieser Produktion übertrifft. Die Agoraphobie ihrer Rolle mag eine selbstzweckhafte Barriere um den eingeschränkten Geltungsbereich der Handlung ziehen, sie wird aber unverschämt gut gespielt. So gut sogar, dass man glauben könnte, dieser Film zimmert allen hart arbeitenden Kräften des Gesundheitswesens das längst überfällige Denkmal.
Obgleich der restliche Cast in der Pflicht steht, Tarantinoismen nicht aussterben zu lassen (wobei die Codenamen der Patienten basierend auf den vergebenen Zimmern mehr als hilfreich sind), tragen auch sie ihren Teil zur Unterhaltung bei. Bei hastigen Gelegenheitskonversationen in Gemeinschaftsräumen oder zwischen Tür und Angel ergeben sich fetzige Wortgefechte, die fast mehr Action austeilen als die eigentliche physische Variante, die sich in ein paar Kabinettstückchen wie kurzen Schießereien, Handgemengen und artistischen Martial-Arts-Einlagen (im Abendkleid) erschöpfen. Dabei werden diverse Stereotypen so künstlich am Leben erhalten wie der angeschossene Bankräuber im Operationssaal: Zachary Quinto etwa als aggressives Papasöhnchen mit Psycho-Potenzial, Jeff Goldblum als enigmatischer Gangsterboss, der nicht einmal mehr furchteinflößend auftreten muss, um sich des Respekts seines Umfelds sicher zu sein, oder Charlie Day als legitimer Nachfolger von Rob Schneider. Nur Dave Bautista ist irgendwie sein ganz eigenes Klischee, ein knuddeliger Riese, der dem Modell Türsteher etwas Herzliches hinzufügt, das man immer wieder gerne sieht.
Während das in düstere Ecken versunkene und nur von den grellen Signalfarben der eigenen Reklametafel beleuchtete Hotel eine durchaus stimmungsvolle Kulisse abgibt, weiß das Drehbuch mit der ewigen Mexican-Standoff-Situation allerdings leider recht wenig anzufangen. Erinnerungsstücke aus der Vergangenheit werden umständlich an das situative Szenario montiert und die Motivation der Figuren bleibt vergleichsweise oberflächlich. Dass man wenig darüber erfährt, was da draußen vor sich geht, wirkt dadurch weniger geheimnisvoll als vielmehr unbefriedigend. Die Regie lässt darüber hinaus eine klare Linie vermissen, verirrt sich immer wieder in Sackgassen und trägt dazu bei, dass den gar nicht so dummen nächtlichen Smalltalks nicht mehr Tiefe zu entnehmen ist. Wenn man bedenkt, welche Dinge ein Alfred Hitchcock bis Sonnenaufgang in einem Apartment mit einem Mörder, einer Leiche und einigen Partygästen bewegen konnte; dagegen fühlt sich eine Nacht im Hotel Artemis an, als sei die Zeit stehen geblieben.
Deadgirl
Ein Hauch von „Kids“ weht durch die Kellergewölbe, in denen zwei Jugendliche eine nackte Unbekannte unter einer Plastikplane finden, nicht wissend, was sie nun mit ihrer ungewöhnlichen Entdeckung anstellen sollen (dass es sich in diesem Fall eigentlich um Twens handelt, könnte ein Indiz dafür sein, dass Kinder sich inzwischen mit dem Erwachsenwerden mehr Zeit lassen als noch in den 90ern). Die experimentelle Fantasy-Prämisse – eine unsterbliche Zombie-Braut - taugt dazu, nicht nur den moralischen Kompass der heranwachsenden Finder aus dem Takt zu bringen, sondern auch den Zeigefinger der empörten Moralinstanzen. Wo sich unreife Coming-Of-Ager nämlich an einer hilflosen Frau vergehen, ist Entrüstung vorprogrammiert. Insbesondere gilt dies, wenn dem Opfer auch noch sämtliche Züge eines mit Selbstbestimmung bedachten, menschlichen Wesens genommen werden, wenn es also quasi zum Vieh reduziert wird, das genutzt werden kann wie ein Gebrauchsgegenstand.
Manch einem genügt das vielleicht schon, den Stab über „Deadgirl“ zu brechen. Sofern man allerdings willens und in der Lage ist, Inhalt und Aussage getrennt voneinander zu betrachten, fällt auf, dass die Regie von Marcel Sarmiento und Gadi Harel eine beträchtliche Distanz zu den meist unmoralisch handelnden Figuren aufzubauen versteht. Weder fährt die Kamera voyeuristisch über den entblößten Körper Jenny Spains, noch macht sich die Form anderweitig zum Komplizen der Täter, wie man es erwarten würde, wären niedere Beweggründe im Spiel.
Dass dieser Spiegel einer perspektivlosen, selbstzerstörerischen Jugend keine höhere Relevanz erlangt, liegt allerdings nicht nur an dem schwierigen Thema; es fehlt vielleicht auch das Besondere im Detail, der finale Schliff im Dialogbuch beispielsweise oder das schauspielerische Vermögen, vielleicht auch einfach die Authentizität, die ein Larry Clark dank seiner Beobachtungsgabe aus Generationen bezog, die weit von seiner eigenen entfernt waren.
Gotti
Wenn man genau hinschaut, sieht man das Fegefeuer der Produktionshölle eifrig in den Hintergründen lodern. Es flackert im uneinheitlichen Szenenbild, in der Sprunghaftigkeit des willkürlich durch die Epochen hüpfenden Drehbuchs und der Lustlosigkeit der Akteure, die überhaupt nicht an ihre Rollen gebunden zu sein scheinen. Selbst als John Travolta sich in der Eröffnungssequenz nach House-Of-Cards-Art wie ein Moderator direkt an sein Publikum richtet, hinter ihm die Brooklyn Bridge zur imposanten Postkartenansicht aufgetürmt, versandet dieser initiale Aufputscher ganz merkwürdig im Nichts und verrät vom Fleck weg, dass es um einen echten Plan nicht gut bestellt ist.
Folglich wirkt diese Biografie über einen der ganz großen Namen der Cosa Nostra so, als habe sie im Grunde nichts Relevantes über ihn zu erzählen. Anstatt John Gotti tief auszuleuchten, wird seine Geschichte mit Scorsese-Standards aus der Gattung des Mafiafilms überschüttet, was den Hauptcharakter zur Holzmarionette werden lässt. Gesten werden im Kleinen imitiert und das Epische im Großen. Tragische Vorfälle im Umfeld des Gambino-Clans werden wie emotionale Trigger bedient, sie heischen aus kalter Berechnung um jede Träne, die der Zuschauer entbehren kann.
Travolta hat nicht viel entgegenzusetzen, um die Versäumnisse der Produktion zumindest mit einer spektakulären One-Man-Show vergessen zu machen; er bevorzugt es, sich hinter der durchaus gelungenen Maske zu verstecken, die immerhin jedem der beschriebenen Jahrzehnte einen anderen Mann zu servieren weiß. Spencer Lofranco chargiert als Gottis Sohn wie einer der Krays aus der jüngsten Verfilmung mit doppeltem Tom Hardy, der Rest erlangt höchstens die Wirkung von Abziehbildern der bekanntesten Darsteller von Mafiosi, von denen mit Joe Pesci einer im Laufe der Vorproduktion verprellt wurde.
Es fehlt an echtem Drama, destilliert aus einem individuell nachgezeichneten Lebenswerk einer Vita, die mit Sicherheit mehr Filmstoff hergegeben hätte. Dieser Gotti ist eine blasse Kopie filmischer Vorbilder und folglich nicht sein eigener Herr.
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Espen und die Legende vom Bergkönig
Ein hoffnungslos naives, gleichwohl angenehm von sämtlichen Herr-der-Ringe-Trends befreites Fantasy-Märchen aus dem tiefen Norwegen, das im Grunde nur durch seine gelegentlich eingesetzten Computereffekte dem aktuellen Jahrzehnt zuzuordnen ist. Einflüsse aus der germanischen und kaukasischen Folklore spiegeln sich in der Berglandschaft, die allerhand naturverbundene Kreaturen über ihre bemoosten Wanderflächen kreuchen lässt, während der leicht einfältige, aber gutherzige Titelheld eine Reise quasi "wie aus dem Märchenbuch" antritt, oder vielleicht auch wie aus "Donkey Kong": Es gilt schließlich, einen riesigen Rabauken aufzuspüren und die Prinzessin aus seinen Klauen zu befreien.
Gefilmt ist das Ganze in ansteckenden Signalfarben; die Bäume ertränken das Bild mit Chlorophyll, wie man es seit "Troll 2" nicht mehr gesehen hat. Der Himmel strahlt so kräftig, wie Dorothy ihn über dem Königreich Oz empfunden haben muss. Eine bewusst von naturalistischen Vorgaben abweichende Designentscheidung, mit der sich die Fantasy wieder in ein Wunderland verwandelt, das arm an Parallelismen zur Realität ist und dafür um so reicher an Ausdruck. Der verwunschene Wald, den Espen durchkreuzt, ist dabei gefüllt mit unverhofften Überraschungen, die das Drehbuch in autonome Einzelepisoden aufgliedert. Der Protagonist rennt mit dem Kopf durch die Wand wie einst Atreju in der "Unendlichen Geschichte", um ziemlich verrückte Dinge zu erleben, die sich in der Regel hinter unauffällig platzierten Brotkrumen verstecken - einem Korb voller goldener Äpfel beispielsweise, der die hungrigen Wanderer betört und einen Klassiker nach sich zieht, die nymphenhafte Verlockung schöner Frauen, hinter denen sich hässliche Kreaturen verbergen.
Ob die sklavische Einhaltung alter Märchentraditionen heute noch zieht, ist die andere Frage, zumal die vollkommene Illusion einer fremden Welt zumindest durch die Computereffekte verfehlt wird - man hätte hier vielleicht auch einfach mal wieder auf animatronische Effekte setzen können (wenn Straßenumzüge überdimensionale Pappfiguren zusammengebastelt bekommen, sollte das für eine Filmproduktion eigentlich auch keine unergründliche Kunst sein). Einen wahrhaftigen Märchenfilm ohne postmoderne Wendungen wie toughe Action-Prinzessinnen oder sprechende Esel allerdings hat man schon viele Jahre nicht gesehen - dafür gibt's einen Sonderbonus.
Absurd
Das höhlenmenschartige Make-Up aus „Anthropophagous“ mag verschwunden sein, doch der paralysierte Blick in den zornig-leeren Augen George Eastmans ist immer noch der gleiche. Man möchte gerne glauben, dass tief in der Motorik des bärtigen Unzerstörbaren die Gene des „Man-Eaters“ verborgen sind und seine Bewegungen koordinieren, erst recht, wenn er sich an den Spitzen eines Zauns ungeschickterweise die Bauchdecke aufreißt und erneut mit seinen eigenen Gedärmen konfrontiert wird. Wenn in der späteren Einordnung des Films Parallelen zum Maskenmann Michael Myers aus „Halloween“ gezogen wurden, dann liegt das vor allem daran, dass die zombiehafte, zur einer Artikulation jenseits stöhnender Laute nicht fähige Kreatur ihre Opfer mit einer vergleichbaren Hartnäckigkeit verfolgt und dabei allerhand Verletzungen einsteckt, ohne dass sie ihn nennenswert von seinem primitiven Ziel abbringen würden.
Joe D'Amatos Quasi-Sequel zu seinem Vorgängerfilm wird so zum Stalker-Movie mit gemütlichem Nordic-Walking-Tempo. Im günstigsten Fall erfreut man sich dabei an nächtlichen Impressionen einer kleinen Ortschaft nördlich von Rom, im ungünstigsten Fall nimmt „Absurd“ aber leider auch in Sachen Spannung und Aufregung deren Eigenschaften an. Es gibt wenig Attraktives an Setpieces wie Waldstraßen oder einem Kaff mit hochgeklappten Bürgersteigen, wo man allenfalls mal einen Alkoholiker mit seiner Flasche die Kreuzung überqueren sieht. Gerade die erste Hälfte wird so aufgrund ausbleibender Schauwerte zu einem wahren Geduldsspiel. Die zweite Hälfte könnte man dank der anschwellenden Dramaturgie zwar als die spannendere bezeichnen, die letzten Minuten sogar als brauchbaren Suspense (wegen des strategisch eingesetzten Handicap-Final-Girls mitsamt „Child in Distress“), doch zu diesem Zeitpunkt haben die absolut regelmäßig, fast schon rhythmisch eingesetzten Gore-Effekte einem das Hirn schon völlig bräsig gemacht. Eine Szene rund um einen Backofen sticht zwar mit ihrem zur Schau gestellten Sadismus heraus, ansonsten dominiert aber das typische Posieren für die Kamera in Ekelsituationen, wenn Eastman beispielsweise gefühlte Minuten mit angewinkeltem Arm den rotierenden Bohrer hält, bevor er sich einen Ruck gibt und das Leiden seines Opfers endlich beendet. Hauptsache, die Bauern haben es schön lange spritzen sehen.
Wenn man das italienische Schmuddelkino nicht gerade aus Prinzip vergöttert, wird man wohl trotz des versöhnlichen Finishs kaum mit Partylaune aus diesen 90 Minuten hervorgehen. Wenn Eastman seinen Foltereien so pünktlich nachgeht wie ein Fahrplan die Busse ankündigt, bleibt irgendwo der Spaß auf der Strecke.
Futureman - Season 1
Die Identifikationsfigur sei der Nerd! Seine Passion sei das Videospiel, sein Genre die Retro-SciFi! Möge er mit seinen wunderlichen Begleitern aus der Polygonwelt unzählige Zeitzonen durchkreuzen, auf dass die Autoren einen endlosen Vorrat an Filmzitaten einarbeiten können. Reichlich soll es zu lachen geben, eher über als mit dem milchgesichtigen Retter der Menschheit. So gebieten es jedenfalls die Experten von der Marktanalyse, sofern der US-Sender Hulu mit seiner neuen Serie einen kommerziellen Erfolg feiern möchte.
"Futureman" hat demnach einfach alles, was in den letzten Jahren beim Publikum eingeschlagen ist wie eine Bombe... und ziert sich nicht, das gesamte Arsenal schon in der Auftaktstaffel hemmungslos abzufeuern. Obwohl der SciFi-Action-Comedy-Mix auf altbekannte Rollenmuster vertraut, allen voran auf den jugendlichen Nixchecker, der vom Versager zum Helden des Tages wird, war wohl kaum ein Serienstart des vergangenen Jahres so typisch "2010er" wie dieser. Insbesondere betrifft das die ausgeprägte Affinität zu allem, was die 80er an Popkultur hinterlassen haben. Aufgrund der allgegenwärtigen Zeitreise-Thematik werden zwar auch mal die 40er oder 60er besucht, erwartungsgemäß spucken die 80er aber die meiste Lava und lassen allerlei unverblümte Zitate ins Bild regnen.
Dass es dabei an Werken wie "Zurück in die Zukunft" oder "Terminator" kein Weg vorbeiführen würde, war vorherzusehen, allerdings hätte man derart bekannte Meilensteine der Popkultur gerne noch subtiler in die Liste der Referenzen einbinden können. So keimt nun der Verdacht auf, dass man sein Publikum für dumm hält (was andererseits natürlich eine korrekte Beobachtung sein mag). Aber machen wir uns nichts vor, wenn der Held bei der Ankunft seiner zeitreisenden Besucher versehentlich auf selbige ejakuliert, ist im folgenden nicht viel Feingespür zu erwarten (ein Blick auf die Regisseursliste mit Seth Rogen erklärt dann auch einiges).
Trotz der bisweilen äußerst primitiven Gangart ist die Einbettung der virtuellen Welt in die unterschiedlichen Zeitebenen der Realität aber streckenweise erstaunlich witzig geraten, was hauptsächlich am gut harmonierenden Main Cast liegt. Josh Hutcherson ist als Mischung aus Marty McFly ("Zurück in die Zukunft") und Morty ("Rick & Morty") die ideale Identifikationsfigur für die durchschnittliche Couchkartoffel. In triangulärer Verbindung mit seinen Co-Stars fungiert er quasi als Weichstelle, die zum Auffanglager für alle Arten von Gags wird. Eliza Coupe könnte auch eine Warrior Princess in der geplanten "He-Man"-Verfilmung spielen, zumal sie die dafür notwendige Ironie unter Beweis stellt. Derek Wilson serviert derweil eine Karikatur von Actionhelden der Marke Michael Biehn und generiert durch den gezielten Bruch von Männlichkeitsregeln einige der größten Lacher, bevor er die Kurbel gegen Ende dann doch ein wenig überspannt. Hinzu gesellen sich schrille Nebenfiguren, von Akteuren wie Keith David, Haley Joel Osmont oder Ed Begley, Jr. teils mit der gleichen Lust an der Selbsterniedrigung verkörpert wie sie Hutchinson an den Tag legt.
Dass die Produktion offenbar nicht über ein grenzenloses Budget verfügte, verstärkt sogar noch einmal den parodistischen Effekt, hat man doch mitunter das Gefühl, eine Reihe von trashigen Kurzfilmen mit Stock Footage und anderen Handicaps zu sehen. Auf ein einheitliches Produktionsdesign oder runde Storybögen wurde anscheinend auch weniger Wert gelegt als auf ereignisreiche Drehbücher mit überraschenden Wendungen. Hier hat man sich vielleicht ein Beispiel an "Ash vs Evil Dead" genommen und versucht, dessen Rhythmus auf ein neues Genre zu übertragen. Hier wie dort ist das mit vergleichbaren Problemen verbunden, die aber stets zuverlässig zu frischen Ideen führen; alleine James Camerons Haus in der Zukunft (mitsamt künstlicher Intelligenz SIGORN-E) ist die investierte Zeit wert.
Aller Konventionsbrüche zum Trotz ist einem Produkt wie "Futureman" die Marktkalkulation natürlich von der Nase abzulesen. Das gut aufeinander abgestimmte Hauptdarstellertrio sorgt aber dafür, dass die ganze Nummer am Ende nicht zu berechnend wirkt.
Penny Dreadful - Season 2
Groschenromane mögen vielleicht davon leben, dass ihre reißerischen Geschichten völlig unverbindlich und zusammenhanglos miteinander in einen Kontext gesetzt werden. Der ersten Staffel von "Penny Dreadful" hat diese Vorgabe nicht viel gebracht. Das unkontrollierte Nebeneinander der berühmtesten Monster des viktorianischen Zeitalters erwies sich als großes Manko, wusste man den 10-Cent-Appeal der Konzeptidee doch kaum organisch in die edlen Produktionswerte einzubinden. Rückblickend wurde je nach Geschmack zu wenig Ironisches in die Präsentation gelegt oder eben einfach nicht genug Mühen in die Verknüpfung der Subplots, je nachdem, ob man die sensationelle Variante bevorzugte oder die geschmackvolle. Zurück blieben interessante Ansätze aus zweierlei Denkrichtungen, die sich gegenseitig egalisierten - und damit eine Serie, die auf hohem Niveau viele Möglichkeiten vergab.
Die zweite Staffel bietet diesbezüglich ein deutlich verbessertes Feintuning. Sie stellt somit in Aussicht, dass sich Pulp und Prunk nicht ausschließen müssen. "Penny Dreadful" sieht immer noch exquisit aus, nimmt die Schicksale der Geplagten nach wie vor ernst und weiß das wilde Durcheinander von Themenfeldern diesmal doch erstaunlich gut unter einen Hut zu bringen. Es ist fast so, als habe man das Spielfeld einmal neu sortiert und ließe das Repertoire an Figuren einfach von Neuem beginnen. So sind nun Charaktere fest miteinander verbunden, die zuvor nur am Rande miteinander agierten (Eva Green als Vanessa Ives und Josh Hartnett als Ethan Chandler), andere nehmen gleich ganz neue Rollen ein (Billie Piper als Lady Frankenstein) oder vertiefen die Anlagen, die sie in Staffel 1 etablierten (Rory Kinnear als Frankenstein-Kreatur, Reeve Carney als Dorian Gray). Der dominante Main Plot rund um eine vampirische Bedrohung wurde im gleichen Verhältnis gegen einen diabolischen Hexenzirkel ausgetauscht. Und siehe da, plötzlich fließt alles ineinander. Spielend scheinen sich die Handlungsstränge zu umschlingen, selbst wenn sie ihrer Anlage nach unvereinbar erscheinen. Ab der sechsten Epsidoe explodieren als Folge dessen immer wieder kleine Höhepunkte innerhalb der Dramaturgie, bis zur finalen Konfrontation in Episode 10 ein nicht mehr endendes Feuerwerk. Visuelle Highlights wie der Blutball aus Episode 6 sind dabei ebenso behilflich wie die schaurig-schönen Settings, ein Hexenhaus in den Moorfeldern beispielsweise, ein Wachsfigurenkabinett oder die liebevoll ausgestattete Schlosskulisse.
Das alleine sorgt bereits für eine satte Aufwertung. Besiegelt wird diese noch durch das seltene Gefühl, einen runden Abschluss erleben zu dürfen. Nachdem alle Paukenschläge verklungen sind, wird nämlich auf Cliffhanger-Orgien verzichtet und die Energie stattdessen in gelungene Abschlüsse mit feinen Zwischentönen gelegt. Selbst, wenn keine dritte Staffel mehr gefolgt wäre, hätte der zweite Band also einen würdevollen Weg gefunden, den Buchdeckel zu schließen.
Rick & Morty - Season 3
Die Sitcom-Fassade hat "Rick & Morty" in seinem dritten Jahr im Grunde nicht mehr nötig. Anstatt die Storylines noch mühselig mit einem eröffnenden Akt im Familienhaus der Smiths nach klassischer Simpsons-Rezeptur in Position zu bringen, sind wir oft schon mittendrin in den hirnverknotenden Abenteuern des Mad Scientists und seines Sidekicks, wenn die erste Spielminute zu zählen beginnt. Man hat beim Einstieg das Gefühl, zu spät auf einer fetten Party angekommen zu sein, die längst voll im Gange ist. Minutenlang ist man also erst einmal beschäftigt damit, Zeit und Raum zu ordnen. Wo sind wir eigentlich und worum geht's heute? Für Rick & Morty der ganz normale Alltag, könnte man meinen; doch gerade die Routine wird in einer herzzerreißenden Ruhephase in einem Anfall von akuter Selbstreflektion gebrochen, wenn die Beiden in Schrei- und Heulkrämpfe ausbrechen, weil sie in diesem Höllentempo nicht weitermachen können.
Im krassen Widerspruch dazu schwingt sich die dritte Staffel erstmals spürbar zu Entwicklungen bei den Charakteren und zwischenmenschlichen Beziehungen auf. Obwohl der Wahnsinn rückblickend ein weiteres Mal auf die Spitze getrieben zu werden scheint, so schmuggeln sich doch immer wieder fast unbemerkt ruhigere Momente ein, die sich mit den Veränderungen im Leben der Familie befassen. Das traurige Single-Leben des Vaters wird ebenso beleuchtet wie die Bedürfnisse der Kinder nach Therapie und Selbstanalyse oder Ricks weichere Seiten. Erstaunlich, dass so etwas in gerade einmal 10x20 Minuten voller Doppelgänger, Paralleluniversen und um zehn Ecken gedachter Aliens überhaupt möglich ist.
Trotzdem reicht die Zeit wieder für völlig abgefahrene Gedankenexperimente. Herausragend natürlich die Gurken-Episode "Pickle Rick", die nicht zu Unrecht das Cover-Artwork ziert, könnte ihr Aufbau die Eigenschaften der kompletten Serie doch kaum treffender auf den Punkt bringen: Sie beginnt bei Null und steigert sich binnen Minuten in eine regelrechte Explosion von schrägen Einfällen.
The Walking Dead - Season 7
Der Akt äußerster Grausamkeit, mit dem die siebte Staffel eröffnet wird, kommt durch den Cliffhanger der sechsten Staffel zwar nicht unverhofft, trifft sein Ziel (unsere Empathie) jedoch mit voller Wucht. Derartige Gewaltexzesse in einer TV-Serie wären noch vor wenigen Jahren völlig unvorstellbar gewesen, insbesondere da sie aus niederen Beweggründen vom Menschen am Menschen begangen werden und Figuren treffen, die man einen langen Weg begleitet hat, dessen abruptes Ende den Überlebenskampf im ersten Moment völlig sinnlos erscheinen lässt. Entsprechend paralysiert reagieren die Verbleibenden auf die neue Situation, inklusive Anführer Rick, dessen Stärke und Selbstbewusstsein in dem Moment zerschlagen werden, als "Lucille" auf einen Schädel trifft. Der vorherrschende Status Quo ist von einer Sekunde auf die nächste völlig auf den Kopf stellt.
Dabei ist die Argumentation der Serienmacher durchaus schlüssig: Hätte man alles Explizite ausgespart, wäre der neue König unter den Antagonisten nicht der, der er ist. Negan (Jeffrey Dean Morgan), ein permanent milde lächelnder Soziopath mit Baseballschläger, ist nicht einfach irgendein aus dem Hut gezauberter neuer Gegenspieler; er bestimmt die neuen Regeln auf dem Spielfeld. Er legt die Restriktionen ebenso hart fest wie die Freiheiten, die Ricks gespaltene Gruppe in den folgenden Ereignissen erfährt. Seine anfangs noch schwer durchschaubare Persönlichkeit legt die Grundlage für alle nachfolgenden Entscheidungen der Machthabenden. Und mehr denn je wird die Zombieserie zum sozialen Experiment.
Es mag eine unbequeme Staffel sein, denn sie stellt schonungslos die Schwächen der Gruppe bloß, deren Werdegang wir seit sieben Jahren verfolgen - im Gegensatz zur sechsten Staffel, die dies nur unterschwellig tat. Die Machtlosigkeit des einst so starken Anführers wird immer wieder vorgeführt; Andrew Lincoln ist sehr damit beschäftigt, im Staub zu kriechen, zu flehen und um Gnade zu betteln. Den Balanceakt an der Schwelle zur Gebrochenheit untermalt er schauspielerisch immer wieder mit dem wild entschlossenen Blick aufkeimender Rebellion - ein Blick, der dem geschulten Auge seines offenbar intelligenten Gegners keineswegs entgeht.
Während sich zwischen Rick und Negan so ein psychologisches Schachduell entwickelt, das Nebenfiguren wie Carl, Daryl oder Eugene in Subplots geschickt als Bauern einsetzt, verschiebt das Hauptskript seinen Fokus immer mehr zwischen verschiedenen Gruppen aus Überlebenden, wobei neben Ricks Gruppe und den Saviors mit den Scavengers, Oceanside und dem Königreich drei bisweilen sehr exotische neue Vereinigungen eingeführt werden. Taktik und Strategie im Umgang mit Fremden, mit Feinden und Verbündeten nehmen eine zunehmend größere Rolle ein.
Mögen die Setpieces sich mit Alexandria und umliegender Waldlandschaft kaum geändert haben und weiter den Unmut enttäuschter ehemaliger Fans auf sich ziehen (ebenso wie die fortschreitende Bedeutungslosigkeit der Zombies, die dennoch mit viel Liebe zum Make-Up in Dutzenden durch die Gegend wanken), so unterscheidet sich Staffel 7 doch wieder grundlegend von allen anderen Staffeln. Ungeduldige Naturen mögen zwar die Position vertreten, dass der Fall "Negan" spätestens am Ende der Staffel hätte zu den Akten gelegt werden müssen, aber manchmal geht die Gleichung eben nicht so glatt auf, wie man sich das vorstellt. Das Pathos der letzten Episode lässt immerhin erschaudern und hält das Versprechen, dass die Karten auch für Staffel 8 wieder ganz neu gemischt werden.
Weitere Sichtungen:
Ant-Man And The Wasp
Aquaman
Escape Plan 2
Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer
Frankensteins Höllenbrut
Frankensteins Kampf gegen die Teufelsmonster
Ghostland
Hereditary
Humanity Bureau, The
Mandy
Peelers
Pitchfork
Predator - Upgrade
Schneeflöckchen
Siberia - Tödliche Nähe
Stille Nacht, Horror Nacht
Strangers 2 - Opfernacht, The
Re: Filmtagebuch: Vince
Paterson
"Paterson", ein Film über einen poetisch veranlagten Busfahrer namens Paterson in der amerikanischen Stadt Paterson, macht von außen betrachtet womöglich den Anschein eines hochtrabenden Kunstfilms. Sein Trick ist es aber, genau das nicht zu sein. Es steckt nicht mehr Tiefsinn in der gezeigten Arbeitswoche oder der Art ihrer Präsentation als im Leben selbst; Routinen und Muster, wohin das Auge blickt, sich wiederholende Abläufe, die immerzu versprechen, spektakulär gebrochen zu werden; dies ist doch schließlich ein Film, da müssen doch Dinge passieren. Aber nichts dergleichen geschieht. Jim Jarmusch beobachtet einfach nur die Oberfläche der Existenz, lässt die künstliche Dramaturgie fast aller anderen Filme im Nichts verschwinden und setzt so die vielen kleinen Wirbel in den Vordergrund, die man beobachten kann, wenn man sich einfach mal auf das ungefilterte Hier und Jetzt konzentriert.
Der leeren Abläufe wegen ist "Paterson" aber noch längst kein leerer Film. Jarmusch gelingt es durch seine Beobachtungsgabe, soziale Muster auf den Punkt wiederzugeben, ohne dazu besondere Akzente setzen zu müssen. Alleine zwischen dem Busfahrer und seiner Ehefrau entfaltet sich eine wunderschöne Beschreibung verdrehter Harmonie, die zwischen introvertierten und extrovertierten Menschen entstehen kann, sowie der Zwänge und Macken, die mit beneidenswerter gegenseitiger Rücksichtnahme aufgefangen werden. Stundenlang könnte man Adam Driver und Golshifteh Farahani dabei zuhören, wie sie sich über kleine Ereignisse in ihrem Leben unterhalten, Tiefe und Substanz völlig in die Gestik verlagernd. Das Haushalten und Ausleben persönlicher Freiräume wird zum Strategiespiel zwischen Anforderungen des Berufs und Bedürfnissen des Partners.
Und so nimmt langsam auch der Film die Gestalt dessen an, was er so meisterlich zu beschreiben weiß. Nach dem metaphysisch angehauchten "Only Lovers Left Alive" ist "Paterson" wieder ein Jarmusch der 90er Jahre, in seinen Zwischenepisoden wie damals "Night On Earth" oder "Mystery Train" interessiert an Zufallsbegegnungen, aber diesmal fast noch mehr an der Rückkehr des Bekannten in Form von Gewohnheiten und gesellschaftlichen Regeln. Keine Elfenbeintürme, nur einfache Paar- und Kreuzreime, verfasst in einer universellen Sprache, die vom Kind bis zum Poeten überall verstanden wird.
Anon
Die Ängste der Vernetzungsgesellschaft sind spielbestimmend in der futuristischen Dystopie von "Anon". Andrew Niccol geht sowohl das Drehbuch als auch die Regie mit der Entdeckerfreude eines Ingenieurs an, der ein bis in die technischen Details komplett ausformuliertes Konzept zum Thema Überwachung und Anonymität ausgetüftelt hat und es nun seinem fachinteressierten Publikum als Modell präsentieren möchte. Dementsprechend wird zuerst viel theoretisiert und dann am praktischen Beispiel veranschaulicht. Nur die Hälfte der Zukunftsvision offenbart sich über erklärende Dialoge, die andere Hälfte wird über die handwerkliche Rekonstruktion am Fallbeispiel vermittelt, in diesem Fall einer Reihe von Mordfällen, die im irgendwo im Bereich des toten Punkts geschehen, den das eigentlich allgegenwärtige Auge des Gesetzes nicht im Blick hat. Es wird im Zuge dessen viel mit Kamerawinkeln gearbeitet, mit Perspektiven und räumlich-zeitlichen Abläufen. Die Auswertung von Daten ist Gegenstand der Handlung, was nicht weniger bedeutet, als dass der auf "Mittendrin statt nur dabei" geeichte Zuschauer sich damit begnügen muss, ebenso wie die ermittelnde Hauptfigur immer erst dann einzutreffen, wenn die eigentlichen Ereignisse bereits Vergangenheit sind. Einflüsse aus der jüngeren Computerspielgeschichte spiegeln sich in dieser Erzählstruktur; so erinnern die Methoden, auf die der Detective am Ort des Verbrechens zurückgreifen kann, an die virtuellen Gadgets der jüngsten Batman-Videospiele, wo man ebenfalls vergangene Geschehnisse vor- und zurückspulen konnte, um den Fall zu lösen.
Für eine Zukunftsvision, die sich derart zeitgenössischer Quellen bedient, überrascht allerdings das altbacken wirkende Produktionsdesign, das dem Hirn eines Architekten der 70er Jahre hätte entspringen können. Graue Hochhausreihen, dunkle Apartments, leere Straßen und die Abwesenheit einer Pflanzen- und Tierwelt sorgen für einen trostlosen Ausblick auf eine robotische Zukunft. Ungeduldige Naturen mögen das Freudlose in der Optik als Anlass nehmen, dem Vortragenden nicht mehr länger zuzuhören. Sie verlieren die Geduld, weil "Anon" relativ actionarm inszeniert ist und dafür, dass er nun nicht gerade zu den raffiniertesten SciFi-Konzepten der Filmgeschichte aufschließen kann, zu sehr ins Passive zwingt. Clive Owens Detective-Noir- und Amanda Seyfrieds Femme-Fatale-Spielart trägt auch nicht dazu bei, dass man sich schnell in die Situation eingedacht hat. Gesetzt den Fall, dass man sich gegen alle Widerstände trotzdem in das Konzept einzudenken bereit ist, bekommt man immerhin eine inhaltlich ausformulierte, technisch sauber dargebotene Dystopie geboten, die dem Drang der digitalisierten Welt nach totalitärer Überwachung die Meinung geigt wie es ein Vulkanier machen würde: Mit bestechender Logik.
Absurd
Das höhlenmenschartige Make-Up aus „Anthropophagous“ mag verschwunden sein, doch der paralysierte Blick in den zornig-leeren Augen George Eastmans ist immer noch der gleiche. Man möchte gerne glauben, dass tief in der Motorik des bärtigen Unzerstörbaren die Gene des „Man-Eaters“ verborgen sind und seine Bewegungen koordinieren, erst recht, wenn er sich an den Spitzen eines Zauns ungeschickterweise die Bauchdecke aufreißt und erneut mit seinen eigenen Gedärmen konfrontiert wird. Wenn in der späteren Einordnung des Films Parallelen zum Maskenmann Michael Myers aus „Halloween“ gezogen wurden, dann liegt das vor allem daran, dass die zombiehafte, zur einer Artikulation jenseits stöhnender Laute nicht fähige Kreatur ihre Opfer mit einer vergleichbaren Hartnäckigkeit verfolgt und dabei allerhand Verletzungen einsteckt, ohne dass sie ihn nennenswert von seinem primitiven Ziel abbringen würden.
Joe D'Amatos Quasi-Sequel zu seinem Vorgängerfilm wird so zum Stalker-Movie mit gemütlichem Nordic-Walking-Tempo. Im günstigsten Fall erfreut man sich dabei an nächtlichen Impressionen einer kleinen Ortschaft nördlich von Rom, im ungünstigsten Fall nimmt „Absurd“ aber leider auch in Sachen Spannung und Aufregung deren Eigenschaften an. Es gibt wenig Attraktives an Setpieces wie Waldstraßen oder einem Kaff mit hochgeklappten Bürgersteigen, wo man allenfalls mal einen Alkoholiker mit seiner Flasche die Kreuzung überqueren sieht. Gerade die erste Hälfte wird so aufgrund ausbleibender Schauwerte zu einem wahren Geduldsspiel. Die zweite Hälfte könnte man dank der anschwellenden Dramaturgie zwar als die spannendere bezeichnen, die letzten Minuten sogar als brauchbaren Suspense (wegen des strategisch eingesetzten Handicap-Final-Girls mitsamt Kind in Not), doch zu diesem Zeitpunkt haben die absolut regelmäßig, fast schon rhythmisch eingesetzten Gore-Effekte einem das Hirn schon völlig bräsig gemacht. Eine Szene rund um einen Backofen sticht zwar mit ihrem zur Schau gestellten Sadismus heraus, ansonsten dominiert aber das typische Posieren für die Kamera in Ekelsituationen, wenn Eastman beispielsweise gefühlte Minuten mit angewinkeltem Arm den rotierenden Bohrer hält, bevor er sich einen Ruck gibt und das Leiden seines Opfers endlich beendet. Hauptsache, die Bauern haben es schön lange spritzen sehen.
Wenn man das italienische Schmuddelkino nicht gerade aus Prinzip vergöttert, wird man wohl trotz des versöhnlichen Finishs kaum mit Partylaune aus diesen 90 Minuten hervorgehen. Wenn Eastman seinen Foltereien so pünktlich nachgeht wie ein Fahrplan die Busse ankündigt, bleibt irgendwo der Spaß auf der Strecke.
Trumbo
Die besten Filmbiografien sind immer noch jene, in denen es weniger um die Persönlichkeit geht als vielmehr um die Wechselwirkung mit ihrem Umfeld. „Trumbo“ gibt vor, den steinigen Weg eines begnadeten Drehbuchautoren nachzuzeichnen, blickt dem System Hollywood dabei aber still und heimlich mit prüfendem Blick unter die Haube... und attestiert ihm verheerende Gesundheitswerte, die höchstwahrscheinlich auch für das heutige System noch Gültigkeit besäßen.
Auch wenn in den letzten Minuten eine gewisse Bewunderung durchschlägt für den Mann, der gegen so viele Widerstände ankämpfen musste (eine offenbar unumgängliche Konvention dieser Filmsorte, die viel mit posthumer Würdigung zu tun hat), unter dem Strich geht es nicht darum, wie entschlossen Trumbo trotzdem seinen eigenen Weg ging. Vielmehr wird der Leuchtkegel auf die Verursacher gelenkt: Warum reflektiert die Oberfläche der glamourösen Starfabrik nicht den geringsten Funken Wahrheit darüber, nach welcher Logik sich die Zahnräder von innen tatsächlich drehen?
Noch heute werden einzelne Akteure aufgrund moralischer Verfehlungen öffentlichkeitswirksam an den Pranger gestellt und verurteilt von Institutionen, die im Grunde nur der eigenen Verurteilung entgehen möchten; wie das Schwarze Loch, das dem Mond seine dunkle Seite vorwirft. Zu Zeiten des Kalten Kriegs ging es dabei eben um kommunistisches Gedankengut, das zu zensieren sei. Die Metapher der Zensur ist allgegenwärtig: Über die Blacklist werden Drehbücher aus dem Verkehr gezogen, über das Ghostwriting Identitäten verschleiert. „Trumbo“ entwirft das glamouröse Bild eines stolzen Hollywood, so blütenweiß und vornehm wie Bogarts Smoking in „Casablanca“, dominiert von Hardlinern wie John Wayne (David James Elliott) und Hedda Hopper (Hellen Mirren). Es ist aber zugleich ein Ort der Angst vor der roten Bedrohung, nicht zuletzt vor der Macht des Wortes; schließlich könnte sich gerade ein Drehbuchautor relativ einfach Zugang zum Bewusstsein der Bevölkerung verschaffen und ihre Gedanken vergiften.
Der interessante Kniff des Skripts von „Trumbo“ liegt darin, dass das hier gezeichnete Hollywood trotz seiner Ängste und Vorbehalte auf Autoren wie Dalton Trumbo angewiesen ist. Das Prinzip der Ausnutzung wird hier kongenial auf den Kopf gestellt: Erscheint es zunächst so, als werde die Notlage des Autoren mit dem ruinierten Ruf ausgenutzt, so ist es tatsächlich er, der die Lücken im System angreift, und zwar effektiver als seine Arbeitskollegen, die sich in Verweigerung üben. Die daraus bezogene Genugtuung empfindet man natürlich ebenfalls nur durch das manipulative Drehbuch von John McNamara, nichtsdestotrotz ist es wohltuend, die Entwicklung zu verfolgen – insbesondere mit den teils wirklich brillant getroffenen Hollywood-Altstars, unter denen die Verkörperungen Edward G. Robinsons (Michael Stuhlbarg), Kirk Douglas' (Dean O'Gorman) und Otto Premingers (Christian Berkel) ganz besonders herausstechen. Auch Bryan Cranston ist wie immer ein Erlebnis.
Darüber hinaus lohnt sich „Trumbo“ einfach für jeden, der gerne auf die goldenen Zeiten der amerikanischen Filmbranche zurückblickt. Das Produktionsdesign ist eine Wucht. Süße Nostalgie ist durchaus erlaubt, wird aber mit einer großen Portion bitterem Gemüse gereicht. Alles im Sinne eines gesunden Rückblicks, aus dem man hoffentlich die entsprechenden Rückschlüsse für die Gegenwart zieht.
Polar
Die Screenshot-Tätowierer sind zurück! Von der Bildfläche verschwunden irgendwann Mitte der 2000er, als auch die härtesten Videotheken-Clerks endlich genug hatten von drittklassigen Pulp-Fiction-Trittbrettfahrern, feiern sie in der Graphic-Novel-Posse „Polar“ ihr Comeback. Endlich dürfen wir uns wieder auf eingefrorene Bildhintergründe freuen, die mit Brands der Rollennamen in altmodischer Textura-Schriftart getaggt werden. Dazu genießen wir den Fahrtwind des Zooms auf eine Villa mit Swimming Pool und das Stechen in den Augen beim Genuss der Farbpalette, die ausschließlich aus steilen Kontrasten besteht. Alles in allem eine Kombination, mit der die Entwicklung der letzten fünfzehn Jahre mit einem Wisch revidiert wird. Das gilt zumindest für Regisseur Jonas Åkerlund. Der steht jetzt nämlich prompt wieder auf dem Stand seines Regiedebüts „Spun“, das im Jahr 2002 noch eine respektable Arbeit war, heute aber stellvertretend für den nervig-überdrehten Umgang mit Farbfiltern, Schnitt und Kameraarbeit ist.
Keine guten Aussichten, um mit den offensichtlichen Vorbildern „John Wick“ und „The Equalizer“ mithalten zu können. Glück für Åkerlund: Er darf mit Mads Mikkelsen arbeiten. Und dessen Coolness rettet dann auch mal eben den kompletten Film. Ein degenerierter Kohlkopf, der sich selbst „Blut“ nennt und verkrampft auf links gedrehte Suicide Squads als Laufburschen auf die Straße schickt, sollte sich geehrt fühlen, dass ein richtiger Motherfucker wie Mad Mads stückweise seine Gefolgschaft dezimiert, bis nur noch der kleine Mann im hohen Schloss übrig ist. Das wortkarge Auftreten Mikkelsens, sinnbildlich gespiegelt durch ein friedliches Haus am See, ist zwar auch nur eine Masche, aber wenigstens eine, die funktioniert. Falls nötig, ist der Held der Geschichte traurig und verletzlich, bringt einen mit seinen merkwürdigen Marotten sogar zum Lachen (seine Angewohnheit, etwas störrisch abzulehnen und - nach einem effektvoll gesetzten Schnitt - dann doch widerwillig getan zu haben) und zeigt vor allem am Ende seinen weichen Kern. Aber wenn es die Situation erfordert, lässt er den Actionhelden in sich heraus und sorgt für einen anständigen Bodycount. „Polar“ kommt vielleicht etwas schwerer in die Gänge als die Herren Wick und McCall, aber wenn es einmal losgeht, gibt es kein Halten mehr. Zu diesem Zeitpunkt hat die Regie dann auch endlich Fahrt aufgenommen und nutzt den aufgebauten Boost, ohne noch einen Hänger zu riskieren.
Wenn man schließlich kurz vor dem Abspann mehr oder weniger gefragt wird, ob man denn gerne sehen möchte, wie Mikkelsen in einer Fortsetzung noch weitere Schurken über den Haufen ballert, verfällt man über diese Aussicht zwar nicht gerade in Jubelstürme. Vielleicht murmelt man aber leise vor sich hin: „would... bang... again“.
Cold Skin - Insel der Kreaturen
Xavier Gens' durchaus ambitionierte Parabel auf Völkerverständigung und Isolation scheitert bereits im Ansatz an seiner abgedroschenen erzählerischen Perspektive. Diese ist natürlich von der Ich-Perspektive aus Albert Sánchez Piñols Vorlage geerbt und auch inhaltlich begründet. Man kann den grüblerischen Denker mit Tinte und Feder regelrecht vor sich sehen; jenen stillen Beobachter, der sich voller Furcht seinen Weg zu Draculas Schloss bahnte, oder jenen, der an Bord des Walfangschiffs von Captain Ahab ging, um unglaubliche Abenteuer auf hoher See mit einem riesigen Wal für die Nachwelt zu dokumentieren. Er spricht zu uns wie zu einem guten Freund – verletzlich, offen und gierend nach Empathie.
Mit den richtigen Dialogen, Schauspielern und entsprechenden Bedingungen am Set (Kulisse, Beleuchtung, Kamera...) ließe sich aus diesem Ansatz natürlich immer noch einiges herausholen. „Cold Skin“ allerdings macht die Kunst der Konfrontation mit der eigenen Natur wider aller Bemühungen nicht greifbar. Weil er schlichtweg nicht unter die Haut geht.
Vielleicht ist schon das gewählte Bild nicht ganz geschickt gewählt: Fischmenschen wurden bereits mehrfach für ähnliche Zwecke genutzt, erst kürzlich wieder im oscarprämierten „The Shape Of Water“. Mit mäßig computeranimierten Horden nächtlich attackierender Wasserkreaturen kann man nur als Verlierer vom Platz gehen. Wenn nicht einmal die äußere Form der Parabel etwas Neues ist, wie kann es da der Inhalt sein?
Für die menschlichen Figuren gilt dies im gleichen Maß. Der brummige Einzelgänger, den Ray Stevenson zu spielen hat, ist mit all seinen Eigenschaften nicht der Erste seiner Art. Es hat nichts Originäres an sich, mehr über ihn und sein Verhältnis zu den Wesen zu erfahren. Das ist fatal, weil das über die nächtlichen Attacken strukturierte Drehbuch darauf ausgelegt ist, in jeder Nacht eine neue Facette des Charakters zu enthüllen. Auch Aura Garrido, die ein auf dem Leuchtturm geduldetes weibliches Exemplar der Angreifer spielt, kann nur wenig dazu beitragen, in dem Zusammenstoß der Kulturen eine bislang unentdeckte Besonderheit zu finden. Sämtliche Figuren stehen so im Dienste ihrer Rollenstereotypen. Es gelingt ihnen nicht, einmalige Charaktere zu erzeugen, von denen man etwas lernen könnte, das es in keinem Film zuvor jemals gegeben hätte.
So erstickt „Cold Skin“ letztlich an seinen eigenen hohen Ansprüchen, die er nicht erfüllen kann, weil in allen Disziplinen die letzte Besonderheit fehlt: Im Drehbuch, in der Charakterzeichnung und erst recht im Filmende, das so viel aussagt und doch so wenig.
Your Name - Gestern, heute und für immer
Kein Wunder, dass dieses romantische Coming-Of-Age-Drama die halbe Welt im Sturm erobert hat. Makoto Shinkai, kreativer Alleinverantwortlicher von „Your Name.“, lässt Wellen der visuellen Überwältigung über den Betrachter rollen und gedenkt nicht damit aufzuhören, bis der Abspann einsetzt. Die Animatoren erschaffen ein Meisterwerk emotionaler Manipulation. In zweidimensionaler Perspektive verharren sie, um sich dort in den kleinsten Details aus Bewegung und Struktur zu verlieren, um dann unvermittelt zu einer vogelfreien, unberechenbaren Kamerafahrt zu beschleunigen. Der gesamte Film scheint wie in Aufsicht gefilmt. Niemals ist der Blick in den Himmel verhangen. Wolken und andere Elemente spielen im Auge der Tiefe ein Ballett vor endlos blauer Bühne. Dazu erfüllt der schnelle High-School-Rock der Radwimps die Luft, die aber im Angesicht des Wolkenspiels etwas Elegisches einzufangen versuchen, das fast wie die isländischen Flüsterer von Sigur Rós anmutet.
Zudem ist die auf den ersten Blick ausgelutschte Körpertausch-Idee auch noch mit dem Bewusstsein für das Besondere ausgestattet, das aus gewöhnlichen Ideen, die jeder haben kann, etwas Außergewöhnliches macht. Die vermutlich in der japanischen Mythologie verwurzelte Symbolik des geknüpften Bands verfügt über eine universelle Allgemeingültigkeit. Historisch-Kulturelles aus Japan wird zwar zusätzlich thematisiert, eingewoben jedoch in eine technisierte Gegenwart, die der Globalisierung wegen einen offenen Zugriff von überall erlaubt – fast wie ein Public-Domain-Inhalt. Dazu kommen sympathisch-schusselige Charaktere, mit denen man lachen und sich um sie sorgen kann, die Pathos mit Humor zu brechen wissen oder umgekehrt. Außerdem bietet dieses Werk eine mit spürbarer Liebe und Sorgfalt zum Leben erweckte Kulisse aus Bahnhöfen, Wohnungen, städtisch-öffentlichen Lokalitäten und einer wie aus einer erfundenen Welt gestohlenen Krater- und Seelandschaft.
Dass so etwas vom Auge direkt ins Herz geht, ist verständlich. Gefährlich ist allerdings die sich wiederholende klimatische Steigerung mitsamt retardierender Momente und aller möglichen Kniffe, um das emotionale Zentrum bis auf den letzten Tropfen auszuquetschen. Schon die Eröffnungssequenz liest sich praktisch wie ein Abspann, trunken vor der Sehnsucht nach der Unendlichkeit. Die im Kern bodenständige Geschichte um zwei Jugendliche auf der Suche nach ihrer Bestimmung wird mit einem Himmelsbett an Bedeutung überdacht, das sich auf langer Strecke als Belastung entpuppen kann. „Your Name.“ ist kein Film der leisen Töne; introvertierte Handlungsmuster haben keine Chance auf Durchsetzung. Es geht darum, das eigene Innenleben in die Welt zu schreien und dabei möglichst eine Explosion von Sternen auszulösen. Darin ist eine gewisse Gefahr der Ermüdung gegeben; wenn über eine Zeitspanne von über 100 Minuten immer wieder Höhepunkte markiert werden, ist ein solches Risiko naturgemäß vorhanden.
Trotzdem ist „Your Name.“ ein durch und durch schöner Film, weil er gar keine besondere Mitarbeit oder Vorbereitung vom Zuschauer verlangt. Man wird auf dem fliegenden Teppich einfach mitgetragen – ob man will oder nicht.
IO
Wenn man nicht über die Mittel verfügt, eine große Science-Fiction-Vision in aller Pracht auf die Leinwand zu befördern, ist es eine beliebte Taktik, die visuellen Höhepunkte auf kurze Ausschnitte zu begrenzen und die restliche Laufzeit mit ihren Spuren auszuschmücken. Dann muss der Paukenschlag aber auch richtig sitzen, wenn es soweit ist. Fast noch wichtiger, das Drumherum sollte natürlich auch interessant gestaltet sein. Wer nur eine kurze Sneak Peek auf die sterbende Erde der Zukunft zu bieten hat und die übrige Zeit in ein wortkarges Kammerspiel voller ungezeigter Dinge investiert, sollte jedenfalls genug inhaltliche Substanz in der Hinterhand haben. Nur so lässt man sein Publikum verstehen, dass es um die Bilder im eigenen Kopf geht, nicht um die Bilder auf der Leinwand.
In beiderlei Hinsicht zeigt das Zwei-Personen-Drama "IO" Ambitionen, aber leider auch spürbare Defizite. Die unerfahren und dadurch relativ ausdruckslos wirkende Margaret Qualley ist eine zumindest ungewöhnliche Wahl für die schwierige Aufgabe, den ersten Akt eines Filmes ohne unterstützende Nebendarsteller völlig alleine zu bewältigen. Bei einer Big-Budget-Produktion mit einem Superstar wie Matt Damon unter der Hand eines etablierten Regisseurs wie Ridley Scott funktioniert so etwas natürlich ohne Weiteres; aber auch und gerade Indie-Regisseure wie Duncan Jones haben mit Filmen wie "Moon" eigentlich bewiesen, dass man mit dem richtigen Darsteller (in jenem Fall Sam Rockwell) die halbe Miete schon im Sack hat, möchte man sein SciFi-Konzept auf einer Solo-Performance aufbauen. Schaut man jedoch Qualley bei ihrem geregelten Alltag zu, wie sie auf ihrem luftigen Rückzugsort als futuristische Heidi Bienen züchtet und Daten auswertet, sieht man darin allenfalls eine Art Konsens der Art Science-Fiction-Literatur, die sich mit dem Ende der Bewohnbarkeit des Planeten Erde befasst, kaum jedoch eigene ausgereifte Ideen. Der große Sturm, der zunächst wie ein Bote des Todes dämonisiert wird, entpuppt sich rein audiovisuell als laues Lüftchen; die späteren Bilder ausgestorbener Urbanität muten wie computergenerierte Screenshots an, die mit ein paar dynamischen Effekten angereichert wurden.
Zu allem Überdruss wird es nicht unbedingt besser, als Anthony Mackie im Ballon zur Hauptdarstellerin stößt, also sozusagen der heimatverbundenen Heidi ihren Jules Verne serviert. Wenn Jonathan Helpert bei der Koordination seiner beiden Darsteller auch so etwas wie unerfüllte Romantik inszenieren wollte, dann ist es jene der trockenen Art, die lieber im Boden versinken würde als auch nur einen Hauch von ausgelebter Emotion zuzulassen. Schön, dass man damit die Kitschfalle umkurvt, aber als wäre die Atmosphäre ohnehin nicht bereits arm an Sauerstoff, gesellt sich eben auch noch die fehlende Chemie der Akteure dazu, die sich bei weitem nicht nur auf eine potenzielle Liebesgeschichte beschränkt, sondern auch ins Thematische eindringt.
Grenzen erschaffen Möglichkeiten; die müssen aber auch genutzt werden. "IO" wirkt wie eine eine Schraffur, nur eine Vorstufe zum fertigen Produkt. Inhaltlich ist es sinnvoll, nicht alles bis ins Detail auszubuchstabieren, aber wenn selbst das Konzept unfertig wirkt, vermögen auch die diffusesten Andeutungen nicht die Fantasie anzuregen.
Feinde - Hostiles
Zwei Todfeinde, durch die Situation aneinander gebunden und dazu gezwungen, dem jeweils anderen zu vertrauen? Wenn das mal nicht nach einem typischen Drama über Vorurteile und Rassismus klingt, wie es der Tränendrüse alljährlich zur Oscar-Saison aufgezwungen wird. Der älteste Stammeskonflikt der amerikanischen Geschichte wird einmal mehr heruntergebrochen auf das Verhältnis zwischen zwei (repräsentativen?) Anführern, aus deren Geschichte es zu lernen gilt. Mit dem Unterschied, dass es sich diesmal um einen freudlosen Western handelt, der mit der rührseligen Best-Picture-Bildsprache weniger gemein hat als mit einem garstigen Independent-Streifen... und aus dieser Garstigkeit all seine Kraft zieht.
So macht der gnadenlose Einstieg gleich deutlich, dass es hier trotz eines Gefangenentransports im Main Plot nicht darum gehen wird, Gefangene zu machen. Das Land ist groß und weit, der Blick darauf aber immer wieder verstellt durch lange Grashalme, staubigen Boden und Galgen, die von Bäumen hängen. Der Treck, der bereits durchgehend mit inneren Konflikten zu kämpfen hat, wird zu allem Überdruss auch noch ständig von außen attackiert, was in hektische, unübersichtliche Situationen mündet. Regisseur Scott Cooper macht klar, dass seine Protagonisten sich ihre teilweise herzzerreißenden Tragödien durch stures, verbittertes Verhalten selbst verdient haben; Wes Studis versteinerte Maske, die toten, leeren Augen von Rosamund Pike und Christian Bales überanstrengte Trauermiene sprechen Bände.
Die antirassistische Aussage von „Hostiles“ kommt also mit Fanfaren und viel Theatralik, was der Abrechnung mit dieser trostlosen westlichen Welt in den letzten Zügen einer Epoche allerdings wenig von ihrer Bestimmtheit nimmt. Um diesen Film schnell zu vergessen, ist er schlichtweg zu intensiv und erdrückend.
Bright
Wenn irgendwann mal jemand auf die Anfänge des Streaming-Zeitalters zurückblickt, könnte "Bright" womöglich zum Anschauungsbeispiel für das strategische Vorgehen von Netflix werden. Noch vor wenigen Jahren wäre es völlig undenkbar gewesen, dass jemand mitten in L.A. Dreharbeiten für einen Cop-Thriller mit Elfen, Orks und Magie in Auftrag gibt; erst recht, wenn einer der größten Filmstars der 90er die Hauptrolle spielt und für derartigen Humbug mit Sicherheit auch entsprechend vergütet wird. Nicht nur handelt es sich aufgrund der genannten Parameter um eine schweineteure Produktion, ihre Realisierung stellt auch die Zurechnungsfähigkeit im wirtschaftlichen Sinne in Frage; wohl kein Studio bei Verstand würde einen völlig aus der Luft gegriffenen Genre-Clash wie diesen über die normale Verwertungskette inklusive Kino durchwinken. Es gibt eben keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, weshalb eine Art "Training Day mit Feenstaub" beim Publikum funktionieren sollte, geschweige denn bei der Kritik; aktuelle Kino-Trends werden von einer solchen Mixtur jedenfalls nicht unbedingt reflektiert und um eine etablierte Marke handelt es sich ebenfalls nicht.
Bedenkt man aber, dass Streaming anders funktioniert als Kino, erschließt sich die Denkweise schon eher. Der Name muss möglichst klangvoll sein und das Konzept muss sich von allem anderen abheben. Das Geld fließt, um einzigartigen Content jenseits der bewährten Formeln zu erzeugen. Wer sich bei Netflix gelangweilt durch das Programm wühlt, ist schließlich bei der Auswahl experimentierfreudiger als jemand, der gerade für einen Kinoabend eine Menge Geld in die Hand genommen hat und somit Risikoüberlegungen anstellt, die normalerweise mit "Nummer sicher" enden. Man könnte nun dazu versucht sein, der neu entdeckten Vielseitigkeit mit Jubelstürmen zu begegnen. Doch es geht gar nicht um kreative Freiheit. Es geht nur darum, im unübersichtlichen Streaming-Urwald wahrgenommen zu werden... und das merkt man zumindest diesem merkwürdigen Abkömmling einer neuen Distributionsstrategie in jeder Minute an.
Wie selbstverständlich koexistieren hier Märchengestalten und Menschen miteinander auf engem Raum - und das in einem Genre, das eigentlich einen großen Wert auf Authentizität legt und dadurch immer ein wenig ernst wirkt, wenn nicht sogar verbissen. Mit David Ayer sitzt auch noch ein Mann auf dem Regiestuhl, der als Muttersprachler dieser Spielart durchgeht. "Harsh Times" hat er gedreht, "Street Kings" und "End Of Watch", dazu die Drehbücher von "Training Day" und "Dark Blue" geschrieben. "Bright" scheint ganz und gar in diese Reihe zu passen... nur, dass diesmal irgendein Witzbold heimlich Fantasy-Sticker draufgeklebt hat. Man sollte meinen, dass schon durch die reine Präsenz von Elfen und Orks das Eis bricht und der Weg frei ist für einen ironischen Blick auf den Cop-Film. Aber nein. Will Smith als rassistischer Cop (oho, welch Wendung, der Schwarze ist ein Rassist) und Edgerton-Ork bilden ein völlig merkwürdiges Doppel, das sich der Absurdität ihres Anblicks nicht bewusst zu sein scheint und demzufolge weder besonders ernst noch besonders witzig mit sich selbst und der Umgebung interagiert. Eine milde Form von Ironie breitet sich im Polizeiwagen auf Streife aus, gerade genug, um sich nicht der Parodie verdächtig zu machen. Anders gesagt: Einen fantasieloseren Umgang mit der Ork-Situation könnte man sich gar nicht vorstellen.
Zu Beginn ist das Drehbuch zumindest noch ein wenig an sozialen Themen interessiert, versucht es doch, Hierarchien von Märchenfiguren auf das reale Großstadt-Amerika zu übertragen, indem es beispielsweise das Elfenvolk in ein Viertel für Snobs und Neureiche einquartiert (Beverly Hills und Malibu, zieht euch warm an). Je mehr es aber um den Lichtstab-McGuffin geht, desto weniger interessiert Ayer das Drumherum. Die von Beginn an platte Umkehrung von Rassismusthemen verschwindet mit der Zeit völlig im Äther und damit auch der letzte Rest Chemie zwischen Smith und Edgerton. Dabei bleibt es immer gefällig und kurzweilig, aber gerade so, dass man auf der Couch nicht vor den Socken einschläft. Denn Dinge von Belang passieren nicht mehr.
"Bright" mag durch seine ungewöhnliche Genre-Paarung per se ein gewisses Publikum anziehen und auch ein paar Fans haben, einfach weil man nicht so oft Drachen am Himmel fliegen sieht, während die Polizeistreife durch die engen Straßen L.A.s fährt und Ausschau nach Orks hält, die man verhaften kann. Es gibt Action, kräftige Bilder und zumindest einen großen Namen im Cast. Das war es aber auch schon.
The Mermaid - Lake Of The Dead
So also sieht das Ergebnis aus, wenn der russische Schüler bei der Klassenarbeit vom amerikanischen Mitschüler abschreibt... und nicht merkt, dass sein Sitznachbar der dümmste Schüler in der ganzen Klasse ist.
Normalerweise haben russische Fantasy- und Märchenfilme ja ihre ganz eigene Aura, aber wenn die Zutat Horror im Rezept steht, bevorzugt man wohl eher den Import aus dem Ausland. An "The Mermaid" jedenfalls fühlt sich nur wenig russisch an, was man nun je nach Präferenzen als Vor- oder Nachteil auslegen kann. Das Produktionsland wird am ehesten noch durch die slawischen Gesichtszüge der Darsteller verraten, ansonsten könnte der Dreh genauso gut im Camp Crystal Lake stattgefunden haben.
Es ist ein Film, den ein Teenager mit Horror-Affinitäten für einen romantischen Abend mit seiner Love Interest auswählen würde... es geht ja schließlich um Liebe und so. Dort, wo normalerweise unvorsichtige Jugendliche baden, schwimmt nun eben ein Meerjungmonster, das der weiblichen Eifersucht nicht gerade eben eine hübsche Visage im Spiegel entgegen hält. Die visuellen Tricks rund um die Filmattraktion wirken stets unausgearbeitet und tragen nur selten zum Gelingen der müden Jump Scares bei, gehören aber ansonsten noch zu den Höhepunkten. Immerhin wird einigermaßen kreativ mit den morphologischen Eigenschaften der Kreatur gespielt, die in diesem Fall ihre gestaltwandlerischen Fähigkeiten irgendwo zwischen Wasserleiche, Tiefseefisch und Poltergeist verteilt und damit wenigstens für eine gewisse Abwechslung sorgt. Dazu gehört auch, dass ihr Wirkungsbereich bei weitem nicht auf den titelgebenden See beschränkt ist. Sie hockt auch in Kellern oder versteckt sich unter Bettdecken. Zudem verwandelt sie Schwimmbäder gerne mal in ihren heimischen Tümpel oder wendet anderweitig Teleportationstechnologie an, um die träumenden Nichtsnutze wieder in den nächtlichen See zu befördern.
Das hilfsbedürftige Drehbuch, die vergessenswerten Schauspielleistungen und die kantenlose Regie ersticken allerdings die letzten Hoffnungen darauf, das Etikett "austauschbar" mal stecken lassen zu können. Da ist es nur gut, dass wir beim Thema "Meerjungfrau" inzwischen die Qual der Wahl haben. Im Zweifel sei daher der Blick nach China ("The Mermaid") oder Polen ("The Lure") empfohlen.
Resident Evil: Vendetta
Vielleicht darf man bei einem Budget von gerade einmal 100.000 Dollar auch einfach nicht zu viel erwarten, aber gemessen an momentanen CGI-Qualitätsstandards bietet "Resident Evil: Vendetta" als immerhin dritter Teil seiner Art einfach zu wenig. Völlig tote Bildhintergründe ist man vielleicht von Animationsserien im Kinderprogramm gewohnt, nicht aber von Erwachsenen-Unterhaltung im Spielfilmformat. Beleuchtungseffekte durch Alarmsirenen oder Taschenlampen scheinen nahezu alleine für dynamische Effekte sorgen zu müssen. Fast sämtliche Mühen sind offenbar in das wichtigste Element geflossen, die Mimik der Figuren nämlich, die trotz reduzierter Texturen mit realistischen Darstellungen von Emotionen überzeugt. Auch wenn der Fokus unter Berücksichtigung der offenbar begrenzten Mittel sicherlich richtig gewählt ist, insgesamt sorgen die Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Bausteinen für ein sehr unfertiges Gesamtbild.
Mängel in der Animation werden dann mit furiosen Kamerafahrten überspielt, die physikalisch unmögliche Verrenkungen der Fan-Lieblinge Chris Redfield und Leon S. Kennedy einfangen. Der Schusswaffengebrauch wird wie schon vor 20 Jahren in "Matrix" zur Martial-Arts-Kunst umgedeutet, die Langsamkeit des Zombie-Daseins wie in "28 Days Later" mit Raketenantrieb verstärkt. Wenn zwei Zombie-Rottweiler den Motorrad fahrenden (oder viel mehr Kunststücke auf einem Motorrad ausführenden) Leon bei gefühlten 200 Meilen pro Stunde über eine Autobahn jagen, bleibt die Furcht irgendwo am Ausgangspunkt zurück und die Action gerät in den Vordergrund - wie zu den schlechtesten Zeiten der Videospielreihe mit "Resident Evil 5" und "6". Etwas besser macht es da schon die Infiltration eines mit Zombies und üblen Fallen gespickten Herrenhauses in der Einführung, doch lebt diese auch nur von den Schlüsselbildern der Reihe, ohne ihnen etwas Neues hinzufügen zu können. Was im Übrigen auch für das Finale gilt, das zum wiederholten Male dieselbe Formel anwendet: Eine Dosis Bioimpfstoff und der fein gekleidete Fiesling verwandelt sich in eine noch fiesere Mutation, deren Auswüchse nur durch die limitierte Fantasie der Autoren gebremst werden können.
Mit Seitenblick auf die (hoffentlich nun endgültig beendete) Live-Action-Reihe mit Milla Jovovich ist verständlich, dass sich Fans an diesen kleinen Schimmer von Werkstreue klammern. Aber wenn man ehrlich ist, hätte auch die CGI-Filmreihe mal einen Neustart nötig. Der Reset-Knopf hat auch der Videospielvorlage gut getan, wie "Resident Evil 7" bewies. Setzt etwas Vergleichbares in Filmformat um und wir haben eine ganz andere Diskussionsgrundlage.
Bleach
Ein kolossaler Seelenfresser, der mit markerschütterndem Bass nach seiner Nahrung verlangt, ist mit seinem dreiteiligen Auftritt das strukturierende Highlight der Manga-Verfilmung "Bleach". Trampelnd, wuselnd und sich windend bringt er Schauwerte aus der Phantastik in einen japanischen Vorort, der mit seiner Harmonie aus Stadt und Natur bereits eine ganz eigene Idylle bietet, in der sich Coming-Of-Age ungehindert entfalten kann. Doch wenn die Kreatur in Form eines riesenhaften Trolls, einer monumentalen Spinne oder eines formlosen Tentakelwesens auf den Plan tritt, spielt das Fantasy-Abenteuer seine visuellen Stärken voll aus.
Eigentlich jedoch geht es um einen angehenden Jäger des Übernatürlichen in der Ausbildung, mit allem, was dazugehört: Kampftraining, Schulalltag, Ablenkung durch das schöne Geschlecht und Familienangelegenheiten. Dazu noch ein Prolog, in dem die Vorgeschichte der Hauptfigur aufgearbeitet wird. Die Bestandteile, aus denen sich das Leben Ichigos zusammensetzt, erscheinen so simpel, dass sie widerstandslos in die Schablone für Teenager-Fantasy passen, aus dem Kapitel: Dinge, die man nur sehen kann, wenn einem gerade die ersten Haare am Körper wachsen. In den Begegnungen zwischen Ichigo und den Geistern, aber auch in seinem Umgang mit Mitschülern und Familie wird locker aufgeschlagener Humor geboten, der die schwer im Magen liegende Origin-Geschichte ein wenig abfedert. Ein tiefes Trauertal wie in "Sieben Minuten bis Mitternacht" muss man also nicht durchwaten, statt Downer-Pille gibt's im Zweifelsfall motivierende Schwertkämpfe gegen dunkle Mächte, die sich vor dem öffentlichen Auge verstecken wie der Riese in Spielbergs "BFG" vor der Zivilisation. Für die Hauptfigur sind sie aber so greifbar wie das eigene Riesen-Katana; für den Zuschauer der Höhepunkt eines recht harmlosen, aber bekömmlichen Abenteuers aus 1001 Manga-Seiten.
Maniacs - Die Horror-Bande
Dieser doch recht eigenwillige Vertreter des 80er-Jahre-Horrorfilms lässt ein völlig unberechenbares Sammelsurium von nachtaktiven Monstern auf San Francisco los. Das Ziel ist wie üblich eine Gruppe von Teenagern, die sich gemäß ihrer Zeit präsentieren: Schrecklich gekleidet, schrecklich frisiert und immer mit einem Kaugummi in Griffnähe. Die Zusammenstellung ihrer schlitzfreudigen Gegenspieler macht den Anschein, als solle mit ihr der Urschlamm der Stadtgeschichte wiederbelebt werden, wenngleich offen bleibt, was beispielsweise ein Shogun in dieser illustren Sammlung zu suchen hat. Das allgemeine Auftreten der Herrschaften allerdings mahnt weniger an japanische Kriegskultur als vielmehr an amerikanische Banden aus den Rocker- oder Punk-Milieus. Was mit proletenhafter Aufdringlichkeit beginnt, steigert sich bald in ein kollektives Agreement zum Slasher-Streifzug; als habe sich eine kleine Gruppe dazu entschlossen, einen frühen Testlauf für die Purge-Nacht zu starten.
Die Schauplätze pendeln dabei zwischen der mittelständischen Biederkeit von Vorstadthäusern und Abschlussbällen einerseits und Rockkonzerten, Gammelei im Stadtpark und U-Bahn-Stationen andererseits. Relativ willkürlich attackieren die Maniacs ihre Opfer meist nach den Regeln des Slasher- oder Stalker-Films. Die recht unterschiedlichen Settings versucht man für abwechslungsreiche Teenie-Jagden zu nutzen, doch die blasse Regie verhindert jede Andeutung filmischen Ausdrucks. Da ist es kein Wunder, wenn der Eskalationsversuch nach "Carrie"-Art aufgrund verfehlten Suspense Buildings dann auch völlig in die Hose geht. "Neon Maniacs" hat viel Buntes zu bieten, verklebt in Omas Süßigkeiten-Einmachglas aber zum faden Klumpen, der selbst durch die 80er-Brille jede Appetitlichkeit verloren hat.
Elizabeth Harvest
Der Trailer zeigte einen wohlhabenden Mann, der seine viel jüngere Gattin durch sein Haus führte und ihr dabei alle Freiheiten zusicherte; nur von diesem einen Raum im Untergeschoss solle sie sich fernhalten. Endlose Geheimniskrämerei stand nun zu befürchten, bis sich die schreckliche Wahrheit im Grande Finale offenbaren würde und all die schrecklichen Vorahnungen durch merkwürdige Vorgänge im Haus endlich einen Sinn ergäben.
Es ist erfrischend, dass der fertige Film nicht diesen ausgetretenen Pfad des Suspense-Kinos bis zum bitteren Ende beschreitet, sondern schon recht früh von ihm abweicht. In einem frühen Moment der unerwarteten Eskalation ist man so vom generischen Ablauf vergleichbarer Plots überzeugt, dass man meint, einer verkappten Traumsequenz aufzusitzen, die sich schon in der nächsten Szene wieder auflösen wird; doch Sebastian Gutierrez, der die Story angeblich zehn Jahre schwanger trug, setzt seine Vision konsequent durch und wagt den Tauchgang in unbekannte Gewässer.
Das birgt natürlich Gefahren in Bezug auf eine kohärente Erzählstruktur. Von einer ausgereiften, auf den Punkt austarierten Geschichte mag man trotz der langen Entwicklungszeit eher nicht reden, denn zu sehr nimmt das Formelle die Trial-and-Error-Gestalt seines Inhalts an. Der von Ciarán Hinds manisch-impulsiv angelegte Wissenschaftler und die von Abbey Lee als einfältig-naiv, ja fast dümmlich interpretierte Ehefrau tragen zu einem trashigen Charme bei, der dezente Aromen eines Films von Brian de Palma freisetzt, zumal sich auch Hitchcocks Signatur in jedem Raum der futuristischen Villa abzeichnet.
"Elizabeth Harvest" ist im folgenden wechselhaft und unverbindlich, dabei fast so schrill wie ein Argento in der Blütezeit. Feste Regeln scheinen ihm nichts zu bedeuten. Das geschmackvolle, auf Robustheit und Beständigkeit ausgelegte Dekor wirkt wie ein scharfer Kontrast zum Wankelmut, den das Drehbuch mit jeder neuen Seite unter Beweis stellt. Die Überraschungen verlieren dadurch langfristig natürlich an Effet, das Unerwartete wird zum Erwartbaren und obgleich die Handlung auf nur einen Schauplatz und vier Hauptfiguren (plus ein Gastdarsteller) begrenzt ist, gleicht sie zunehmend einem unentwirrbaren Garnknäuel.
Unbestreitbar hat das seinen Reiz, aber der ist eher kurzfristiger Natur. Es ist wie mit einem Spiegellabyrinth auf dem Jahrmarkt: Interessant, diese Erfahrung einmal gemacht zu haben, doch hat man erst einmal wieder herausgefunden, ist der Bedarf fürs Erste gedeckt.
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American Animals
Immerhin ein seltener Einblick in die Psyche junger Krimineller wird in „American Animals“ geboten. Die Schauspieler vermitteln die Verunsicherung während der Tat, die realen Personen zeigen in Interview-Zwischenschnitten durch verzogene Mimik und Momente des betretenen Schweigens, dass es auch 15 Jahre später noch weh tut, sich an die damalige Zeit zu erinnern. Dies ist eben keine Milieustudie, kein Portrait von Menschen, die durch ihr Umfeld zum kriminellen Handeln gezwungen wurden. Es geht vielmehr um eine Gruppe von Individuen, die sich gegenseitig dazu bringen, etwas zu tun, das nicht ihrem soziologischen Profil entspricht. Der Film lehrt uns somit, dass Verhalten nicht immer prognostizierbar ist; dass selbst und gerade ein “normaler“ Lebenslauf zur Desillusionierung führen kann.
Mit Evan Peters und Barry Keoghan muss es ein Leichtes sein, die Schwerpunkte auf das Drama missverstandener Jugend zu legen, wirken die Beiden doch selbst in ihren bekannteren Rollen immer ein wenig wie abwesende Träumer, ganz zu schweigen von ihren spezielleren Auftritten. Beim Casting kann man also schon mal den grünen Haken setzen. Und dennoch wirkt der Film seltsam freudlos in seiner ganzen Herangehensweise, als wolle er um jeden Preis betonen, dass kein Überfall jemals ein Kavaliersdelikt ist, selbst wenn er mit schlechtem Gewissen ausgeführt wird. Ein wenig mehr schwarzer Humor jedenfalls wäre aufgrund des amateurhaft geplanten und umgesetzten Raubs nicht fehl am Platz gewesen. Stattdessen wird fortwährend mit leerem Blick in die Nacht gestarrt und mitunter sogar schiefe Symbolik eingebaut.
Die Absichten sind aller Ehren wert, doch je mehr die Regie das Bemühen um Neutralität signalisiert, desto leidenschaftsloser wird das Resultat. „American Animals“ ist mit Sicherheit ein ambitionierter Film, der wohl auch viele Kritiker und Zuschauer erreicht hat. Diesem Kanon kann ich mich leider nicht ganz anschließen.
The Nun
Als Ausstattungsfest ist er durchaus zu gebrauchen, dieser nun bereits fünfte und demnach völlig nährstoffarme Eintrag in das merkwürdige Universe-Gebilde von „The Conjuring“. In rumänischen Klostern wird eben nicht allzu oft gefilmt, und so erfreuen wir uns an einem erfrischenden Tapetenwechsel nicht nur auf die Reihe bezogen. Gruftige Kellergewölbe und mit Gras überwucherte Grabflächen gehörten vielleicht vor 30 oder 40 Jahren zum Standard-Repertoire des Horrorfilms, heute korrodieren solche Bilder eher im Andenken an längst vergangene Tage.
Schön, dass „The Nun“ über seine volle Laufzeit an den altmodischen Kulissen festhält und selbst bei seinen wenigen Vorstößen in die Zukunft bloß im Vintage der 70er landet, in denen die Hauptfilme angesiedelt sind. So bleibt die Atmosphäre schön luftdicht versiegelt und beweist Durchhaltevermögen, anstatt sich schon nach dem Prolog zu verdünnisieren. Auch die Titelfigur profitiert vom überdurchschnittlich sehenswerten Produktionsdesign: Bei einem Dämonen im Nonnenkostüm kommt es eben auch ganz entscheidend auf die Präsentation an. Die ergibt im Zusammenspiel von Beleuchtung, Kamera und Maske eine geschlossene Einheit, die sich als Ausgangsbasis für effektvollen Grusel bewährt.
Dass diese Vorlage nicht genutzt wird, hat mehrere Gründe, deren Probleme zumeist im feststeckenden Getriebe des zeitgenössischen Mainstream-Horrorfilms ihre Wurzel haben. Es ist zwar keine neue Entwicklung, dass erfolgreiche Ideen auch dann fortgesetzt werden, wenn es – vom lieben Geld abgesehen – keine plausiblen Gründe für dieses Vorgehen gibt. Aber wohl nie waren die niederen Beweggründe der Produzenten durchschaubarer als bei der aktuell umgehenden Neuentdeckung des Konzepts „Filmuniversum“. So viel Eindruck die dämonische Nonne als Nebenfigur hinterlassen hat, von selbst wäre man wohl eher nicht auf die Idee gekommen, ihr einen eigenen Film zu spendieren. Zu Recht; das Drehbuch ist behelfsmäßig anhand von Schablonen zusammengesetztes Flickwerk. Was man einem anspruchslosen B-Movie noch durchgehen lässt, damit muss man den Teil eines solchen „Universums“, das sich stets als bedeutungsvoll verkauft, längst nicht davonkommen lassen.
Darüber hinaus wird, wenngleich dies keine Überraschung darstellt, zu sehr auf Jump-Scare-Mechaniken vertraut, vor allem aber auf ein Rezept, das bis zur Ermüdung immer wieder durchkonjugiert wird: Eine gerade noch aus dem Nichts manifestierte Erscheinung ist (meist unscharf) im Hintergrund zu sehen und gerät durch Kameraschwenks oder Schnitte aus dem Bildausschnitt, nur um bei der Rückkehr in die ursprüngliche Position verschwunden zu sein. Oder Dinge werden zu einem Zeitpunkt in aller Ausführlichkeit erklärt, um garantiert zu einem anderen Zeitpunkt in einer Horrorsequenz zurückzukehren (Glocke am Grab). Diese Art des Inszenierens erzeugt den Schein aufwändig komponierter Szenen, in Wirklichkeit jedoch wird aus Faulheit einfach im Konsens gebrandschatzt... ja, selbst die erinnerungswürdige Portrait-Szene aus „The Conjuring 2“ wird in einer weit weniger effektiven Variante neu interpretiert.
„The Nun“ ist also eine Produktion mit Fließbandcharakter und hat lediglich das Glück auf seiner Seite, immer noch auf ein herrlich garstiges Filmmonster zurückgreifen zu können, das auf Phobien abzielt, die eher selten abgerufen werden. Dazu sind Location und historisches Setting vortrefflich gewählt, was sich am stimmungsvollen Ambiente zweifelsfrei ablesen lässt. Das ist immerhin etwas. Bei weitem aber nicht genug, um die Notwendigkeit dieses Spin-Offs zu rechtfertigen.
Triple Frontier
Das südamerikanische Dreiländereck zwischen Brasilien, Kolumbien und Peru steht in „Triple Frontier“ sinnbildlich für den rechtsfreien Raum, in den sich die Protagonisten des Films wagen, um erstmals in ihrem Leben nicht der Regierung zu dienen, sondern sich selbst. J.C.Chandor setzt im Aufbau seines Films vieles daran, das Special-Forces-Quintett in der Ausführung seines Plans von der geregelten Zivilisation zu isolieren. Es gibt keine Szenen mit ehemaligen Vorgesetzten der Eliteeinheit, auch keine Kommunikation mit Freunden und Familie von außerhalb; es werden nicht einmal die Mitglieder des Drogenkartells tiefer charakterisiert, auf die man es abgesehen hat, treten diese doch allenfalls als anonyme Soldaten in Erscheinung, die mit gezückter Waffe einen Raum betreten und in Sekundenbruchteilen zur Leiche werden. Der Regisseur schafft so eine Luftblase um die Männer, die sich von ihrem Land fallen gelassen fühlen und in dieser Auffassung gegenseitig unterstützen.
Die schwere Enttäuschung muss dann auch als alleinige Erklärung dafür dienen, dass sich Vollprofis während des überraschend schlecht geplanten Einsatzes von ihrer Habgier übermannen lassen und so den Erfolg der Mission aufs Spiel setzen. Die darauf folgende Eskalation allerdings lässt offene Fragen zur Motivation der Figuren weniger bedeutend erscheinen, entwickelt sich aus den zunächst glimpflich erscheinenden Fehlentscheidungen doch bald ein wahrer Schmetterlingseffekt aus fatalen Kausalfolgen. Dauernd werden die Männer zu neuen Improvisationen gezwungen, bis sich das Szenario zu einer Farce entwickelt, womit der Sinn des Einsatzes zu einem gewissen Zeitpunkt in Frage gestellt wird. Chandor weiß das mit einprägsamen Momenten zu unterstreichen, in denen der Wert des entwendeten Geldes seine Relation verliert.
Ein Actionfeuerwerk ist indessen nicht zu erwarten, wohl aber gut dosierte Actioneinlagen, die stets zur Generierung einer neuen, noch fataleren Situation führen. An Spannung mangelt es in diesem Aufbau jedenfalls nicht, zumindest wenn man dazu bereit ist, sich gleichzeitig auf die gruppendynamischen Aspekte einzulassen, die einen recht hohen Anteil der Screentime in Anspruch nehmen. Wegen des charakterstarken Casts um Pedro Pascal, Garrett Hedlund, Charlie Hunnam, Oscar Isaac und Ben Affleck gelingt das aber problemlos, denn alle Fünf tragen Entscheidendes zur Chemie der Gruppe bei, so dass man sich als Zuschauer jederzeit in das Szenario einfühlen kann.
Fargo – Season 3
Vielleicht sind es die veränderten Farbfilter, die sich jetzt wie ein milchig-grauer Schleier über das Bild legen, vielleicht ist es auch die Tatsache, dass das titelgebende Fargo in North Dakota erstmals nicht mehr besucht wird, aber irgendwas ist freudloser, trister, kontrastärmer als in den hervorragenden ersten beiden Staffeln. Dabei sind die Zutaten alle gegeben: Ewan McGregor scheint wie geschaffen für eine Hauptrolle in der Krimiserie, erst recht, wenn er in einer Doppelrolle ein Zwillingspaar spielt, das sich hauptsächlich durch die geschmacklose Frisurenwahl voneinander unterscheidet. Mary Elizabeth Winstead hat in ihrer Schauspielkarriere zumindest mal Kontakt gehabt mit dem ewigen Eis und bringt all ihre Erfahrung mit hoch gekrempelten Armen ein; von Michael Stuhlbarg darf man auch dann Wundertaten erwarten, wenn sein Gesicht hinter einem wahren Besen von Schnäuzer versteckt ist. Und David Thewlis mit britischem Kunstgebiss, meine Güte, lasst die Show beginnen!
Thewlis ist dann auch derjenige, der die hohen Erwartungen sogar noch übertreffen kann. Als Vertreter einer zwielichtigen Firma hockt er wie ein grienender Mephisto über der Schulter der traditionell von der Situation überforderten Hauptfigur, die nur ein Spielball in den Händen ihres Strippenziehers ist. Eklige Close-Ups seiner fauligen Prothese, die er mit dem Zahnstocher bearbeitet, tragen zur Diabolisierung dieses Geistes bei, der im Grunde keinen Mensch darstellt, sondern nur eine Idee.
Mit McGregors Stussy-Brüdern allerdings, und vielleicht liegt gerade hier das Problem, kann man sich anfangs nicht so recht anfreunden. Im Vergleich mit den verlorenen Seelen, die Martin Freeman und Kirsten Dunst / Jesse Plemons spielten, möchte man ihnen auf Anhieb weniger Mitleid zuteil werden lassen. Vielleicht hat man den zögerlichen Geschäftsmann und den kleinkriminellen Blutsverwandten mit seiner forschen Freundin einfach schon zu oft gesehen, auf jeden Fall zieht ihre Notlage anfangs nur wenig Interesse auf sich. Noch dazu scheint der Fall selbst einfach weniger herzugeben; er enthält eben nicht diesen tiefschwarzen Grundton und wirkt im Abschluss mancher Subplots auch öfter mal gekünstelt.
In der zweiten Staffelhälfte fangen sich die Autoren allerdings und ziehen ihre mühselig ausgeworfenen Köder wieder an Land. Was anfangs noch nach überreizten Stereotypen aussieht, entpuppt sich später oft als kluger Bruch mit Konventionen. Besonders Winsteads Rolle profitiert davon, verhält sich ihre Figur doch nicht ganz adäquat zu den ersten Eindrücken, die man von ihr hat. Das vage Ende bleibt vielleicht die letzte Antwort schuldig, ist aber so souverän inszeniert und gespielt, dass man die Staffel mit einem guten Bauchgefühl verlässt. Die dritte Staffel ist nicht wie die ersten beiden über alle Zweifel erhaben, gehört in einer zunehmend auf Masse statt Klasse setzenden Serienlandschaft aber trotzdem wieder zu den Diamanten.
House Of Cards – Season 5
Ass, König, Dame, Bube, 10. Spätestens jetzt ist "House Of Cards" eine Serie wie ein Royal Flush. Kein Wunder, dass sich in der fünften Staffel von Beginn an die Stimmung einer bevorstehenden Aufdeckung des finalen Blatts entfaltet. Mit Blick auf das aalglatte Auftreten der Politiker könnte man auch von einer Demaskierung sprechen.
Für Kevin Spaceys Realität als Person öffentlichen Interesses mag sich das Omen der Enthüllung bewahrheitet haben. Die Serie selbst, in der er hiermit letztmals als Präsident der Vereinigten Staaten mitwirkt, beweist leider nicht ganz so viel Konsequenz wie die Öffentlichkeit, als sie Spaceys Karriere beendete. Obwohl der Plot einen mitreißenden Einstieg wählt mit einem wild entschlossenen Protagonisten, der nach wie vor sein unverblühtes Charisma auf der Leinwand wirken lässt, endet er ohne richtigen Abschluss und ohne endgültig unter die Fassade der falschen Kreaturen in Kostümen und Anzügen gedrungen zu sein. In Hoffnung auf weitere gute Quoten mit einer sechsten Staffel (die allerdings ohne Spacey zur wenig aussichtsreichen Abschiedstour werden würde) wird die seltene Gelegenheit ausgeschlagen, den runden Abschluss einem ordinären Schaulaufen vorzuziehen.
Dabei wird in der Darstellung des Wahlkampfs zwischen Präsident Underwood und Herausforderer Gouverneur Will Conway (Joel Kinnaman) ziemlich viel richtig gemacht. Überraschen kann der Ausgang nicht mehr (man hat dem Präsidenten inzwischen wohl schon zu lange über die Schulter geschaut), aber ohne zu allzu heftigen Maßnahmen greifen zu müssen, entfaltet sich zwischen den Beiden ein fintenreiches Fernduell, das sich wie ein Ballett der Aale in einem Gartenteich verfolgen lässt. Auch die Schach-Metapher ist dank der vielen Nebenfiguren mit ihren Spezialfähigkeiten auf und abseits des Brettes greifbarer denn je. Spaß macht das Nachverfolgen der Züge, weil man nie hundertprozentig wissen kann, was im Kopf des Spielers vorgeht, selbst wenn man glaubt, ihn durchschaut zu haben. Der komplette Cast ist dabei in Hochform: Spacey und Wright sind ohnehin eine Bank, aber auch Kelly, Kinnaman, Campbell und alle anderen Bauern im Kabinett sind mit vollem Elan bei der Sache.
Nachdem dieser Handlungsbogen allerdings vorzeitig aufgelöst wird, steht die Serie vor dem Problem der Neustrukturierung, halb bemüht, die Überleitung elegant über die Bühne zu bekommen. Das gelingt nicht ganz so sauber wie erhofft. Wenn plötzlich eine weitere Figur zum Zuschauer zu sprechen gedenkt, wirkt das aufgesetzt, was den intendierten Überraschungseffekt deutlich abschwächt. Vorbereitungen für die Spacey-freie Zone wurden zwar nun getroffen; es müsste aber mit dem Teufel zugehen, wenn dem Royal Flush nun noch eine 9 folgen würde.
Weitere Sichtungen:
Altered Carbon – Season 1
Auslöschung
The Bad Batch
The Equalizer 2
The First Purge
Future World
Hellboy – Call of Darkness
México Barbaro
Mile 22
Mothra bedroht die Welt
Rasputin – Der wahnsinnige Mönch
Sirenengesang
Slender Man
Solo – A Star Wars Story
"Paterson", ein Film über einen poetisch veranlagten Busfahrer namens Paterson in der amerikanischen Stadt Paterson, macht von außen betrachtet womöglich den Anschein eines hochtrabenden Kunstfilms. Sein Trick ist es aber, genau das nicht zu sein. Es steckt nicht mehr Tiefsinn in der gezeigten Arbeitswoche oder der Art ihrer Präsentation als im Leben selbst; Routinen und Muster, wohin das Auge blickt, sich wiederholende Abläufe, die immerzu versprechen, spektakulär gebrochen zu werden; dies ist doch schließlich ein Film, da müssen doch Dinge passieren. Aber nichts dergleichen geschieht. Jim Jarmusch beobachtet einfach nur die Oberfläche der Existenz, lässt die künstliche Dramaturgie fast aller anderen Filme im Nichts verschwinden und setzt so die vielen kleinen Wirbel in den Vordergrund, die man beobachten kann, wenn man sich einfach mal auf das ungefilterte Hier und Jetzt konzentriert.
Der leeren Abläufe wegen ist "Paterson" aber noch längst kein leerer Film. Jarmusch gelingt es durch seine Beobachtungsgabe, soziale Muster auf den Punkt wiederzugeben, ohne dazu besondere Akzente setzen zu müssen. Alleine zwischen dem Busfahrer und seiner Ehefrau entfaltet sich eine wunderschöne Beschreibung verdrehter Harmonie, die zwischen introvertierten und extrovertierten Menschen entstehen kann, sowie der Zwänge und Macken, die mit beneidenswerter gegenseitiger Rücksichtnahme aufgefangen werden. Stundenlang könnte man Adam Driver und Golshifteh Farahani dabei zuhören, wie sie sich über kleine Ereignisse in ihrem Leben unterhalten, Tiefe und Substanz völlig in die Gestik verlagernd. Das Haushalten und Ausleben persönlicher Freiräume wird zum Strategiespiel zwischen Anforderungen des Berufs und Bedürfnissen des Partners.
Und so nimmt langsam auch der Film die Gestalt dessen an, was er so meisterlich zu beschreiben weiß. Nach dem metaphysisch angehauchten "Only Lovers Left Alive" ist "Paterson" wieder ein Jarmusch der 90er Jahre, in seinen Zwischenepisoden wie damals "Night On Earth" oder "Mystery Train" interessiert an Zufallsbegegnungen, aber diesmal fast noch mehr an der Rückkehr des Bekannten in Form von Gewohnheiten und gesellschaftlichen Regeln. Keine Elfenbeintürme, nur einfache Paar- und Kreuzreime, verfasst in einer universellen Sprache, die vom Kind bis zum Poeten überall verstanden wird.
Anon
Die Ängste der Vernetzungsgesellschaft sind spielbestimmend in der futuristischen Dystopie von "Anon". Andrew Niccol geht sowohl das Drehbuch als auch die Regie mit der Entdeckerfreude eines Ingenieurs an, der ein bis in die technischen Details komplett ausformuliertes Konzept zum Thema Überwachung und Anonymität ausgetüftelt hat und es nun seinem fachinteressierten Publikum als Modell präsentieren möchte. Dementsprechend wird zuerst viel theoretisiert und dann am praktischen Beispiel veranschaulicht. Nur die Hälfte der Zukunftsvision offenbart sich über erklärende Dialoge, die andere Hälfte wird über die handwerkliche Rekonstruktion am Fallbeispiel vermittelt, in diesem Fall einer Reihe von Mordfällen, die im irgendwo im Bereich des toten Punkts geschehen, den das eigentlich allgegenwärtige Auge des Gesetzes nicht im Blick hat. Es wird im Zuge dessen viel mit Kamerawinkeln gearbeitet, mit Perspektiven und räumlich-zeitlichen Abläufen. Die Auswertung von Daten ist Gegenstand der Handlung, was nicht weniger bedeutet, als dass der auf "Mittendrin statt nur dabei" geeichte Zuschauer sich damit begnügen muss, ebenso wie die ermittelnde Hauptfigur immer erst dann einzutreffen, wenn die eigentlichen Ereignisse bereits Vergangenheit sind. Einflüsse aus der jüngeren Computerspielgeschichte spiegeln sich in dieser Erzählstruktur; so erinnern die Methoden, auf die der Detective am Ort des Verbrechens zurückgreifen kann, an die virtuellen Gadgets der jüngsten Batman-Videospiele, wo man ebenfalls vergangene Geschehnisse vor- und zurückspulen konnte, um den Fall zu lösen.
Für eine Zukunftsvision, die sich derart zeitgenössischer Quellen bedient, überrascht allerdings das altbacken wirkende Produktionsdesign, das dem Hirn eines Architekten der 70er Jahre hätte entspringen können. Graue Hochhausreihen, dunkle Apartments, leere Straßen und die Abwesenheit einer Pflanzen- und Tierwelt sorgen für einen trostlosen Ausblick auf eine robotische Zukunft. Ungeduldige Naturen mögen das Freudlose in der Optik als Anlass nehmen, dem Vortragenden nicht mehr länger zuzuhören. Sie verlieren die Geduld, weil "Anon" relativ actionarm inszeniert ist und dafür, dass er nun nicht gerade zu den raffiniertesten SciFi-Konzepten der Filmgeschichte aufschließen kann, zu sehr ins Passive zwingt. Clive Owens Detective-Noir- und Amanda Seyfrieds Femme-Fatale-Spielart trägt auch nicht dazu bei, dass man sich schnell in die Situation eingedacht hat. Gesetzt den Fall, dass man sich gegen alle Widerstände trotzdem in das Konzept einzudenken bereit ist, bekommt man immerhin eine inhaltlich ausformulierte, technisch sauber dargebotene Dystopie geboten, die dem Drang der digitalisierten Welt nach totalitärer Überwachung die Meinung geigt wie es ein Vulkanier machen würde: Mit bestechender Logik.
Absurd
Das höhlenmenschartige Make-Up aus „Anthropophagous“ mag verschwunden sein, doch der paralysierte Blick in den zornig-leeren Augen George Eastmans ist immer noch der gleiche. Man möchte gerne glauben, dass tief in der Motorik des bärtigen Unzerstörbaren die Gene des „Man-Eaters“ verborgen sind und seine Bewegungen koordinieren, erst recht, wenn er sich an den Spitzen eines Zauns ungeschickterweise die Bauchdecke aufreißt und erneut mit seinen eigenen Gedärmen konfrontiert wird. Wenn in der späteren Einordnung des Films Parallelen zum Maskenmann Michael Myers aus „Halloween“ gezogen wurden, dann liegt das vor allem daran, dass die zombiehafte, zur einer Artikulation jenseits stöhnender Laute nicht fähige Kreatur ihre Opfer mit einer vergleichbaren Hartnäckigkeit verfolgt und dabei allerhand Verletzungen einsteckt, ohne dass sie ihn nennenswert von seinem primitiven Ziel abbringen würden.
Joe D'Amatos Quasi-Sequel zu seinem Vorgängerfilm wird so zum Stalker-Movie mit gemütlichem Nordic-Walking-Tempo. Im günstigsten Fall erfreut man sich dabei an nächtlichen Impressionen einer kleinen Ortschaft nördlich von Rom, im ungünstigsten Fall nimmt „Absurd“ aber leider auch in Sachen Spannung und Aufregung deren Eigenschaften an. Es gibt wenig Attraktives an Setpieces wie Waldstraßen oder einem Kaff mit hochgeklappten Bürgersteigen, wo man allenfalls mal einen Alkoholiker mit seiner Flasche die Kreuzung überqueren sieht. Gerade die erste Hälfte wird so aufgrund ausbleibender Schauwerte zu einem wahren Geduldsspiel. Die zweite Hälfte könnte man dank der anschwellenden Dramaturgie zwar als die spannendere bezeichnen, die letzten Minuten sogar als brauchbaren Suspense (wegen des strategisch eingesetzten Handicap-Final-Girls mitsamt Kind in Not), doch zu diesem Zeitpunkt haben die absolut regelmäßig, fast schon rhythmisch eingesetzten Gore-Effekte einem das Hirn schon völlig bräsig gemacht. Eine Szene rund um einen Backofen sticht zwar mit ihrem zur Schau gestellten Sadismus heraus, ansonsten dominiert aber das typische Posieren für die Kamera in Ekelsituationen, wenn Eastman beispielsweise gefühlte Minuten mit angewinkeltem Arm den rotierenden Bohrer hält, bevor er sich einen Ruck gibt und das Leiden seines Opfers endlich beendet. Hauptsache, die Bauern haben es schön lange spritzen sehen.
Wenn man das italienische Schmuddelkino nicht gerade aus Prinzip vergöttert, wird man wohl trotz des versöhnlichen Finishs kaum mit Partylaune aus diesen 90 Minuten hervorgehen. Wenn Eastman seinen Foltereien so pünktlich nachgeht wie ein Fahrplan die Busse ankündigt, bleibt irgendwo der Spaß auf der Strecke.
Trumbo
Die besten Filmbiografien sind immer noch jene, in denen es weniger um die Persönlichkeit geht als vielmehr um die Wechselwirkung mit ihrem Umfeld. „Trumbo“ gibt vor, den steinigen Weg eines begnadeten Drehbuchautoren nachzuzeichnen, blickt dem System Hollywood dabei aber still und heimlich mit prüfendem Blick unter die Haube... und attestiert ihm verheerende Gesundheitswerte, die höchstwahrscheinlich auch für das heutige System noch Gültigkeit besäßen.
Auch wenn in den letzten Minuten eine gewisse Bewunderung durchschlägt für den Mann, der gegen so viele Widerstände ankämpfen musste (eine offenbar unumgängliche Konvention dieser Filmsorte, die viel mit posthumer Würdigung zu tun hat), unter dem Strich geht es nicht darum, wie entschlossen Trumbo trotzdem seinen eigenen Weg ging. Vielmehr wird der Leuchtkegel auf die Verursacher gelenkt: Warum reflektiert die Oberfläche der glamourösen Starfabrik nicht den geringsten Funken Wahrheit darüber, nach welcher Logik sich die Zahnräder von innen tatsächlich drehen?
Noch heute werden einzelne Akteure aufgrund moralischer Verfehlungen öffentlichkeitswirksam an den Pranger gestellt und verurteilt von Institutionen, die im Grunde nur der eigenen Verurteilung entgehen möchten; wie das Schwarze Loch, das dem Mond seine dunkle Seite vorwirft. Zu Zeiten des Kalten Kriegs ging es dabei eben um kommunistisches Gedankengut, das zu zensieren sei. Die Metapher der Zensur ist allgegenwärtig: Über die Blacklist werden Drehbücher aus dem Verkehr gezogen, über das Ghostwriting Identitäten verschleiert. „Trumbo“ entwirft das glamouröse Bild eines stolzen Hollywood, so blütenweiß und vornehm wie Bogarts Smoking in „Casablanca“, dominiert von Hardlinern wie John Wayne (David James Elliott) und Hedda Hopper (Hellen Mirren). Es ist aber zugleich ein Ort der Angst vor der roten Bedrohung, nicht zuletzt vor der Macht des Wortes; schließlich könnte sich gerade ein Drehbuchautor relativ einfach Zugang zum Bewusstsein der Bevölkerung verschaffen und ihre Gedanken vergiften.
Der interessante Kniff des Skripts von „Trumbo“ liegt darin, dass das hier gezeichnete Hollywood trotz seiner Ängste und Vorbehalte auf Autoren wie Dalton Trumbo angewiesen ist. Das Prinzip der Ausnutzung wird hier kongenial auf den Kopf gestellt: Erscheint es zunächst so, als werde die Notlage des Autoren mit dem ruinierten Ruf ausgenutzt, so ist es tatsächlich er, der die Lücken im System angreift, und zwar effektiver als seine Arbeitskollegen, die sich in Verweigerung üben. Die daraus bezogene Genugtuung empfindet man natürlich ebenfalls nur durch das manipulative Drehbuch von John McNamara, nichtsdestotrotz ist es wohltuend, die Entwicklung zu verfolgen – insbesondere mit den teils wirklich brillant getroffenen Hollywood-Altstars, unter denen die Verkörperungen Edward G. Robinsons (Michael Stuhlbarg), Kirk Douglas' (Dean O'Gorman) und Otto Premingers (Christian Berkel) ganz besonders herausstechen. Auch Bryan Cranston ist wie immer ein Erlebnis.
Darüber hinaus lohnt sich „Trumbo“ einfach für jeden, der gerne auf die goldenen Zeiten der amerikanischen Filmbranche zurückblickt. Das Produktionsdesign ist eine Wucht. Süße Nostalgie ist durchaus erlaubt, wird aber mit einer großen Portion bitterem Gemüse gereicht. Alles im Sinne eines gesunden Rückblicks, aus dem man hoffentlich die entsprechenden Rückschlüsse für die Gegenwart zieht.
Polar
Die Screenshot-Tätowierer sind zurück! Von der Bildfläche verschwunden irgendwann Mitte der 2000er, als auch die härtesten Videotheken-Clerks endlich genug hatten von drittklassigen Pulp-Fiction-Trittbrettfahrern, feiern sie in der Graphic-Novel-Posse „Polar“ ihr Comeback. Endlich dürfen wir uns wieder auf eingefrorene Bildhintergründe freuen, die mit Brands der Rollennamen in altmodischer Textura-Schriftart getaggt werden. Dazu genießen wir den Fahrtwind des Zooms auf eine Villa mit Swimming Pool und das Stechen in den Augen beim Genuss der Farbpalette, die ausschließlich aus steilen Kontrasten besteht. Alles in allem eine Kombination, mit der die Entwicklung der letzten fünfzehn Jahre mit einem Wisch revidiert wird. Das gilt zumindest für Regisseur Jonas Åkerlund. Der steht jetzt nämlich prompt wieder auf dem Stand seines Regiedebüts „Spun“, das im Jahr 2002 noch eine respektable Arbeit war, heute aber stellvertretend für den nervig-überdrehten Umgang mit Farbfiltern, Schnitt und Kameraarbeit ist.
Keine guten Aussichten, um mit den offensichtlichen Vorbildern „John Wick“ und „The Equalizer“ mithalten zu können. Glück für Åkerlund: Er darf mit Mads Mikkelsen arbeiten. Und dessen Coolness rettet dann auch mal eben den kompletten Film. Ein degenerierter Kohlkopf, der sich selbst „Blut“ nennt und verkrampft auf links gedrehte Suicide Squads als Laufburschen auf die Straße schickt, sollte sich geehrt fühlen, dass ein richtiger Motherfucker wie Mad Mads stückweise seine Gefolgschaft dezimiert, bis nur noch der kleine Mann im hohen Schloss übrig ist. Das wortkarge Auftreten Mikkelsens, sinnbildlich gespiegelt durch ein friedliches Haus am See, ist zwar auch nur eine Masche, aber wenigstens eine, die funktioniert. Falls nötig, ist der Held der Geschichte traurig und verletzlich, bringt einen mit seinen merkwürdigen Marotten sogar zum Lachen (seine Angewohnheit, etwas störrisch abzulehnen und - nach einem effektvoll gesetzten Schnitt - dann doch widerwillig getan zu haben) und zeigt vor allem am Ende seinen weichen Kern. Aber wenn es die Situation erfordert, lässt er den Actionhelden in sich heraus und sorgt für einen anständigen Bodycount. „Polar“ kommt vielleicht etwas schwerer in die Gänge als die Herren Wick und McCall, aber wenn es einmal losgeht, gibt es kein Halten mehr. Zu diesem Zeitpunkt hat die Regie dann auch endlich Fahrt aufgenommen und nutzt den aufgebauten Boost, ohne noch einen Hänger zu riskieren.
Wenn man schließlich kurz vor dem Abspann mehr oder weniger gefragt wird, ob man denn gerne sehen möchte, wie Mikkelsen in einer Fortsetzung noch weitere Schurken über den Haufen ballert, verfällt man über diese Aussicht zwar nicht gerade in Jubelstürme. Vielleicht murmelt man aber leise vor sich hin: „would... bang... again“.
Cold Skin - Insel der Kreaturen
Xavier Gens' durchaus ambitionierte Parabel auf Völkerverständigung und Isolation scheitert bereits im Ansatz an seiner abgedroschenen erzählerischen Perspektive. Diese ist natürlich von der Ich-Perspektive aus Albert Sánchez Piñols Vorlage geerbt und auch inhaltlich begründet. Man kann den grüblerischen Denker mit Tinte und Feder regelrecht vor sich sehen; jenen stillen Beobachter, der sich voller Furcht seinen Weg zu Draculas Schloss bahnte, oder jenen, der an Bord des Walfangschiffs von Captain Ahab ging, um unglaubliche Abenteuer auf hoher See mit einem riesigen Wal für die Nachwelt zu dokumentieren. Er spricht zu uns wie zu einem guten Freund – verletzlich, offen und gierend nach Empathie.
Mit den richtigen Dialogen, Schauspielern und entsprechenden Bedingungen am Set (Kulisse, Beleuchtung, Kamera...) ließe sich aus diesem Ansatz natürlich immer noch einiges herausholen. „Cold Skin“ allerdings macht die Kunst der Konfrontation mit der eigenen Natur wider aller Bemühungen nicht greifbar. Weil er schlichtweg nicht unter die Haut geht.
Vielleicht ist schon das gewählte Bild nicht ganz geschickt gewählt: Fischmenschen wurden bereits mehrfach für ähnliche Zwecke genutzt, erst kürzlich wieder im oscarprämierten „The Shape Of Water“. Mit mäßig computeranimierten Horden nächtlich attackierender Wasserkreaturen kann man nur als Verlierer vom Platz gehen. Wenn nicht einmal die äußere Form der Parabel etwas Neues ist, wie kann es da der Inhalt sein?
Für die menschlichen Figuren gilt dies im gleichen Maß. Der brummige Einzelgänger, den Ray Stevenson zu spielen hat, ist mit all seinen Eigenschaften nicht der Erste seiner Art. Es hat nichts Originäres an sich, mehr über ihn und sein Verhältnis zu den Wesen zu erfahren. Das ist fatal, weil das über die nächtlichen Attacken strukturierte Drehbuch darauf ausgelegt ist, in jeder Nacht eine neue Facette des Charakters zu enthüllen. Auch Aura Garrido, die ein auf dem Leuchtturm geduldetes weibliches Exemplar der Angreifer spielt, kann nur wenig dazu beitragen, in dem Zusammenstoß der Kulturen eine bislang unentdeckte Besonderheit zu finden. Sämtliche Figuren stehen so im Dienste ihrer Rollenstereotypen. Es gelingt ihnen nicht, einmalige Charaktere zu erzeugen, von denen man etwas lernen könnte, das es in keinem Film zuvor jemals gegeben hätte.
So erstickt „Cold Skin“ letztlich an seinen eigenen hohen Ansprüchen, die er nicht erfüllen kann, weil in allen Disziplinen die letzte Besonderheit fehlt: Im Drehbuch, in der Charakterzeichnung und erst recht im Filmende, das so viel aussagt und doch so wenig.
Your Name - Gestern, heute und für immer
Kein Wunder, dass dieses romantische Coming-Of-Age-Drama die halbe Welt im Sturm erobert hat. Makoto Shinkai, kreativer Alleinverantwortlicher von „Your Name.“, lässt Wellen der visuellen Überwältigung über den Betrachter rollen und gedenkt nicht damit aufzuhören, bis der Abspann einsetzt. Die Animatoren erschaffen ein Meisterwerk emotionaler Manipulation. In zweidimensionaler Perspektive verharren sie, um sich dort in den kleinsten Details aus Bewegung und Struktur zu verlieren, um dann unvermittelt zu einer vogelfreien, unberechenbaren Kamerafahrt zu beschleunigen. Der gesamte Film scheint wie in Aufsicht gefilmt. Niemals ist der Blick in den Himmel verhangen. Wolken und andere Elemente spielen im Auge der Tiefe ein Ballett vor endlos blauer Bühne. Dazu erfüllt der schnelle High-School-Rock der Radwimps die Luft, die aber im Angesicht des Wolkenspiels etwas Elegisches einzufangen versuchen, das fast wie die isländischen Flüsterer von Sigur Rós anmutet.
Zudem ist die auf den ersten Blick ausgelutschte Körpertausch-Idee auch noch mit dem Bewusstsein für das Besondere ausgestattet, das aus gewöhnlichen Ideen, die jeder haben kann, etwas Außergewöhnliches macht. Die vermutlich in der japanischen Mythologie verwurzelte Symbolik des geknüpften Bands verfügt über eine universelle Allgemeingültigkeit. Historisch-Kulturelles aus Japan wird zwar zusätzlich thematisiert, eingewoben jedoch in eine technisierte Gegenwart, die der Globalisierung wegen einen offenen Zugriff von überall erlaubt – fast wie ein Public-Domain-Inhalt. Dazu kommen sympathisch-schusselige Charaktere, mit denen man lachen und sich um sie sorgen kann, die Pathos mit Humor zu brechen wissen oder umgekehrt. Außerdem bietet dieses Werk eine mit spürbarer Liebe und Sorgfalt zum Leben erweckte Kulisse aus Bahnhöfen, Wohnungen, städtisch-öffentlichen Lokalitäten und einer wie aus einer erfundenen Welt gestohlenen Krater- und Seelandschaft.
Dass so etwas vom Auge direkt ins Herz geht, ist verständlich. Gefährlich ist allerdings die sich wiederholende klimatische Steigerung mitsamt retardierender Momente und aller möglichen Kniffe, um das emotionale Zentrum bis auf den letzten Tropfen auszuquetschen. Schon die Eröffnungssequenz liest sich praktisch wie ein Abspann, trunken vor der Sehnsucht nach der Unendlichkeit. Die im Kern bodenständige Geschichte um zwei Jugendliche auf der Suche nach ihrer Bestimmung wird mit einem Himmelsbett an Bedeutung überdacht, das sich auf langer Strecke als Belastung entpuppen kann. „Your Name.“ ist kein Film der leisen Töne; introvertierte Handlungsmuster haben keine Chance auf Durchsetzung. Es geht darum, das eigene Innenleben in die Welt zu schreien und dabei möglichst eine Explosion von Sternen auszulösen. Darin ist eine gewisse Gefahr der Ermüdung gegeben; wenn über eine Zeitspanne von über 100 Minuten immer wieder Höhepunkte markiert werden, ist ein solches Risiko naturgemäß vorhanden.
Trotzdem ist „Your Name.“ ein durch und durch schöner Film, weil er gar keine besondere Mitarbeit oder Vorbereitung vom Zuschauer verlangt. Man wird auf dem fliegenden Teppich einfach mitgetragen – ob man will oder nicht.
IO
Wenn man nicht über die Mittel verfügt, eine große Science-Fiction-Vision in aller Pracht auf die Leinwand zu befördern, ist es eine beliebte Taktik, die visuellen Höhepunkte auf kurze Ausschnitte zu begrenzen und die restliche Laufzeit mit ihren Spuren auszuschmücken. Dann muss der Paukenschlag aber auch richtig sitzen, wenn es soweit ist. Fast noch wichtiger, das Drumherum sollte natürlich auch interessant gestaltet sein. Wer nur eine kurze Sneak Peek auf die sterbende Erde der Zukunft zu bieten hat und die übrige Zeit in ein wortkarges Kammerspiel voller ungezeigter Dinge investiert, sollte jedenfalls genug inhaltliche Substanz in der Hinterhand haben. Nur so lässt man sein Publikum verstehen, dass es um die Bilder im eigenen Kopf geht, nicht um die Bilder auf der Leinwand.
In beiderlei Hinsicht zeigt das Zwei-Personen-Drama "IO" Ambitionen, aber leider auch spürbare Defizite. Die unerfahren und dadurch relativ ausdruckslos wirkende Margaret Qualley ist eine zumindest ungewöhnliche Wahl für die schwierige Aufgabe, den ersten Akt eines Filmes ohne unterstützende Nebendarsteller völlig alleine zu bewältigen. Bei einer Big-Budget-Produktion mit einem Superstar wie Matt Damon unter der Hand eines etablierten Regisseurs wie Ridley Scott funktioniert so etwas natürlich ohne Weiteres; aber auch und gerade Indie-Regisseure wie Duncan Jones haben mit Filmen wie "Moon" eigentlich bewiesen, dass man mit dem richtigen Darsteller (in jenem Fall Sam Rockwell) die halbe Miete schon im Sack hat, möchte man sein SciFi-Konzept auf einer Solo-Performance aufbauen. Schaut man jedoch Qualley bei ihrem geregelten Alltag zu, wie sie auf ihrem luftigen Rückzugsort als futuristische Heidi Bienen züchtet und Daten auswertet, sieht man darin allenfalls eine Art Konsens der Art Science-Fiction-Literatur, die sich mit dem Ende der Bewohnbarkeit des Planeten Erde befasst, kaum jedoch eigene ausgereifte Ideen. Der große Sturm, der zunächst wie ein Bote des Todes dämonisiert wird, entpuppt sich rein audiovisuell als laues Lüftchen; die späteren Bilder ausgestorbener Urbanität muten wie computergenerierte Screenshots an, die mit ein paar dynamischen Effekten angereichert wurden.
Zu allem Überdruss wird es nicht unbedingt besser, als Anthony Mackie im Ballon zur Hauptdarstellerin stößt, also sozusagen der heimatverbundenen Heidi ihren Jules Verne serviert. Wenn Jonathan Helpert bei der Koordination seiner beiden Darsteller auch so etwas wie unerfüllte Romantik inszenieren wollte, dann ist es jene der trockenen Art, die lieber im Boden versinken würde als auch nur einen Hauch von ausgelebter Emotion zuzulassen. Schön, dass man damit die Kitschfalle umkurvt, aber als wäre die Atmosphäre ohnehin nicht bereits arm an Sauerstoff, gesellt sich eben auch noch die fehlende Chemie der Akteure dazu, die sich bei weitem nicht nur auf eine potenzielle Liebesgeschichte beschränkt, sondern auch ins Thematische eindringt.
Grenzen erschaffen Möglichkeiten; die müssen aber auch genutzt werden. "IO" wirkt wie eine eine Schraffur, nur eine Vorstufe zum fertigen Produkt. Inhaltlich ist es sinnvoll, nicht alles bis ins Detail auszubuchstabieren, aber wenn selbst das Konzept unfertig wirkt, vermögen auch die diffusesten Andeutungen nicht die Fantasie anzuregen.
Feinde - Hostiles
Zwei Todfeinde, durch die Situation aneinander gebunden und dazu gezwungen, dem jeweils anderen zu vertrauen? Wenn das mal nicht nach einem typischen Drama über Vorurteile und Rassismus klingt, wie es der Tränendrüse alljährlich zur Oscar-Saison aufgezwungen wird. Der älteste Stammeskonflikt der amerikanischen Geschichte wird einmal mehr heruntergebrochen auf das Verhältnis zwischen zwei (repräsentativen?) Anführern, aus deren Geschichte es zu lernen gilt. Mit dem Unterschied, dass es sich diesmal um einen freudlosen Western handelt, der mit der rührseligen Best-Picture-Bildsprache weniger gemein hat als mit einem garstigen Independent-Streifen... und aus dieser Garstigkeit all seine Kraft zieht.
So macht der gnadenlose Einstieg gleich deutlich, dass es hier trotz eines Gefangenentransports im Main Plot nicht darum gehen wird, Gefangene zu machen. Das Land ist groß und weit, der Blick darauf aber immer wieder verstellt durch lange Grashalme, staubigen Boden und Galgen, die von Bäumen hängen. Der Treck, der bereits durchgehend mit inneren Konflikten zu kämpfen hat, wird zu allem Überdruss auch noch ständig von außen attackiert, was in hektische, unübersichtliche Situationen mündet. Regisseur Scott Cooper macht klar, dass seine Protagonisten sich ihre teilweise herzzerreißenden Tragödien durch stures, verbittertes Verhalten selbst verdient haben; Wes Studis versteinerte Maske, die toten, leeren Augen von Rosamund Pike und Christian Bales überanstrengte Trauermiene sprechen Bände.
Die antirassistische Aussage von „Hostiles“ kommt also mit Fanfaren und viel Theatralik, was der Abrechnung mit dieser trostlosen westlichen Welt in den letzten Zügen einer Epoche allerdings wenig von ihrer Bestimmtheit nimmt. Um diesen Film schnell zu vergessen, ist er schlichtweg zu intensiv und erdrückend.
Bright
Wenn irgendwann mal jemand auf die Anfänge des Streaming-Zeitalters zurückblickt, könnte "Bright" womöglich zum Anschauungsbeispiel für das strategische Vorgehen von Netflix werden. Noch vor wenigen Jahren wäre es völlig undenkbar gewesen, dass jemand mitten in L.A. Dreharbeiten für einen Cop-Thriller mit Elfen, Orks und Magie in Auftrag gibt; erst recht, wenn einer der größten Filmstars der 90er die Hauptrolle spielt und für derartigen Humbug mit Sicherheit auch entsprechend vergütet wird. Nicht nur handelt es sich aufgrund der genannten Parameter um eine schweineteure Produktion, ihre Realisierung stellt auch die Zurechnungsfähigkeit im wirtschaftlichen Sinne in Frage; wohl kein Studio bei Verstand würde einen völlig aus der Luft gegriffenen Genre-Clash wie diesen über die normale Verwertungskette inklusive Kino durchwinken. Es gibt eben keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür, weshalb eine Art "Training Day mit Feenstaub" beim Publikum funktionieren sollte, geschweige denn bei der Kritik; aktuelle Kino-Trends werden von einer solchen Mixtur jedenfalls nicht unbedingt reflektiert und um eine etablierte Marke handelt es sich ebenfalls nicht.
Bedenkt man aber, dass Streaming anders funktioniert als Kino, erschließt sich die Denkweise schon eher. Der Name muss möglichst klangvoll sein und das Konzept muss sich von allem anderen abheben. Das Geld fließt, um einzigartigen Content jenseits der bewährten Formeln zu erzeugen. Wer sich bei Netflix gelangweilt durch das Programm wühlt, ist schließlich bei der Auswahl experimentierfreudiger als jemand, der gerade für einen Kinoabend eine Menge Geld in die Hand genommen hat und somit Risikoüberlegungen anstellt, die normalerweise mit "Nummer sicher" enden. Man könnte nun dazu versucht sein, der neu entdeckten Vielseitigkeit mit Jubelstürmen zu begegnen. Doch es geht gar nicht um kreative Freiheit. Es geht nur darum, im unübersichtlichen Streaming-Urwald wahrgenommen zu werden... und das merkt man zumindest diesem merkwürdigen Abkömmling einer neuen Distributionsstrategie in jeder Minute an.
Wie selbstverständlich koexistieren hier Märchengestalten und Menschen miteinander auf engem Raum - und das in einem Genre, das eigentlich einen großen Wert auf Authentizität legt und dadurch immer ein wenig ernst wirkt, wenn nicht sogar verbissen. Mit David Ayer sitzt auch noch ein Mann auf dem Regiestuhl, der als Muttersprachler dieser Spielart durchgeht. "Harsh Times" hat er gedreht, "Street Kings" und "End Of Watch", dazu die Drehbücher von "Training Day" und "Dark Blue" geschrieben. "Bright" scheint ganz und gar in diese Reihe zu passen... nur, dass diesmal irgendein Witzbold heimlich Fantasy-Sticker draufgeklebt hat. Man sollte meinen, dass schon durch die reine Präsenz von Elfen und Orks das Eis bricht und der Weg frei ist für einen ironischen Blick auf den Cop-Film. Aber nein. Will Smith als rassistischer Cop (oho, welch Wendung, der Schwarze ist ein Rassist) und Edgerton-Ork bilden ein völlig merkwürdiges Doppel, das sich der Absurdität ihres Anblicks nicht bewusst zu sein scheint und demzufolge weder besonders ernst noch besonders witzig mit sich selbst und der Umgebung interagiert. Eine milde Form von Ironie breitet sich im Polizeiwagen auf Streife aus, gerade genug, um sich nicht der Parodie verdächtig zu machen. Anders gesagt: Einen fantasieloseren Umgang mit der Ork-Situation könnte man sich gar nicht vorstellen.
Zu Beginn ist das Drehbuch zumindest noch ein wenig an sozialen Themen interessiert, versucht es doch, Hierarchien von Märchenfiguren auf das reale Großstadt-Amerika zu übertragen, indem es beispielsweise das Elfenvolk in ein Viertel für Snobs und Neureiche einquartiert (Beverly Hills und Malibu, zieht euch warm an). Je mehr es aber um den Lichtstab-McGuffin geht, desto weniger interessiert Ayer das Drumherum. Die von Beginn an platte Umkehrung von Rassismusthemen verschwindet mit der Zeit völlig im Äther und damit auch der letzte Rest Chemie zwischen Smith und Edgerton. Dabei bleibt es immer gefällig und kurzweilig, aber gerade so, dass man auf der Couch nicht vor den Socken einschläft. Denn Dinge von Belang passieren nicht mehr.
"Bright" mag durch seine ungewöhnliche Genre-Paarung per se ein gewisses Publikum anziehen und auch ein paar Fans haben, einfach weil man nicht so oft Drachen am Himmel fliegen sieht, während die Polizeistreife durch die engen Straßen L.A.s fährt und Ausschau nach Orks hält, die man verhaften kann. Es gibt Action, kräftige Bilder und zumindest einen großen Namen im Cast. Das war es aber auch schon.
The Mermaid - Lake Of The Dead
So also sieht das Ergebnis aus, wenn der russische Schüler bei der Klassenarbeit vom amerikanischen Mitschüler abschreibt... und nicht merkt, dass sein Sitznachbar der dümmste Schüler in der ganzen Klasse ist.
Normalerweise haben russische Fantasy- und Märchenfilme ja ihre ganz eigene Aura, aber wenn die Zutat Horror im Rezept steht, bevorzugt man wohl eher den Import aus dem Ausland. An "The Mermaid" jedenfalls fühlt sich nur wenig russisch an, was man nun je nach Präferenzen als Vor- oder Nachteil auslegen kann. Das Produktionsland wird am ehesten noch durch die slawischen Gesichtszüge der Darsteller verraten, ansonsten könnte der Dreh genauso gut im Camp Crystal Lake stattgefunden haben.
Es ist ein Film, den ein Teenager mit Horror-Affinitäten für einen romantischen Abend mit seiner Love Interest auswählen würde... es geht ja schließlich um Liebe und so. Dort, wo normalerweise unvorsichtige Jugendliche baden, schwimmt nun eben ein Meerjungmonster, das der weiblichen Eifersucht nicht gerade eben eine hübsche Visage im Spiegel entgegen hält. Die visuellen Tricks rund um die Filmattraktion wirken stets unausgearbeitet und tragen nur selten zum Gelingen der müden Jump Scares bei, gehören aber ansonsten noch zu den Höhepunkten. Immerhin wird einigermaßen kreativ mit den morphologischen Eigenschaften der Kreatur gespielt, die in diesem Fall ihre gestaltwandlerischen Fähigkeiten irgendwo zwischen Wasserleiche, Tiefseefisch und Poltergeist verteilt und damit wenigstens für eine gewisse Abwechslung sorgt. Dazu gehört auch, dass ihr Wirkungsbereich bei weitem nicht auf den titelgebenden See beschränkt ist. Sie hockt auch in Kellern oder versteckt sich unter Bettdecken. Zudem verwandelt sie Schwimmbäder gerne mal in ihren heimischen Tümpel oder wendet anderweitig Teleportationstechnologie an, um die träumenden Nichtsnutze wieder in den nächtlichen See zu befördern.
Das hilfsbedürftige Drehbuch, die vergessenswerten Schauspielleistungen und die kantenlose Regie ersticken allerdings die letzten Hoffnungen darauf, das Etikett "austauschbar" mal stecken lassen zu können. Da ist es nur gut, dass wir beim Thema "Meerjungfrau" inzwischen die Qual der Wahl haben. Im Zweifel sei daher der Blick nach China ("The Mermaid") oder Polen ("The Lure") empfohlen.
Resident Evil: Vendetta
Vielleicht darf man bei einem Budget von gerade einmal 100.000 Dollar auch einfach nicht zu viel erwarten, aber gemessen an momentanen CGI-Qualitätsstandards bietet "Resident Evil: Vendetta" als immerhin dritter Teil seiner Art einfach zu wenig. Völlig tote Bildhintergründe ist man vielleicht von Animationsserien im Kinderprogramm gewohnt, nicht aber von Erwachsenen-Unterhaltung im Spielfilmformat. Beleuchtungseffekte durch Alarmsirenen oder Taschenlampen scheinen nahezu alleine für dynamische Effekte sorgen zu müssen. Fast sämtliche Mühen sind offenbar in das wichtigste Element geflossen, die Mimik der Figuren nämlich, die trotz reduzierter Texturen mit realistischen Darstellungen von Emotionen überzeugt. Auch wenn der Fokus unter Berücksichtigung der offenbar begrenzten Mittel sicherlich richtig gewählt ist, insgesamt sorgen die Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Bausteinen für ein sehr unfertiges Gesamtbild.
Mängel in der Animation werden dann mit furiosen Kamerafahrten überspielt, die physikalisch unmögliche Verrenkungen der Fan-Lieblinge Chris Redfield und Leon S. Kennedy einfangen. Der Schusswaffengebrauch wird wie schon vor 20 Jahren in "Matrix" zur Martial-Arts-Kunst umgedeutet, die Langsamkeit des Zombie-Daseins wie in "28 Days Later" mit Raketenantrieb verstärkt. Wenn zwei Zombie-Rottweiler den Motorrad fahrenden (oder viel mehr Kunststücke auf einem Motorrad ausführenden) Leon bei gefühlten 200 Meilen pro Stunde über eine Autobahn jagen, bleibt die Furcht irgendwo am Ausgangspunkt zurück und die Action gerät in den Vordergrund - wie zu den schlechtesten Zeiten der Videospielreihe mit "Resident Evil 5" und "6". Etwas besser macht es da schon die Infiltration eines mit Zombies und üblen Fallen gespickten Herrenhauses in der Einführung, doch lebt diese auch nur von den Schlüsselbildern der Reihe, ohne ihnen etwas Neues hinzufügen zu können. Was im Übrigen auch für das Finale gilt, das zum wiederholten Male dieselbe Formel anwendet: Eine Dosis Bioimpfstoff und der fein gekleidete Fiesling verwandelt sich in eine noch fiesere Mutation, deren Auswüchse nur durch die limitierte Fantasie der Autoren gebremst werden können.
Mit Seitenblick auf die (hoffentlich nun endgültig beendete) Live-Action-Reihe mit Milla Jovovich ist verständlich, dass sich Fans an diesen kleinen Schimmer von Werkstreue klammern. Aber wenn man ehrlich ist, hätte auch die CGI-Filmreihe mal einen Neustart nötig. Der Reset-Knopf hat auch der Videospielvorlage gut getan, wie "Resident Evil 7" bewies. Setzt etwas Vergleichbares in Filmformat um und wir haben eine ganz andere Diskussionsgrundlage.
Bleach
Ein kolossaler Seelenfresser, der mit markerschütterndem Bass nach seiner Nahrung verlangt, ist mit seinem dreiteiligen Auftritt das strukturierende Highlight der Manga-Verfilmung "Bleach". Trampelnd, wuselnd und sich windend bringt er Schauwerte aus der Phantastik in einen japanischen Vorort, der mit seiner Harmonie aus Stadt und Natur bereits eine ganz eigene Idylle bietet, in der sich Coming-Of-Age ungehindert entfalten kann. Doch wenn die Kreatur in Form eines riesenhaften Trolls, einer monumentalen Spinne oder eines formlosen Tentakelwesens auf den Plan tritt, spielt das Fantasy-Abenteuer seine visuellen Stärken voll aus.
Eigentlich jedoch geht es um einen angehenden Jäger des Übernatürlichen in der Ausbildung, mit allem, was dazugehört: Kampftraining, Schulalltag, Ablenkung durch das schöne Geschlecht und Familienangelegenheiten. Dazu noch ein Prolog, in dem die Vorgeschichte der Hauptfigur aufgearbeitet wird. Die Bestandteile, aus denen sich das Leben Ichigos zusammensetzt, erscheinen so simpel, dass sie widerstandslos in die Schablone für Teenager-Fantasy passen, aus dem Kapitel: Dinge, die man nur sehen kann, wenn einem gerade die ersten Haare am Körper wachsen. In den Begegnungen zwischen Ichigo und den Geistern, aber auch in seinem Umgang mit Mitschülern und Familie wird locker aufgeschlagener Humor geboten, der die schwer im Magen liegende Origin-Geschichte ein wenig abfedert. Ein tiefes Trauertal wie in "Sieben Minuten bis Mitternacht" muss man also nicht durchwaten, statt Downer-Pille gibt's im Zweifelsfall motivierende Schwertkämpfe gegen dunkle Mächte, die sich vor dem öffentlichen Auge verstecken wie der Riese in Spielbergs "BFG" vor der Zivilisation. Für die Hauptfigur sind sie aber so greifbar wie das eigene Riesen-Katana; für den Zuschauer der Höhepunkt eines recht harmlosen, aber bekömmlichen Abenteuers aus 1001 Manga-Seiten.
Maniacs - Die Horror-Bande
Dieser doch recht eigenwillige Vertreter des 80er-Jahre-Horrorfilms lässt ein völlig unberechenbares Sammelsurium von nachtaktiven Monstern auf San Francisco los. Das Ziel ist wie üblich eine Gruppe von Teenagern, die sich gemäß ihrer Zeit präsentieren: Schrecklich gekleidet, schrecklich frisiert und immer mit einem Kaugummi in Griffnähe. Die Zusammenstellung ihrer schlitzfreudigen Gegenspieler macht den Anschein, als solle mit ihr der Urschlamm der Stadtgeschichte wiederbelebt werden, wenngleich offen bleibt, was beispielsweise ein Shogun in dieser illustren Sammlung zu suchen hat. Das allgemeine Auftreten der Herrschaften allerdings mahnt weniger an japanische Kriegskultur als vielmehr an amerikanische Banden aus den Rocker- oder Punk-Milieus. Was mit proletenhafter Aufdringlichkeit beginnt, steigert sich bald in ein kollektives Agreement zum Slasher-Streifzug; als habe sich eine kleine Gruppe dazu entschlossen, einen frühen Testlauf für die Purge-Nacht zu starten.
Die Schauplätze pendeln dabei zwischen der mittelständischen Biederkeit von Vorstadthäusern und Abschlussbällen einerseits und Rockkonzerten, Gammelei im Stadtpark und U-Bahn-Stationen andererseits. Relativ willkürlich attackieren die Maniacs ihre Opfer meist nach den Regeln des Slasher- oder Stalker-Films. Die recht unterschiedlichen Settings versucht man für abwechslungsreiche Teenie-Jagden zu nutzen, doch die blasse Regie verhindert jede Andeutung filmischen Ausdrucks. Da ist es kein Wunder, wenn der Eskalationsversuch nach "Carrie"-Art aufgrund verfehlten Suspense Buildings dann auch völlig in die Hose geht. "Neon Maniacs" hat viel Buntes zu bieten, verklebt in Omas Süßigkeiten-Einmachglas aber zum faden Klumpen, der selbst durch die 80er-Brille jede Appetitlichkeit verloren hat.
Elizabeth Harvest
Der Trailer zeigte einen wohlhabenden Mann, der seine viel jüngere Gattin durch sein Haus führte und ihr dabei alle Freiheiten zusicherte; nur von diesem einen Raum im Untergeschoss solle sie sich fernhalten. Endlose Geheimniskrämerei stand nun zu befürchten, bis sich die schreckliche Wahrheit im Grande Finale offenbaren würde und all die schrecklichen Vorahnungen durch merkwürdige Vorgänge im Haus endlich einen Sinn ergäben.
Es ist erfrischend, dass der fertige Film nicht diesen ausgetretenen Pfad des Suspense-Kinos bis zum bitteren Ende beschreitet, sondern schon recht früh von ihm abweicht. In einem frühen Moment der unerwarteten Eskalation ist man so vom generischen Ablauf vergleichbarer Plots überzeugt, dass man meint, einer verkappten Traumsequenz aufzusitzen, die sich schon in der nächsten Szene wieder auflösen wird; doch Sebastian Gutierrez, der die Story angeblich zehn Jahre schwanger trug, setzt seine Vision konsequent durch und wagt den Tauchgang in unbekannte Gewässer.
Das birgt natürlich Gefahren in Bezug auf eine kohärente Erzählstruktur. Von einer ausgereiften, auf den Punkt austarierten Geschichte mag man trotz der langen Entwicklungszeit eher nicht reden, denn zu sehr nimmt das Formelle die Trial-and-Error-Gestalt seines Inhalts an. Der von Ciarán Hinds manisch-impulsiv angelegte Wissenschaftler und die von Abbey Lee als einfältig-naiv, ja fast dümmlich interpretierte Ehefrau tragen zu einem trashigen Charme bei, der dezente Aromen eines Films von Brian de Palma freisetzt, zumal sich auch Hitchcocks Signatur in jedem Raum der futuristischen Villa abzeichnet.
"Elizabeth Harvest" ist im folgenden wechselhaft und unverbindlich, dabei fast so schrill wie ein Argento in der Blütezeit. Feste Regeln scheinen ihm nichts zu bedeuten. Das geschmackvolle, auf Robustheit und Beständigkeit ausgelegte Dekor wirkt wie ein scharfer Kontrast zum Wankelmut, den das Drehbuch mit jeder neuen Seite unter Beweis stellt. Die Überraschungen verlieren dadurch langfristig natürlich an Effet, das Unerwartete wird zum Erwartbaren und obgleich die Handlung auf nur einen Schauplatz und vier Hauptfiguren (plus ein Gastdarsteller) begrenzt ist, gleicht sie zunehmend einem unentwirrbaren Garnknäuel.
Unbestreitbar hat das seinen Reiz, aber der ist eher kurzfristiger Natur. Es ist wie mit einem Spiegellabyrinth auf dem Jahrmarkt: Interessant, diese Erfahrung einmal gemacht zu haben, doch hat man erst einmal wieder herausgefunden, ist der Bedarf fürs Erste gedeckt.
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American Animals
Immerhin ein seltener Einblick in die Psyche junger Krimineller wird in „American Animals“ geboten. Die Schauspieler vermitteln die Verunsicherung während der Tat, die realen Personen zeigen in Interview-Zwischenschnitten durch verzogene Mimik und Momente des betretenen Schweigens, dass es auch 15 Jahre später noch weh tut, sich an die damalige Zeit zu erinnern. Dies ist eben keine Milieustudie, kein Portrait von Menschen, die durch ihr Umfeld zum kriminellen Handeln gezwungen wurden. Es geht vielmehr um eine Gruppe von Individuen, die sich gegenseitig dazu bringen, etwas zu tun, das nicht ihrem soziologischen Profil entspricht. Der Film lehrt uns somit, dass Verhalten nicht immer prognostizierbar ist; dass selbst und gerade ein “normaler“ Lebenslauf zur Desillusionierung führen kann.
Mit Evan Peters und Barry Keoghan muss es ein Leichtes sein, die Schwerpunkte auf das Drama missverstandener Jugend zu legen, wirken die Beiden doch selbst in ihren bekannteren Rollen immer ein wenig wie abwesende Träumer, ganz zu schweigen von ihren spezielleren Auftritten. Beim Casting kann man also schon mal den grünen Haken setzen. Und dennoch wirkt der Film seltsam freudlos in seiner ganzen Herangehensweise, als wolle er um jeden Preis betonen, dass kein Überfall jemals ein Kavaliersdelikt ist, selbst wenn er mit schlechtem Gewissen ausgeführt wird. Ein wenig mehr schwarzer Humor jedenfalls wäre aufgrund des amateurhaft geplanten und umgesetzten Raubs nicht fehl am Platz gewesen. Stattdessen wird fortwährend mit leerem Blick in die Nacht gestarrt und mitunter sogar schiefe Symbolik eingebaut.
Die Absichten sind aller Ehren wert, doch je mehr die Regie das Bemühen um Neutralität signalisiert, desto leidenschaftsloser wird das Resultat. „American Animals“ ist mit Sicherheit ein ambitionierter Film, der wohl auch viele Kritiker und Zuschauer erreicht hat. Diesem Kanon kann ich mich leider nicht ganz anschließen.
The Nun
Als Ausstattungsfest ist er durchaus zu gebrauchen, dieser nun bereits fünfte und demnach völlig nährstoffarme Eintrag in das merkwürdige Universe-Gebilde von „The Conjuring“. In rumänischen Klostern wird eben nicht allzu oft gefilmt, und so erfreuen wir uns an einem erfrischenden Tapetenwechsel nicht nur auf die Reihe bezogen. Gruftige Kellergewölbe und mit Gras überwucherte Grabflächen gehörten vielleicht vor 30 oder 40 Jahren zum Standard-Repertoire des Horrorfilms, heute korrodieren solche Bilder eher im Andenken an längst vergangene Tage.
Schön, dass „The Nun“ über seine volle Laufzeit an den altmodischen Kulissen festhält und selbst bei seinen wenigen Vorstößen in die Zukunft bloß im Vintage der 70er landet, in denen die Hauptfilme angesiedelt sind. So bleibt die Atmosphäre schön luftdicht versiegelt und beweist Durchhaltevermögen, anstatt sich schon nach dem Prolog zu verdünnisieren. Auch die Titelfigur profitiert vom überdurchschnittlich sehenswerten Produktionsdesign: Bei einem Dämonen im Nonnenkostüm kommt es eben auch ganz entscheidend auf die Präsentation an. Die ergibt im Zusammenspiel von Beleuchtung, Kamera und Maske eine geschlossene Einheit, die sich als Ausgangsbasis für effektvollen Grusel bewährt.
Dass diese Vorlage nicht genutzt wird, hat mehrere Gründe, deren Probleme zumeist im feststeckenden Getriebe des zeitgenössischen Mainstream-Horrorfilms ihre Wurzel haben. Es ist zwar keine neue Entwicklung, dass erfolgreiche Ideen auch dann fortgesetzt werden, wenn es – vom lieben Geld abgesehen – keine plausiblen Gründe für dieses Vorgehen gibt. Aber wohl nie waren die niederen Beweggründe der Produzenten durchschaubarer als bei der aktuell umgehenden Neuentdeckung des Konzepts „Filmuniversum“. So viel Eindruck die dämonische Nonne als Nebenfigur hinterlassen hat, von selbst wäre man wohl eher nicht auf die Idee gekommen, ihr einen eigenen Film zu spendieren. Zu Recht; das Drehbuch ist behelfsmäßig anhand von Schablonen zusammengesetztes Flickwerk. Was man einem anspruchslosen B-Movie noch durchgehen lässt, damit muss man den Teil eines solchen „Universums“, das sich stets als bedeutungsvoll verkauft, längst nicht davonkommen lassen.
Darüber hinaus wird, wenngleich dies keine Überraschung darstellt, zu sehr auf Jump-Scare-Mechaniken vertraut, vor allem aber auf ein Rezept, das bis zur Ermüdung immer wieder durchkonjugiert wird: Eine gerade noch aus dem Nichts manifestierte Erscheinung ist (meist unscharf) im Hintergrund zu sehen und gerät durch Kameraschwenks oder Schnitte aus dem Bildausschnitt, nur um bei der Rückkehr in die ursprüngliche Position verschwunden zu sein. Oder Dinge werden zu einem Zeitpunkt in aller Ausführlichkeit erklärt, um garantiert zu einem anderen Zeitpunkt in einer Horrorsequenz zurückzukehren (Glocke am Grab). Diese Art des Inszenierens erzeugt den Schein aufwändig komponierter Szenen, in Wirklichkeit jedoch wird aus Faulheit einfach im Konsens gebrandschatzt... ja, selbst die erinnerungswürdige Portrait-Szene aus „The Conjuring 2“ wird in einer weit weniger effektiven Variante neu interpretiert.
„The Nun“ ist also eine Produktion mit Fließbandcharakter und hat lediglich das Glück auf seiner Seite, immer noch auf ein herrlich garstiges Filmmonster zurückgreifen zu können, das auf Phobien abzielt, die eher selten abgerufen werden. Dazu sind Location und historisches Setting vortrefflich gewählt, was sich am stimmungsvollen Ambiente zweifelsfrei ablesen lässt. Das ist immerhin etwas. Bei weitem aber nicht genug, um die Notwendigkeit dieses Spin-Offs zu rechtfertigen.
Triple Frontier
Das südamerikanische Dreiländereck zwischen Brasilien, Kolumbien und Peru steht in „Triple Frontier“ sinnbildlich für den rechtsfreien Raum, in den sich die Protagonisten des Films wagen, um erstmals in ihrem Leben nicht der Regierung zu dienen, sondern sich selbst. J.C.Chandor setzt im Aufbau seines Films vieles daran, das Special-Forces-Quintett in der Ausführung seines Plans von der geregelten Zivilisation zu isolieren. Es gibt keine Szenen mit ehemaligen Vorgesetzten der Eliteeinheit, auch keine Kommunikation mit Freunden und Familie von außerhalb; es werden nicht einmal die Mitglieder des Drogenkartells tiefer charakterisiert, auf die man es abgesehen hat, treten diese doch allenfalls als anonyme Soldaten in Erscheinung, die mit gezückter Waffe einen Raum betreten und in Sekundenbruchteilen zur Leiche werden. Der Regisseur schafft so eine Luftblase um die Männer, die sich von ihrem Land fallen gelassen fühlen und in dieser Auffassung gegenseitig unterstützen.
Die schwere Enttäuschung muss dann auch als alleinige Erklärung dafür dienen, dass sich Vollprofis während des überraschend schlecht geplanten Einsatzes von ihrer Habgier übermannen lassen und so den Erfolg der Mission aufs Spiel setzen. Die darauf folgende Eskalation allerdings lässt offene Fragen zur Motivation der Figuren weniger bedeutend erscheinen, entwickelt sich aus den zunächst glimpflich erscheinenden Fehlentscheidungen doch bald ein wahrer Schmetterlingseffekt aus fatalen Kausalfolgen. Dauernd werden die Männer zu neuen Improvisationen gezwungen, bis sich das Szenario zu einer Farce entwickelt, womit der Sinn des Einsatzes zu einem gewissen Zeitpunkt in Frage gestellt wird. Chandor weiß das mit einprägsamen Momenten zu unterstreichen, in denen der Wert des entwendeten Geldes seine Relation verliert.
Ein Actionfeuerwerk ist indessen nicht zu erwarten, wohl aber gut dosierte Actioneinlagen, die stets zur Generierung einer neuen, noch fataleren Situation führen. An Spannung mangelt es in diesem Aufbau jedenfalls nicht, zumindest wenn man dazu bereit ist, sich gleichzeitig auf die gruppendynamischen Aspekte einzulassen, die einen recht hohen Anteil der Screentime in Anspruch nehmen. Wegen des charakterstarken Casts um Pedro Pascal, Garrett Hedlund, Charlie Hunnam, Oscar Isaac und Ben Affleck gelingt das aber problemlos, denn alle Fünf tragen Entscheidendes zur Chemie der Gruppe bei, so dass man sich als Zuschauer jederzeit in das Szenario einfühlen kann.
Fargo – Season 3
Vielleicht sind es die veränderten Farbfilter, die sich jetzt wie ein milchig-grauer Schleier über das Bild legen, vielleicht ist es auch die Tatsache, dass das titelgebende Fargo in North Dakota erstmals nicht mehr besucht wird, aber irgendwas ist freudloser, trister, kontrastärmer als in den hervorragenden ersten beiden Staffeln. Dabei sind die Zutaten alle gegeben: Ewan McGregor scheint wie geschaffen für eine Hauptrolle in der Krimiserie, erst recht, wenn er in einer Doppelrolle ein Zwillingspaar spielt, das sich hauptsächlich durch die geschmacklose Frisurenwahl voneinander unterscheidet. Mary Elizabeth Winstead hat in ihrer Schauspielkarriere zumindest mal Kontakt gehabt mit dem ewigen Eis und bringt all ihre Erfahrung mit hoch gekrempelten Armen ein; von Michael Stuhlbarg darf man auch dann Wundertaten erwarten, wenn sein Gesicht hinter einem wahren Besen von Schnäuzer versteckt ist. Und David Thewlis mit britischem Kunstgebiss, meine Güte, lasst die Show beginnen!
Thewlis ist dann auch derjenige, der die hohen Erwartungen sogar noch übertreffen kann. Als Vertreter einer zwielichtigen Firma hockt er wie ein grienender Mephisto über der Schulter der traditionell von der Situation überforderten Hauptfigur, die nur ein Spielball in den Händen ihres Strippenziehers ist. Eklige Close-Ups seiner fauligen Prothese, die er mit dem Zahnstocher bearbeitet, tragen zur Diabolisierung dieses Geistes bei, der im Grunde keinen Mensch darstellt, sondern nur eine Idee.
Mit McGregors Stussy-Brüdern allerdings, und vielleicht liegt gerade hier das Problem, kann man sich anfangs nicht so recht anfreunden. Im Vergleich mit den verlorenen Seelen, die Martin Freeman und Kirsten Dunst / Jesse Plemons spielten, möchte man ihnen auf Anhieb weniger Mitleid zuteil werden lassen. Vielleicht hat man den zögerlichen Geschäftsmann und den kleinkriminellen Blutsverwandten mit seiner forschen Freundin einfach schon zu oft gesehen, auf jeden Fall zieht ihre Notlage anfangs nur wenig Interesse auf sich. Noch dazu scheint der Fall selbst einfach weniger herzugeben; er enthält eben nicht diesen tiefschwarzen Grundton und wirkt im Abschluss mancher Subplots auch öfter mal gekünstelt.
In der zweiten Staffelhälfte fangen sich die Autoren allerdings und ziehen ihre mühselig ausgeworfenen Köder wieder an Land. Was anfangs noch nach überreizten Stereotypen aussieht, entpuppt sich später oft als kluger Bruch mit Konventionen. Besonders Winsteads Rolle profitiert davon, verhält sich ihre Figur doch nicht ganz adäquat zu den ersten Eindrücken, die man von ihr hat. Das vage Ende bleibt vielleicht die letzte Antwort schuldig, ist aber so souverän inszeniert und gespielt, dass man die Staffel mit einem guten Bauchgefühl verlässt. Die dritte Staffel ist nicht wie die ersten beiden über alle Zweifel erhaben, gehört in einer zunehmend auf Masse statt Klasse setzenden Serienlandschaft aber trotzdem wieder zu den Diamanten.
House Of Cards – Season 5
Ass, König, Dame, Bube, 10. Spätestens jetzt ist "House Of Cards" eine Serie wie ein Royal Flush. Kein Wunder, dass sich in der fünften Staffel von Beginn an die Stimmung einer bevorstehenden Aufdeckung des finalen Blatts entfaltet. Mit Blick auf das aalglatte Auftreten der Politiker könnte man auch von einer Demaskierung sprechen.
Für Kevin Spaceys Realität als Person öffentlichen Interesses mag sich das Omen der Enthüllung bewahrheitet haben. Die Serie selbst, in der er hiermit letztmals als Präsident der Vereinigten Staaten mitwirkt, beweist leider nicht ganz so viel Konsequenz wie die Öffentlichkeit, als sie Spaceys Karriere beendete. Obwohl der Plot einen mitreißenden Einstieg wählt mit einem wild entschlossenen Protagonisten, der nach wie vor sein unverblühtes Charisma auf der Leinwand wirken lässt, endet er ohne richtigen Abschluss und ohne endgültig unter die Fassade der falschen Kreaturen in Kostümen und Anzügen gedrungen zu sein. In Hoffnung auf weitere gute Quoten mit einer sechsten Staffel (die allerdings ohne Spacey zur wenig aussichtsreichen Abschiedstour werden würde) wird die seltene Gelegenheit ausgeschlagen, den runden Abschluss einem ordinären Schaulaufen vorzuziehen.
Dabei wird in der Darstellung des Wahlkampfs zwischen Präsident Underwood und Herausforderer Gouverneur Will Conway (Joel Kinnaman) ziemlich viel richtig gemacht. Überraschen kann der Ausgang nicht mehr (man hat dem Präsidenten inzwischen wohl schon zu lange über die Schulter geschaut), aber ohne zu allzu heftigen Maßnahmen greifen zu müssen, entfaltet sich zwischen den Beiden ein fintenreiches Fernduell, das sich wie ein Ballett der Aale in einem Gartenteich verfolgen lässt. Auch die Schach-Metapher ist dank der vielen Nebenfiguren mit ihren Spezialfähigkeiten auf und abseits des Brettes greifbarer denn je. Spaß macht das Nachverfolgen der Züge, weil man nie hundertprozentig wissen kann, was im Kopf des Spielers vorgeht, selbst wenn man glaubt, ihn durchschaut zu haben. Der komplette Cast ist dabei in Hochform: Spacey und Wright sind ohnehin eine Bank, aber auch Kelly, Kinnaman, Campbell und alle anderen Bauern im Kabinett sind mit vollem Elan bei der Sache.
Nachdem dieser Handlungsbogen allerdings vorzeitig aufgelöst wird, steht die Serie vor dem Problem der Neustrukturierung, halb bemüht, die Überleitung elegant über die Bühne zu bekommen. Das gelingt nicht ganz so sauber wie erhofft. Wenn plötzlich eine weitere Figur zum Zuschauer zu sprechen gedenkt, wirkt das aufgesetzt, was den intendierten Überraschungseffekt deutlich abschwächt. Vorbereitungen für die Spacey-freie Zone wurden zwar nun getroffen; es müsste aber mit dem Teufel zugehen, wenn dem Royal Flush nun noch eine 9 folgen würde.
Weitere Sichtungen:
Altered Carbon – Season 1
Auslöschung
The Bad Batch
The Equalizer 2
The First Purge
Future World
Hellboy – Call of Darkness
México Barbaro
Mile 22
Mothra bedroht die Welt
Rasputin – Der wahnsinnige Mönch
Sirenengesang
Slender Man
Solo – A Star Wars Story
Re: Filmtagebuch: Vince
Ziemlich oft
"Bright" haben wir übrigens auch schon als Review
"Bright" haben wir übrigens auch schon als Review
Re: Filmtagebuch: Vince
Bei dieser Ladung an Eindrücken sieht man genau das Muster, welches ich die Tage noch anmerkte: Bei den Netflix Eigenproduktionen taugt nix zum Hit.
Re: Filmtagebuch: Vince
Dabei ist Netflix doch so coooooooooooooooooooooooooool
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
Re: Filmtagebuch: Vince
Ich glaube mit cool verband man eher das moderne neue Sehverhalten weg vom linearen TV und nicht die Qualität des Inhalts. Wobei es ja mitunter sehr gute Einkäufe gibt, aber nix gescheites Eigenständiges.
Re: Filmtagebuch: Vince
Der Erfolg der japanischen Auräumtrulla zeigt mir das die breite Masse auch den Exklusiven Inhalt cool findet
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
Re: Filmtagebuch: Vince
Oder schlicht nix besseres findet
In diesem Sinne:
freeman
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freeman
Re: Filmtagebuch: Vince
@StS: und danke, trag ich noch nach!
@Netflix: Ja, Meisterwerke suche ich auch noch, aber im Sinne von Trial & Error kommen da teilweise schon ganz spannende Sachen raus. Auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt, bisher bin ich eigentlich recht angetan nicht nur von der Serien- sondern auch Filmauswahl, wo letztere doch immer eher belächelt wird bei Netflix. Kann aber gut sein, dass ich demnächst mit den interessanten Sachen durch bin...
@Netflix: Ja, Meisterwerke suche ich auch noch, aber im Sinne von Trial & Error kommen da teilweise schon ganz spannende Sachen raus. Auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt, bisher bin ich eigentlich recht angetan nicht nur von der Serien- sondern auch Filmauswahl, wo letztere doch immer eher belächelt wird bei Netflix. Kann aber gut sein, dass ich demnächst mit den interessanten Sachen durch bin...
Re: Filmtagebuch: Vince
Ich denke mal, Netflix geht eh bald pleite. Auf dem letzten Weekend of Hell wurden dann alle Netflix Serien und Filme auch als Blu-rays Marke Eigenbau angeboten. Es setzt sich fort: Physische Raubkopien machen das Streaming kaputt. Ich find das irgendwie echt witzig.
In diesem Sinne:
freeman
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freeman
Re: Filmtagebuch: Vince
Ich denke, so lange es nur wenige Streaminganbieter gab, ist das illegale Streamen und Downloaden durchaus zurückgegangen, aber das wird sich wieder verstärken, wenn erstmal die ganzen neuen Anbieter auf dem Markt sind und man gezwungen ist, zehn Abos abzuschließen, um alles zu sehen, was einen interessiert...
Re: Filmtagebuch: Vince
Ich sehe bei dem Thema eine deutliche Parallele zur Musikindustrie vor einigen Jahren in Sachen Downloads - erst ignorieren, dann sehen das es eine Markt dafür gibt, dann unbedingt was eigenes aus den Boden stampfen, sich eine blutige Nase holen weil es floppt um dann am Ende alles bei Apple oder amazon zu bekommen
Wird beim Streaming genauso laufen - es werden am Ende nur zwei bis drei große Anbieter übrig bleiben.....
Wird beim Streaming genauso laufen - es werden am Ende nur zwei bis drei große Anbieter übrig bleiben.....
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
Re: Filmtagebuch: Vince
Sky und Maxdome.
Re: Filmtagebuch: Vince
Sky vor allen wegen seiner genial programmierten App
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
Re: Filmtagebuch: Vince
Das ist noch das kleinere Ärgernis. Afaik gibts bei Sky Ticket nur 720p.
Re: Filmtagebuch: Vince
Reicht doch - ein Scheißprogramm wird auch in 4K nicht besser
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
Re: Filmtagebuch: Vince
Und mehr schafft doch eh kein Handy... und dafür ist Sky Ticket ja nunmal in erster Linie gemacht. Die hams net so mit Vorreiterschaft und so ;-)
In diesem Sinne:
freeman
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freeman
Re:
den haben wir kürzlich zusammen geschaut...ich fand ihn ziemlich unübersichtlich, etwas verworren. Zudem hat mich die Action nicht so richtig gerissen, auf ultimative Shootouts oder Explosionen wartet man eher vergeblich. Als Thriller ok, aber ich denke, da wäre mehr drin gewesenMcClane hat geschrieben: ↑17.09.2017, 18:04War auch einer meiner Gedanken: Eigentlich ist die Prämisse vom weltbesten Buchhalter, der zudem noch Mega-Assassine ist, eigentlich kompletter Pulp, der aber mit heiligem Ernst aufgezogen wird. Interessant wie sich das "gehobene" Kino in letzter Zeit teilweise extrem offen bei Pulp- und Exploitationsachen bedient (siehe auch "Nocturnal Animals").Vince hat geschrieben:The Accountant
Das hat seinen Reiz, hätte aber gerne noch pulpiger inszeniert werden dürfen.
Unser neuestes Projekt: https://open.spotify.com/show/35s3iDdkQ12ikEFT9hOoTP - Talk rund um Filme und Serien
Re: Filmtagebuch: Vince
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Drei Halbsätze. Eine Anklage. Geschrieben in riesigen schwarzen Buchstaben auf roter Grundfläche. Verteilt auf drei unübersehbaren Werbetafeln, mit denen eine einzelne Person ihren Bedürfnissen vor aller Augen Luft macht. Vielleicht ist „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ gar nicht so hinterwäldlerisch, wie er sich gibt mit seinen „Fargo“-Dialogen und seiner vorausgeschickten Dummbräsigkeit. Vielleicht ist es ein Film, der über die wiedererstarkende Öffentlichkeitsrhetorik reflektiert, bei der dem größten Schreihals die größte Aufmerksamkeit zuteil wird.
Denn wo die einfach verständlichen, in Form und Inhalt wie von einem Profi gestalteten Plakate einen schlichten Ausgangspunkt bilden, der die Wirkung einer Startpistole bei einem Marathon erzeugt, da entwickelt sich innerhalb der Beckenränder der fiktiven Gemeinde aus dem Filmtitel eine bisweilen unmöglich vorherzusehende Dynamik zwischen den beteiligten Personen, die immer wieder neue unerwartete Allianzen und Rivalitäten generiert.
Martin McDonagh zeigt damit eindrucksvoll auf, dass die Dinge bei weitem nicht immer so simpel sind, wie sie manchmal aus der eigenen Perspektive erscheinen. Starke Frauen können innerlich gebrochen sein, rassistische Polizisten ein gutes Herz haben, bürokratische Sesselfurzer hilfreich sein. Dass es dabei stets auf die Perspektive ankommt, unterstreicht der Film, indem er unentwegt um seine Figuren kreist, sie von stereotypen Vorurteilen wegzerrt und mit einer individuellen Note versieht. Selbstredend, dass gerade Kaliber wie Frances McDormand, Woody Harrelson und Sam Rockwell in einem solchen Ambiente brillieren, aber diesmal hat bis in die kleinsten Nebenrollen hinein einfach jeder Darsteller Anteil an dem facettenreichen Gesamtbild, das Ebbing trotz seiner rückständigen, an alte Western erinnernden Leitmelodie abgibt.
Was den Fall der vergewaltigten und verbrannten Tochter angeht, so werden die Bewohner von ihm nicht etwa magisch angezogen wie die engagierten Pöbel in „Frankenstein“ oder Fritz Langs „M“ - nur wegen des lauten Aufschreis ihrer Mutter kehrt er ins kollektive Bewusstsein zurück, so wie man sich eben auch in der mit Reizen überfluteten Realität nur noch mit blinkender Reklametafel Gehör verschaffen kann. Die Kritik an einer zu komplex geratenen Welt ist ebenso sehr hörbar wie die Sehnsucht nach einfachen Lösungen und klaren Sachverhalten.
Dass es uns von dieser uramerikanischen Kleinstadtgeschichte nicht so einfach gemacht wird, versteht sich von selbst. Einer Reihe von zutiefst befriedigenden Feldzügen einer verbitterten Mutter (alleine die Ansprache an den Priester ist eine Sichtung wert) folgt ein Ende, das zu kompliziert ist, um zum Märchen auszuarten... und das einen ohnehin bereits sehr guten Film durch brillant gesetzte Subtexte endgültig abrundet.
Sauerkrautkoma
Na siehst, du musst den Eberhofer gar net nach Italien schicken, um ihm einen Kulturschock zu verpassen. Es reicht schon, ihn in in die benachbarte Großstadt München zu versetzen. Unter lauter Hochdeutsch sprechender City-Twens wird der hochgewachsene Dorfpolizist mit dem trüben Blick plötzlich zur obskuren Randerscheinung, die es zu meiden gilt, wenn man seinen guten Ruf bewahren will. Und wenn man Franzl fragt, der sich mit Kumpel Rudi ein Selbstmörderapartment mit Kindertapete zu horrenden Mietpreisen teilen muss, dann beruht das wohl auf Gegenseitigkeit.
So wird „Sauerkrautkoma“ auch zur Heimweh-Ode an den kleinen Flecken Land, aus dem man stammt und in das man normalerweise nie wieder zurückkehrt. Für eine Jubiläums-Dorffeier mit ganz grauenvoller Schlagermusik (der musikalische Tiefpunkt der Reihe, was viel bedeutet) kehrt sogar ein ehemaliger Niederkaltenkirchener (Gedeon Burkhard) zurück, der seinen gehässigen Spitznamen „Fleischi“ hinter sich gelassen hat, um als erfolgreicher Geschäftsmann durch die Welt zu pilgern. Ein Hauch von „Manta Manta“ weht durch die Luft, wenn sich der gelackte Bonze ins Proletariat begibt, um mit seinen Erfolgen zu prahlen und dem Heimatverbundenen sein einziges Spielzeug wegzunehmen. Dass die Susi keine Gelegenheit auslässt, ihrem bayerischen Prinzen zu zeigen, dass ihr globaler Marktwert nach wie vor beachtlich ist, resultiert erneut in einem Hasch-mich-Spiel mit pausenlosem Trotz und eingeschnappter Schnute. Langsam wird’s albern, aber nicht anders kennen wir es von der Liebe...
Derweil schreitet im Hintergrund ein erfreulich nüchtern inszenierter Fall um eine Kofferraumleiche voran, der keine fiesen Villain-Gesichter benötigt, um interessant zu wirken. Es braucht bloß einen zynischen Gerichtsmediziner, einen Haushalt voller Verdächtiger aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht und ein paar unglückliche Verbindungen zur Eberhofer-Familie, die übrigens endlich zum Kern bayerischer Kochkunst vorgestoßen ist, dem international berüchtigten Sauerkraut, das für so manche Magenverstimmung sorgt, aber auch für feucht-fröhliche Runden in heiterer Gesellschaft. Insgesamt ein erstaunlich bodenständiger fünfter Teil mit einem Schauspielerensemble, dem kaum Spielfreude abhanden gekommen ist.
Sie nannten ihn Spencer
Hier handelt es sich weniger um eine biografische Dokumentation im ursprünglichen Sinne, sondern vielmehr um den Versuch, Nostalgie zu entfachen und das Phänomen "Bud Spencer" gebührend zu feiern. Was gäbe es auch Informatives über diesen Mann zu berichten, das nicht ohnehin schon jeder weiß, der es seit Kindheitstagen mit dem Dampfhammer hält? Den "seriösen" Ansatz verwerfen die Macher mit Augenzwinkern schon nach wenigen Minuten: Trockene Interviews werden lieblos auf Italienisch mit deutschen Untertiteln eingeblendet, bevor uns Terence-Hill-Synchronstimme Thomas Danneberg erlöst und den Startschuss gibt für einen liebevoll montierten Vorspann, der reichlich Farbe in das Grau-in-Grau der Retrospektive pfeffert und die Marschrichtung angibt für den ab sofort angeschlagenen Ton.
In Sachen Regie und Schnitt ergibt sich im Anschluss eine Collage, die ohne jeden Zweifel von Fans für Fans angefertigt wurde. In jeder einzelnen Montage spürt man den Enthusiasmus und das Feingespür, mit dem die passenden Sprüche aus dem legendären Repertoire Rainer Brandts ausgewählt werden, als ginge es darum, die passende Bohnensorte zum edlen Wein zu finden. Und was wäre ein solches Unternehmen ohne die Ohrwürmer der Oliver Onions? Gemischt mit den gut dosierten (d.h. nicht omnipräsenten, aber stets zur richtigen Zeit zurückkehrenden) Worten Dannebergs und den Audio-Zitaten der vier Fäuste ergibt sich auf der Tonspur ein Feuerwerk an Memorabilia, das übermenschliche Kräfte freizusetzen weiß.
Die Struktur der Handlung folgt dabei einem klassischen Road Movie. Man hat erkannt, dass der Fan-Kult um den italienischen Schauspieler der Kern seines Schaffens ist, also führen uns zwei Fans als Repräsentanten der Zuschauer durch den Film. Anfangs noch getrennt voneinander, lassen sie uns an ihrer Geschichte teilhaben, bevor sie auf einer Convention erstmals aufeinandertreffen und sich dazu entschließen, ihrem großen Idol zu nachreisen, was aus dramaturgischen Gründen mit vielen Rückschlägen und Zwischenstationen verbunden ist. Auch wenn die Protagonisten einen grundsätzlich sympathischen, sehr selbstironischen Eindruck machen, so nimmt man die geskriptet anmutende Zusammenkunft der Beiden doch sehr zwiespältig auf. Den Anspruch an Authentizität kann das Werk in dieser Hinsicht nicht aufrecht erhalten; bereits die Ähnlichkeit ihrer äußeren Erscheinung zu Spencer und Hill hat nichts mit Zufällen zu tun, sondern dient lediglich dazu, dass sie sich nach Art der Filme gegenseitig anpflaumen können. Immerhin pfeift jeder von ihnen auf politische Korrektheit und treibt erfrischend offen Späße mit den Handicaps des jeweils anderen, was durchaus erfrischend herüberkommt.
Fremdscham wird jedoch freigesetzt, wenn sie begleitet vom Kamerateam an den Türen ehemaliger Wegbegleiter klopfen und stammelnd wie kleine Kinder zu Halloween vortragen müssen, auf welcher Mission sie sind - insbesondere, weil die erste Reaktion der Besuchten ausnahmsweise alles andere als geskriptet wirkt, sieht man in ihren Gesichtern doch zunächst nur Verwirrung und Ablehnung. Und doch ist es schön, all die Bekannten von früher wiederzusehen, darunter die eingangs genannten Oliver Onions oder Stamm-Prügelknabe Riccardo Pizzuti, der sich trotz der vielen blauen Bohnen, die er in seiner Karriere kassiert hat, ziemlich gut gehalten hat. Andere Prominente wie Rainer Brandt oder Terence Hill kommen in Interviews außerhalb der Haupthandlung zusätzlich zur Sprache.
Eigentlich macht "Sie nannten ihn Spencer" genau das Richtige: Er setzt die passenden Schwerpunkte, um eine Ahnung davon zu geben, was den Kult um den 2016 verstorbenen Carlo Pedersoli ausmacht und weshalb diese stumpfsinnigen Prügelkomödien aus den 70er und 80er Jahren immer noch in aller Munde sind. Die Montage in Sachen Ton- und Bildschnitt setzt regelrechte Frühlingsgefühle frei. Allerdings erzwingt die Haupthandlung die Bezüge zwischen den Fans und den Stars zu sehr, was bisweilen in verkrampft wirkenden Situationen resultiert, die das forsche Duo immerhin manchmal mit respektlosen Sprüchen zu kontern weiß.
Bird Box
Wer braucht schon Metaphern, wenn man die Augenbinde auch wörtlich nehmen kann, dachten sich Millionen von Zuschauern und hatten einfach Spaß mit ihrer dümmlichen "Bird Box"-Challenge - wie das Kleinkind, das am Rascheln des Geschenkpapiers mehr Interesse zeigt als am eigentlichen Geschenk. Vielleicht ist es der Film auch selbst schuld. Schon wieder wird ein Haus voller Überlebender zum sozialpädagogischen Experiment. Welch buntes Viertel das sein muss, in dem Alte, Junge, Schwarze, Weiße, Gesellige, Alleinstehende, Introvertierte und Extrovertierte als perfekte Haribo-Mischung in die Tüte gefüllt werden, damit im Angesicht der drohenden Apokalypse die Labormäuse unter der Käseglocke beobachtet werden können.
Der intensive Auftakt mit seiner herben, naturgebundenen Optik und den bedrohlichen Eindrücken von willenlos den Tod umarmenden Befallenen hätte jedenfalls eine einfallsreichere Weiterverarbeitung verdient gehabt. Was wie ein ambitioniertes Re-Imagining von M. Night Shyamalans "The Happening" beginnt, der sein vorhandenes Horror-Potenzial nicht nutzen konnte, fügt sich schließlich standardisierten Erzählmethoden, die sich völlig auf ihre rohe Prämisse verlassen und mit isolierten Suspense-Situationen zu punkten versuchen - Autofahrten im abgedunkelten Auto per GPS und blinde Navigation über einen wilden Fluss inklusive. Die Parallelmontage, mit der zwei zeitlich voneinander getrennte Ebenen verknüpft werden, bringt kaum inhaltlichen Zugewinn; genauso gut hätte man sich ganz auf den Survival-Faktor konzentrieren und die Vergangenheit in Mimik und Verhalten andeuten können.
Zumindest bleibt "Bird Box" auf einer oberflächlichen Ebene durchweg packend, auch weil die Überlebensregeln nicht ganz so festgezurrt sind wie bei "A Quiet Place", dem anderen Horrorfilm der Sinne im Jahr 2018. Sein großes Ziel allerdings, als Parabel auf Bindungsängste zu fungieren, verbaut man sich schon mit der Hauptfigur, die das Shoegazing als Abwehrstrategie gegen Sozialkontakte so verbissen praktiziert, dass sie selbst ihre Kinder nur "Junge" und "Mädchen" nennt. So gesehen eine repräsentative Vertreterin der stereotypen Darstellung von Charakteren, die in diesem Film angewendet wird.
The Man Who Killed Don Quixote
Das Monstrum hat endlich einen Ausweg aus der Produktionshölle gefunden. Als es seinen fettleibigen, mit viel zu vielen Mythen gefütterten Körper mühsam über die Pforten zur Realität schleift, hinterlässt es unzählige Anekdoten fehlgeschlagener Finanzierungen, verhinderter oder verstorbener Darsteller, mehrere Neuentwürfe und nicht zuletzt einen völlig verzweifelten Regisseur, der im Kampf gegen den größten Dämonen seiner Karriere einfach nie aufgeben wollte. Doch was sich da schlussendlich, zwanzig Jahre nach den ersten Bemühungen, auf der Leinwand manifestiert, ist nicht das Epos, dass sich die Hoffnungen über Jahre still und heimlich als Luftschloss erträumten. So viel war noch zu erwarten; aber wie sich herausstellt, ist es nicht einmal der Versuch, etwas Episches zu schaffen. "The Man Who Killed Don Quixote" ist écriture automatique in seiner reinsten Form, das Erbrochene eines Kranken, der sich radikal gesund kotzt. Rücksicht auf die Historie des Projekts nimmt Terry Gilliam dabei keine, womit er gewissermaßen eingesteht, sich jahrelang für eine irrationale Obsession aufgeopfert zu haben.
Gilliam wusste, dass sein "Don Quixote" in der Imagination wohl das größere Werk geblieben wäre. Weil es jedoch therapeutisch sinnvoll sein kann, das Unvollendete - egal wie - zu vollenden, bekommen wir nun eine kreischende Metapher zu Gesicht, die mit blinkenden Pfeilen auf das Leiden ihres Erschaffers verweist. Dessen Windmühlen sind drei große, fette Riesen, die sich höhnisch lachend in Zeitlupe vor den Horizont stellen und ihn mit ihren überdimensionalen Leibern verstellen. Wie dieser überzeichnete Surrealismus aus einer Szene im letzten Abschnitt funktioniert auch der gesamte Film: Ein profaner Filmdreh wird zum Auslöser einer Kette absurder Ereignisse, mit denen sich die Verrücktheit des Herrn auf den Geisteszustand des Dieners überträgt. Dass Don Quixote dabei für das Filmprojekt steht und Sancho Pansa für Terry Gilliam, ist nicht allzu schwer zu erraten, ebenso wenig, wohin die Reise führt.
Was ein Frederico Fellini in "Achteinhalb" jedoch zu einer brillanten Selbstanalyse zu formen wusste, an deren Entstehen der Betrachter aus der Mittendrin-Perspektive praktisch live teilhaben kann, bleibt "The Man Who Killed Don Quixote" über weite Strecken sperrig und anstrengend. Derweil Adam Driver in der Karikatur eines abgehobenen Künstlers versinkt, hockt Jonathan Pryce wie ein neonfarbenes Ausrufezeichen auf seiner Rosinante und versetzt sich selbst und alles um ihn herum in eine Hysterie, der zu entkommen unmöglich ist. Die Kombination dieser beiden Elemente ergibt einen Humor, der ganz ähnlich funktioniert wie jener aus Gilliams Eskapismus-Fantasie "Brazil", aber eben doch wieder so anders erscheint, dass er nur sehr schwer zu ertragen ist. Selbiges gilt für das merkwürdige Nebeneinander von Semi-Dokumentarischem und Märchenhaftem in Bonbonfarben. Die Sets erscheinen teilweise mit Bedacht ausgewählt und erzeugen schöne Momente, verströmen dann aber wieder so viel hässliches Chaos, dass man kaum in die Vision eintauchen kann.
Hier ist ein Werk entstanden, wie es Künstler unter Laken in ihren Ateliers oder Schriftsteller in ihren Schreibtischschubladen verstecken, um gelegentlich in einsamen Momenten einen Blick darauf zu werfen. Schade für Terry Gilliam, dass ein Film schon wegen der vielen Produktionsbeteiligten niemals eine vollständig private Angelegenheit sein kann.
Fascination
Feldwege und Wiesen, durch die stürmisch der Wind bläst. Dann ein junger Kerl (Jean-Pierre Lemaire) mit schelmischem Blick und wirrem Blondschopf, der ruhelos die Landschaft durchzieht, bevor er sich mit einer Frau anlegt, die vom gleichen Schlag zu sein scheint wie er. Ihr kommen bald zwei Verbündete zur Hilfe, er bleibt alleine zurück und muss sich ins offene Land zurückziehen.
„Fascination“ beginnt wie ein typischer Outlaw-Western, der mitten in der Prärie das Schicksal einer Gruppe Gesetzloser verfolgt. „Herrin der toten Stadt“ mit Gregory Peck soll Jean Rollin als Inspiration gedient haben; nur, dass bei Rollin eben keine Prärien durchstreift werden, sondern französisches Hinterland; und dass anstatt einer Geisterstadt natürlich ein verlassenes Chateau als Rückzugsort wartet.
Spätestens hier wird die Realität wieder von der typisch Rollin'schen, assoziativen Traumlogik eingeholt. Gerade noch sind alle Gedanken des Gauners bei so etwas Profanem wie seiner Beute, da trifft er in dem auf unheimliche Weise stillen Anwesen auf zwei junge Frauen, die sich als Zimmermädchen vorstellig machen. Im Affekt reagiert er seinem Naturell gemäß und nimmt die Beiden als Geiseln, doch die reagieren nicht verängstigt, sondern amüsiert...
Allerdings schickt Rollin schon im Prolog einen Vorboten des Surrealismus voraus, indem er eine Adlige im weißen Gewand ein Schlachthaus besuchen und dort ein Kristallglas voller Blut trinken lässt (für diese Szene wiederum wird J.F. Gueldrys Gemälde „Die Bluttrinker“ verantwortlich gemacht). Dabei entgeht einem nicht die aus heftigen Kontrasten bestehende, dennoch auf seltsame Art unterschwellige Erotik, mit der auch Walerian Borowczyk seine Werke ausstattete. Doch erst wenn Franca Maï und Brigitte Lahaie die Szenerie betreten, sind wir endgültig in die Gedankenwelt des Regisseurs eingedrungen, die nach einem Geflecht symbolischer Verknüpfungen ausgerichtet sind, welche man kaum sinnvoll bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen kann.
Besser genießt man die Arrangements, die Rollin in so vielen seiner Werke wie aus dem Unterbewusstsein heraus gelingen. Die unter ihrem schwarzen Cape nackte Lahaie, die auf der Brücke vor dem Schloss ihre Sense schwingt, ist so ein unvergesslicher Augenblick im Schaffen dieses hoffnungslosen Romantikers, der wieder Sehnsüchte und Ängste in einem großen Topf verrührt und mit latenten Spuren des Vampirfilms versetzt, sich sogar in ihren Klischees suhlt, ohne jemals auch nur einen Reißzahn zeigen zu müssen. Das Wesen des Vampirs liegt für ihn eben tief unter der Haut des Raubtiers; es wabert im ständigen Wandel wie der Fluss der Gezeiten. Vielleicht lässt sich damit der auffällig inszenierte Wechsel vom Tag zur Nacht deuten, der „Fascination“ seine besonders im letzten Akt unwirkliche Stimmung verleiht; oder das Spiel, das die beiden Furien mit dem Eindringling und auch miteinander treiben.
Lords Of Chaos
Gut, dass eine Texttafel zu Beginn darauf hinweist, dass die hier gezeigten Taten nicht verherrlicht werden sollen. Sonst könnte man nämlich stellenweise tatsächlich auf den Gedanken kommen, Åkerlund wolle am Beispiel einer düsteren Subkultur ein romantisiertes Coming-Of-Age-Abenteuer komponieren, das trotz all der geschilderten Ausweglosigkeiten Sehnsüchte danach wecken kann, selbst Teil einer so verschworenen Gemeinschaft zu sein.
Zumindest geht der Regisseur, der einst selbst in der Szene aktiv war, durch seinen Inszenierungsstil recht oft eine Allianz mit der Euphorie eines Kirchen verbrennenden Varg Vikernes ein, der als Antagonist eine fast schon disney-ähnliche Verwandlung durchmacht. Es ist letztlich die oft erlebte Geschichte vom introvertierten Außenseiter, der in eine Wolke dunkler Magie gerät und sich unter ihrem Einfluss in ein Monster verwandelt, das nichts mehr mit der ursprünglichen Person zu tun hat – nur eben ohne die für Kindermärchen typische Rückverwandlung. So läuft das eben nicht in der Realität.
Jene Realität, also die gesammelten Fakten und Erfahrungsberichte zur Geschichte der Black-Metal-Band Mayhem, dient Åkerlund als Strukturierungshilfe, die er allerdings nach Belieben zu dramaturgischen Zwecken aufbauscht, auch mit unlauteren Mitteln, wenn nötig – von Details wie einem Scorpions-Patch auf Vargs Kutte bis hin zu ganzen Subplots, zu denen auch eine frei erfundene Liebesgeschichte gehört, so wie es sich eben für ein Disney-Märchen gehört. Hauptfigur Euronymous ist in alldem so etwas wie der wertneutrale Reflektor der Kultur, die er repräsentiert – der Erzähler, der den Zuschauer an die Hand nimmt und ihm erklärt, wie seine Leute ticken. Er befindet sich sozusagen im Auge des Sturms, mitten im Sweet Spot, mit idealem Blick auf die Geschehnisse.
Dabei entsteht ein zugänglicher, schwer unterhaltsamer Film, der sich Erzählmethoden bedient, die den meisten Zuschauern wohl vertraut sein dürfte. Man könnte sagen, es wird ihnen erlaubt, dem omnipräsenten Geruch des Todes zu trotzen und länger in der für sie unwirtlichen Umgebung zu verharren, weil sie die Sicherheit haben, jederzeit in ihre behütete Normalität zurückkehren zu können; selbst wenn sie sich mit Black Metal nicht auskennen, so wissen sie doch mit dessen Präsentation umzugehen.
Kein Film also, der bei echten Insidern übermäßige Begeisterungsstürme auslösen dürfte, denn dazu ist die Aufmachung zu kommerziell und der Zugang nicht sperrig genug. Ein Film für die ganze Familie also? Das nun wiederum nicht; was nämlich bei diesem Film überrascht, ist die beängstigende Authentizität, mit der die Momente der Eskalation eingefangen werden. Obwohl sich Åkerlund zwischenzeitlich auch zu äußerst plumpen Spielereien verleiten lässt (die stilistisch verfremdeten Horror-Visionen hätten nicht unbedingt sein müssen), gelingen ihm mindestens drei morbide Höhepunkte. Alleine die Inszenierung des Selbstmordes von Mayhem-Sänger Dead ist an Realismus kaum zu übertreffen. Weniger ist damit die Umsetzung der Effekte gemeint (wenngleich auch diese von empfindlichen Naturen eher gemieden werden sollten), sondern vielmehr das nahezu willenlose Hineingleiten in den Suizid, das nichts mit dem melodramatischen Märtyrertum Hollywoods zu tun hat, sondern vielmehr einer kausalen Abfolge von Missgeschicken gleicht, die in letzter Konsequenz zum herbeigesehnten Ende führen. Als Kontrast dazu folgen dann später noch zwei Hinrichtungen, diesmal also Sterbeszenen von Menschen, die leben wollen. In allen Fällen jedoch wird das Sterben als kompliziert dargestellt; fast so, als kämpfe der Puls im Körper gegen die permanenten Schnitt- und Stichverletzungen auf eigene Kraft unerbittlich um sein Leben, egal ob der Besitzer des Körpers den Kampf schon aufgegeben hat oder nicht.
Das sind schockierende Momente der bitteren Wahrheit in einer ansonsten zugänglich aufbereiteten Rückschau auf die norwegische Black-Metal-Keimzelle der 90er, die man möglichst kritisch-differenziert betrachten sollte, um ihr im Positiven wie Negativen gerecht zu werden. Eines muss man Åkerlund lassen, ihm ist hier auch dank seiner überwiegend starken Darsteller (herauszuheben Rory Culkin als Euronymous und Emory Cohen als Varg, aber auch Jack Kilmer als Dead) etwas gelungen, das zumindest nicht kalt lässt.
It Comes At Night
Zuletzt setzten einige Horror-Thriller darauf, das Vermeiden der Nutzung oder Wahrnehmung bestimmter Sinne zur Überlebensregel zu erklären. In "A Quiet Place" und "Don't Breathe" sollte man besser keine Geräusche machen, in "Bird Box" führt das Sehen direkt in den Wahnsinn und somit in den Tod. "It Comes At Night" setzt zwar im direkten Vergleich auf eher konventionelle Überlebensregeln aus dem Dunstkreis des Seuchen- und Zombiefilms: Handschuhe und Gasmasken müssen unter bestimmten Bedingungen getragen werden, die Nacht ist tabu, vertraut wird nur der eigenen Familie. In einer gewissen Weise ist trotzdem ein hoher Bezug zur Sinneswahrnehmung gegeben. Nicht ohne Grund sieht man einen Hund auf dem Filmplakat, der in die Dunkelheit bellt. Es handelt sich bloß um ein Kammerspiel in einer kleinen Waldhütte, doch die Unterkunft verwandelt sich vor Drew Daniels' Kamera in ein hölzernes Labyrinth. In Zeitlupe schwebt die Linse körperlos durch die Gänge und schärft dabei das Bewusstsein für den Raum. Es ist manchmal schwer zu sagen, ob hier die Perspektive des Jungen eingenommen wird, aus dessen Perspektive sich zumindest die Szenen im Haus abspielen, oder eine figurenneutrale Eminenz, die in Anlehnung an Viren-Thriller wie "Outbreak" eine Verbreitung des Todes andeutet. Eine knallrot gestrichene Tür signalisiert den Point-of-No-Return, vor dessen Schwelle immer wieder Bedrohungen lauern, die aber konsequent unsichtbar bleiben. Dazu komponiert Brian McOmber einen Score, der sich in einer frühen Szene zunächst dröhnend dem Jump-Scare-Prinzip anschließt, um sich dann ausgerechnet in den vielen Alptraumszenen in Zurückhaltung zu üben.
Selbstverständlich führt ein solches Endzeit-Kammerspiel wieder zu der alten Erkenntnis, dass es kein Monster aus dem Wald ist, vor dem man sich fürchten muss, sondern der Mensch in Not. Das ist soweit nichts Neues. Trey Edward Shults, der mit dem Drehbuch eigene Traumata verarbeitete, findet zwar technisch hochinteressante Wege, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, allerdings vermag er es nicht, ihr etwas Neues abzugewinnen. In dieser Hinsicht bleibt "It Comes At Night" so fahl wie abgenagte Knochen im Mondschein. Eine Empfehlung aussprechen kann man also für jene, die gut gespielte, kompakt und zielstrebig aufgezogene Thriller auf engem Raum zu schätzen wissen, ohne zwangsläufig zu erwarten, dass am Ende etwas anderes geschieht als die Eingliederung in den Konsens.
Die Unglaublichen 2
Schon dass der Maulwurf-Cliffhanger wieder aufgegriffen und die Originalstory somit nahtlos fortgesetzt wird, zeigt ein erfrischendes Desinteresse an der rasanten Entwicklung des Superheldenfilms in den 14 Jahren seit "Die Unglaublichen". Es wird ohnehin bereits genug über die neuesten Messlatten Marvels gesprochen, da ist es schön, dass sich mal wieder jemand völlig unbeeindruckt von dem Kräftemessen zeigt und seinen Blick lieber in die Vergangenheit richtet.
Es ist aber nicht so, dass Brad Bird sich mit einer einfachen Kopie seines Erfolgs von 2004 begnügt. Agententhriller-Fanfaren lässt Komponist Michael Giacchino zwar immer noch erklingen, ansonsten hat sich das Bond-Flair des ersten Teils aber ein Stück weit verabschiedet. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass ein greifbarer Gegenspieler diesmal fehlt - und mit ihm die größenwahnsinnigen Festungen, die es zu infiltrieren gilt. Es ist eher die Stadt, die sich zum Hauptkontrahenten der Familie Parr aufbäumt. Als die Politik dem Superheldentum Grenzen aufzuerlegen beginnt, begibt man sich in die Sphären von "Watchmen", indem man das übernatürliche Element "Superkraft" in den reglementierten Alltag einbindet. Folglich werden die Schneisen der Zerstörung thematisiert, die nicht nur Bösewichte, sondern auch Helden hinterlassen. Prompt tritt der Staat als eine Art unsichtbarer Superroboter in Erscheinung und zieht alle Antipathien auf sich. Natürlich gibt es auch wieder einen herkömmlichen Feind in Form eines Hypnose-Spezialisten, der auch über das TV-Signal Gedanken beeinflussen kann (Medienkritik inklusive). Dieser tritt aber eher als Katalysator einer größeren Problematik in Erscheinung.
Für das Drehbuch ist das eventuell etwas zu viel Input, möchte es die Handlung doch eigentlich so einfach wie möglich halten. Dadurch gelingt es Bird leider nicht immer, die Spannung zu halten. Er muss sich mit raffiniert geschriebenen Actionsequenzen aus der Affäre schlagen (Elastigirls Motorradverfolgungsjagd ist zugegeben ein Hi-Tech-Highlight unter den Computeranimationsfilmen), doch die Aufmerksamkeitskurve erleidet immer wieder Hänger, weil viele Nebenfiguren relativ uninteressant geschrieben sind. Dass sich die Familie hingegen seit damals kaum weiterentwickelt hat, gehört zum Konzept: Die in Sachen Animationsqualität selbstverständlich stark optimierte Umgebung wirkt sich nicht auf das expressionistische Figurendesign mit seinen kantig-runden Gesichtsformen, Wespentaillen und Pappaufsteller-Silhouetten aus. Das immerhin nutzt Bird für ein gelungenes Spiel mit den Rollenbildern, wenn er Elastigirl in den Kampf ziehen lässt, während Mr. Incredible in einem Apartment mit 50er-Futurismus-Design die Kinder hütet (was natürlich zu reichlich Slapstick mit Publikumsliebling Jack-Jack führt).
Der Retro-Anstrich steht der Fortsetzung also umringt von hochmodernen State-of-Art-Superheldenfilmen fast noch besser als das Original, das allerdings in Sachen Story und Ausführung mindestens eine ganze Klasse besser ist. Zumindest da macht die deutlich bessere Animation den Kohl auch nicht mehr fett.
(knapp)
Flesh and Blood - The Hammer Heritage of Horror
„Flesh And Blood – The Hammer Heritage of Horror“ ist eine Retrospektive auf das einflussreiche Erbe des britischen Studios, das 1935 seinen ersten Film produzierte (eine Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Komödie!). Mit Blick auf das Entstehungsjahr handelt es sich sozusagen um eine späte Grabrede, die sehr ausführlich des Verstorbenen gedenkt, Bilder und Videos von ihm teilt und allerlei Weggefährten dazu einlädt, an der feierlichen Veranstaltung teilzunehmen. Es ist insofern eine ganz besondere Dokumentation, als dass sowohl Peter Cushing als auch Christopher Lee als Erzähler gewonnen werden konnten. Für Erstgenannten war es das finale Engagement, erlag er doch nur drei Monate nach den Aufnahmen, im Sommer des Jahres 1994, seinem Krebs.
Weil es diese beiden Legenden sind, die selbst durch die Geschichte führen, bekommt die Dokumentation einen angenehm persönlichen Anstrich. Ted Newsom arrangiert als Autor und Regisseur eine ausholende und mit vielen Informationen angereicherte Reise zu den Anfängen Hammers und weist hier auf die stilistische Bandbreite hin, die bei dem öffentlichen Fokus auf die Horrorfilme gerne übersehen wird. Da es jedoch gerade die Horrorfilme sind, an denen das Publikum interessiert ist, verengt sich der Fokus zunehmend auf die Blütephase – womit im Grunde genau das gezeigt wird, was man sehen möchte. Ob Dracula oder Captain Clegg, ob Sherlock Holmes oder Frankenstein, der Schneemensch oder die Mumie – unter Garantie wird man im Anschluss eine nicht zu bändigende Lust verspüren, den Abend mit einem Best-Of der spektakulärsten Monster zu beenden.
Natürlich verliert der Ton dadurch einen Hauch an Seriosität und journalistischer Neutralität, aber wenn Leute wie Joe Dante, Ray Harryhausen, Caroline Munro, Jimmy Sangster oder Raquel Welch ihre Erfahrungen und Einschätzungen zum Besten geben, unterstützt von diesen wunderbar abwechslungsreichen Filmausschnitten (oder Fantasieausflügen) in kräftigem Technicolor, dann ist das mindestens genauso nahrhaft wie das Wissen, das zutage tritt, wenn man einen analytischen Ansatz verfolgt. Dass es um primitive Antriebe geht, verrät ja schließlich schon der Titel.
Als Appetizer für die Zusammenstellung eines eigenen Videoabends voller angelaufener britischer Horrorschinken empfiehlt sich „Flesh And Blood“ jedenfalls auch nach einem Vierteljahrhundert noch.
Caprona - Das vergessene Land
Filme wie diese lassen träumen, die Welt wäre tatsächlich so groß und und unerschlossen, dass sie derart große Geheimnisse bergen könnte wie ein ganzes Ökosystem voller ausgestorbener Arten. Heute mehr denn je. Jenseits des verborgenen Landes dirigiert Kevin Connor einen tristen Kriegsfilm nautischer Art, in dem Doug McClure sich als kantiger, von seinen Fähigkeiten überzeugter Vorzeige-Amerikaner mit einer deutschen U-Boot-Besatzung anlegt. Es entsteht ein dröges Abenteuer auf See, in dem der Nebel so dicht ist, dass die gelegentlichen Gefechte mit feindlichen Schiffen zu einer Art "Schiffe versenken" mutieren, während die Kapitäne an Bord ihre (Gehirn-) Muskeln spielen lassen.
Ist aber einmal der verborgene Zugang ins unerschlossene Land gefunden, wird "Caprona" zu einem völlig anderen Film. Der blinde Fleck in der Zerstörungswut des Menschen wird äußerst fantasiereich ausgestaltet, angereichert mit spektakulären Landschaften und detailliert ausgearbeiteten Dinosauriern, die zwar mit Handpuppen anstatt Stop-Motion zum Leben erweckt wurden, aber dennoch den typischen Harryhausen-Look geerbt haben - was sie zu besonders geschmeidigen Animationen befähigt, ohne dass sie deswegen wie Plastikspielzeug aussehen. Durch das HD-Bild werden inzwischen zwar die Fäden der Pteranodons sichtbar, doch gerade der Wechsel zwischen Panoramen, in denen die enorme Größe der Kreaturen deutlich wird, und den Nahaufnahmen, in denen die unerreichbaren Geschöpfe in direkten Kontakt mit den Darstellern gelangen, ist mehr als gelungen. Noch dazu kann man sich über Artenvielfalt nicht beschweren; wer als Kind das "Was ist Was" der populärsten Dinosaurier verschlungen hat, wird viele Bekannte wiederfinden, umschrieben mit charmanter Prä-Jurassic-Park-Terminologie.
Dass sich eine einzelne Frau (Susan Penhaligon), hübsch, jung und blond, in einer ansonsten reinen Männergruppe durch den Dschungel schlägt, gehört zu jenen albernen Klischees des Abenteuerfilms, die über Jahre zur Tradition gereift sind. Vor allem Kinder dürften auf ein weiteres anspringen, den Eingeborenen nämlich, der sich gegen seine Natur mit den Eindringlingen anfreundet und ihnen nicht nur als Fremdenführer dient, sondern auch noch im Kampf zur Seite steht. Wie man so schön sagt: Da ist für die ganze Familie was dabei.
Banshee – Season 3
Nehmen wir die wie ein Fresko inszenierte Kirchenballerei im Finale mal heraus (und natürlich diverse Sexszenen), ging es in der zweiten Staffel ausnahmsweise mal nicht um Entladung, sondern um Spannungsaufbau. Die Differenzen zwischen den beteiligten Parteien wurden vor allem unter der Oberfläche zum Kochen gebracht, was eine durchaus spannungsreiche, aber auch eskalationsarme Struktur zur Folge hatte. Bei einer solchen Steilvorlage lässt sich die dritte Staffel nicht lange bitten und liefert wieder eine Dauerejakulation von ausgelebten Rachefantasien.
Zu diesem Zweck werden alte Feindschaften zwischen den amerikanischen Völkern und Lebensstilen neu entflammt und gleich noch ein paar zusätzliche mit in den Topf geworfen. Nazis werden neuerdings am Rande behandelt, bei weitem aber nicht leidenschaftslos; das Militär zeigt seine verschlagene Seite in einem Heist-Subplot, der in der finalen Folge seinen Höhepunkt erfährt. Hacker jagen sich gegenseitig, Vater-Tochter-Probleme werden thematisiert und natürlich rappelt es immer noch unentwegt, wo immer sich Kai Proctor (Ulrich Thomsen) gerade aufhält. Seine Nichte Rebecca (Lili Simmons) sorgt für Ärger im Business und Proctors Untergebener Clay (Matthew Rauch) liefert sich mit Nola (Odette Annable) einen der intensivsten Zweikämpfe der gesamten Serie, und zwar in einer Inszenierung und mit solch einer gnadenlosen Härte, dass einem der Atem stockt. Nicht zuletzt lässt Geno Segers als außer Kontrolle geratener Kriegerhäuptling die Grenze zwischen dem Handeln nach Tradition und reiner Psychopathie zusammenstürzen und mausert sich so zum härtesten Widersacher unseres falschen Sheriffs, so dass man eine finalen Konfrontation über viele Folgen hinweg herbeisehnt.
Das ist reaktionärer Wahnsinn, ein Bullentanz durch die bunte Vielfalt ländlicher Reviere mit der Selbstjustiz als einzig gültigem Gesetz. Mehr als je zuvor baut "Banshee" auf das befriedigende Gefühl, Arschlöcher dabei anzufeuern, wie sie noch viel größere Arschlöcher um die Ecke bringen. Und weil explodierende Dinge so viel schöner anzusehen sind als implodierende Dinge, ist dies vielleicht die beste Staffel bisher.
Future Man – Season 2
Während die erste Staffel einen besonders langen Zeitreisetunnel vom amerikanischen Sender Hulu ins deutsche Amazon Prime zu durchqueren hatte, kommt die zweite Staffel nun relativ zeitnah zu uns und fühlt sich dadurch wie ein hastig zusammengebauter Nachklapp an. Man würde jetzt gerne sagen, dass die Qualität der neuen dreizehn Folgen diesen Eindruck schnell pulverisiert; stattdessen bestätigt er ihn. Wo der infantile Humor unverändert auf seinen geistigen Erschaffer verweist, der in der letzten Folge einen nur allzu typischen Gastauftritt absolviert, da reduzieren sich doch leider die Mittel und Wege der Umsetzung; als habe jemand eine Drossel in die Zeitmaschine eingebaut. Wo die erste Staffel noch reich war an bereisten Epochen und zugehörigen Zitaten aus Film und Kultur, da ist die zweite Staffel hauptsächlich reich an Joshs; genug jedenfalls, dass Wolf zu der Feststellung gelangt, die berühmte Nadel im Josh-Haufen gefunden zu haben.
Das ist schön für Fans des Dreigestirns aus Josh Hutcherson, Derek Wilson und Eliza Coupe, denn von ihnen bekommt man mehr als genug in allen möglichen Variationen. Insbesondere Letztgenannte darf ihr komödiantisches Repertoire mit der wirklich gelungenen Darbietung einer geistig minderbemittelten Teenager-Göre aufstocken. Auch Haley Joel Osments Rolle wurde massiv vergrößert. Der ehemalige Kinder-Star, der inzwischen aussieht wie ein junger Al Borland, bereichert das Ensemble mit einer hochmotivierten, sehr physischen Leistung, die ihren Höhepunkt in einer abgefahrenen Musical-Nummer findet, die wie eine Live-Umsetzung eines "Family Guy"-Spektakels wirkt.
Doch bei der Konzentration auf diesen Kern wird nahezu alles andere schwer vernachlässigt. Das Drehbuch beispielsweise entpuppt sich als extrem sprunghaft. Das ist nicht zwangsläufig ungewöhnlich beim Thema Zeitreisen, aber hier werden fragmentarisch neue Ansätze geformt und im Aufbau begriffen wieder fallen gelassen. Und trotzdem ist man gezwungen, endlos viel Zeit an nicht allzu interessanten Orten zu verbringen. Weder der Plotstrang um Wolf und seine vier Ehepartner noch die nicht enden wollenden Zwiegespräche zwischen Tiger und Stu im hell erleuchteten Flügel-Raum sind interessant genug, als dass man immer wieder Zeit dort verbringen möchte. Und dann fällt plötzlich auf: Trotz der vielen Joshs, herrscht nicht doch irgendwie am Ende Josh-Mangel, dafür, dass er immerhin die Hauptfigur ist?
Es gibt natürlich trotzdem wieder eine gute Handvoll guter Gags, aber sie nähern sich aus dem toten Winkel. Das Skript ist zu bruchstückhaft, die Schauplätze zu variationsarm und die Anspielungen auf Popkultur nicht vernetzt genug, als dass der Humor organisch in das große Ganze eingebunden wäre. Um die Eindrücke zu krönen, macht die Abschlussfolge noch mal eben ein neues Fass auf - und eine dritte Staffel, die bereits als finale Staffel bestätigt ist, unumgänglich. Hoffentlich kann der Knoten darin wieder aufgelöst werden; er erscheint nämlich, Stand jetzt, unentwirrbar.
Fear The Walking Dead - Season 4
Es hat sich mal wieder eine Menge verändert bei „Fear The Walking Dead“ und wie schon beim Sprung von der zweiten in die dritte Staffel hat der Slogan „Never Change a Running System“ auch diesmal keine Chance. Die neuen Showrunner Andrew Chambliss und Ian Goldberg kappen nicht nur radikal die bisherige Storyline zugunsten eines erzählerischen Neuanfangs, sondern rotieren den Cast auf radikalste Weise, erproben neue Möglichkeiten, die Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen und werkeln fleißig an der Optik; ja, sogar eine aufgepeppte Titeleinblendung mit neuem Jingle und dynamischem Bezug auf den Inhalt der jeweiligen Folge wird ausprobiert.
Das bedeutet leider auch, dass die zuletzt geäußerte Feststellung, der Ableger sei auf dem besten Weg, qualitativ mit dem Original gleichzuziehen, wieder hinfällig ist. Die vierte Staffel ist nach der zweiten die schlechteste geworden. Woran das liegt, ist auf den ersten Blick gar nicht so einfach auszumachen. Praktisch sämtliche Neuzugänge schlagen nämlich ein wie eine Bombe. Allen voran Garret Dillahunt. Mit einem Selbstgespräch von philosophischer Qualität verhilft er der Staffel zu einem sehr starken Einstieg und mausert sich zu einem absoluten Sympathieträger, den die Serie dringend benötigt hat. Vor allem seine Rückblick-Episode, die zugleich den Einstieg der überraschend gut ins Ensemble passenden Jenna Elfman bedeutet, verleiht ihm sehr viel Tiefe. Dazu steigt auch noch Lenny James aus der Hauptserie quer ein. Auch wenn man vielleicht irgendwann größere Crossover-Bemühungen sehen würde, der Morgan-Darsteller macht einen guten Anfang und passt zu den reisenden Clarks als Wanderer wesentlich besser als ins statische Alexandria. In der zweiten Hälfte wird er sogar fast zum alleinigen Antrieb der Handlung, die wesentlich von ihm und seiner Einstellung zu Leben und Tod geprägt ist. Und dann kommt noch Maggie Grace als Journalistin dazu, die einen dokumentarischen Aspekt in die Geschichte einfließen lässt und in der ersten Staffelhälfte so direkt einwirkt auf die verwendeten Erzählmittel.
Doch selbst wenn die Chemie unter den Darstellern stimmt und eine gewisse Vision zweifellos vorhanden ist; in der Umsetzung ergeben sich eklatante Schwächen. Beginnend bei der Optik, die im Gegensatz zu den farbenfrohen Flashbacks so extrem entfärbt ist, dass einem die damit getroffene Aussage regelrecht ins Gesicht springt. Früher war eben alles besser. Überhaupt können die Zeitsprünge, von denen die erste Hälfte durchsetzt ist, als ambitioniert, aber in vielerlei Hinsicht gescheitert betrachtet werden. Sie geben den Autoren die Möglichkeit, bereits gestorbene Charaktere zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzubringen, so dass man posthum noch mehr über sie erfährt; faktisch wird diese Möglichkeit aber eher für nostalgische Rückblicke mit Träne im Augenwinkel genutzt als für handfeste Charakterzeichnung. Immerhin ist manche Entwicklung aus soziologischer Perspektive durchaus spannend (etwa das Verhältnis zwischen Alicia und Charlie). Doch selbst dieser Pluspunkt verwandelt sich am Ende in ein dickes Minus: Wenn Tonya Pinkins im zweiten Teil als Antagonistin aufgebaut wird und anderen Lebenden unentwegt ihr merkwürdiges Mantra aufdrängt (wer Anderen hilft, ist schwach), verwandeln sich jegliche Ansätze differenzierter Charakterstudie in überzeichnete Comic-Reliefs, die eine weitere, zunächst eher egoistische Figur mit ihrem heldenhaften letzten Einsatz noch bestätigt. Nein, das ging schon besser.
Weitere Sichtungen:
Death Note
The Curse
Die Rache des Pharao
Hammer House Of Horror - Die komplette Serie
Die Verfluchten
Die wahren Memoiren eines internationalen Killers
Haus der Todsünden
Upgrade
Savage Dog
Die tödlichen Bienen
Godzilla II: King Of The Monsters
Avengers: Endgame
Das Spiel (Gerald's Game)
Hunter Killer
Day of the Dead: Bloodline
Drei Halbsätze. Eine Anklage. Geschrieben in riesigen schwarzen Buchstaben auf roter Grundfläche. Verteilt auf drei unübersehbaren Werbetafeln, mit denen eine einzelne Person ihren Bedürfnissen vor aller Augen Luft macht. Vielleicht ist „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ gar nicht so hinterwäldlerisch, wie er sich gibt mit seinen „Fargo“-Dialogen und seiner vorausgeschickten Dummbräsigkeit. Vielleicht ist es ein Film, der über die wiedererstarkende Öffentlichkeitsrhetorik reflektiert, bei der dem größten Schreihals die größte Aufmerksamkeit zuteil wird.
Denn wo die einfach verständlichen, in Form und Inhalt wie von einem Profi gestalteten Plakate einen schlichten Ausgangspunkt bilden, der die Wirkung einer Startpistole bei einem Marathon erzeugt, da entwickelt sich innerhalb der Beckenränder der fiktiven Gemeinde aus dem Filmtitel eine bisweilen unmöglich vorherzusehende Dynamik zwischen den beteiligten Personen, die immer wieder neue unerwartete Allianzen und Rivalitäten generiert.
Martin McDonagh zeigt damit eindrucksvoll auf, dass die Dinge bei weitem nicht immer so simpel sind, wie sie manchmal aus der eigenen Perspektive erscheinen. Starke Frauen können innerlich gebrochen sein, rassistische Polizisten ein gutes Herz haben, bürokratische Sesselfurzer hilfreich sein. Dass es dabei stets auf die Perspektive ankommt, unterstreicht der Film, indem er unentwegt um seine Figuren kreist, sie von stereotypen Vorurteilen wegzerrt und mit einer individuellen Note versieht. Selbstredend, dass gerade Kaliber wie Frances McDormand, Woody Harrelson und Sam Rockwell in einem solchen Ambiente brillieren, aber diesmal hat bis in die kleinsten Nebenrollen hinein einfach jeder Darsteller Anteil an dem facettenreichen Gesamtbild, das Ebbing trotz seiner rückständigen, an alte Western erinnernden Leitmelodie abgibt.
Was den Fall der vergewaltigten und verbrannten Tochter angeht, so werden die Bewohner von ihm nicht etwa magisch angezogen wie die engagierten Pöbel in „Frankenstein“ oder Fritz Langs „M“ - nur wegen des lauten Aufschreis ihrer Mutter kehrt er ins kollektive Bewusstsein zurück, so wie man sich eben auch in der mit Reizen überfluteten Realität nur noch mit blinkender Reklametafel Gehör verschaffen kann. Die Kritik an einer zu komplex geratenen Welt ist ebenso sehr hörbar wie die Sehnsucht nach einfachen Lösungen und klaren Sachverhalten.
Dass es uns von dieser uramerikanischen Kleinstadtgeschichte nicht so einfach gemacht wird, versteht sich von selbst. Einer Reihe von zutiefst befriedigenden Feldzügen einer verbitterten Mutter (alleine die Ansprache an den Priester ist eine Sichtung wert) folgt ein Ende, das zu kompliziert ist, um zum Märchen auszuarten... und das einen ohnehin bereits sehr guten Film durch brillant gesetzte Subtexte endgültig abrundet.
Sauerkrautkoma
Na siehst, du musst den Eberhofer gar net nach Italien schicken, um ihm einen Kulturschock zu verpassen. Es reicht schon, ihn in in die benachbarte Großstadt München zu versetzen. Unter lauter Hochdeutsch sprechender City-Twens wird der hochgewachsene Dorfpolizist mit dem trüben Blick plötzlich zur obskuren Randerscheinung, die es zu meiden gilt, wenn man seinen guten Ruf bewahren will. Und wenn man Franzl fragt, der sich mit Kumpel Rudi ein Selbstmörderapartment mit Kindertapete zu horrenden Mietpreisen teilen muss, dann beruht das wohl auf Gegenseitigkeit.
So wird „Sauerkrautkoma“ auch zur Heimweh-Ode an den kleinen Flecken Land, aus dem man stammt und in das man normalerweise nie wieder zurückkehrt. Für eine Jubiläums-Dorffeier mit ganz grauenvoller Schlagermusik (der musikalische Tiefpunkt der Reihe, was viel bedeutet) kehrt sogar ein ehemaliger Niederkaltenkirchener (Gedeon Burkhard) zurück, der seinen gehässigen Spitznamen „Fleischi“ hinter sich gelassen hat, um als erfolgreicher Geschäftsmann durch die Welt zu pilgern. Ein Hauch von „Manta Manta“ weht durch die Luft, wenn sich der gelackte Bonze ins Proletariat begibt, um mit seinen Erfolgen zu prahlen und dem Heimatverbundenen sein einziges Spielzeug wegzunehmen. Dass die Susi keine Gelegenheit auslässt, ihrem bayerischen Prinzen zu zeigen, dass ihr globaler Marktwert nach wie vor beachtlich ist, resultiert erneut in einem Hasch-mich-Spiel mit pausenlosem Trotz und eingeschnappter Schnute. Langsam wird’s albern, aber nicht anders kennen wir es von der Liebe...
Derweil schreitet im Hintergrund ein erfreulich nüchtern inszenierter Fall um eine Kofferraumleiche voran, der keine fiesen Villain-Gesichter benötigt, um interessant zu wirken. Es braucht bloß einen zynischen Gerichtsmediziner, einen Haushalt voller Verdächtiger aus der wohlhabenden Gesellschaftsschicht und ein paar unglückliche Verbindungen zur Eberhofer-Familie, die übrigens endlich zum Kern bayerischer Kochkunst vorgestoßen ist, dem international berüchtigten Sauerkraut, das für so manche Magenverstimmung sorgt, aber auch für feucht-fröhliche Runden in heiterer Gesellschaft. Insgesamt ein erstaunlich bodenständiger fünfter Teil mit einem Schauspielerensemble, dem kaum Spielfreude abhanden gekommen ist.
Sie nannten ihn Spencer
Hier handelt es sich weniger um eine biografische Dokumentation im ursprünglichen Sinne, sondern vielmehr um den Versuch, Nostalgie zu entfachen und das Phänomen "Bud Spencer" gebührend zu feiern. Was gäbe es auch Informatives über diesen Mann zu berichten, das nicht ohnehin schon jeder weiß, der es seit Kindheitstagen mit dem Dampfhammer hält? Den "seriösen" Ansatz verwerfen die Macher mit Augenzwinkern schon nach wenigen Minuten: Trockene Interviews werden lieblos auf Italienisch mit deutschen Untertiteln eingeblendet, bevor uns Terence-Hill-Synchronstimme Thomas Danneberg erlöst und den Startschuss gibt für einen liebevoll montierten Vorspann, der reichlich Farbe in das Grau-in-Grau der Retrospektive pfeffert und die Marschrichtung angibt für den ab sofort angeschlagenen Ton.
In Sachen Regie und Schnitt ergibt sich im Anschluss eine Collage, die ohne jeden Zweifel von Fans für Fans angefertigt wurde. In jeder einzelnen Montage spürt man den Enthusiasmus und das Feingespür, mit dem die passenden Sprüche aus dem legendären Repertoire Rainer Brandts ausgewählt werden, als ginge es darum, die passende Bohnensorte zum edlen Wein zu finden. Und was wäre ein solches Unternehmen ohne die Ohrwürmer der Oliver Onions? Gemischt mit den gut dosierten (d.h. nicht omnipräsenten, aber stets zur richtigen Zeit zurückkehrenden) Worten Dannebergs und den Audio-Zitaten der vier Fäuste ergibt sich auf der Tonspur ein Feuerwerk an Memorabilia, das übermenschliche Kräfte freizusetzen weiß.
Die Struktur der Handlung folgt dabei einem klassischen Road Movie. Man hat erkannt, dass der Fan-Kult um den italienischen Schauspieler der Kern seines Schaffens ist, also führen uns zwei Fans als Repräsentanten der Zuschauer durch den Film. Anfangs noch getrennt voneinander, lassen sie uns an ihrer Geschichte teilhaben, bevor sie auf einer Convention erstmals aufeinandertreffen und sich dazu entschließen, ihrem großen Idol zu nachreisen, was aus dramaturgischen Gründen mit vielen Rückschlägen und Zwischenstationen verbunden ist. Auch wenn die Protagonisten einen grundsätzlich sympathischen, sehr selbstironischen Eindruck machen, so nimmt man die geskriptet anmutende Zusammenkunft der Beiden doch sehr zwiespältig auf. Den Anspruch an Authentizität kann das Werk in dieser Hinsicht nicht aufrecht erhalten; bereits die Ähnlichkeit ihrer äußeren Erscheinung zu Spencer und Hill hat nichts mit Zufällen zu tun, sondern dient lediglich dazu, dass sie sich nach Art der Filme gegenseitig anpflaumen können. Immerhin pfeift jeder von ihnen auf politische Korrektheit und treibt erfrischend offen Späße mit den Handicaps des jeweils anderen, was durchaus erfrischend herüberkommt.
Fremdscham wird jedoch freigesetzt, wenn sie begleitet vom Kamerateam an den Türen ehemaliger Wegbegleiter klopfen und stammelnd wie kleine Kinder zu Halloween vortragen müssen, auf welcher Mission sie sind - insbesondere, weil die erste Reaktion der Besuchten ausnahmsweise alles andere als geskriptet wirkt, sieht man in ihren Gesichtern doch zunächst nur Verwirrung und Ablehnung. Und doch ist es schön, all die Bekannten von früher wiederzusehen, darunter die eingangs genannten Oliver Onions oder Stamm-Prügelknabe Riccardo Pizzuti, der sich trotz der vielen blauen Bohnen, die er in seiner Karriere kassiert hat, ziemlich gut gehalten hat. Andere Prominente wie Rainer Brandt oder Terence Hill kommen in Interviews außerhalb der Haupthandlung zusätzlich zur Sprache.
Eigentlich macht "Sie nannten ihn Spencer" genau das Richtige: Er setzt die passenden Schwerpunkte, um eine Ahnung davon zu geben, was den Kult um den 2016 verstorbenen Carlo Pedersoli ausmacht und weshalb diese stumpfsinnigen Prügelkomödien aus den 70er und 80er Jahren immer noch in aller Munde sind. Die Montage in Sachen Ton- und Bildschnitt setzt regelrechte Frühlingsgefühle frei. Allerdings erzwingt die Haupthandlung die Bezüge zwischen den Fans und den Stars zu sehr, was bisweilen in verkrampft wirkenden Situationen resultiert, die das forsche Duo immerhin manchmal mit respektlosen Sprüchen zu kontern weiß.
Bird Box
Wer braucht schon Metaphern, wenn man die Augenbinde auch wörtlich nehmen kann, dachten sich Millionen von Zuschauern und hatten einfach Spaß mit ihrer dümmlichen "Bird Box"-Challenge - wie das Kleinkind, das am Rascheln des Geschenkpapiers mehr Interesse zeigt als am eigentlichen Geschenk. Vielleicht ist es der Film auch selbst schuld. Schon wieder wird ein Haus voller Überlebender zum sozialpädagogischen Experiment. Welch buntes Viertel das sein muss, in dem Alte, Junge, Schwarze, Weiße, Gesellige, Alleinstehende, Introvertierte und Extrovertierte als perfekte Haribo-Mischung in die Tüte gefüllt werden, damit im Angesicht der drohenden Apokalypse die Labormäuse unter der Käseglocke beobachtet werden können.
Der intensive Auftakt mit seiner herben, naturgebundenen Optik und den bedrohlichen Eindrücken von willenlos den Tod umarmenden Befallenen hätte jedenfalls eine einfallsreichere Weiterverarbeitung verdient gehabt. Was wie ein ambitioniertes Re-Imagining von M. Night Shyamalans "The Happening" beginnt, der sein vorhandenes Horror-Potenzial nicht nutzen konnte, fügt sich schließlich standardisierten Erzählmethoden, die sich völlig auf ihre rohe Prämisse verlassen und mit isolierten Suspense-Situationen zu punkten versuchen - Autofahrten im abgedunkelten Auto per GPS und blinde Navigation über einen wilden Fluss inklusive. Die Parallelmontage, mit der zwei zeitlich voneinander getrennte Ebenen verknüpft werden, bringt kaum inhaltlichen Zugewinn; genauso gut hätte man sich ganz auf den Survival-Faktor konzentrieren und die Vergangenheit in Mimik und Verhalten andeuten können.
Zumindest bleibt "Bird Box" auf einer oberflächlichen Ebene durchweg packend, auch weil die Überlebensregeln nicht ganz so festgezurrt sind wie bei "A Quiet Place", dem anderen Horrorfilm der Sinne im Jahr 2018. Sein großes Ziel allerdings, als Parabel auf Bindungsängste zu fungieren, verbaut man sich schon mit der Hauptfigur, die das Shoegazing als Abwehrstrategie gegen Sozialkontakte so verbissen praktiziert, dass sie selbst ihre Kinder nur "Junge" und "Mädchen" nennt. So gesehen eine repräsentative Vertreterin der stereotypen Darstellung von Charakteren, die in diesem Film angewendet wird.
The Man Who Killed Don Quixote
Das Monstrum hat endlich einen Ausweg aus der Produktionshölle gefunden. Als es seinen fettleibigen, mit viel zu vielen Mythen gefütterten Körper mühsam über die Pforten zur Realität schleift, hinterlässt es unzählige Anekdoten fehlgeschlagener Finanzierungen, verhinderter oder verstorbener Darsteller, mehrere Neuentwürfe und nicht zuletzt einen völlig verzweifelten Regisseur, der im Kampf gegen den größten Dämonen seiner Karriere einfach nie aufgeben wollte. Doch was sich da schlussendlich, zwanzig Jahre nach den ersten Bemühungen, auf der Leinwand manifestiert, ist nicht das Epos, dass sich die Hoffnungen über Jahre still und heimlich als Luftschloss erträumten. So viel war noch zu erwarten; aber wie sich herausstellt, ist es nicht einmal der Versuch, etwas Episches zu schaffen. "The Man Who Killed Don Quixote" ist écriture automatique in seiner reinsten Form, das Erbrochene eines Kranken, der sich radikal gesund kotzt. Rücksicht auf die Historie des Projekts nimmt Terry Gilliam dabei keine, womit er gewissermaßen eingesteht, sich jahrelang für eine irrationale Obsession aufgeopfert zu haben.
Gilliam wusste, dass sein "Don Quixote" in der Imagination wohl das größere Werk geblieben wäre. Weil es jedoch therapeutisch sinnvoll sein kann, das Unvollendete - egal wie - zu vollenden, bekommen wir nun eine kreischende Metapher zu Gesicht, die mit blinkenden Pfeilen auf das Leiden ihres Erschaffers verweist. Dessen Windmühlen sind drei große, fette Riesen, die sich höhnisch lachend in Zeitlupe vor den Horizont stellen und ihn mit ihren überdimensionalen Leibern verstellen. Wie dieser überzeichnete Surrealismus aus einer Szene im letzten Abschnitt funktioniert auch der gesamte Film: Ein profaner Filmdreh wird zum Auslöser einer Kette absurder Ereignisse, mit denen sich die Verrücktheit des Herrn auf den Geisteszustand des Dieners überträgt. Dass Don Quixote dabei für das Filmprojekt steht und Sancho Pansa für Terry Gilliam, ist nicht allzu schwer zu erraten, ebenso wenig, wohin die Reise führt.
Was ein Frederico Fellini in "Achteinhalb" jedoch zu einer brillanten Selbstanalyse zu formen wusste, an deren Entstehen der Betrachter aus der Mittendrin-Perspektive praktisch live teilhaben kann, bleibt "The Man Who Killed Don Quixote" über weite Strecken sperrig und anstrengend. Derweil Adam Driver in der Karikatur eines abgehobenen Künstlers versinkt, hockt Jonathan Pryce wie ein neonfarbenes Ausrufezeichen auf seiner Rosinante und versetzt sich selbst und alles um ihn herum in eine Hysterie, der zu entkommen unmöglich ist. Die Kombination dieser beiden Elemente ergibt einen Humor, der ganz ähnlich funktioniert wie jener aus Gilliams Eskapismus-Fantasie "Brazil", aber eben doch wieder so anders erscheint, dass er nur sehr schwer zu ertragen ist. Selbiges gilt für das merkwürdige Nebeneinander von Semi-Dokumentarischem und Märchenhaftem in Bonbonfarben. Die Sets erscheinen teilweise mit Bedacht ausgewählt und erzeugen schöne Momente, verströmen dann aber wieder so viel hässliches Chaos, dass man kaum in die Vision eintauchen kann.
Hier ist ein Werk entstanden, wie es Künstler unter Laken in ihren Ateliers oder Schriftsteller in ihren Schreibtischschubladen verstecken, um gelegentlich in einsamen Momenten einen Blick darauf zu werfen. Schade für Terry Gilliam, dass ein Film schon wegen der vielen Produktionsbeteiligten niemals eine vollständig private Angelegenheit sein kann.
Fascination
Feldwege und Wiesen, durch die stürmisch der Wind bläst. Dann ein junger Kerl (Jean-Pierre Lemaire) mit schelmischem Blick und wirrem Blondschopf, der ruhelos die Landschaft durchzieht, bevor er sich mit einer Frau anlegt, die vom gleichen Schlag zu sein scheint wie er. Ihr kommen bald zwei Verbündete zur Hilfe, er bleibt alleine zurück und muss sich ins offene Land zurückziehen.
„Fascination“ beginnt wie ein typischer Outlaw-Western, der mitten in der Prärie das Schicksal einer Gruppe Gesetzloser verfolgt. „Herrin der toten Stadt“ mit Gregory Peck soll Jean Rollin als Inspiration gedient haben; nur, dass bei Rollin eben keine Prärien durchstreift werden, sondern französisches Hinterland; und dass anstatt einer Geisterstadt natürlich ein verlassenes Chateau als Rückzugsort wartet.
Spätestens hier wird die Realität wieder von der typisch Rollin'schen, assoziativen Traumlogik eingeholt. Gerade noch sind alle Gedanken des Gauners bei so etwas Profanem wie seiner Beute, da trifft er in dem auf unheimliche Weise stillen Anwesen auf zwei junge Frauen, die sich als Zimmermädchen vorstellig machen. Im Affekt reagiert er seinem Naturell gemäß und nimmt die Beiden als Geiseln, doch die reagieren nicht verängstigt, sondern amüsiert...
Allerdings schickt Rollin schon im Prolog einen Vorboten des Surrealismus voraus, indem er eine Adlige im weißen Gewand ein Schlachthaus besuchen und dort ein Kristallglas voller Blut trinken lässt (für diese Szene wiederum wird J.F. Gueldrys Gemälde „Die Bluttrinker“ verantwortlich gemacht). Dabei entgeht einem nicht die aus heftigen Kontrasten bestehende, dennoch auf seltsame Art unterschwellige Erotik, mit der auch Walerian Borowczyk seine Werke ausstattete. Doch erst wenn Franca Maï und Brigitte Lahaie die Szenerie betreten, sind wir endgültig in die Gedankenwelt des Regisseurs eingedrungen, die nach einem Geflecht symbolischer Verknüpfungen ausgerichtet sind, welche man kaum sinnvoll bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgen kann.
Besser genießt man die Arrangements, die Rollin in so vielen seiner Werke wie aus dem Unterbewusstsein heraus gelingen. Die unter ihrem schwarzen Cape nackte Lahaie, die auf der Brücke vor dem Schloss ihre Sense schwingt, ist so ein unvergesslicher Augenblick im Schaffen dieses hoffnungslosen Romantikers, der wieder Sehnsüchte und Ängste in einem großen Topf verrührt und mit latenten Spuren des Vampirfilms versetzt, sich sogar in ihren Klischees suhlt, ohne jemals auch nur einen Reißzahn zeigen zu müssen. Das Wesen des Vampirs liegt für ihn eben tief unter der Haut des Raubtiers; es wabert im ständigen Wandel wie der Fluss der Gezeiten. Vielleicht lässt sich damit der auffällig inszenierte Wechsel vom Tag zur Nacht deuten, der „Fascination“ seine besonders im letzten Akt unwirkliche Stimmung verleiht; oder das Spiel, das die beiden Furien mit dem Eindringling und auch miteinander treiben.
Lords Of Chaos
Gut, dass eine Texttafel zu Beginn darauf hinweist, dass die hier gezeigten Taten nicht verherrlicht werden sollen. Sonst könnte man nämlich stellenweise tatsächlich auf den Gedanken kommen, Åkerlund wolle am Beispiel einer düsteren Subkultur ein romantisiertes Coming-Of-Age-Abenteuer komponieren, das trotz all der geschilderten Ausweglosigkeiten Sehnsüchte danach wecken kann, selbst Teil einer so verschworenen Gemeinschaft zu sein.
Zumindest geht der Regisseur, der einst selbst in der Szene aktiv war, durch seinen Inszenierungsstil recht oft eine Allianz mit der Euphorie eines Kirchen verbrennenden Varg Vikernes ein, der als Antagonist eine fast schon disney-ähnliche Verwandlung durchmacht. Es ist letztlich die oft erlebte Geschichte vom introvertierten Außenseiter, der in eine Wolke dunkler Magie gerät und sich unter ihrem Einfluss in ein Monster verwandelt, das nichts mehr mit der ursprünglichen Person zu tun hat – nur eben ohne die für Kindermärchen typische Rückverwandlung. So läuft das eben nicht in der Realität.
Jene Realität, also die gesammelten Fakten und Erfahrungsberichte zur Geschichte der Black-Metal-Band Mayhem, dient Åkerlund als Strukturierungshilfe, die er allerdings nach Belieben zu dramaturgischen Zwecken aufbauscht, auch mit unlauteren Mitteln, wenn nötig – von Details wie einem Scorpions-Patch auf Vargs Kutte bis hin zu ganzen Subplots, zu denen auch eine frei erfundene Liebesgeschichte gehört, so wie es sich eben für ein Disney-Märchen gehört. Hauptfigur Euronymous ist in alldem so etwas wie der wertneutrale Reflektor der Kultur, die er repräsentiert – der Erzähler, der den Zuschauer an die Hand nimmt und ihm erklärt, wie seine Leute ticken. Er befindet sich sozusagen im Auge des Sturms, mitten im Sweet Spot, mit idealem Blick auf die Geschehnisse.
Dabei entsteht ein zugänglicher, schwer unterhaltsamer Film, der sich Erzählmethoden bedient, die den meisten Zuschauern wohl vertraut sein dürfte. Man könnte sagen, es wird ihnen erlaubt, dem omnipräsenten Geruch des Todes zu trotzen und länger in der für sie unwirtlichen Umgebung zu verharren, weil sie die Sicherheit haben, jederzeit in ihre behütete Normalität zurückkehren zu können; selbst wenn sie sich mit Black Metal nicht auskennen, so wissen sie doch mit dessen Präsentation umzugehen.
Kein Film also, der bei echten Insidern übermäßige Begeisterungsstürme auslösen dürfte, denn dazu ist die Aufmachung zu kommerziell und der Zugang nicht sperrig genug. Ein Film für die ganze Familie also? Das nun wiederum nicht; was nämlich bei diesem Film überrascht, ist die beängstigende Authentizität, mit der die Momente der Eskalation eingefangen werden. Obwohl sich Åkerlund zwischenzeitlich auch zu äußerst plumpen Spielereien verleiten lässt (die stilistisch verfremdeten Horror-Visionen hätten nicht unbedingt sein müssen), gelingen ihm mindestens drei morbide Höhepunkte. Alleine die Inszenierung des Selbstmordes von Mayhem-Sänger Dead ist an Realismus kaum zu übertreffen. Weniger ist damit die Umsetzung der Effekte gemeint (wenngleich auch diese von empfindlichen Naturen eher gemieden werden sollten), sondern vielmehr das nahezu willenlose Hineingleiten in den Suizid, das nichts mit dem melodramatischen Märtyrertum Hollywoods zu tun hat, sondern vielmehr einer kausalen Abfolge von Missgeschicken gleicht, die in letzter Konsequenz zum herbeigesehnten Ende führen. Als Kontrast dazu folgen dann später noch zwei Hinrichtungen, diesmal also Sterbeszenen von Menschen, die leben wollen. In allen Fällen jedoch wird das Sterben als kompliziert dargestellt; fast so, als kämpfe der Puls im Körper gegen die permanenten Schnitt- und Stichverletzungen auf eigene Kraft unerbittlich um sein Leben, egal ob der Besitzer des Körpers den Kampf schon aufgegeben hat oder nicht.
Das sind schockierende Momente der bitteren Wahrheit in einer ansonsten zugänglich aufbereiteten Rückschau auf die norwegische Black-Metal-Keimzelle der 90er, die man möglichst kritisch-differenziert betrachten sollte, um ihr im Positiven wie Negativen gerecht zu werden. Eines muss man Åkerlund lassen, ihm ist hier auch dank seiner überwiegend starken Darsteller (herauszuheben Rory Culkin als Euronymous und Emory Cohen als Varg, aber auch Jack Kilmer als Dead) etwas gelungen, das zumindest nicht kalt lässt.
It Comes At Night
Zuletzt setzten einige Horror-Thriller darauf, das Vermeiden der Nutzung oder Wahrnehmung bestimmter Sinne zur Überlebensregel zu erklären. In "A Quiet Place" und "Don't Breathe" sollte man besser keine Geräusche machen, in "Bird Box" führt das Sehen direkt in den Wahnsinn und somit in den Tod. "It Comes At Night" setzt zwar im direkten Vergleich auf eher konventionelle Überlebensregeln aus dem Dunstkreis des Seuchen- und Zombiefilms: Handschuhe und Gasmasken müssen unter bestimmten Bedingungen getragen werden, die Nacht ist tabu, vertraut wird nur der eigenen Familie. In einer gewissen Weise ist trotzdem ein hoher Bezug zur Sinneswahrnehmung gegeben. Nicht ohne Grund sieht man einen Hund auf dem Filmplakat, der in die Dunkelheit bellt. Es handelt sich bloß um ein Kammerspiel in einer kleinen Waldhütte, doch die Unterkunft verwandelt sich vor Drew Daniels' Kamera in ein hölzernes Labyrinth. In Zeitlupe schwebt die Linse körperlos durch die Gänge und schärft dabei das Bewusstsein für den Raum. Es ist manchmal schwer zu sagen, ob hier die Perspektive des Jungen eingenommen wird, aus dessen Perspektive sich zumindest die Szenen im Haus abspielen, oder eine figurenneutrale Eminenz, die in Anlehnung an Viren-Thriller wie "Outbreak" eine Verbreitung des Todes andeutet. Eine knallrot gestrichene Tür signalisiert den Point-of-No-Return, vor dessen Schwelle immer wieder Bedrohungen lauern, die aber konsequent unsichtbar bleiben. Dazu komponiert Brian McOmber einen Score, der sich in einer frühen Szene zunächst dröhnend dem Jump-Scare-Prinzip anschließt, um sich dann ausgerechnet in den vielen Alptraumszenen in Zurückhaltung zu üben.
Selbstverständlich führt ein solches Endzeit-Kammerspiel wieder zu der alten Erkenntnis, dass es kein Monster aus dem Wald ist, vor dem man sich fürchten muss, sondern der Mensch in Not. Das ist soweit nichts Neues. Trey Edward Shults, der mit dem Drehbuch eigene Traumata verarbeitete, findet zwar technisch hochinteressante Wege, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, allerdings vermag er es nicht, ihr etwas Neues abzugewinnen. In dieser Hinsicht bleibt "It Comes At Night" so fahl wie abgenagte Knochen im Mondschein. Eine Empfehlung aussprechen kann man also für jene, die gut gespielte, kompakt und zielstrebig aufgezogene Thriller auf engem Raum zu schätzen wissen, ohne zwangsläufig zu erwarten, dass am Ende etwas anderes geschieht als die Eingliederung in den Konsens.
Die Unglaublichen 2
Schon dass der Maulwurf-Cliffhanger wieder aufgegriffen und die Originalstory somit nahtlos fortgesetzt wird, zeigt ein erfrischendes Desinteresse an der rasanten Entwicklung des Superheldenfilms in den 14 Jahren seit "Die Unglaublichen". Es wird ohnehin bereits genug über die neuesten Messlatten Marvels gesprochen, da ist es schön, dass sich mal wieder jemand völlig unbeeindruckt von dem Kräftemessen zeigt und seinen Blick lieber in die Vergangenheit richtet.
Es ist aber nicht so, dass Brad Bird sich mit einer einfachen Kopie seines Erfolgs von 2004 begnügt. Agententhriller-Fanfaren lässt Komponist Michael Giacchino zwar immer noch erklingen, ansonsten hat sich das Bond-Flair des ersten Teils aber ein Stück weit verabschiedet. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass ein greifbarer Gegenspieler diesmal fehlt - und mit ihm die größenwahnsinnigen Festungen, die es zu infiltrieren gilt. Es ist eher die Stadt, die sich zum Hauptkontrahenten der Familie Parr aufbäumt. Als die Politik dem Superheldentum Grenzen aufzuerlegen beginnt, begibt man sich in die Sphären von "Watchmen", indem man das übernatürliche Element "Superkraft" in den reglementierten Alltag einbindet. Folglich werden die Schneisen der Zerstörung thematisiert, die nicht nur Bösewichte, sondern auch Helden hinterlassen. Prompt tritt der Staat als eine Art unsichtbarer Superroboter in Erscheinung und zieht alle Antipathien auf sich. Natürlich gibt es auch wieder einen herkömmlichen Feind in Form eines Hypnose-Spezialisten, der auch über das TV-Signal Gedanken beeinflussen kann (Medienkritik inklusive). Dieser tritt aber eher als Katalysator einer größeren Problematik in Erscheinung.
Für das Drehbuch ist das eventuell etwas zu viel Input, möchte es die Handlung doch eigentlich so einfach wie möglich halten. Dadurch gelingt es Bird leider nicht immer, die Spannung zu halten. Er muss sich mit raffiniert geschriebenen Actionsequenzen aus der Affäre schlagen (Elastigirls Motorradverfolgungsjagd ist zugegeben ein Hi-Tech-Highlight unter den Computeranimationsfilmen), doch die Aufmerksamkeitskurve erleidet immer wieder Hänger, weil viele Nebenfiguren relativ uninteressant geschrieben sind. Dass sich die Familie hingegen seit damals kaum weiterentwickelt hat, gehört zum Konzept: Die in Sachen Animationsqualität selbstverständlich stark optimierte Umgebung wirkt sich nicht auf das expressionistische Figurendesign mit seinen kantig-runden Gesichtsformen, Wespentaillen und Pappaufsteller-Silhouetten aus. Das immerhin nutzt Bird für ein gelungenes Spiel mit den Rollenbildern, wenn er Elastigirl in den Kampf ziehen lässt, während Mr. Incredible in einem Apartment mit 50er-Futurismus-Design die Kinder hütet (was natürlich zu reichlich Slapstick mit Publikumsliebling Jack-Jack führt).
Der Retro-Anstrich steht der Fortsetzung also umringt von hochmodernen State-of-Art-Superheldenfilmen fast noch besser als das Original, das allerdings in Sachen Story und Ausführung mindestens eine ganze Klasse besser ist. Zumindest da macht die deutlich bessere Animation den Kohl auch nicht mehr fett.
(knapp)
Flesh and Blood - The Hammer Heritage of Horror
„Flesh And Blood – The Hammer Heritage of Horror“ ist eine Retrospektive auf das einflussreiche Erbe des britischen Studios, das 1935 seinen ersten Film produzierte (eine Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Komödie!). Mit Blick auf das Entstehungsjahr handelt es sich sozusagen um eine späte Grabrede, die sehr ausführlich des Verstorbenen gedenkt, Bilder und Videos von ihm teilt und allerlei Weggefährten dazu einlädt, an der feierlichen Veranstaltung teilzunehmen. Es ist insofern eine ganz besondere Dokumentation, als dass sowohl Peter Cushing als auch Christopher Lee als Erzähler gewonnen werden konnten. Für Erstgenannten war es das finale Engagement, erlag er doch nur drei Monate nach den Aufnahmen, im Sommer des Jahres 1994, seinem Krebs.
Weil es diese beiden Legenden sind, die selbst durch die Geschichte führen, bekommt die Dokumentation einen angenehm persönlichen Anstrich. Ted Newsom arrangiert als Autor und Regisseur eine ausholende und mit vielen Informationen angereicherte Reise zu den Anfängen Hammers und weist hier auf die stilistische Bandbreite hin, die bei dem öffentlichen Fokus auf die Horrorfilme gerne übersehen wird. Da es jedoch gerade die Horrorfilme sind, an denen das Publikum interessiert ist, verengt sich der Fokus zunehmend auf die Blütephase – womit im Grunde genau das gezeigt wird, was man sehen möchte. Ob Dracula oder Captain Clegg, ob Sherlock Holmes oder Frankenstein, der Schneemensch oder die Mumie – unter Garantie wird man im Anschluss eine nicht zu bändigende Lust verspüren, den Abend mit einem Best-Of der spektakulärsten Monster zu beenden.
Natürlich verliert der Ton dadurch einen Hauch an Seriosität und journalistischer Neutralität, aber wenn Leute wie Joe Dante, Ray Harryhausen, Caroline Munro, Jimmy Sangster oder Raquel Welch ihre Erfahrungen und Einschätzungen zum Besten geben, unterstützt von diesen wunderbar abwechslungsreichen Filmausschnitten (oder Fantasieausflügen) in kräftigem Technicolor, dann ist das mindestens genauso nahrhaft wie das Wissen, das zutage tritt, wenn man einen analytischen Ansatz verfolgt. Dass es um primitive Antriebe geht, verrät ja schließlich schon der Titel.
Als Appetizer für die Zusammenstellung eines eigenen Videoabends voller angelaufener britischer Horrorschinken empfiehlt sich „Flesh And Blood“ jedenfalls auch nach einem Vierteljahrhundert noch.
Caprona - Das vergessene Land
Filme wie diese lassen träumen, die Welt wäre tatsächlich so groß und und unerschlossen, dass sie derart große Geheimnisse bergen könnte wie ein ganzes Ökosystem voller ausgestorbener Arten. Heute mehr denn je. Jenseits des verborgenen Landes dirigiert Kevin Connor einen tristen Kriegsfilm nautischer Art, in dem Doug McClure sich als kantiger, von seinen Fähigkeiten überzeugter Vorzeige-Amerikaner mit einer deutschen U-Boot-Besatzung anlegt. Es entsteht ein dröges Abenteuer auf See, in dem der Nebel so dicht ist, dass die gelegentlichen Gefechte mit feindlichen Schiffen zu einer Art "Schiffe versenken" mutieren, während die Kapitäne an Bord ihre (Gehirn-) Muskeln spielen lassen.
Ist aber einmal der verborgene Zugang ins unerschlossene Land gefunden, wird "Caprona" zu einem völlig anderen Film. Der blinde Fleck in der Zerstörungswut des Menschen wird äußerst fantasiereich ausgestaltet, angereichert mit spektakulären Landschaften und detailliert ausgearbeiteten Dinosauriern, die zwar mit Handpuppen anstatt Stop-Motion zum Leben erweckt wurden, aber dennoch den typischen Harryhausen-Look geerbt haben - was sie zu besonders geschmeidigen Animationen befähigt, ohne dass sie deswegen wie Plastikspielzeug aussehen. Durch das HD-Bild werden inzwischen zwar die Fäden der Pteranodons sichtbar, doch gerade der Wechsel zwischen Panoramen, in denen die enorme Größe der Kreaturen deutlich wird, und den Nahaufnahmen, in denen die unerreichbaren Geschöpfe in direkten Kontakt mit den Darstellern gelangen, ist mehr als gelungen. Noch dazu kann man sich über Artenvielfalt nicht beschweren; wer als Kind das "Was ist Was" der populärsten Dinosaurier verschlungen hat, wird viele Bekannte wiederfinden, umschrieben mit charmanter Prä-Jurassic-Park-Terminologie.
Dass sich eine einzelne Frau (Susan Penhaligon), hübsch, jung und blond, in einer ansonsten reinen Männergruppe durch den Dschungel schlägt, gehört zu jenen albernen Klischees des Abenteuerfilms, die über Jahre zur Tradition gereift sind. Vor allem Kinder dürften auf ein weiteres anspringen, den Eingeborenen nämlich, der sich gegen seine Natur mit den Eindringlingen anfreundet und ihnen nicht nur als Fremdenführer dient, sondern auch noch im Kampf zur Seite steht. Wie man so schön sagt: Da ist für die ganze Familie was dabei.
Banshee – Season 3
Nehmen wir die wie ein Fresko inszenierte Kirchenballerei im Finale mal heraus (und natürlich diverse Sexszenen), ging es in der zweiten Staffel ausnahmsweise mal nicht um Entladung, sondern um Spannungsaufbau. Die Differenzen zwischen den beteiligten Parteien wurden vor allem unter der Oberfläche zum Kochen gebracht, was eine durchaus spannungsreiche, aber auch eskalationsarme Struktur zur Folge hatte. Bei einer solchen Steilvorlage lässt sich die dritte Staffel nicht lange bitten und liefert wieder eine Dauerejakulation von ausgelebten Rachefantasien.
Zu diesem Zweck werden alte Feindschaften zwischen den amerikanischen Völkern und Lebensstilen neu entflammt und gleich noch ein paar zusätzliche mit in den Topf geworfen. Nazis werden neuerdings am Rande behandelt, bei weitem aber nicht leidenschaftslos; das Militär zeigt seine verschlagene Seite in einem Heist-Subplot, der in der finalen Folge seinen Höhepunkt erfährt. Hacker jagen sich gegenseitig, Vater-Tochter-Probleme werden thematisiert und natürlich rappelt es immer noch unentwegt, wo immer sich Kai Proctor (Ulrich Thomsen) gerade aufhält. Seine Nichte Rebecca (Lili Simmons) sorgt für Ärger im Business und Proctors Untergebener Clay (Matthew Rauch) liefert sich mit Nola (Odette Annable) einen der intensivsten Zweikämpfe der gesamten Serie, und zwar in einer Inszenierung und mit solch einer gnadenlosen Härte, dass einem der Atem stockt. Nicht zuletzt lässt Geno Segers als außer Kontrolle geratener Kriegerhäuptling die Grenze zwischen dem Handeln nach Tradition und reiner Psychopathie zusammenstürzen und mausert sich so zum härtesten Widersacher unseres falschen Sheriffs, so dass man eine finalen Konfrontation über viele Folgen hinweg herbeisehnt.
Das ist reaktionärer Wahnsinn, ein Bullentanz durch die bunte Vielfalt ländlicher Reviere mit der Selbstjustiz als einzig gültigem Gesetz. Mehr als je zuvor baut "Banshee" auf das befriedigende Gefühl, Arschlöcher dabei anzufeuern, wie sie noch viel größere Arschlöcher um die Ecke bringen. Und weil explodierende Dinge so viel schöner anzusehen sind als implodierende Dinge, ist dies vielleicht die beste Staffel bisher.
Future Man – Season 2
Während die erste Staffel einen besonders langen Zeitreisetunnel vom amerikanischen Sender Hulu ins deutsche Amazon Prime zu durchqueren hatte, kommt die zweite Staffel nun relativ zeitnah zu uns und fühlt sich dadurch wie ein hastig zusammengebauter Nachklapp an. Man würde jetzt gerne sagen, dass die Qualität der neuen dreizehn Folgen diesen Eindruck schnell pulverisiert; stattdessen bestätigt er ihn. Wo der infantile Humor unverändert auf seinen geistigen Erschaffer verweist, der in der letzten Folge einen nur allzu typischen Gastauftritt absolviert, da reduzieren sich doch leider die Mittel und Wege der Umsetzung; als habe jemand eine Drossel in die Zeitmaschine eingebaut. Wo die erste Staffel noch reich war an bereisten Epochen und zugehörigen Zitaten aus Film und Kultur, da ist die zweite Staffel hauptsächlich reich an Joshs; genug jedenfalls, dass Wolf zu der Feststellung gelangt, die berühmte Nadel im Josh-Haufen gefunden zu haben.
Das ist schön für Fans des Dreigestirns aus Josh Hutcherson, Derek Wilson und Eliza Coupe, denn von ihnen bekommt man mehr als genug in allen möglichen Variationen. Insbesondere Letztgenannte darf ihr komödiantisches Repertoire mit der wirklich gelungenen Darbietung einer geistig minderbemittelten Teenager-Göre aufstocken. Auch Haley Joel Osments Rolle wurde massiv vergrößert. Der ehemalige Kinder-Star, der inzwischen aussieht wie ein junger Al Borland, bereichert das Ensemble mit einer hochmotivierten, sehr physischen Leistung, die ihren Höhepunkt in einer abgefahrenen Musical-Nummer findet, die wie eine Live-Umsetzung eines "Family Guy"-Spektakels wirkt.
Doch bei der Konzentration auf diesen Kern wird nahezu alles andere schwer vernachlässigt. Das Drehbuch beispielsweise entpuppt sich als extrem sprunghaft. Das ist nicht zwangsläufig ungewöhnlich beim Thema Zeitreisen, aber hier werden fragmentarisch neue Ansätze geformt und im Aufbau begriffen wieder fallen gelassen. Und trotzdem ist man gezwungen, endlos viel Zeit an nicht allzu interessanten Orten zu verbringen. Weder der Plotstrang um Wolf und seine vier Ehepartner noch die nicht enden wollenden Zwiegespräche zwischen Tiger und Stu im hell erleuchteten Flügel-Raum sind interessant genug, als dass man immer wieder Zeit dort verbringen möchte. Und dann fällt plötzlich auf: Trotz der vielen Joshs, herrscht nicht doch irgendwie am Ende Josh-Mangel, dafür, dass er immerhin die Hauptfigur ist?
Es gibt natürlich trotzdem wieder eine gute Handvoll guter Gags, aber sie nähern sich aus dem toten Winkel. Das Skript ist zu bruchstückhaft, die Schauplätze zu variationsarm und die Anspielungen auf Popkultur nicht vernetzt genug, als dass der Humor organisch in das große Ganze eingebunden wäre. Um die Eindrücke zu krönen, macht die Abschlussfolge noch mal eben ein neues Fass auf - und eine dritte Staffel, die bereits als finale Staffel bestätigt ist, unumgänglich. Hoffentlich kann der Knoten darin wieder aufgelöst werden; er erscheint nämlich, Stand jetzt, unentwirrbar.
Fear The Walking Dead - Season 4
Es hat sich mal wieder eine Menge verändert bei „Fear The Walking Dead“ und wie schon beim Sprung von der zweiten in die dritte Staffel hat der Slogan „Never Change a Running System“ auch diesmal keine Chance. Die neuen Showrunner Andrew Chambliss und Ian Goldberg kappen nicht nur radikal die bisherige Storyline zugunsten eines erzählerischen Neuanfangs, sondern rotieren den Cast auf radikalste Weise, erproben neue Möglichkeiten, die Handlungsstränge miteinander zu verknüpfen und werkeln fleißig an der Optik; ja, sogar eine aufgepeppte Titeleinblendung mit neuem Jingle und dynamischem Bezug auf den Inhalt der jeweiligen Folge wird ausprobiert.
Das bedeutet leider auch, dass die zuletzt geäußerte Feststellung, der Ableger sei auf dem besten Weg, qualitativ mit dem Original gleichzuziehen, wieder hinfällig ist. Die vierte Staffel ist nach der zweiten die schlechteste geworden. Woran das liegt, ist auf den ersten Blick gar nicht so einfach auszumachen. Praktisch sämtliche Neuzugänge schlagen nämlich ein wie eine Bombe. Allen voran Garret Dillahunt. Mit einem Selbstgespräch von philosophischer Qualität verhilft er der Staffel zu einem sehr starken Einstieg und mausert sich zu einem absoluten Sympathieträger, den die Serie dringend benötigt hat. Vor allem seine Rückblick-Episode, die zugleich den Einstieg der überraschend gut ins Ensemble passenden Jenna Elfman bedeutet, verleiht ihm sehr viel Tiefe. Dazu steigt auch noch Lenny James aus der Hauptserie quer ein. Auch wenn man vielleicht irgendwann größere Crossover-Bemühungen sehen würde, der Morgan-Darsteller macht einen guten Anfang und passt zu den reisenden Clarks als Wanderer wesentlich besser als ins statische Alexandria. In der zweiten Hälfte wird er sogar fast zum alleinigen Antrieb der Handlung, die wesentlich von ihm und seiner Einstellung zu Leben und Tod geprägt ist. Und dann kommt noch Maggie Grace als Journalistin dazu, die einen dokumentarischen Aspekt in die Geschichte einfließen lässt und in der ersten Staffelhälfte so direkt einwirkt auf die verwendeten Erzählmittel.
Doch selbst wenn die Chemie unter den Darstellern stimmt und eine gewisse Vision zweifellos vorhanden ist; in der Umsetzung ergeben sich eklatante Schwächen. Beginnend bei der Optik, die im Gegensatz zu den farbenfrohen Flashbacks so extrem entfärbt ist, dass einem die damit getroffene Aussage regelrecht ins Gesicht springt. Früher war eben alles besser. Überhaupt können die Zeitsprünge, von denen die erste Hälfte durchsetzt ist, als ambitioniert, aber in vielerlei Hinsicht gescheitert betrachtet werden. Sie geben den Autoren die Möglichkeit, bereits gestorbene Charaktere zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzubringen, so dass man posthum noch mehr über sie erfährt; faktisch wird diese Möglichkeit aber eher für nostalgische Rückblicke mit Träne im Augenwinkel genutzt als für handfeste Charakterzeichnung. Immerhin ist manche Entwicklung aus soziologischer Perspektive durchaus spannend (etwa das Verhältnis zwischen Alicia und Charlie). Doch selbst dieser Pluspunkt verwandelt sich am Ende in ein dickes Minus: Wenn Tonya Pinkins im zweiten Teil als Antagonistin aufgebaut wird und anderen Lebenden unentwegt ihr merkwürdiges Mantra aufdrängt (wer Anderen hilft, ist schwach), verwandeln sich jegliche Ansätze differenzierter Charakterstudie in überzeichnete Comic-Reliefs, die eine weitere, zunächst eher egoistische Figur mit ihrem heldenhaften letzten Einsatz noch bestätigt. Nein, das ging schon besser.
Weitere Sichtungen:
Death Note
The Curse
Die Rache des Pharao
Hammer House Of Horror - Die komplette Serie
Die Verfluchten
Die wahren Memoiren eines internationalen Killers
Haus der Todsünden
Upgrade
Savage Dog
Die tödlichen Bienen
Godzilla II: King Of The Monsters
Avengers: Endgame
Das Spiel (Gerald's Game)
Hunter Killer
Day of the Dead: Bloodline
Re: Filmtagebuch: Vince
Leichen unter brennender Sonne
Der Extreme-Close-Up auf das starrende Auge, den Cattet und Forzani so gerne nutzen, hat Thriller und Science Fiction bereichert, Horror und Western. Warum sollte man sich bei seiner Reproduktion also auf den Giallo beschränken?
Mit seinem Drittwerk „Leichen unter brennender Sonne“ bleibt das französische Paar seinen Fetischen treu und zitiert auch weiterhin Vertreter des Giallo, bricht aber ansonsten radikal mit der bisher gewohnten Genre-Einbettung. Eine Erhöhung auf den bronzefarbenen Schieferklippen der sattgrünen Küstenlandschaft von Korsika wird zum Zentrum einer Belagerungssituation erklärt, das Refugium eines Malers verwandelt sich in ein Western-Fort und schon sind wir mitten in einem Genre, das mindestens seit Leone prall gefüllt ist mit zugekniffenen Augen und unsichtbaren Kugeln, die zwischen ihnen die Plätze tauschen.
Keine Frage, hier arbeiten Crash Zooms, Dolly Zooms, harte Gegenlichtaufnahmen und schnelle Schnitte in hoher Taktfrequenz daran, den Orientierungssinn des Rezipienten durcheinander zu bringen. Statt Blut spritzt auch mal Gold, Glitter oder Farbe; schwer zu sagen, wenn man von der knallenden Sonne am hellblauen Himmel geblendet wird. Bondage-Szenarien und noch weitaus extravagantere S/M-Fantasien werden in ästhetischen Montagen zum Kunstwerk ausgestaltet, während auf der Tonspur wie üblich das Leder in ohrenbetäubender Lautstärke knarzt. Dazu springt die Chronologie im Dreieck: Der schmerzerfüllte Todesschrei einer angeschossenen Polizistin wird wie ein Zeitstempel eingesetzt, anhand dessen ersichtlich wird, wie die Regisseure die Uhr an einem gewissen Punkt immer wieder zurückdrehen, um die Schlüsselszene noch aus einer weiteren Perspektive zu beleuchten.
Auf den Inhalt kommt es nicht an, sondern auf die Wirkung. Und die ist wie gewohnt angesiedelt zwischen konkurrenzloser Extravaganz und vollkommener Redundanz. Wenn Cattet und Forzani einem Medium neben dem Film besonders nahe stehen, dann wohl der Malerei: Für manchen ein Meisterwerk des Action Painting, das unheimlich viel über die Handlungsmuster seines Erschaffers verrät, für andere ein undurchdringliches Gewirr aus sinnlosen Farbklecksen. Diesmal aber mit einem ganz frischen Motiv, dem Start einer neuen Phase womöglich – sofern ein Künstlerfond weiterhin bereit ist, derart kompromissloses Experimentieren zu subventionieren.
Searching
Hauptdarsteller John Cho soll ja zunächst nicht an das Gelingen des ungewöhnlichen Konzepts geglaubt haben. Ein ganzer Film, der sein Videomaterial ausschließlich über Desktop-Hintergründe, Überwachungskameras und Drohnen erzeugt, klingt in der Tat irgendwie nach einer dramaturgischen Totgeburt. Vielleicht brauchte es ja gerade so einen skeptischen Hauptdarsteller, damit das ungewöhnliche Projekt gelingen konnte, denn er passt hervorragend zu der altmodischen Hauptfigur David Kim, die er verkörpert. Und so wird aus einem zeitgeistigen Gimmick-Streifen eine harte Abrechnung mit der nach Belieben manipulierbaren virtuellen Scheinwelt, die irgendwann in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren durch moderne Kommunikationstunnel aufgeblasen wurde.
"Searching" beginnt mit einer äußerst gelungenen Montage, in der die letzten gemeinsamen Jahre einer kleinen Familie in Ausschnitten zusammengefasst werden, bevor die Mutter offenbar an Krebs stirbt, wie die zunehmend trauriger werdenden Blicke in die Kamera verraten. Die Jahre werden quasi in Windows-Versionen gezählt, fließend verändert sich das Design der Fenster, deren Evolution nicht nur diese Kleinfamilie mitgemacht hat, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch der Zuschauer. Längst ausgestorbene Messenger wie ICQ fungieren als Meilensteine für die Vergangenheit, auf Fotos und in Videos werden kurzlebige Trends festgehalten, die kommen und gehen wie Sonne und Mond.
Das ursprünglich als Kurzfilm konzipierte Projekt soll an dieser Einleitung so sehr gewachsen sein, dass man schließlich doch entschied, einen vollständigen Film zu drehen. Auch wenn im nachfolgenden Thriller sicher nicht alle Rädchen sauber ineinander greifen: Das Experiment hat sich durchaus gelohnt. Erfolgreich hält Aneesh Chaganty die Spannung in einem Vakuum, während sich Kims Ungeduld in Besorgnis und schließlich in Panik verwandelt, als seine Tochter plötzlich nicht mehr auffindbar ist. Da wir in der Eröffnungsmontage nur wenig mehr von ihr sehen als inszeniertes Lächeln für die Kamera, hält sich unser Wissen über die vermisste Figur in Grenzen - anders als bei ihrem Vater, dessen echte Reaktionen auf ein echtes Problem live auf dem Bildschirm zu beobachten sind. Der Clou liegt nun darin, dass sich die Persönlichkeit der Tochter erst nach und nach mit jedem Klick, jeder neuen Webseite und jedem Video wie ein Mosaik erschließt.
Es ist nur allzu leicht vorstellbar, dass der Cutter hier einen Höllenjob zu erledigen hatte. Gerade der Aufbau und die Abfolge der Suchparameter ist nicht nur relevant, um auf Story-Ebene irgendwann zur Auflösung zu gelangen (profan gesagt, um "den Fall zu lösen"), sondern auch, um zu verstehen, wie Informationsverteilung im Internet funktioniert, welche Möglichkeiten sie eröffnet und wo sie einen blinden Fleck erzeugt. Wenn Kim bei seiner Suche einen Zwischenerfolg verbuchen kann, wird gleich ein Cluster von neuen Pfaden freigelegt. Manche von ihnen werden sogar unerwartet humorvoll als Sackgasse ausgebaut (Stichwort: Justin Bieber), andere führen auf eine falsche Fährte.
Auch wenn die eigentliche Auflösung nicht völlig rund aufgeht, gelingt der Inhalt doch insofern, als dass er das Formale stark einbezieht und eine Wechselwirkung in Gang bringt, die zu diesem Zeitpunkt zumindest als ungewöhnlich, wenn nicht sogar einzigartig bezeichnet werden kann. Ohne Pferdefuß geht es aber natürlich nicht: Aufgrund der einfachen technischen Reproduzierbarkeit ist bereits eine Welle von Imitationen zu erwarten, so wie wir sie nach "Blair Witch Project" zu überstehen hatten. Dann wohl leider mit vielen mittelmäßigen bis schlechten Beiträgen, denn: "Searching" mag linear aussehen, ist aber als verfilmter Hypertext das komplette Gegenteil. Wer sich einfach sein Smartphone schnappen und einen Film drehen will, sollte lieber bei Found Footage bleiben.
Stalker
Muss auch 3 Monate nach Sichtung noch sacken.
Velvet Buzzsaw
Die Welt, betrachtet aus der Perspektive des Kunstwerks, muss ein grauenvoller Ort sein. Tausend Augen richten sich in einem sterilen Raum auf dich und werfen dir Blicke zu, die wahlweise abschätzig, fragend oder angewidert sein können. Beinahe, als würdest du auf einem Seziertisch in einem UFO liegen und wärst einem Alien ausgeliefert, das deine Anatomie studiert. Bevor es dich lustlos frisst und sich dem nächsten Objekt widmet.
Dan Gilroy dreht den Spieß um und erlaubt die Erwiderung der bohrenden Blicke. Jetzt soll es die Kunst sein, die den Kritiker verschlingt. Um das zu erreichen, muss sich der Writer-Director weiter in die Satire hinein wagen als bei seinem viel beachteten Regiedebüt „Nightcrawler“. Es gilt schriller zu werden, karikaturistischer, übertriebener. Auch der magische Schritt durch den Spiegel in die Phantastik wird in gewisser Weise verlangt. Also plündert Gilroy seinen Werkzeugkasten und bringt verlaufene Farben zutage, mit der sich Realität (oder: Objektivität) und Wahnsinn (oder Subjektivität) vermischen.
Vor allem Jake Gyllenhaal, der in „Nightcrawler“ noch eine der wenigen gelungenen Varianten des Method Acting präsentierte, bekommt die Lizenz zum „Freak Out“ erteilt und lässt auch gleich mal schön die Murmel rollen. Gemeinsam mit Toni Collette darf er einen besonders schrägen Moment der spontanen Lach-Hysterie zum Besten geben. Ansonsten bleibt seine Performance allerdings seltsam gebremst. Wenn man schon alle Klischees des metrosexuellen, empathielosen Kritiker-Arschlochs zusammentrommelt, dann sollte man darin doch auch bitte völlig aufgehen; ansonsten wirkt es wie im vorliegenden Fall nämlich wie ein billiges Vorurteil. Ein Kritikpunkt, der im abgeschwächten Maß auch für alle anderen Akteure gilt, die sich allesamt ebenso dem Bild gemäß verhalten, dass man aus der Ferne von der Kunstszene in LA haben könnte.
Und leider ist die lauwarme Schauspielführung kein Einzelfall. Den Horror inszeniert Gilroy genauso halbgar, beinahe als fühle er sich nicht so recht wohl dabei, den übernatürlichen Elementen wirklich den Zugang zu seiner Arbeit zu gewähren. Ganz allgemein wirkt der Berührungspunkt zwischen Szeneportrait und metaphorischer Verkleidung unnötig zaghaft. Dabei sind die zugrunde liegenden Ideen oft durchaus originell geraten. Es gibt ein paar tolle Einstellungen zu bestaunen und wirklich ironisch ausgeführte Todesszenen in den unmöglichsten Konstellationen werden realisiert.
Wäre das alles doch bloß nicht so ganz ohne jedes Selbstbewusstsein umgesetzt. Gilroy soll sich gerne wieder an derartigen Stoffen probieren, unterhaltsamer als „Roman J. Israel, Esq.“ klingt so etwas allemal. Dann aber doch auch mal bitte so richtig tief in die Gülle greifen. Niemals sollte man sich zu schade sein, auch bei den Meistern des Trash noch etwas zu lernen.
Bad Times At The El Royale
"Bad Times At The El Royale" bietet Ausstattung, Darsteller, Kamera und Musik vom Allerfeinsten. Sollte mal jemand im aussterbenden Format des linearen Fernsehens irgendwann in diesen Film reinzappen - ganz egal an welche Stelle - wird derjenige wohl für ein paar Minuten in Hypnose verharren und sich fragen, ob sich da in der vorherigen Auswertung unbemerkt ein Meisterwerk vor ihm versteckt hat.
Wie wichtig allerdings nicht nur die Ingredienzien sind, sondern gerade deren Verbindung, das wird dann klar, wenn man den zweieinhalbstündigen Ensemble-Thriller wie eigentlich vorgesehen am Stück anschaut. Mit dem Kontext geht auch ein beachtlicher Teil der Faszination für das skurrile Grenzlandhotel und seine Besucher flöten. Je mehr der Betrachter mit Informationen angefüttert wird, desto weniger interessant erscheint das Gesamtbild. Geheimgänge, Abhörwanzen, Doppelidentitäten - mit der Paranoia der Nixon-Ära ist ein übergreifendes Thema gewählt, das wie geschaffen ist für Hitchcock'sche Genre- und Figurenkonstellationen, aber wo es den Vorbildern nicht an einer gemeinsamen Erfahrbarkeit der Situation mangelt - sei es die Party in "Cocktail für eine Leiche" oder das Boot in "Das Rettungsboot" - wirken die Überkreuzungen bei Drew Goddard konstruiert, hochgradig zufällig und sehr bemüht.
Während die erste Hälfte diese Problematik noch relativ gut im Griff hat, auch weil man immer noch wie benebelt ist von dem Look des charismatischen Schauplatzes und vom Produktionsdesign im Allgemeinen, scheitert die zweite Hälfte und dort vor allem der letzte Akt mit Chris Hemsworth an ihr. Auf einmal fällt das ganze Konstrukt zu einer bloßen Groteske zusammen, die mit eskalierender Waffengewalt erzwingen will, was im Suspense-Kino der 60er Jahre noch mit einer einfachen Dialogzeile zu erreichen gewesen wäre: Einen von Fremden gemeinsam erlebten Konsens. Vermutlich möchte Goddard ja sogar darauf hinaus, dass sich die multikulturelle amerikanische Identität eben aus Fragmenten bildet; seiner Arbeit verhilft das aber auch nicht zu mehr Geschlossenheit.
Der Hund von Baskerville
Das Haus der geheimnisvollen Uhren
Ein relativ gewöhnlicher Kinder-Gruselfilm von einem nicht ganz so gewöhnlichen Kinder-Gruselfilmregisseur. Wer wie Eli Roth über Jahre hinweg seine Signatur im Erwachsenen-Horrorfilm hinterlassen hat und sich plötzlich einem jüngeren Publikum zuwendet, dem wird gerne vorgeworfen, sich kreativ zurückzuentwickeln und bloß auf ein größeres Publikum aus zu sein. Obwohl letztgenannter Vorwurf sicherlich nicht völlig entkräftet werden kann, ist es ein Trugschluss zu glauben, der Dreh eines Kinder- bzw. Familienfilms sei anspruchsloser als der Umgang mit den ganz harten Bandagen. So wie die Death-Metal-Kapelle sicherlich zunächst Probleme damit hätte, die Regeln des Pop Rock zu begreifen, dürfte ein Film wie "Das Haus der geheimnisvollen Uhren" trotz seiner stromlinienförmigen Anmutung sicher eine Herausforderung sein für den Mann, der ansonsten Kannibalen, Sadisten und fleichfressende Bakterien in der Vita stehen hat.
Wenn er nun auch das Subgenre nicht mit einer Revolution beehrt, so ist ihm zumindest eine glaubwürdige Imitation des "Schauermärchens für normale Leute" gelungen. Wüsste man es nicht besser, käme man kaum auf den Gedanken, dass jemand den Regiestuhl besetzt, dessen restliche Arbeit das Zielpublikum nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Manche Kreatur sowie das Make-Up von Kyle McLachlan könnte womöglich die ganz zarten Gemüter verstören und auch die Umdeutung vermeintlich vertrauensvoller Charaktere (Lorenza Izzo traut man als Traumerscheinung des Jungen im Grunde vom ersten Augenblick an nicht über den Weg) konterkariert die Erwartungen, die ein Kind an einen solchen Film stellen könnte. Ansonsten handelt es sich aber um einen typischen Vertreter seiner Gattung: Es gibt unheimliche Ausleuchtung, viele Momente der Entlastung durch witzige Zwischensequenzen und eine überbordende Theatralik, die einen immer ein wenig an Vincent Prices' starrende Augen denken lässt. Jack Black ist längst ein Spezialist für die Art Rolle, die er spielt, nimmt er im Grunde doch beinahe seine Arbeit an der Verfilmung von L.R. Stines "Gänsehaut" wieder auf und wäre bei anderer Körperstatur sicher auch ein hervorragender Scrooge, Grinch oder Graf Olaf gewesen. Seine exzentrische Erscheinung sorgt bei aller Düsternis stets für Heiterkeit, gerade wenn er sich mit Cate Blanchett kabbelt, die eine nicht weniger stereotype Figur mit der gleichen Souveränität zum Leben erweckt. Owen Vaccaro zieht derweil alle Außenseiter (und ist das in gewisser Weise nicht jedes Kind?) auf seine Seite mit seiner nerdigen, schwächlichen, aber auch forschen Erscheinung.
Natürlich kann man Roth im Umkehrschluss nun vorwerfen, er habe seine persönliche Note für eine Produktion geopfert, die jeder Auftragsregisseur mit ein wenig Kleingeld in der Tasche genauso gut hinbekommen hätte. Die ausdrucksvoll dekorierte Villa, in der sich Onkel und Neffe auf die Suche nach der tickenden Uhr machen, ist von innen wie außen ein echter Hingucker, die aufgebotenen Monster sind zahl- und abwechslungsreich, ohne in irgendeiner Art und Weise etwas Besonderes zu bieten. Ein wenig fühlt man sich an die jüngeren, harmloseren Filme Tim Burtons erinnert, nur eben ohne die Tragik eines gefallenen Regisseurs, der überhaupt nichts anderes mehr zu können scheint. Für Roth ist es zunächst einmal nur ein harmloser Ausflug in ein fremdes Fach, der als solcher durchaus solide Zerstreuung bietet. Solange er daraus jetzt keine Serie macht, ist alles gut.
Ballon
Ein kleiner Schritt für das deutsche Kino, ein großer Sprung für den Regisseur. Deutsche Filmförderung kennt ohnehin nichts anderes als Komödien und Geschichtsdramen, aber für Michael "Bully" Herbig ist es aus der Entfernung betrachtet schon ein kühner Schritt vom ewigen Spaßvogel ins dramatische Fach. Dass er ihn scheinbar so mühelos stemmt, hat ihm viel Respekt und Bewunderung eingebracht, was aber hauptsächlich an der begrenzten Fantasie des Publikums liegt, das sich offenbar nicht vorstellen kann, dass eine Indianer-Astronauten-Sissy auch mal Butter bei die Fische geben kann.
"Ballon" ist aber keine dröge Kunde jüngerer deutscher Vergangenheit wie so viele heimische Produktionen, die sich meist an der Nazizeit austoben, sondern ein voll auf Spannung geeichtes Spiel auf Zeit, das sich den kompletten Werkzeugkasten von Kollege Thriller borgt. Wenn Herbig seine Signatur verrät, dann wahrscheinlich über Ausstattung und Komposition, die er ebenso wie schon in "Der Schuh des Manitu" nach dem Vorbild amerikanischer Cinemascope-Megalomanie ausrichtet. Das ist schon richtiges Kino mit memorablen Bildern und eindringlichen Momenten, das in Sachen Schauwerte eine nahezu perfekte Hollywood-Kopie liefert.
Dass Herbig sein Handwerk voll unter Kontrolle hat, könnte man allerdings auch als eine mit düsteren Wolken und leuchtenden Stoffbahnen erzeugte Illusion bezeichnen. Zwar weiß er ganz genau, welche Zutaten er benötigt und wie er sie beschaffen muss, notfalls auf unorthodoxem Wege. Bemerkenswert ist es, wie er die mühsam zusammengekratzten Millionen dazu aufwendet, eine vierzig Jahre alte Vergangenheit neu zu erschaffen. Doch leider tut er dies ohne Gespür für die Abmessungen der verschiedenen Zutaten, die im Idealfall zu einem nahtlosen Ganzen zusammenspielen sollen. Vor allem der Score donnert wie eine rote Warnleuchte über jeden kleinen Fehler, den sich die Strelzyks erlauben. Ob sich nun das Kind im Kindergarten verplappert, eine Verkäuferin Verdacht schöpft oder ein wichtiger Gegenstand vergessen wird - das Drehbuch lässt kein Klischee einer Hetzjagd aus und die Musik drückt einen auch noch mit der Nase rein.
Die Handlung wird vorangetrieben von einem Thomas Kretschmann im Dobermann-Modus, an dessen berechenbar unberechenbarem Verhalten gegenüber seinen Untergebenen das repressive Vorgehen der DDR immerhin spürbar wird, wenn Herbig auch sonst schon keinen Tauchgang in die Abgründe der Exekutive wagt (und erst recht nicht in die noch viel tieferen Abgründe der Entscheidungsträger). Obgleich der Cast grundsätzlich sehr gut aufgestellt ist und mit Friedrich Mücke, Karoline Schuch sowie den Kinder- bzw. Jugenddarstellern Tilman Döbler und Jonas Holdenrieder ein starkes Zentrum bildet, so gibt es in solchen Filmen doch immer einen, der maßlos übertreibt - in diesem Fall wäre das Ronald Kukulies, der chargierend den kumpelhaft-gefährlichen Stasi-Nachbarn gibt, dessen Auftritte allesamt wirken wie Adrenalin verabreicht durch ein Megaphon.
Das passt aber sehr gut zu dem angeschlagenen Gesamtton. "Ballon" eignet sich bestimmt als Gegenbeispiel für das Klischee, der deutsche Film sei nur zu Fernsehfilmen für den Sonntagnachmittag in der Lage. Dieser hier hat es immerhin in den Schulunterricht geschafft, wo er in einer Reihe mit "Schindlers Liste" und "Operation Walküre" seinen Zweck als leicht verdauliche Schnupperstunde für Lernbegierige im Geschichtskurs seinen Zweck erfüllen darf. Aber auch wenn es vor allem bei dem persönlichen Bezug zum Thema, den Herbig vorweisen kann, schwer fallen mag: Manchmal sind die leisen Töne wirkungsvoller.
Gänsehaut 2
Wenn der Star von Bord geht und die trotz allem geplante Fortsetzung ohne ihn auskommen muss, dann setzt das normalerweise eine unaufhaltsame Kettenreaktion in Gang, an deren Ende nicht gerade ein sehenswertes Produkt wartet. Kein Star, kein Werbeobjekt. Kein Werbeobjekt, keine Resonanz. Keine Resonanz, kein Budget. Kein Budget, keine Fortsetzung, die man ohne jede Scham als solche bezeichnen könnte.
Doch „Gänsehaut 2“ hat ein paar Überraschungen parat. Dazu gehört, dass Jack Black eben doch mit dabei ist, auch wenn er nicht in den Credits geführt wird und in seinen paar Minuten Einsatzzeit gegen Ende der Partie einen nicht gerade essentiellen Beitrag leisten darf. Viel überraschender jedoch: Der unbeschwerte Monster-Spaß, den Teil 1 ermöglichte, erlebt nicht die befürchtete Talfahrt, sondern pendelt sich auf einem Level ein, das zumindest noch in der gleichen Liga zu verorten ist.
Abstriche sind natürlich dennoch zu machen. „Gänsehaut“ war insgesamt atmosphärisch dichter und hatte auch eine Geschichte zu bieten, die zumindest den Ansprüchen von Kinounterhaltung für Kinder genügt, bei der sich auch dem älteren Publikum nicht die Zehennägel aufrollen. Wenn der zweite Teil Defizite aufweist, dann in diesem Punkt: Das Drehbuch ähnelt dem Baukastensatz, der für TV-Filme aus dem Nachmittagsprogramm vorgesehen ist. Erwachsene spielen praktisch keine Rolle mehr; wenn sie einen Auftritt haben, dann als dumpfbackige, fantasielose Paragraphenreiter, die mit Scheuklappen durch die Welt rennen. Auch der größtenteils ausgetauschte Cast ist ein typisches Symptom von dtv-Ware. Immerhin ist eine der Hauptrollen mit „ES“-Kinderstar Jeremy Ray Taylor besetzt und Ken „Mr. Chow“ Jeong darf als benachbarter Super-Weirdo die halbe Dekoration des Films in seinem Vorgarten verwalten.
An der Menge und Qualität der Spezialeffekte allerdings gibt es nichts zu meckern. Das kunterbunte Nebeneinander aus Galle spuckenden Kürbissen, Gummibärchen-Armeen und alten Bekannten wie dem Yeti oder dem Werwolf ist zwar nicht besonders organisch in die Umgebung eingebunden, trägt aber zu einem vielfältigen Bonbonlook bei, der Wonnegefühle freisetzt wie eine fabrikneue Tafel Schokolade. Die allgegenwärtigen Ansprüche an realistische Spezialeffekte werden wie schon beim Vorgänger geflissentlich ignoriert und die Konsequenz, mit der das geschieht, kann nur das Herz erfreuen. Mit dem stark von „Frankenstein“ inspirierten, in Plasma-Grün getauchten Schlussteil formt sich Stines Lexikon des monströsen Allerlei dann sogar noch zu einem ganz konkreten Filmzitat, das die kleineren Zuschauer spielerisch an alte Filmklassiker heranführt.
Das ändert zwar nichts an dem eher zweitklassigen Gesamteindruck, aber nachdem man bereits Kinderanimation aus dem Super-RTL-Programm erwartet hatte, entpuppt sich „Gänsehaut 2“ doch noch als positive Überraschung.
Hotel Transsilvanien 3
Da kannst du trotzig in die Faust beißen und die Luft anhalten, bis die Adern auf dem Hals wie kleine Purpur-Tentakel leuchten: Wenn eine Filmserie nur lange genug läuft, wird sie irgendwann einen Tapetenwechsel vollziehen und die Welt da draußen erkunden wollen. Ganz egal, wie sehr sie sich dem Heimatfilm verbunden fühlt. Das nennt man dann wohl die Furcht vor dem Stillstand. Bei „Hotel Transsilvanien“ läuft das auf ein ziemliches Problem hinaus, denn wenn die völlig ausgeflippte Animationsreihe auch nur einen Fels in der Brandung hatte, dann war es das Schlosshotel in den Karpaten, ein nie versiegender Quell wunderbarer Erinnerungen an viele alte Monsterfilme, die zumindest zwei Filme lang für ausreichend Inspiration sorgte.
Während jedoch Gestalten wie Jason Voorhees, Urhörnchen Scrat, der Leprechaun, die Critters oder der tapfere kleine Toaster Weltraumtourismus betrieben, zieht es die Draculas fürs Erste „nur“ ins Bermuda-Dreieck. Der Gedanke ist klar: Bermuda-Shorts über elfenbeinblasser Haut und bunte Hawaiihemden zu düsteren Gothic-Gesichtern sollen gar lustige Kontraste bilden, nach Art von: Ach schaut mal, die Gruftis wagen sich an die Sonne! Immerhin, Sonne hat's gar nicht so viel auf der Kreuzfahrt, denn schließlich befinden wir uns ja quasi in der Twilight-Zone, dort, wo all die verschollenen Schiffe landen. Dadurch, dass der Himmel stets in unheilvollem graublau vor sich hin grummelt, ist es beinahe so, als hätte man ein Stück Heimat auf Reisen mitgenommen. Gut so, denn das quietschbunte Filmposter drohte alle Alpträume einer typischen Outsider-Komödie wahr werden zu lassen, in der normale Menschen mit dem Finger auf das Obskure zeigen.
Obwohl die Kreuzfahrt also nicht halb so unerträglich ausfällt wie erwartet, hat sich doch insgesamt zu viel Buntes in die Tüte geschmuggelt und man vermisst das Hotel in dem Moment, in dem es im toten Winkel des Drehbuchs verschwindet. Die Story rund um Dracula, seinen Erzfeind Van Helsing und seine ominöse Love Interest ist reinste Verzweiflung und lässt nicht gerade viel Potenzial für einen möglichen vierten Teil zurück; wenn schon so etwas verfilmt wird, kann ja nicht mehr viel in der Hinterhand bleiben. Zu allem Überfluss wird die fragwürdige Tradition vom „Tanz in den Abspann“ diesmal auch noch auf das komplette Finale ausgedehnt, inklusive äußerst fragwürdiger Musikauswahl (auch wenn die üblen Nummern immerhin aus dem Koffer des Bösewichts stammen).
Zumindest die Charaktere lassen sich von den Schirmchendrinks nicht die Laune verderben und drehen weiter fleißig am Rad. Die Franchise bleibt schon deswegen wertvoll, weil sie zu den wenigen standhaften Rebellen gehört, die sich standhaft gegen die Disney-Pixar-Weltherrschaft zur Wehr setzen und die niemals ein „Dreamworks Face“ aufsetzen würden, weil sie ihr ganz eigenes Repertoire an bekloppten Gesichtsausdrücken mitbringen.
Ob das aber auf lange Sicht reicht? Sollte man bei Sony Pictures bereits über die Trilogie hinaus denken, kann man nur hoffen, dass sie der Versuchung widerstehen, die Monster Connection ins Weltall zu schießen. Echtes Monster-Flair gibt’s eben nur in Rumänien.
Suspiria
Unantastbar ist das Klang- und Farbenspiel eines Dario Argento in seiner Blütezeit. Diese eine Wahrheit muss im Raum gestanden haben, als sich Luca Guadagnino dazu verpflichtete, die Regiearbeiten bei der Neuauflage von "Suspiria" zu übernehmen. Die bisherige Themenauswahl und der Stil des Italieners ließen das befürchtete zweite Bad in einem Kessel Buntem ohnehin in weite Ferne rücken. Man durfte hoffen, dass gerade er um die Möglichkeit wusste, zum Kern eines geschätzten Kunstwerks auch über Alternativwege vordringen zu können. Und dass dieser Weg, dem Original zu huldigen, im Endeffekt deutlich mehr Früchte tragen würde als eine bloße Kopie mit dezenter Signatur des Kopisten, um die Illusion von Individualität zu erzeugen.
Obgleich man nun wiederum glauben könnte, Guadagnino flüchte vor seinem eigenen Bezugsobjekt, indem er alles möglichst anders mache, geschieht in den ausgeblichenen Sepiafarben des RAF-Berlins, im wehklagenden Score von Thom Yorke und in der kindlichen Typografie des Titels Gegenteiliges: Aus einem selbst errichteten Wirkungsfeld heraus wird ein Parallelpfad erschaffen, der sich, auch wenn er entscheidende Aspekte und wichtige Szenen des Originals unter Umständen ignoriert, im Endeffekt niemals allzu weit von diesem entfernt.
Diese Erschaffung eines Parallelismus wiederum gelingt Guadagnino mit dem Auge und dem Ohr eines Meisters. Trockene, wild zwischen Körperlichkeit (Spiegelraum-Szene) und Körperlosigkeit (die völlig effektlose Art und Weise, wie sich eine Person gegen Ende einfach in Luft auflöst) rotierende Spezialeffekte setzen den physikalischen Rahmen, vor dem ein filterloser Realismus zu wirken beginnt, der gelegentlich ohne jedwede Übergangsschwelle ins Übernatürliche kippt. Auch wenn man bei Schnitt und Dramaturgie eine Tendenz unterstellen kann, das Antiklimatische regelrecht herauszufordern, auch wenn der finale Akt aufzeigt, dass hier wahrlich kein Horror-Experte den Dirigentenstab führt und diesbezügliche Versuche zur gewöhnungsbedürftigen Outsiderkunst ausarten, so ist "Suspiria" doch ein wunderschöner, ästhetischer, nach einer betont synthetischen Definition sogar sinnlicher Film geworden, in der jede einzelne Sequenz mit reinster Semantik verwoben ist. Einfach alles scheint hier etwas zu bedeuten: Der Schnee, der auf die Straßen Berlins fällt, die Bomben, die im Hintergrund explodieren. Der Ausdruck im Tanz, zwischen Boden und Luft. Das Seufzen, das sich aus der Rückblende mit der kranken Mutter in den Bahnhof überträgt. Die rein weibliche Hauptbesetzung. Das Gekicher der Hexen in dem kleinen Raum mit dem entblößten Mann, die Schritte, die in die Eingeweide der Akademie führen.Es wird plötzlich eine unentdeckte Quelle an Potenzial angezapft, die seit Jahrzehnten in der Genre-Arbeit Argentos schlummerte. Unter diesem Aspekt betrachtet ist Guadagninos Werk womöglich die ideale Entsprechung dessen, was ein Remake leisten kann und sollte.
Wenn es jedoch darum geht, wie gut dieser Film für sich selbst steht, ist eine Neubewertung erforderlich, die erwartungsgemäß zu hohen Diskrepanzen in der Bewertung führen kann. Während die eine Gruppe sieht, wie sich die Nachwehen des Nationalsozialismus als dunkler Schatten über die gesamte Handlung legen, endet der Schatten für die andere Gruppe bereits nach dem Prolog und fristet ein isoliertes Dasein. Für manchen Beobachter gehört Guadagnino wie ein Ari Aster, Robert Eggers oder Jordan Peele zu jener illustren Gruppe von Horrorfilm-Avantgardisten, die das Genre aus seiner Autonomie führen und es wieder zum Teil gesellschaftlicher Kultur machen wollen, ein anderer wiederum sieht das Werk eines kühlen Designers, dem die Form so wichtig ist, dass eine angemessene Umsetzung des Inhalts in Frage gestellt wird.
Im Grunde ist das eine weitere Parallele zum Original, welches immer wieder als Beispiel herangezogen wird, wenn der Begriff „Style Over Substance“ diskutiert wird. Während man jedoch dazu neigt, Argento seine Nachlässigkeit beim Thema inhaltlicher Kohärenz nachzusehen (denn dafür leuchtet es ja schön bunt), wird Guadagnino für eine ähnliche Zielsetzung mit anderer Methodik härter angegangen. Seine Suche nach einem Sinn bleibt aber nicht ohne Ziel; die matriarchalen Strukturen, die er ähnlich wie zum Beispiel Nicolas Pesce in „The Eyes Of My Mother“ mit einer Art Vererbungslehre verknüpft, führen direkt in eine reichhaltige Vision, die jeden Diskurs wert ist.
Mortal Engines
Welches Ungleichgewicht entsteht, wenn die Concept Art alle übrigen Kategorien des Filmhandwerks vollkommen überstrahlt, lässt sich ganz wunderbar an der rollenden Dystopie "Mortal Engines" ablesen. Die Trailer profitieren noch von den nie zuvor gesehenen Bildern mobiler Städte, die von noch viel größeren Städten in der laufenden Bewegung verschluckt werden. Eine derartig kühne SciFi-Konzeption widerspricht immerhin vielen Jahrtausenden menschlicher Siedlungsgeschichte, die nun einfach gekreuzt wird mit der Geschichte der Mobilität. Wem schon Wohnwagen und Hausboote suspekt sind, der wird hier erst recht stutzen. Aber auch alle anderen dürften aufgrund des architektonischen Umfangs der Ungetüme mit den Ohren schlackern, zumal im Design durch die Steampunk- und Industrial-Anleihen eher die Vintage-Schiene bedient wird. Man könnte das Gefühl bekommen, dem normalen Kinogänger, der ohnehin immer den Finger am Logik-Abzug hat, ist das alles ein wenig too much. Zumindest würde Peter Jacksons Drehbuch nach dem Buch von Philip Reeve sehr hart an den Erklärungen der Hintergründe feilen müssen. Eine starke Background-Story wäre nötig, um die längst eingebrannten Bilder von Städten auf Rädern zu stützen.
Doch was soll man sagen, die fahrenden Städte bleiben ein auf sich selbst verweisendes Argument. Natürlich ist es spektakulär, wie die Kamera um die riesigen Flaggschiffe kreist und zwischen dem ausgedorrten Boden und der höchsten Stelle der Festung permanent Aufzug fährt, womit ein immersives Gefühl für die gewaltigen Dimensionen erzeugt wird. Aber, egal wie man sich verrenkt, es geht am Ende eben nicht um die Sets, sondern immer um die Figuren. Reeve bzw. Jackson sind sich dessen auch völlig bewusst. Es gibt große Emotionen, vorgetragen in bedeutungsvollen Momenten wichtiger Entscheidungen. An Gefühlschaos mangelt es ebenso wenig wie an Taten im Affekt, die zu brutalen Konsequenzen führen. Woran es aber fehlt, sind ausgerechnet jene menschlichen Makel, von denen man wohl glaubte, sie der Heldin einfach in Form einer großen Gesichtsnarbe verpassen zu können. Aber so einfach ist es nicht.
Möglicherweise hat das Buch hier einen Vorteil, denn während die trotz der Vermummung immer noch zu niedliche Hera Hilmar den eng gefassten Hollywood-Regeln für Identifikationsfiguren entspricht, kann sich der Leser immer seine eigene Heldin ausmalen. Eine Feststellung, die auf Co-Star Robert Sheehan ebenso zutrifft. Das gesamte Figurenrepertoire erinnert auf unangenehme Weise an den kurz entflammten und schnell wieder abgestorbenen Zweig des Young-Adult-Movies, was sicherlich auch auf die Themen aus dem Dunstkreis "Dystopie und Rebellion" zurückzuführen ist. Statt einer Zukunftsversion des imperialistischen Roms aus Cäsars Tagen wie bei "Die Tribute von Panem" gibt es eben diesmal Dampfmaschinen aus dem Do-It-Yourself-Katalog, aber solche "Skins" ändern am eigentlichen Modell nicht viel. Und das stammt hier leider mal wieder aus einem Baukastensatz.
Judgment Night
Authentizität ist eine nette Sache, aber wenn sie der Grundidee im Weg steht, sollte man nicht zögern, sie schleunigst aus dem Weg zu räumen. Das dachte sich wohl auch Stephen Hopkins, dessen "Judgment Night" bestimmt nicht so sehr von seinen knackigen Kontrasten profitieren könnte, wenn er sich darum gekümmert hätte, was glaubwürdig ist und was nicht. Für das, was er vorhat, braucht er Schwarzweißzeichnungen, Vorurteile, Klischees und alles, was er sonst noch so finden kann. Würde man das Herrenquartett im geliehenen Wohnmobil jedenfalls nicht so gewaltsam in einen abrupten Situations- und Stimmungswechsel schubsen, käme der Auswärtsspiel-Charakter zu kurz, der nur eine Ecke hinter der Abzweigung vom Hauptpfad sehr schnell zu wirken beginnt.
Also schlucken wir verständnisvoll herunter, dass Peter Greenes Gang-Boss so gezeichnet ist, dass man von ihm eigentlich leise, strategisch kluge Vorgehensweisen erwarten würde, er stattdessen aber mit seinen Männern wie ein Elefant durch das Viertel poltert, um die Zeugen seiner Straftaten unschädlich zu machen (wobei er theoretisch Dutzende weiterer Zeugen verursachen müsste). Ebenfalls nicken wir ab, dass Obdachlose in diesem Film grundsätzlich wie Rudel von Hyänen agieren und dass im Grunde der komplette Ablauf der Jagd präpariert wirkt, abgesteckt mit Streckenbegrenzungen wie bei einem organisierten Marathon.
Völlig egal, denn die Situationen, die Hopkins aus dem Dunkeln zieht, könnten die Spannung kaum effektiver weiterleiten. Die einzelnen Situationen gehen ineinander über wie miteinander verknotete Taschentücher, eine Aneinanderkettung, die sich von Anfang bis Ende durch den Film zieht und für Non-Stop Anspannung sorgt. Dazu kommen überaus gelungene Nachtaufnahmen, in denen durch das Zusammenspiel von Straßenbeleuchtung und Schattenwurf starke Bilder entstehen, weiterhin ein innovatives Soundtrack-Konzept, das 25 Jahre später immer noch zündet und den Retro-Bonus dabei gerne mitnimmt.
So gerät "Judgment Night" zum kleinen Bruder von "Predator 2" - ein perfekt geschmiertes Actionthriller-Getriebe, bei der die hässlichsten Ecken der Großstadt zum Urwald umgedeutet werden. Nüchtern betrachtet macht Hopkins kaum mehr als die Mechaniken abzurufen, die er benötigt. Die laufen dafür aber wie ein Uhrwerk.
The Ballad of Buster Scruggs
Coen & Coen spielen: Buster Scruggs' Greatest Hits und andere Balladen. Ein Episoden-Western wie ein ausschweifendes Country-Album, das eine Vorstellung von der unermesslichen Vielfalt amerikanischer Gründerkultur geben möchte, indem es sie möglichst breit abbildet. Jeder Song ausgestattet mit einer ganz eigenen Färbung, eigenen Charakteren und eigenen Lehren. Wenn den Coens ein Road Movie wie „Inside Llweyn Davis“ angemessen erschien, um dem Folk auf die Spur zu kommen, dann erschließt sich auch ihre Motivation, das Western-Genre in 20-Minuten-Häppchen zu portionieren. Nachdem bereits zwei vollwertige Western zur Werkschau der Coens gehören („No Country For Old Men“, „True Grit“) und viele ihrer weiteren Arbeiten (wenn nicht alle) mit klaren Referenzen ausgestattet sind, ist womöglich irgendwann die Erkenntnis gereift, dass man zehn Regie-Karrieren und mehr in dieses weite Feld investieren könnte... und es am Ende doch nicht im vollen Umfang erschlossen hätte.
Da ist es gar kein schlechter Deal, wenn wir anstatt der sechs Western, die nun niemals gedreht werden, sechs Grundszenarien in einem Film zusammengefasst bekommen. Was nicht bedeutet, dass es sich bei den einzelnen Folgen um unausgereifte Rohschnitte handelt. Im Gegenteil; begonnen bei der ersten Einstellung des reitenden und singenden Buster Scruggs ist jede folgende Minute bis ins Feinste durchkomponiert und mit der tragischen, bisweilen auch komischen Poesie durchsetzt, wie sie den Coens schon immer zu eigen war. Hinzu kommen für jedes einzelne Kapitel ganz spezielle Eigenschaften. Man muss nur einmal die mit einem kräftigen Farbschema versehene Heimatfilm-Landschaft betrachten, die Tom Waits als Goldsucher umgräbt. Oder den begrenzten Raum der abschließenden Postkutschen-Folge, die anders als alle vorhergehenden Folgen auf Kammerspiel- und Ensemble-Werkzeuge setzt und einem Kapitel aus Tarantinos „The Hateful Eight“ dadurch verdammt nahe kommt. Oder man vergleiche die Taktart, die der Bankräuber-Story um James Franco ihr Tempo verleiht, mit der Story um den Treck, der ganz gemächlich Anlauf nimmt. Oder auch den schwarzen Humor der Eröffnung (Tim Blake Nelson brennt ein regelrechtes Feuerwerk ab) mit der Bitterkeit, die sich in der Geschichte um den Theatermimen ohne Gliedmaßen ausbreitet.
Diese Vielfalt ist der Schlüssel zum Gelingen der kuriosen Geschichtensammlung, die zu jedem Zeitpunkt den charakteristischen Stempel der beiden Regisseure trägt und dennoch dazu in der Lage ist, immer wieder neue Schwerpunkte zu setzen und Perspektiven einzunehmen. Dass dabei auch noch die handwerkliche Klasse bestehen bleibt, an die man sich längst gewöhnt hat, setzt das i-Tüpfelchen auf diese Arbeit, die aus gemeiner Ironie heraus überhaupt kein „i“ im Titel trägt...
Blackkklansman
Bei den berüchtigten Spike-Lee-Joints muss man immer ein bisschen vorsichtig sein. Die Schwarzweißmalerei ist sein liebster Kunststil; das betrifft nicht nur seine Themenauswahl, sondern auch seinen rhetorischen Stil. Er ist jemand, den man aus weiter Entfernung mit einem Prediger verwechseln könnte, einer, der mit der gleichen Aggression die eigene, als Outsider-Sicht verstandene Perspektive im gleichen Stil verteidigt wie seine Gegner, bei denen es sich gewöhnlich um die Etablierten und Institutionellen handelt. Mit dem Black-Power-Anführer Kwame Ture (gespielt von Corey Hawkins) teilt er genug Eigenschaften, dass man fast von einer Selbstreferenz sprechen könnte. Doch gerade in seiner parolenhaften Artikulation sollte man Lee niemals unterschätzen; zwischen den unterdrückten, wütenden Afroamerikanern und den debilen weißen Rassistenschweinen, die in "BlacKkKlansman" die Flanken bilden, ruht nämlich ein kleiner Kosmos gelebter Gleichheit, der nicht viel Aufhebens um sich selbst macht.
Die Story des schwarzen Polizisten Ron Stallworth, der Anfang der 70er den Ku-Klux-Klan unterwanderte, ist wie gemacht für jemanden wie Lee. Ein schwarzer Cop, der sich mit seinem weißen Kollegen eine Undercover-Identität teilt und so einen Weg in den inneren Kreis der Kapuzenträger findet... das ist nicht nur eine unglaubliche Story, das hat auch die naive Wünschelrutenkraft eines Fantasy-Rassismusdramas aus der Gattung Bodyswitch ("... und am nächsten Morgen wachte der Nazi auf und war schwarz wie die Nacht."). Wenn man damit dann auch noch den KKK-Anführer David Duke so richtig an der Nase herumführen kann (jede Minute Filmgold: der schmächtige Topher Grace mit All-American-Moustache in der Pose eines gütigen Halbgottes): um so besser.
John David Washington und Adam Driver sind dabei die Brillengläser einer gemeinsam geteilten Sicht auf die Welt: Ihre Blickwinkel sind niemals vollständig synchron, verlaufen aber beim Blick in die Mitte zu einer Einheit, die somit zu Lees ultimativem Argument für Rassengleichheit wird. In den unverbindlichen Gesprächen zwischen den Jobpartnern, etwa bei der Einstimmung auf die Einsätze in den Büros der Polizeistation, spielt der Film all seine Stärken aus. Vor dem Hintergrund der aufwühlenden Bürgerrechtsbewegungen ist die besonnene, fast unpolitische Methodik der Beiden wahres Balsam. Sie bewegen sich gewissermaßen durch den blinden Fleck öffentlicher Aufmerksamkeit und sind vielleicht auch deshalb so unsichtbar für ihre Zielobjekte, weil sie in erster Linie eben nicht aus dem Hass heraus agieren, sondern auf Grundlage eines nüchternen Gerechtigkeitsempfindens - oder auch einfach nur aus Pflichtgefühl gegenüber dem eigenen Beruf.
Diese emotionale Selbstbeherrschung beansprucht der Regisseur keineswegs für sich selbst. Kurz vor Ende spannt er endgültig den (auch vorher schon spürbaren) Bogen zur Gegenwart, indem er dokumentarische Bilder der Rassendemonstrationen von 2017 einblendet (herber Stoff, der wirklich betroffen macht) und mit Erklärungsversuchen des amtierenden Präsidenten kombiniert, die kaum noch eine andere Regung zulassen als tiefes Bedauern. Lee macht sich also gewissermaßen für einen Moment zu einem "Partner in Crime" seines weißen Kollegen Michael Moore. Ein wunderbar eingefädelter Parallelismus zur Filmhandlung. Wenn man so will, erklärt Lee seine Hauptfiguren dadurch zu seinen persönlichen Helden; Fähigkeiten und Eigenschaften bewundernd, die er selbst nicht sein Eigen nennen kann.
Underground Werewolf
Mit einem brandheißen Pageturner sollte man bei diesem Lebend-Comic eher nicht rechnen, aber zum Herumlungern auf dem Dachboden zwischen zerfledderten Heftseiten ist "Underground Werewolf" durchaus zu gebrauchen. Das plüschige Ungetüm aus Tinte und Pelz vermag die Gänsehaut zwar nicht gerade zu stimulieren, sehr wohl aber wohlige Schauer der Vergnüglichkeit auszulösen, wenn es seine Opfer mit der Wendigkeit eines Bodybuilders auf Steroiden durch winzig kleine Zimmer jagt.
Die späten 80er und frühen 90er waren ohnehin ganz groß, wenn es darum ging, erfundene Geschichten lebendig werden zu lassen. Charles Band kehrt hier die Krümel von den großen Kuchen zusammen und verwertet sie in einem charismatischen Haus mit potenziell entflammbarer Holz-Innenverkleidung, die als Zusammenkunft einer abstrusen Mischung aus Kunststudenten dienen soll - schön, dass man seinerzeit schon so fortschrittlich war, den Pulp-Comic als Kunstform anzuerkennen. Debrah Farentino macht in der Hauptrolle zwar eher den Eindruck einer schnöseligen Neureichen, die sich undercover unter jenen bewegt, die mal am Hungertuch nagen werden, aber so wirklich interessieren solche Details niemanden in der Art Film, mit der wir es hier zu tun haben. In Yvonne De Carlo findet sie immerhin einen starken Konterpart, während Jeffrey Combs im Prolog für ein wenig B-Glamour sorgt.
Letztlich hat Buechlers Heuler wenig mehr zu bieten als ein paar kompetent angefertigte Tuschezeichnungen, ein überdimensionales Monsterkostüm und ein wenig Blut, aber mit seinen kaum mehr als 70 Minuten ist der Spuk angenehm schnell vorbei und dank der flotten Regie bleiben einem echte Längen erspart. Mit einem "Cult Classic" allerdings hat das alles nichts zu tun.
Isle Of Dogs
Als Parabel auf eine allgegenwärtige, immer akuter werdende Problemverdrängungskultur ist Wes Andersons neue Arbeit von ungewohnt politischer Strichführung. Sie lässt sich auf eine Vielzahl zeitgenössischer Debatten ein: Das Thema Umwelt und Ressourcen schimmert sichtbar durch das chaotisch-verspielte Szenenbild, aber auch der Umgang mit den Ausgestoßenen und Heimatlosen, mit Kranken und Schwachen ist ein Leitthema seiner Dystopie. Und obwohl ästhetisch kaum Unterschiede bestehen zwischen seinen akribisch verzierten Realfilmen und dieser Miniaturkunst der Puppen und Schaukastenlandschaften, so hat "Isle of Dogs" als Animationsfilm interessanterweise weit weniger von einem Märchen als vielmehr von einem harten Weckruf, den es zunächst einmal zu verarbeiten gilt.
Indes bleibt der Regisseur in der Wahl seiner Werkzeuge für seine Verhältnisse ungewöhnlich fantasielos. So naheliegend die Anleihen an die japanische Kultur in Hinblick auf die angeschnittenen Themen sein mögen, weder der Müllinsel noch der Gesellschaft aus streunenden Hunden kann man als Bildnis mehr zutrauen, als dass sie das zu Erwartende abbildeten. Zu sehr verlässt sich der Regisseur auf seinen eigenwilligen, zweifellos auch individuellen Animationsstil, wird doch hauptsächlich das Artdesign als Bedeutungs- und Geschmacksträger verwendet, weniger die Geschichte selbst, die lediglich einen groben Konstruktionsplan beisteuert. Die klapprige, wenig ästhetische Erscheinung der Vierbeiner sucht aktiv das Mitleid des Zuschauers und verwendet dazu (anfangs eher wenig erfolgreich) ein exzentrisches Humorverständnis, das Anthropomorphismen immer wieder gegen realistische Verhaltensweisen des Hundes ausspielt. Wo die majestätischen Namen auf den Halsbändern einen Kontrast zum Zustand ihrer Träger ergeben und trockene Nieser die Stille durchbrechen, um fast geräuschlos in den Müllbergen zu verschwinden, wird man dazu angehalten, die Persönlichkeiten der Tiere zu bemerken und angesichts der gezeigten Situation Scham zu empfinden. Das gelingt nur bedingt, denn auch wenn die Abkehr von den aufdringlichen Emoticon-Schemata der erfolgreichsten Animationsschmieden wahrhaft erholsam ist, für eine herzerwärmende Geschichte von einem Jungen auf der Suche nach seinem verschollenen Hund ist diese Vision womöglich eine Spur zu alienesk.
Es wird manchem Betrachter wohl dennoch möglich sein, "Isle of Dogs" von ganzem Herzen zu lieben, denn seine Belange sind aufrecht und seine Artikulationsmittel unkopierbar. Ein Unikat zweifelsohne, auch wenn Anderson offenbar mehr aus seinen Inhalten zu schöpfen weiß, wenn er sich mit Leidenschaft der Leichtigkeit hingibt.
The Untold Story
Kurzkritik ist noch in Arbeit, hat mir aber wegen des bekloppten Hauptdarstellers und der typischen 90er Machart gut gefallen.
Dracula
Endlich mal das Hammer-Original nachgeholt... aber wie schon der 30er mit Lugosi fällt er unter den Monster-Klassikern gemessen an ihrem Status für mich doch deutlich ab. Er ist spürbar näher an der literarischen Vorlage (aber nicht so nah wie Coppolas Adaption) und überzeugt mit einer schönen Ausstattung und hat natürlich Christopher Lee auf seiner Seite, aber vielleicht kenne ich die Geschichte schon so in- und auswendig, dass mich das alles für eine Neusichtung nicht mehr komplett überraschen konnte. Trotzdem natürlich ein schöner Film, den man auf jeden Fall mal gesehen haben sollte.
Cabal
Kurzkommentar ggf. noch in Arbeit, aber für mich klar der schwächste unter Barkers Regiearbeiten. Sehenswert vor allem wegen der schieren Masse an Creature Effects, aber dafür hat das alles auch diesen Hang zum Kitsch und lässt das Mythologische vermissen, das es abbilden möchte.
Mid90s
Es wäre ein Trugschluss zu glauben, ein Film über die Skater-Subkultur der 90er Jahre stehe und falle ausschließlich mit der Auswahl der T-Shirt-Motive und der Musikstücke für den Soundtrack. Jede hoch budgetierte Hollywood-Produktion ist dazu in der Lage, derartige Recherche zu betreiben, Experten zu Rate zu ziehen und die perfekte Illusion eines Orts in einer Zeit zu erzeugen, die bereits ein Vierteljahrhundert in der Vergangenheit liegt. Die Kunst liegt darin, die Notwendigkeit einer Illusion zu durchbrechen. Jonah Hill gelingt das in seinem Regiedebüt wenigstens über weite Strecken überragend.
Denn "Mid90s" ist gewissermaßen selbst ein Kind der 90er. Mit seinem tatsächlichen Entstehungsjahr hat er keinen Wissensvorsprung gemein, er reflektiert nicht aus gereifter Perspektive, sondern erinnert sich nur. Und das tut er dermaßen bildhaft, dass gerade die Gesten, der Slang und gewisse Einzelmomente wie heftiger Déjà-Vu-Regen auf das Erinnerungszentrum des 80er-Jahrgangs niederprasselt. Es ist eben nicht die Panorama-Einstellung einer bis auf den letzten Bordstein nachgebildeten Vergangenheit, mit der man die Authentizität einfängt; es ist die völlig aus dem Kontext gerissene Momentaufnahme in 16mm, die ein möglicherweise völlig banales Ereignis beinhaltet; aber ein solches, das es eben nur einmal im Leben gab.
Hills Skript tut demnach gut daran, nicht zu viel Story zu kanalisieren. Sein Film atmet nicht in den dramatischen Wendepunkten, sondern zwischen den Kontexten, wenn die Figuren getrieben von ihrer inneren Motivation miteinander agieren und soziale Regeln zu greifen beginnen, ohne dass sie sich dessen bewusst wären. Vielleicht lässt Hill seinen jungen Hauptdarsteller Sunny Suljic eine Spur zu oft grinsen, wenn er innerhalb seines Freundeskreises Fortschritte verzeichnet; davon abgesehen ist aber auch die Schauspielführung derart authentisch, dass man kaum Schauspieler vor sich zu sehen glaubt, sondern vielmehr echte Jugendliche. Das gilt für Suljic ebenso wie sämtliche Darsteller aus der Skater-Gruppe, aber auch für Lucas Hedges, der unheimlich viele Facetten in eine Figur bringt, die unter falschen Voraussetzungen zum klischeehaften Bully geraten wäre.
Seinen Höhepunkt verzeichnet "Mid90s" kurz vor dem Klimax, der seinerseits ein eher unnötiges Zugeständnis an klassische Filmdramaturgie darstellt. Bis zu jenem Zeitpunkt driftet die Handlung einfach von Tag zu Tag, als sich langsam andeutet, dass der geschlossene Kreis mit der Sorglosigkeit der Jugendjahre zerbrechen wird. In dieser Phase erreicht Hill die Intensität von "Kids", wenn er die dämmernde Erkenntnis in den Gesichtern der Darsteller einfängt, ohne groß Aufhebens darum zu machen. Das Schicksal greift schließlich als harter Einschnitt in den natürlichen Verlauf der Entwicklung ein und wird zum Meta-Kommentar, für den kein Anlass bestand. Bis dahin allerdings hat es kaum jemals so eine realistische Zeitreise in die 90er gegeben.
Spider-Man - A New Universe
"What if...", lautet der Titel einer angekündigten Marvel-Serie. Was Spider-Man angeht, können sie die verheißungsvollen Gedankenspiele um das Was-wäre-wenn jetzt beruhigt stecken lassen, denn Sony Pictures waren schneller und haben genau das bereits in die Tat umgesetzt. "Into The Spider-Verse" ist der mitgefilmte Fall einer klitzekleinen Spinne in eine gigantische Schüssel voller Dimensions-Salat, zubereitet aus den frisch gedruckten Papierfetzen eines Comicheftes.
In mehrfacher Hinsicht bricht das Drehbuch von Phil Lord und Rodney Rothman mit konservativen Vorstellungen eingefleischter Comic-Nerds, auch wenn sie sich dazu bereits existierender Comicfiguren bedienen. Es ist nur allzu gut vorstellbar, dass es Fans gibt, denen die Vermischung der Spinnen-DNA Peter Parkers mit einem höchstmöglichen Maß an vielfältigen Mitstreitern - weiblich, schwarz, schwarzweiß, alt, tierisch, Manga - komplett quer sitzt. Spider-Mans erste Inkarnation des 21. Jahrhunderts, Tobey Maguire, wird im peinlichsten Moment seiner Karriere auf den Arm genommen, das unendliche Origin-Erzählbedürfnis des alten Märchenonkels Marvel in einer narrativen Ellipse parodiert. Und dann kommt ein Miles Morales daher, gefühlt 50 Zentimeter groß und schlechte R'n'B-Musik schief mitsingend tritt er ungewollt in Fußstapfen, die ihm längst nicht passen.
Aber die Autoren können sich all dies und noch viel, viel mehr erlauben, denn wir haben es ja mit einem Animationsfilm zu tun. Animation steht hier gewissermaßen für "Meta", das Nicht-Eigentliche, der Übungsplatz also, auf dem man sich austoben kann. Und Mann, lange hatte die Superhelden-Akademie nicht mehr so viel Spaß am Ausprobieren. Passt so ein blödes Spider-Schwein mitsamt der Assoziationen zu den Looney Tunes und "Simpsons - Der Film" überhaupt in eine ambitionierte Produktion aus den Animationsstudios von Sony? Warum nicht? Einen Schuss Bogart-Tristesse auf den Regenbogen gegossen? Kann man ja mal probieren, es wird schon nichts dabei kaputt gehen. "Drawn Together" lässt übrigens schön grüßen.
Der Animationsstil, der in den After Credits von "Venom" noch so unattraktiv wirkte, spielt auf zwei Stunden übertragen plötzlich seinen revolutionären Charakter aus. Natürlich sind die schrillen Farben und das schnelle Tempo ebenso wie die meisten Hauptfiguren hauptsächlich auf ein junges Publikum justiert; ohne Schutzcreme wird sich mancher Erwachsener eine radioaktive Vergiftung abholen. Der gelungene Schnitt und die stets hochinteressanten Experimente mit Bilddimensionen und Perspektiven wirken aber nicht zufallsgeneriert, sondern erzeugen eine egoperspektivische Illusion, mit der man sich selbst durch die Comic-Panels schwingt, die ihrerseits durch Bildbegrenzungen, Sprechblasen und Schraffuren in Erscheinung treten.
Zerstört wird hier jedenfalls nichts. Im Gegenteil, es werden fantastische Gebilde erschaffen und neue Pfade erkundet, wenn nicht gar frisch angebaut. Das gilt nicht zwangsläufig für den Main Plot, der mit archetypischen Vater-Sohn-Onkel-Konstellationen und klassischen Welteroberungsplänen nicht halb so innovativ ist wie die Art des Films, tote Bilder zum Leben zu erwecken. Aber beim Sprung durch die Dimensionstore ist es eben auch wichtig, dass sich manche Dinge nie ändern. Damit man nicht komplett die Haftung an der Zimmerdecke verliert.
Der Extreme-Close-Up auf das starrende Auge, den Cattet und Forzani so gerne nutzen, hat Thriller und Science Fiction bereichert, Horror und Western. Warum sollte man sich bei seiner Reproduktion also auf den Giallo beschränken?
Mit seinem Drittwerk „Leichen unter brennender Sonne“ bleibt das französische Paar seinen Fetischen treu und zitiert auch weiterhin Vertreter des Giallo, bricht aber ansonsten radikal mit der bisher gewohnten Genre-Einbettung. Eine Erhöhung auf den bronzefarbenen Schieferklippen der sattgrünen Küstenlandschaft von Korsika wird zum Zentrum einer Belagerungssituation erklärt, das Refugium eines Malers verwandelt sich in ein Western-Fort und schon sind wir mitten in einem Genre, das mindestens seit Leone prall gefüllt ist mit zugekniffenen Augen und unsichtbaren Kugeln, die zwischen ihnen die Plätze tauschen.
Keine Frage, hier arbeiten Crash Zooms, Dolly Zooms, harte Gegenlichtaufnahmen und schnelle Schnitte in hoher Taktfrequenz daran, den Orientierungssinn des Rezipienten durcheinander zu bringen. Statt Blut spritzt auch mal Gold, Glitter oder Farbe; schwer zu sagen, wenn man von der knallenden Sonne am hellblauen Himmel geblendet wird. Bondage-Szenarien und noch weitaus extravagantere S/M-Fantasien werden in ästhetischen Montagen zum Kunstwerk ausgestaltet, während auf der Tonspur wie üblich das Leder in ohrenbetäubender Lautstärke knarzt. Dazu springt die Chronologie im Dreieck: Der schmerzerfüllte Todesschrei einer angeschossenen Polizistin wird wie ein Zeitstempel eingesetzt, anhand dessen ersichtlich wird, wie die Regisseure die Uhr an einem gewissen Punkt immer wieder zurückdrehen, um die Schlüsselszene noch aus einer weiteren Perspektive zu beleuchten.
Auf den Inhalt kommt es nicht an, sondern auf die Wirkung. Und die ist wie gewohnt angesiedelt zwischen konkurrenzloser Extravaganz und vollkommener Redundanz. Wenn Cattet und Forzani einem Medium neben dem Film besonders nahe stehen, dann wohl der Malerei: Für manchen ein Meisterwerk des Action Painting, das unheimlich viel über die Handlungsmuster seines Erschaffers verrät, für andere ein undurchdringliches Gewirr aus sinnlosen Farbklecksen. Diesmal aber mit einem ganz frischen Motiv, dem Start einer neuen Phase womöglich – sofern ein Künstlerfond weiterhin bereit ist, derart kompromissloses Experimentieren zu subventionieren.
Searching
Hauptdarsteller John Cho soll ja zunächst nicht an das Gelingen des ungewöhnlichen Konzepts geglaubt haben. Ein ganzer Film, der sein Videomaterial ausschließlich über Desktop-Hintergründe, Überwachungskameras und Drohnen erzeugt, klingt in der Tat irgendwie nach einer dramaturgischen Totgeburt. Vielleicht brauchte es ja gerade so einen skeptischen Hauptdarsteller, damit das ungewöhnliche Projekt gelingen konnte, denn er passt hervorragend zu der altmodischen Hauptfigur David Kim, die er verkörpert. Und so wird aus einem zeitgeistigen Gimmick-Streifen eine harte Abrechnung mit der nach Belieben manipulierbaren virtuellen Scheinwelt, die irgendwann in den letzten zehn oder fünfzehn Jahren durch moderne Kommunikationstunnel aufgeblasen wurde.
"Searching" beginnt mit einer äußerst gelungenen Montage, in der die letzten gemeinsamen Jahre einer kleinen Familie in Ausschnitten zusammengefasst werden, bevor die Mutter offenbar an Krebs stirbt, wie die zunehmend trauriger werdenden Blicke in die Kamera verraten. Die Jahre werden quasi in Windows-Versionen gezählt, fließend verändert sich das Design der Fenster, deren Evolution nicht nur diese Kleinfamilie mitgemacht hat, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch der Zuschauer. Längst ausgestorbene Messenger wie ICQ fungieren als Meilensteine für die Vergangenheit, auf Fotos und in Videos werden kurzlebige Trends festgehalten, die kommen und gehen wie Sonne und Mond.
Das ursprünglich als Kurzfilm konzipierte Projekt soll an dieser Einleitung so sehr gewachsen sein, dass man schließlich doch entschied, einen vollständigen Film zu drehen. Auch wenn im nachfolgenden Thriller sicher nicht alle Rädchen sauber ineinander greifen: Das Experiment hat sich durchaus gelohnt. Erfolgreich hält Aneesh Chaganty die Spannung in einem Vakuum, während sich Kims Ungeduld in Besorgnis und schließlich in Panik verwandelt, als seine Tochter plötzlich nicht mehr auffindbar ist. Da wir in der Eröffnungsmontage nur wenig mehr von ihr sehen als inszeniertes Lächeln für die Kamera, hält sich unser Wissen über die vermisste Figur in Grenzen - anders als bei ihrem Vater, dessen echte Reaktionen auf ein echtes Problem live auf dem Bildschirm zu beobachten sind. Der Clou liegt nun darin, dass sich die Persönlichkeit der Tochter erst nach und nach mit jedem Klick, jeder neuen Webseite und jedem Video wie ein Mosaik erschließt.
Es ist nur allzu leicht vorstellbar, dass der Cutter hier einen Höllenjob zu erledigen hatte. Gerade der Aufbau und die Abfolge der Suchparameter ist nicht nur relevant, um auf Story-Ebene irgendwann zur Auflösung zu gelangen (profan gesagt, um "den Fall zu lösen"), sondern auch, um zu verstehen, wie Informationsverteilung im Internet funktioniert, welche Möglichkeiten sie eröffnet und wo sie einen blinden Fleck erzeugt. Wenn Kim bei seiner Suche einen Zwischenerfolg verbuchen kann, wird gleich ein Cluster von neuen Pfaden freigelegt. Manche von ihnen werden sogar unerwartet humorvoll als Sackgasse ausgebaut (Stichwort: Justin Bieber), andere führen auf eine falsche Fährte.
Auch wenn die eigentliche Auflösung nicht völlig rund aufgeht, gelingt der Inhalt doch insofern, als dass er das Formale stark einbezieht und eine Wechselwirkung in Gang bringt, die zu diesem Zeitpunkt zumindest als ungewöhnlich, wenn nicht sogar einzigartig bezeichnet werden kann. Ohne Pferdefuß geht es aber natürlich nicht: Aufgrund der einfachen technischen Reproduzierbarkeit ist bereits eine Welle von Imitationen zu erwarten, so wie wir sie nach "Blair Witch Project" zu überstehen hatten. Dann wohl leider mit vielen mittelmäßigen bis schlechten Beiträgen, denn: "Searching" mag linear aussehen, ist aber als verfilmter Hypertext das komplette Gegenteil. Wer sich einfach sein Smartphone schnappen und einen Film drehen will, sollte lieber bei Found Footage bleiben.
Stalker
Muss auch 3 Monate nach Sichtung noch sacken.
Velvet Buzzsaw
Die Welt, betrachtet aus der Perspektive des Kunstwerks, muss ein grauenvoller Ort sein. Tausend Augen richten sich in einem sterilen Raum auf dich und werfen dir Blicke zu, die wahlweise abschätzig, fragend oder angewidert sein können. Beinahe, als würdest du auf einem Seziertisch in einem UFO liegen und wärst einem Alien ausgeliefert, das deine Anatomie studiert. Bevor es dich lustlos frisst und sich dem nächsten Objekt widmet.
Dan Gilroy dreht den Spieß um und erlaubt die Erwiderung der bohrenden Blicke. Jetzt soll es die Kunst sein, die den Kritiker verschlingt. Um das zu erreichen, muss sich der Writer-Director weiter in die Satire hinein wagen als bei seinem viel beachteten Regiedebüt „Nightcrawler“. Es gilt schriller zu werden, karikaturistischer, übertriebener. Auch der magische Schritt durch den Spiegel in die Phantastik wird in gewisser Weise verlangt. Also plündert Gilroy seinen Werkzeugkasten und bringt verlaufene Farben zutage, mit der sich Realität (oder: Objektivität) und Wahnsinn (oder Subjektivität) vermischen.
Vor allem Jake Gyllenhaal, der in „Nightcrawler“ noch eine der wenigen gelungenen Varianten des Method Acting präsentierte, bekommt die Lizenz zum „Freak Out“ erteilt und lässt auch gleich mal schön die Murmel rollen. Gemeinsam mit Toni Collette darf er einen besonders schrägen Moment der spontanen Lach-Hysterie zum Besten geben. Ansonsten bleibt seine Performance allerdings seltsam gebremst. Wenn man schon alle Klischees des metrosexuellen, empathielosen Kritiker-Arschlochs zusammentrommelt, dann sollte man darin doch auch bitte völlig aufgehen; ansonsten wirkt es wie im vorliegenden Fall nämlich wie ein billiges Vorurteil. Ein Kritikpunkt, der im abgeschwächten Maß auch für alle anderen Akteure gilt, die sich allesamt ebenso dem Bild gemäß verhalten, dass man aus der Ferne von der Kunstszene in LA haben könnte.
Und leider ist die lauwarme Schauspielführung kein Einzelfall. Den Horror inszeniert Gilroy genauso halbgar, beinahe als fühle er sich nicht so recht wohl dabei, den übernatürlichen Elementen wirklich den Zugang zu seiner Arbeit zu gewähren. Ganz allgemein wirkt der Berührungspunkt zwischen Szeneportrait und metaphorischer Verkleidung unnötig zaghaft. Dabei sind die zugrunde liegenden Ideen oft durchaus originell geraten. Es gibt ein paar tolle Einstellungen zu bestaunen und wirklich ironisch ausgeführte Todesszenen in den unmöglichsten Konstellationen werden realisiert.
Wäre das alles doch bloß nicht so ganz ohne jedes Selbstbewusstsein umgesetzt. Gilroy soll sich gerne wieder an derartigen Stoffen probieren, unterhaltsamer als „Roman J. Israel, Esq.“ klingt so etwas allemal. Dann aber doch auch mal bitte so richtig tief in die Gülle greifen. Niemals sollte man sich zu schade sein, auch bei den Meistern des Trash noch etwas zu lernen.
Bad Times At The El Royale
"Bad Times At The El Royale" bietet Ausstattung, Darsteller, Kamera und Musik vom Allerfeinsten. Sollte mal jemand im aussterbenden Format des linearen Fernsehens irgendwann in diesen Film reinzappen - ganz egal an welche Stelle - wird derjenige wohl für ein paar Minuten in Hypnose verharren und sich fragen, ob sich da in der vorherigen Auswertung unbemerkt ein Meisterwerk vor ihm versteckt hat.
Wie wichtig allerdings nicht nur die Ingredienzien sind, sondern gerade deren Verbindung, das wird dann klar, wenn man den zweieinhalbstündigen Ensemble-Thriller wie eigentlich vorgesehen am Stück anschaut. Mit dem Kontext geht auch ein beachtlicher Teil der Faszination für das skurrile Grenzlandhotel und seine Besucher flöten. Je mehr der Betrachter mit Informationen angefüttert wird, desto weniger interessant erscheint das Gesamtbild. Geheimgänge, Abhörwanzen, Doppelidentitäten - mit der Paranoia der Nixon-Ära ist ein übergreifendes Thema gewählt, das wie geschaffen ist für Hitchcock'sche Genre- und Figurenkonstellationen, aber wo es den Vorbildern nicht an einer gemeinsamen Erfahrbarkeit der Situation mangelt - sei es die Party in "Cocktail für eine Leiche" oder das Boot in "Das Rettungsboot" - wirken die Überkreuzungen bei Drew Goddard konstruiert, hochgradig zufällig und sehr bemüht.
Während die erste Hälfte diese Problematik noch relativ gut im Griff hat, auch weil man immer noch wie benebelt ist von dem Look des charismatischen Schauplatzes und vom Produktionsdesign im Allgemeinen, scheitert die zweite Hälfte und dort vor allem der letzte Akt mit Chris Hemsworth an ihr. Auf einmal fällt das ganze Konstrukt zu einer bloßen Groteske zusammen, die mit eskalierender Waffengewalt erzwingen will, was im Suspense-Kino der 60er Jahre noch mit einer einfachen Dialogzeile zu erreichen gewesen wäre: Einen von Fremden gemeinsam erlebten Konsens. Vermutlich möchte Goddard ja sogar darauf hinaus, dass sich die multikulturelle amerikanische Identität eben aus Fragmenten bildet; seiner Arbeit verhilft das aber auch nicht zu mehr Geschlossenheit.
Der Hund von Baskerville
Das Haus der geheimnisvollen Uhren
Ein relativ gewöhnlicher Kinder-Gruselfilm von einem nicht ganz so gewöhnlichen Kinder-Gruselfilmregisseur. Wer wie Eli Roth über Jahre hinweg seine Signatur im Erwachsenen-Horrorfilm hinterlassen hat und sich plötzlich einem jüngeren Publikum zuwendet, dem wird gerne vorgeworfen, sich kreativ zurückzuentwickeln und bloß auf ein größeres Publikum aus zu sein. Obwohl letztgenannter Vorwurf sicherlich nicht völlig entkräftet werden kann, ist es ein Trugschluss zu glauben, der Dreh eines Kinder- bzw. Familienfilms sei anspruchsloser als der Umgang mit den ganz harten Bandagen. So wie die Death-Metal-Kapelle sicherlich zunächst Probleme damit hätte, die Regeln des Pop Rock zu begreifen, dürfte ein Film wie "Das Haus der geheimnisvollen Uhren" trotz seiner stromlinienförmigen Anmutung sicher eine Herausforderung sein für den Mann, der ansonsten Kannibalen, Sadisten und fleichfressende Bakterien in der Vita stehen hat.
Wenn er nun auch das Subgenre nicht mit einer Revolution beehrt, so ist ihm zumindest eine glaubwürdige Imitation des "Schauermärchens für normale Leute" gelungen. Wüsste man es nicht besser, käme man kaum auf den Gedanken, dass jemand den Regiestuhl besetzt, dessen restliche Arbeit das Zielpublikum nicht einmal mit der Kneifzange anfassen würde. Manche Kreatur sowie das Make-Up von Kyle McLachlan könnte womöglich die ganz zarten Gemüter verstören und auch die Umdeutung vermeintlich vertrauensvoller Charaktere (Lorenza Izzo traut man als Traumerscheinung des Jungen im Grunde vom ersten Augenblick an nicht über den Weg) konterkariert die Erwartungen, die ein Kind an einen solchen Film stellen könnte. Ansonsten handelt es sich aber um einen typischen Vertreter seiner Gattung: Es gibt unheimliche Ausleuchtung, viele Momente der Entlastung durch witzige Zwischensequenzen und eine überbordende Theatralik, die einen immer ein wenig an Vincent Prices' starrende Augen denken lässt. Jack Black ist längst ein Spezialist für die Art Rolle, die er spielt, nimmt er im Grunde doch beinahe seine Arbeit an der Verfilmung von L.R. Stines "Gänsehaut" wieder auf und wäre bei anderer Körperstatur sicher auch ein hervorragender Scrooge, Grinch oder Graf Olaf gewesen. Seine exzentrische Erscheinung sorgt bei aller Düsternis stets für Heiterkeit, gerade wenn er sich mit Cate Blanchett kabbelt, die eine nicht weniger stereotype Figur mit der gleichen Souveränität zum Leben erweckt. Owen Vaccaro zieht derweil alle Außenseiter (und ist das in gewisser Weise nicht jedes Kind?) auf seine Seite mit seiner nerdigen, schwächlichen, aber auch forschen Erscheinung.
Natürlich kann man Roth im Umkehrschluss nun vorwerfen, er habe seine persönliche Note für eine Produktion geopfert, die jeder Auftragsregisseur mit ein wenig Kleingeld in der Tasche genauso gut hinbekommen hätte. Die ausdrucksvoll dekorierte Villa, in der sich Onkel und Neffe auf die Suche nach der tickenden Uhr machen, ist von innen wie außen ein echter Hingucker, die aufgebotenen Monster sind zahl- und abwechslungsreich, ohne in irgendeiner Art und Weise etwas Besonderes zu bieten. Ein wenig fühlt man sich an die jüngeren, harmloseren Filme Tim Burtons erinnert, nur eben ohne die Tragik eines gefallenen Regisseurs, der überhaupt nichts anderes mehr zu können scheint. Für Roth ist es zunächst einmal nur ein harmloser Ausflug in ein fremdes Fach, der als solcher durchaus solide Zerstreuung bietet. Solange er daraus jetzt keine Serie macht, ist alles gut.
Ballon
Ein kleiner Schritt für das deutsche Kino, ein großer Sprung für den Regisseur. Deutsche Filmförderung kennt ohnehin nichts anderes als Komödien und Geschichtsdramen, aber für Michael "Bully" Herbig ist es aus der Entfernung betrachtet schon ein kühner Schritt vom ewigen Spaßvogel ins dramatische Fach. Dass er ihn scheinbar so mühelos stemmt, hat ihm viel Respekt und Bewunderung eingebracht, was aber hauptsächlich an der begrenzten Fantasie des Publikums liegt, das sich offenbar nicht vorstellen kann, dass eine Indianer-Astronauten-Sissy auch mal Butter bei die Fische geben kann.
"Ballon" ist aber keine dröge Kunde jüngerer deutscher Vergangenheit wie so viele heimische Produktionen, die sich meist an der Nazizeit austoben, sondern ein voll auf Spannung geeichtes Spiel auf Zeit, das sich den kompletten Werkzeugkasten von Kollege Thriller borgt. Wenn Herbig seine Signatur verrät, dann wahrscheinlich über Ausstattung und Komposition, die er ebenso wie schon in "Der Schuh des Manitu" nach dem Vorbild amerikanischer Cinemascope-Megalomanie ausrichtet. Das ist schon richtiges Kino mit memorablen Bildern und eindringlichen Momenten, das in Sachen Schauwerte eine nahezu perfekte Hollywood-Kopie liefert.
Dass Herbig sein Handwerk voll unter Kontrolle hat, könnte man allerdings auch als eine mit düsteren Wolken und leuchtenden Stoffbahnen erzeugte Illusion bezeichnen. Zwar weiß er ganz genau, welche Zutaten er benötigt und wie er sie beschaffen muss, notfalls auf unorthodoxem Wege. Bemerkenswert ist es, wie er die mühsam zusammengekratzten Millionen dazu aufwendet, eine vierzig Jahre alte Vergangenheit neu zu erschaffen. Doch leider tut er dies ohne Gespür für die Abmessungen der verschiedenen Zutaten, die im Idealfall zu einem nahtlosen Ganzen zusammenspielen sollen. Vor allem der Score donnert wie eine rote Warnleuchte über jeden kleinen Fehler, den sich die Strelzyks erlauben. Ob sich nun das Kind im Kindergarten verplappert, eine Verkäuferin Verdacht schöpft oder ein wichtiger Gegenstand vergessen wird - das Drehbuch lässt kein Klischee einer Hetzjagd aus und die Musik drückt einen auch noch mit der Nase rein.
Die Handlung wird vorangetrieben von einem Thomas Kretschmann im Dobermann-Modus, an dessen berechenbar unberechenbarem Verhalten gegenüber seinen Untergebenen das repressive Vorgehen der DDR immerhin spürbar wird, wenn Herbig auch sonst schon keinen Tauchgang in die Abgründe der Exekutive wagt (und erst recht nicht in die noch viel tieferen Abgründe der Entscheidungsträger). Obgleich der Cast grundsätzlich sehr gut aufgestellt ist und mit Friedrich Mücke, Karoline Schuch sowie den Kinder- bzw. Jugenddarstellern Tilman Döbler und Jonas Holdenrieder ein starkes Zentrum bildet, so gibt es in solchen Filmen doch immer einen, der maßlos übertreibt - in diesem Fall wäre das Ronald Kukulies, der chargierend den kumpelhaft-gefährlichen Stasi-Nachbarn gibt, dessen Auftritte allesamt wirken wie Adrenalin verabreicht durch ein Megaphon.
Das passt aber sehr gut zu dem angeschlagenen Gesamtton. "Ballon" eignet sich bestimmt als Gegenbeispiel für das Klischee, der deutsche Film sei nur zu Fernsehfilmen für den Sonntagnachmittag in der Lage. Dieser hier hat es immerhin in den Schulunterricht geschafft, wo er in einer Reihe mit "Schindlers Liste" und "Operation Walküre" seinen Zweck als leicht verdauliche Schnupperstunde für Lernbegierige im Geschichtskurs seinen Zweck erfüllen darf. Aber auch wenn es vor allem bei dem persönlichen Bezug zum Thema, den Herbig vorweisen kann, schwer fallen mag: Manchmal sind die leisen Töne wirkungsvoller.
Gänsehaut 2
Wenn der Star von Bord geht und die trotz allem geplante Fortsetzung ohne ihn auskommen muss, dann setzt das normalerweise eine unaufhaltsame Kettenreaktion in Gang, an deren Ende nicht gerade ein sehenswertes Produkt wartet. Kein Star, kein Werbeobjekt. Kein Werbeobjekt, keine Resonanz. Keine Resonanz, kein Budget. Kein Budget, keine Fortsetzung, die man ohne jede Scham als solche bezeichnen könnte.
Doch „Gänsehaut 2“ hat ein paar Überraschungen parat. Dazu gehört, dass Jack Black eben doch mit dabei ist, auch wenn er nicht in den Credits geführt wird und in seinen paar Minuten Einsatzzeit gegen Ende der Partie einen nicht gerade essentiellen Beitrag leisten darf. Viel überraschender jedoch: Der unbeschwerte Monster-Spaß, den Teil 1 ermöglichte, erlebt nicht die befürchtete Talfahrt, sondern pendelt sich auf einem Level ein, das zumindest noch in der gleichen Liga zu verorten ist.
Abstriche sind natürlich dennoch zu machen. „Gänsehaut“ war insgesamt atmosphärisch dichter und hatte auch eine Geschichte zu bieten, die zumindest den Ansprüchen von Kinounterhaltung für Kinder genügt, bei der sich auch dem älteren Publikum nicht die Zehennägel aufrollen. Wenn der zweite Teil Defizite aufweist, dann in diesem Punkt: Das Drehbuch ähnelt dem Baukastensatz, der für TV-Filme aus dem Nachmittagsprogramm vorgesehen ist. Erwachsene spielen praktisch keine Rolle mehr; wenn sie einen Auftritt haben, dann als dumpfbackige, fantasielose Paragraphenreiter, die mit Scheuklappen durch die Welt rennen. Auch der größtenteils ausgetauschte Cast ist ein typisches Symptom von dtv-Ware. Immerhin ist eine der Hauptrollen mit „ES“-Kinderstar Jeremy Ray Taylor besetzt und Ken „Mr. Chow“ Jeong darf als benachbarter Super-Weirdo die halbe Dekoration des Films in seinem Vorgarten verwalten.
An der Menge und Qualität der Spezialeffekte allerdings gibt es nichts zu meckern. Das kunterbunte Nebeneinander aus Galle spuckenden Kürbissen, Gummibärchen-Armeen und alten Bekannten wie dem Yeti oder dem Werwolf ist zwar nicht besonders organisch in die Umgebung eingebunden, trägt aber zu einem vielfältigen Bonbonlook bei, der Wonnegefühle freisetzt wie eine fabrikneue Tafel Schokolade. Die allgegenwärtigen Ansprüche an realistische Spezialeffekte werden wie schon beim Vorgänger geflissentlich ignoriert und die Konsequenz, mit der das geschieht, kann nur das Herz erfreuen. Mit dem stark von „Frankenstein“ inspirierten, in Plasma-Grün getauchten Schlussteil formt sich Stines Lexikon des monströsen Allerlei dann sogar noch zu einem ganz konkreten Filmzitat, das die kleineren Zuschauer spielerisch an alte Filmklassiker heranführt.
Das ändert zwar nichts an dem eher zweitklassigen Gesamteindruck, aber nachdem man bereits Kinderanimation aus dem Super-RTL-Programm erwartet hatte, entpuppt sich „Gänsehaut 2“ doch noch als positive Überraschung.
Hotel Transsilvanien 3
Da kannst du trotzig in die Faust beißen und die Luft anhalten, bis die Adern auf dem Hals wie kleine Purpur-Tentakel leuchten: Wenn eine Filmserie nur lange genug läuft, wird sie irgendwann einen Tapetenwechsel vollziehen und die Welt da draußen erkunden wollen. Ganz egal, wie sehr sie sich dem Heimatfilm verbunden fühlt. Das nennt man dann wohl die Furcht vor dem Stillstand. Bei „Hotel Transsilvanien“ läuft das auf ein ziemliches Problem hinaus, denn wenn die völlig ausgeflippte Animationsreihe auch nur einen Fels in der Brandung hatte, dann war es das Schlosshotel in den Karpaten, ein nie versiegender Quell wunderbarer Erinnerungen an viele alte Monsterfilme, die zumindest zwei Filme lang für ausreichend Inspiration sorgte.
Während jedoch Gestalten wie Jason Voorhees, Urhörnchen Scrat, der Leprechaun, die Critters oder der tapfere kleine Toaster Weltraumtourismus betrieben, zieht es die Draculas fürs Erste „nur“ ins Bermuda-Dreieck. Der Gedanke ist klar: Bermuda-Shorts über elfenbeinblasser Haut und bunte Hawaiihemden zu düsteren Gothic-Gesichtern sollen gar lustige Kontraste bilden, nach Art von: Ach schaut mal, die Gruftis wagen sich an die Sonne! Immerhin, Sonne hat's gar nicht so viel auf der Kreuzfahrt, denn schließlich befinden wir uns ja quasi in der Twilight-Zone, dort, wo all die verschollenen Schiffe landen. Dadurch, dass der Himmel stets in unheilvollem graublau vor sich hin grummelt, ist es beinahe so, als hätte man ein Stück Heimat auf Reisen mitgenommen. Gut so, denn das quietschbunte Filmposter drohte alle Alpträume einer typischen Outsider-Komödie wahr werden zu lassen, in der normale Menschen mit dem Finger auf das Obskure zeigen.
Obwohl die Kreuzfahrt also nicht halb so unerträglich ausfällt wie erwartet, hat sich doch insgesamt zu viel Buntes in die Tüte geschmuggelt und man vermisst das Hotel in dem Moment, in dem es im toten Winkel des Drehbuchs verschwindet. Die Story rund um Dracula, seinen Erzfeind Van Helsing und seine ominöse Love Interest ist reinste Verzweiflung und lässt nicht gerade viel Potenzial für einen möglichen vierten Teil zurück; wenn schon so etwas verfilmt wird, kann ja nicht mehr viel in der Hinterhand bleiben. Zu allem Überfluss wird die fragwürdige Tradition vom „Tanz in den Abspann“ diesmal auch noch auf das komplette Finale ausgedehnt, inklusive äußerst fragwürdiger Musikauswahl (auch wenn die üblen Nummern immerhin aus dem Koffer des Bösewichts stammen).
Zumindest die Charaktere lassen sich von den Schirmchendrinks nicht die Laune verderben und drehen weiter fleißig am Rad. Die Franchise bleibt schon deswegen wertvoll, weil sie zu den wenigen standhaften Rebellen gehört, die sich standhaft gegen die Disney-Pixar-Weltherrschaft zur Wehr setzen und die niemals ein „Dreamworks Face“ aufsetzen würden, weil sie ihr ganz eigenes Repertoire an bekloppten Gesichtsausdrücken mitbringen.
Ob das aber auf lange Sicht reicht? Sollte man bei Sony Pictures bereits über die Trilogie hinaus denken, kann man nur hoffen, dass sie der Versuchung widerstehen, die Monster Connection ins Weltall zu schießen. Echtes Monster-Flair gibt’s eben nur in Rumänien.
Suspiria
Unantastbar ist das Klang- und Farbenspiel eines Dario Argento in seiner Blütezeit. Diese eine Wahrheit muss im Raum gestanden haben, als sich Luca Guadagnino dazu verpflichtete, die Regiearbeiten bei der Neuauflage von "Suspiria" zu übernehmen. Die bisherige Themenauswahl und der Stil des Italieners ließen das befürchtete zweite Bad in einem Kessel Buntem ohnehin in weite Ferne rücken. Man durfte hoffen, dass gerade er um die Möglichkeit wusste, zum Kern eines geschätzten Kunstwerks auch über Alternativwege vordringen zu können. Und dass dieser Weg, dem Original zu huldigen, im Endeffekt deutlich mehr Früchte tragen würde als eine bloße Kopie mit dezenter Signatur des Kopisten, um die Illusion von Individualität zu erzeugen.
Obgleich man nun wiederum glauben könnte, Guadagnino flüchte vor seinem eigenen Bezugsobjekt, indem er alles möglichst anders mache, geschieht in den ausgeblichenen Sepiafarben des RAF-Berlins, im wehklagenden Score von Thom Yorke und in der kindlichen Typografie des Titels Gegenteiliges: Aus einem selbst errichteten Wirkungsfeld heraus wird ein Parallelpfad erschaffen, der sich, auch wenn er entscheidende Aspekte und wichtige Szenen des Originals unter Umständen ignoriert, im Endeffekt niemals allzu weit von diesem entfernt.
Diese Erschaffung eines Parallelismus wiederum gelingt Guadagnino mit dem Auge und dem Ohr eines Meisters. Trockene, wild zwischen Körperlichkeit (Spiegelraum-Szene) und Körperlosigkeit (die völlig effektlose Art und Weise, wie sich eine Person gegen Ende einfach in Luft auflöst) rotierende Spezialeffekte setzen den physikalischen Rahmen, vor dem ein filterloser Realismus zu wirken beginnt, der gelegentlich ohne jedwede Übergangsschwelle ins Übernatürliche kippt. Auch wenn man bei Schnitt und Dramaturgie eine Tendenz unterstellen kann, das Antiklimatische regelrecht herauszufordern, auch wenn der finale Akt aufzeigt, dass hier wahrlich kein Horror-Experte den Dirigentenstab führt und diesbezügliche Versuche zur gewöhnungsbedürftigen Outsiderkunst ausarten, so ist "Suspiria" doch ein wunderschöner, ästhetischer, nach einer betont synthetischen Definition sogar sinnlicher Film geworden, in der jede einzelne Sequenz mit reinster Semantik verwoben ist. Einfach alles scheint hier etwas zu bedeuten: Der Schnee, der auf die Straßen Berlins fällt, die Bomben, die im Hintergrund explodieren. Der Ausdruck im Tanz, zwischen Boden und Luft. Das Seufzen, das sich aus der Rückblende mit der kranken Mutter in den Bahnhof überträgt. Die rein weibliche Hauptbesetzung. Das Gekicher der Hexen in dem kleinen Raum mit dem entblößten Mann, die Schritte, die in die Eingeweide der Akademie führen.Es wird plötzlich eine unentdeckte Quelle an Potenzial angezapft, die seit Jahrzehnten in der Genre-Arbeit Argentos schlummerte. Unter diesem Aspekt betrachtet ist Guadagninos Werk womöglich die ideale Entsprechung dessen, was ein Remake leisten kann und sollte.
Wenn es jedoch darum geht, wie gut dieser Film für sich selbst steht, ist eine Neubewertung erforderlich, die erwartungsgemäß zu hohen Diskrepanzen in der Bewertung führen kann. Während die eine Gruppe sieht, wie sich die Nachwehen des Nationalsozialismus als dunkler Schatten über die gesamte Handlung legen, endet der Schatten für die andere Gruppe bereits nach dem Prolog und fristet ein isoliertes Dasein. Für manchen Beobachter gehört Guadagnino wie ein Ari Aster, Robert Eggers oder Jordan Peele zu jener illustren Gruppe von Horrorfilm-Avantgardisten, die das Genre aus seiner Autonomie führen und es wieder zum Teil gesellschaftlicher Kultur machen wollen, ein anderer wiederum sieht das Werk eines kühlen Designers, dem die Form so wichtig ist, dass eine angemessene Umsetzung des Inhalts in Frage gestellt wird.
Im Grunde ist das eine weitere Parallele zum Original, welches immer wieder als Beispiel herangezogen wird, wenn der Begriff „Style Over Substance“ diskutiert wird. Während man jedoch dazu neigt, Argento seine Nachlässigkeit beim Thema inhaltlicher Kohärenz nachzusehen (denn dafür leuchtet es ja schön bunt), wird Guadagnino für eine ähnliche Zielsetzung mit anderer Methodik härter angegangen. Seine Suche nach einem Sinn bleibt aber nicht ohne Ziel; die matriarchalen Strukturen, die er ähnlich wie zum Beispiel Nicolas Pesce in „The Eyes Of My Mother“ mit einer Art Vererbungslehre verknüpft, führen direkt in eine reichhaltige Vision, die jeden Diskurs wert ist.
Mortal Engines
Welches Ungleichgewicht entsteht, wenn die Concept Art alle übrigen Kategorien des Filmhandwerks vollkommen überstrahlt, lässt sich ganz wunderbar an der rollenden Dystopie "Mortal Engines" ablesen. Die Trailer profitieren noch von den nie zuvor gesehenen Bildern mobiler Städte, die von noch viel größeren Städten in der laufenden Bewegung verschluckt werden. Eine derartig kühne SciFi-Konzeption widerspricht immerhin vielen Jahrtausenden menschlicher Siedlungsgeschichte, die nun einfach gekreuzt wird mit der Geschichte der Mobilität. Wem schon Wohnwagen und Hausboote suspekt sind, der wird hier erst recht stutzen. Aber auch alle anderen dürften aufgrund des architektonischen Umfangs der Ungetüme mit den Ohren schlackern, zumal im Design durch die Steampunk- und Industrial-Anleihen eher die Vintage-Schiene bedient wird. Man könnte das Gefühl bekommen, dem normalen Kinogänger, der ohnehin immer den Finger am Logik-Abzug hat, ist das alles ein wenig too much. Zumindest würde Peter Jacksons Drehbuch nach dem Buch von Philip Reeve sehr hart an den Erklärungen der Hintergründe feilen müssen. Eine starke Background-Story wäre nötig, um die längst eingebrannten Bilder von Städten auf Rädern zu stützen.
Doch was soll man sagen, die fahrenden Städte bleiben ein auf sich selbst verweisendes Argument. Natürlich ist es spektakulär, wie die Kamera um die riesigen Flaggschiffe kreist und zwischen dem ausgedorrten Boden und der höchsten Stelle der Festung permanent Aufzug fährt, womit ein immersives Gefühl für die gewaltigen Dimensionen erzeugt wird. Aber, egal wie man sich verrenkt, es geht am Ende eben nicht um die Sets, sondern immer um die Figuren. Reeve bzw. Jackson sind sich dessen auch völlig bewusst. Es gibt große Emotionen, vorgetragen in bedeutungsvollen Momenten wichtiger Entscheidungen. An Gefühlschaos mangelt es ebenso wenig wie an Taten im Affekt, die zu brutalen Konsequenzen führen. Woran es aber fehlt, sind ausgerechnet jene menschlichen Makel, von denen man wohl glaubte, sie der Heldin einfach in Form einer großen Gesichtsnarbe verpassen zu können. Aber so einfach ist es nicht.
Möglicherweise hat das Buch hier einen Vorteil, denn während die trotz der Vermummung immer noch zu niedliche Hera Hilmar den eng gefassten Hollywood-Regeln für Identifikationsfiguren entspricht, kann sich der Leser immer seine eigene Heldin ausmalen. Eine Feststellung, die auf Co-Star Robert Sheehan ebenso zutrifft. Das gesamte Figurenrepertoire erinnert auf unangenehme Weise an den kurz entflammten und schnell wieder abgestorbenen Zweig des Young-Adult-Movies, was sicherlich auch auf die Themen aus dem Dunstkreis "Dystopie und Rebellion" zurückzuführen ist. Statt einer Zukunftsversion des imperialistischen Roms aus Cäsars Tagen wie bei "Die Tribute von Panem" gibt es eben diesmal Dampfmaschinen aus dem Do-It-Yourself-Katalog, aber solche "Skins" ändern am eigentlichen Modell nicht viel. Und das stammt hier leider mal wieder aus einem Baukastensatz.
Judgment Night
Authentizität ist eine nette Sache, aber wenn sie der Grundidee im Weg steht, sollte man nicht zögern, sie schleunigst aus dem Weg zu räumen. Das dachte sich wohl auch Stephen Hopkins, dessen "Judgment Night" bestimmt nicht so sehr von seinen knackigen Kontrasten profitieren könnte, wenn er sich darum gekümmert hätte, was glaubwürdig ist und was nicht. Für das, was er vorhat, braucht er Schwarzweißzeichnungen, Vorurteile, Klischees und alles, was er sonst noch so finden kann. Würde man das Herrenquartett im geliehenen Wohnmobil jedenfalls nicht so gewaltsam in einen abrupten Situations- und Stimmungswechsel schubsen, käme der Auswärtsspiel-Charakter zu kurz, der nur eine Ecke hinter der Abzweigung vom Hauptpfad sehr schnell zu wirken beginnt.
Also schlucken wir verständnisvoll herunter, dass Peter Greenes Gang-Boss so gezeichnet ist, dass man von ihm eigentlich leise, strategisch kluge Vorgehensweisen erwarten würde, er stattdessen aber mit seinen Männern wie ein Elefant durch das Viertel poltert, um die Zeugen seiner Straftaten unschädlich zu machen (wobei er theoretisch Dutzende weiterer Zeugen verursachen müsste). Ebenfalls nicken wir ab, dass Obdachlose in diesem Film grundsätzlich wie Rudel von Hyänen agieren und dass im Grunde der komplette Ablauf der Jagd präpariert wirkt, abgesteckt mit Streckenbegrenzungen wie bei einem organisierten Marathon.
Völlig egal, denn die Situationen, die Hopkins aus dem Dunkeln zieht, könnten die Spannung kaum effektiver weiterleiten. Die einzelnen Situationen gehen ineinander über wie miteinander verknotete Taschentücher, eine Aneinanderkettung, die sich von Anfang bis Ende durch den Film zieht und für Non-Stop Anspannung sorgt. Dazu kommen überaus gelungene Nachtaufnahmen, in denen durch das Zusammenspiel von Straßenbeleuchtung und Schattenwurf starke Bilder entstehen, weiterhin ein innovatives Soundtrack-Konzept, das 25 Jahre später immer noch zündet und den Retro-Bonus dabei gerne mitnimmt.
So gerät "Judgment Night" zum kleinen Bruder von "Predator 2" - ein perfekt geschmiertes Actionthriller-Getriebe, bei der die hässlichsten Ecken der Großstadt zum Urwald umgedeutet werden. Nüchtern betrachtet macht Hopkins kaum mehr als die Mechaniken abzurufen, die er benötigt. Die laufen dafür aber wie ein Uhrwerk.
The Ballad of Buster Scruggs
Coen & Coen spielen: Buster Scruggs' Greatest Hits und andere Balladen. Ein Episoden-Western wie ein ausschweifendes Country-Album, das eine Vorstellung von der unermesslichen Vielfalt amerikanischer Gründerkultur geben möchte, indem es sie möglichst breit abbildet. Jeder Song ausgestattet mit einer ganz eigenen Färbung, eigenen Charakteren und eigenen Lehren. Wenn den Coens ein Road Movie wie „Inside Llweyn Davis“ angemessen erschien, um dem Folk auf die Spur zu kommen, dann erschließt sich auch ihre Motivation, das Western-Genre in 20-Minuten-Häppchen zu portionieren. Nachdem bereits zwei vollwertige Western zur Werkschau der Coens gehören („No Country For Old Men“, „True Grit“) und viele ihrer weiteren Arbeiten (wenn nicht alle) mit klaren Referenzen ausgestattet sind, ist womöglich irgendwann die Erkenntnis gereift, dass man zehn Regie-Karrieren und mehr in dieses weite Feld investieren könnte... und es am Ende doch nicht im vollen Umfang erschlossen hätte.
Da ist es gar kein schlechter Deal, wenn wir anstatt der sechs Western, die nun niemals gedreht werden, sechs Grundszenarien in einem Film zusammengefasst bekommen. Was nicht bedeutet, dass es sich bei den einzelnen Folgen um unausgereifte Rohschnitte handelt. Im Gegenteil; begonnen bei der ersten Einstellung des reitenden und singenden Buster Scruggs ist jede folgende Minute bis ins Feinste durchkomponiert und mit der tragischen, bisweilen auch komischen Poesie durchsetzt, wie sie den Coens schon immer zu eigen war. Hinzu kommen für jedes einzelne Kapitel ganz spezielle Eigenschaften. Man muss nur einmal die mit einem kräftigen Farbschema versehene Heimatfilm-Landschaft betrachten, die Tom Waits als Goldsucher umgräbt. Oder den begrenzten Raum der abschließenden Postkutschen-Folge, die anders als alle vorhergehenden Folgen auf Kammerspiel- und Ensemble-Werkzeuge setzt und einem Kapitel aus Tarantinos „The Hateful Eight“ dadurch verdammt nahe kommt. Oder man vergleiche die Taktart, die der Bankräuber-Story um James Franco ihr Tempo verleiht, mit der Story um den Treck, der ganz gemächlich Anlauf nimmt. Oder auch den schwarzen Humor der Eröffnung (Tim Blake Nelson brennt ein regelrechtes Feuerwerk ab) mit der Bitterkeit, die sich in der Geschichte um den Theatermimen ohne Gliedmaßen ausbreitet.
Diese Vielfalt ist der Schlüssel zum Gelingen der kuriosen Geschichtensammlung, die zu jedem Zeitpunkt den charakteristischen Stempel der beiden Regisseure trägt und dennoch dazu in der Lage ist, immer wieder neue Schwerpunkte zu setzen und Perspektiven einzunehmen. Dass dabei auch noch die handwerkliche Klasse bestehen bleibt, an die man sich längst gewöhnt hat, setzt das i-Tüpfelchen auf diese Arbeit, die aus gemeiner Ironie heraus überhaupt kein „i“ im Titel trägt...
Blackkklansman
Bei den berüchtigten Spike-Lee-Joints muss man immer ein bisschen vorsichtig sein. Die Schwarzweißmalerei ist sein liebster Kunststil; das betrifft nicht nur seine Themenauswahl, sondern auch seinen rhetorischen Stil. Er ist jemand, den man aus weiter Entfernung mit einem Prediger verwechseln könnte, einer, der mit der gleichen Aggression die eigene, als Outsider-Sicht verstandene Perspektive im gleichen Stil verteidigt wie seine Gegner, bei denen es sich gewöhnlich um die Etablierten und Institutionellen handelt. Mit dem Black-Power-Anführer Kwame Ture (gespielt von Corey Hawkins) teilt er genug Eigenschaften, dass man fast von einer Selbstreferenz sprechen könnte. Doch gerade in seiner parolenhaften Artikulation sollte man Lee niemals unterschätzen; zwischen den unterdrückten, wütenden Afroamerikanern und den debilen weißen Rassistenschweinen, die in "BlacKkKlansman" die Flanken bilden, ruht nämlich ein kleiner Kosmos gelebter Gleichheit, der nicht viel Aufhebens um sich selbst macht.
Die Story des schwarzen Polizisten Ron Stallworth, der Anfang der 70er den Ku-Klux-Klan unterwanderte, ist wie gemacht für jemanden wie Lee. Ein schwarzer Cop, der sich mit seinem weißen Kollegen eine Undercover-Identität teilt und so einen Weg in den inneren Kreis der Kapuzenträger findet... das ist nicht nur eine unglaubliche Story, das hat auch die naive Wünschelrutenkraft eines Fantasy-Rassismusdramas aus der Gattung Bodyswitch ("... und am nächsten Morgen wachte der Nazi auf und war schwarz wie die Nacht."). Wenn man damit dann auch noch den KKK-Anführer David Duke so richtig an der Nase herumführen kann (jede Minute Filmgold: der schmächtige Topher Grace mit All-American-Moustache in der Pose eines gütigen Halbgottes): um so besser.
John David Washington und Adam Driver sind dabei die Brillengläser einer gemeinsam geteilten Sicht auf die Welt: Ihre Blickwinkel sind niemals vollständig synchron, verlaufen aber beim Blick in die Mitte zu einer Einheit, die somit zu Lees ultimativem Argument für Rassengleichheit wird. In den unverbindlichen Gesprächen zwischen den Jobpartnern, etwa bei der Einstimmung auf die Einsätze in den Büros der Polizeistation, spielt der Film all seine Stärken aus. Vor dem Hintergrund der aufwühlenden Bürgerrechtsbewegungen ist die besonnene, fast unpolitische Methodik der Beiden wahres Balsam. Sie bewegen sich gewissermaßen durch den blinden Fleck öffentlicher Aufmerksamkeit und sind vielleicht auch deshalb so unsichtbar für ihre Zielobjekte, weil sie in erster Linie eben nicht aus dem Hass heraus agieren, sondern auf Grundlage eines nüchternen Gerechtigkeitsempfindens - oder auch einfach nur aus Pflichtgefühl gegenüber dem eigenen Beruf.
Diese emotionale Selbstbeherrschung beansprucht der Regisseur keineswegs für sich selbst. Kurz vor Ende spannt er endgültig den (auch vorher schon spürbaren) Bogen zur Gegenwart, indem er dokumentarische Bilder der Rassendemonstrationen von 2017 einblendet (herber Stoff, der wirklich betroffen macht) und mit Erklärungsversuchen des amtierenden Präsidenten kombiniert, die kaum noch eine andere Regung zulassen als tiefes Bedauern. Lee macht sich also gewissermaßen für einen Moment zu einem "Partner in Crime" seines weißen Kollegen Michael Moore. Ein wunderbar eingefädelter Parallelismus zur Filmhandlung. Wenn man so will, erklärt Lee seine Hauptfiguren dadurch zu seinen persönlichen Helden; Fähigkeiten und Eigenschaften bewundernd, die er selbst nicht sein Eigen nennen kann.
Underground Werewolf
Mit einem brandheißen Pageturner sollte man bei diesem Lebend-Comic eher nicht rechnen, aber zum Herumlungern auf dem Dachboden zwischen zerfledderten Heftseiten ist "Underground Werewolf" durchaus zu gebrauchen. Das plüschige Ungetüm aus Tinte und Pelz vermag die Gänsehaut zwar nicht gerade zu stimulieren, sehr wohl aber wohlige Schauer der Vergnüglichkeit auszulösen, wenn es seine Opfer mit der Wendigkeit eines Bodybuilders auf Steroiden durch winzig kleine Zimmer jagt.
Die späten 80er und frühen 90er waren ohnehin ganz groß, wenn es darum ging, erfundene Geschichten lebendig werden zu lassen. Charles Band kehrt hier die Krümel von den großen Kuchen zusammen und verwertet sie in einem charismatischen Haus mit potenziell entflammbarer Holz-Innenverkleidung, die als Zusammenkunft einer abstrusen Mischung aus Kunststudenten dienen soll - schön, dass man seinerzeit schon so fortschrittlich war, den Pulp-Comic als Kunstform anzuerkennen. Debrah Farentino macht in der Hauptrolle zwar eher den Eindruck einer schnöseligen Neureichen, die sich undercover unter jenen bewegt, die mal am Hungertuch nagen werden, aber so wirklich interessieren solche Details niemanden in der Art Film, mit der wir es hier zu tun haben. In Yvonne De Carlo findet sie immerhin einen starken Konterpart, während Jeffrey Combs im Prolog für ein wenig B-Glamour sorgt.
Letztlich hat Buechlers Heuler wenig mehr zu bieten als ein paar kompetent angefertigte Tuschezeichnungen, ein überdimensionales Monsterkostüm und ein wenig Blut, aber mit seinen kaum mehr als 70 Minuten ist der Spuk angenehm schnell vorbei und dank der flotten Regie bleiben einem echte Längen erspart. Mit einem "Cult Classic" allerdings hat das alles nichts zu tun.
Isle Of Dogs
Als Parabel auf eine allgegenwärtige, immer akuter werdende Problemverdrängungskultur ist Wes Andersons neue Arbeit von ungewohnt politischer Strichführung. Sie lässt sich auf eine Vielzahl zeitgenössischer Debatten ein: Das Thema Umwelt und Ressourcen schimmert sichtbar durch das chaotisch-verspielte Szenenbild, aber auch der Umgang mit den Ausgestoßenen und Heimatlosen, mit Kranken und Schwachen ist ein Leitthema seiner Dystopie. Und obwohl ästhetisch kaum Unterschiede bestehen zwischen seinen akribisch verzierten Realfilmen und dieser Miniaturkunst der Puppen und Schaukastenlandschaften, so hat "Isle of Dogs" als Animationsfilm interessanterweise weit weniger von einem Märchen als vielmehr von einem harten Weckruf, den es zunächst einmal zu verarbeiten gilt.
Indes bleibt der Regisseur in der Wahl seiner Werkzeuge für seine Verhältnisse ungewöhnlich fantasielos. So naheliegend die Anleihen an die japanische Kultur in Hinblick auf die angeschnittenen Themen sein mögen, weder der Müllinsel noch der Gesellschaft aus streunenden Hunden kann man als Bildnis mehr zutrauen, als dass sie das zu Erwartende abbildeten. Zu sehr verlässt sich der Regisseur auf seinen eigenwilligen, zweifellos auch individuellen Animationsstil, wird doch hauptsächlich das Artdesign als Bedeutungs- und Geschmacksträger verwendet, weniger die Geschichte selbst, die lediglich einen groben Konstruktionsplan beisteuert. Die klapprige, wenig ästhetische Erscheinung der Vierbeiner sucht aktiv das Mitleid des Zuschauers und verwendet dazu (anfangs eher wenig erfolgreich) ein exzentrisches Humorverständnis, das Anthropomorphismen immer wieder gegen realistische Verhaltensweisen des Hundes ausspielt. Wo die majestätischen Namen auf den Halsbändern einen Kontrast zum Zustand ihrer Träger ergeben und trockene Nieser die Stille durchbrechen, um fast geräuschlos in den Müllbergen zu verschwinden, wird man dazu angehalten, die Persönlichkeiten der Tiere zu bemerken und angesichts der gezeigten Situation Scham zu empfinden. Das gelingt nur bedingt, denn auch wenn die Abkehr von den aufdringlichen Emoticon-Schemata der erfolgreichsten Animationsschmieden wahrhaft erholsam ist, für eine herzerwärmende Geschichte von einem Jungen auf der Suche nach seinem verschollenen Hund ist diese Vision womöglich eine Spur zu alienesk.
Es wird manchem Betrachter wohl dennoch möglich sein, "Isle of Dogs" von ganzem Herzen zu lieben, denn seine Belange sind aufrecht und seine Artikulationsmittel unkopierbar. Ein Unikat zweifelsohne, auch wenn Anderson offenbar mehr aus seinen Inhalten zu schöpfen weiß, wenn er sich mit Leidenschaft der Leichtigkeit hingibt.
The Untold Story
Kurzkritik ist noch in Arbeit, hat mir aber wegen des bekloppten Hauptdarstellers und der typischen 90er Machart gut gefallen.
Dracula
Endlich mal das Hammer-Original nachgeholt... aber wie schon der 30er mit Lugosi fällt er unter den Monster-Klassikern gemessen an ihrem Status für mich doch deutlich ab. Er ist spürbar näher an der literarischen Vorlage (aber nicht so nah wie Coppolas Adaption) und überzeugt mit einer schönen Ausstattung und hat natürlich Christopher Lee auf seiner Seite, aber vielleicht kenne ich die Geschichte schon so in- und auswendig, dass mich das alles für eine Neusichtung nicht mehr komplett überraschen konnte. Trotzdem natürlich ein schöner Film, den man auf jeden Fall mal gesehen haben sollte.
Cabal
Kurzkommentar ggf. noch in Arbeit, aber für mich klar der schwächste unter Barkers Regiearbeiten. Sehenswert vor allem wegen der schieren Masse an Creature Effects, aber dafür hat das alles auch diesen Hang zum Kitsch und lässt das Mythologische vermissen, das es abbilden möchte.
Mid90s
Es wäre ein Trugschluss zu glauben, ein Film über die Skater-Subkultur der 90er Jahre stehe und falle ausschließlich mit der Auswahl der T-Shirt-Motive und der Musikstücke für den Soundtrack. Jede hoch budgetierte Hollywood-Produktion ist dazu in der Lage, derartige Recherche zu betreiben, Experten zu Rate zu ziehen und die perfekte Illusion eines Orts in einer Zeit zu erzeugen, die bereits ein Vierteljahrhundert in der Vergangenheit liegt. Die Kunst liegt darin, die Notwendigkeit einer Illusion zu durchbrechen. Jonah Hill gelingt das in seinem Regiedebüt wenigstens über weite Strecken überragend.
Denn "Mid90s" ist gewissermaßen selbst ein Kind der 90er. Mit seinem tatsächlichen Entstehungsjahr hat er keinen Wissensvorsprung gemein, er reflektiert nicht aus gereifter Perspektive, sondern erinnert sich nur. Und das tut er dermaßen bildhaft, dass gerade die Gesten, der Slang und gewisse Einzelmomente wie heftiger Déjà-Vu-Regen auf das Erinnerungszentrum des 80er-Jahrgangs niederprasselt. Es ist eben nicht die Panorama-Einstellung einer bis auf den letzten Bordstein nachgebildeten Vergangenheit, mit der man die Authentizität einfängt; es ist die völlig aus dem Kontext gerissene Momentaufnahme in 16mm, die ein möglicherweise völlig banales Ereignis beinhaltet; aber ein solches, das es eben nur einmal im Leben gab.
Hills Skript tut demnach gut daran, nicht zu viel Story zu kanalisieren. Sein Film atmet nicht in den dramatischen Wendepunkten, sondern zwischen den Kontexten, wenn die Figuren getrieben von ihrer inneren Motivation miteinander agieren und soziale Regeln zu greifen beginnen, ohne dass sie sich dessen bewusst wären. Vielleicht lässt Hill seinen jungen Hauptdarsteller Sunny Suljic eine Spur zu oft grinsen, wenn er innerhalb seines Freundeskreises Fortschritte verzeichnet; davon abgesehen ist aber auch die Schauspielführung derart authentisch, dass man kaum Schauspieler vor sich zu sehen glaubt, sondern vielmehr echte Jugendliche. Das gilt für Suljic ebenso wie sämtliche Darsteller aus der Skater-Gruppe, aber auch für Lucas Hedges, der unheimlich viele Facetten in eine Figur bringt, die unter falschen Voraussetzungen zum klischeehaften Bully geraten wäre.
Seinen Höhepunkt verzeichnet "Mid90s" kurz vor dem Klimax, der seinerseits ein eher unnötiges Zugeständnis an klassische Filmdramaturgie darstellt. Bis zu jenem Zeitpunkt driftet die Handlung einfach von Tag zu Tag, als sich langsam andeutet, dass der geschlossene Kreis mit der Sorglosigkeit der Jugendjahre zerbrechen wird. In dieser Phase erreicht Hill die Intensität von "Kids", wenn er die dämmernde Erkenntnis in den Gesichtern der Darsteller einfängt, ohne groß Aufhebens darum zu machen. Das Schicksal greift schließlich als harter Einschnitt in den natürlichen Verlauf der Entwicklung ein und wird zum Meta-Kommentar, für den kein Anlass bestand. Bis dahin allerdings hat es kaum jemals so eine realistische Zeitreise in die 90er gegeben.
Spider-Man - A New Universe
"What if...", lautet der Titel einer angekündigten Marvel-Serie. Was Spider-Man angeht, können sie die verheißungsvollen Gedankenspiele um das Was-wäre-wenn jetzt beruhigt stecken lassen, denn Sony Pictures waren schneller und haben genau das bereits in die Tat umgesetzt. "Into The Spider-Verse" ist der mitgefilmte Fall einer klitzekleinen Spinne in eine gigantische Schüssel voller Dimensions-Salat, zubereitet aus den frisch gedruckten Papierfetzen eines Comicheftes.
In mehrfacher Hinsicht bricht das Drehbuch von Phil Lord und Rodney Rothman mit konservativen Vorstellungen eingefleischter Comic-Nerds, auch wenn sie sich dazu bereits existierender Comicfiguren bedienen. Es ist nur allzu gut vorstellbar, dass es Fans gibt, denen die Vermischung der Spinnen-DNA Peter Parkers mit einem höchstmöglichen Maß an vielfältigen Mitstreitern - weiblich, schwarz, schwarzweiß, alt, tierisch, Manga - komplett quer sitzt. Spider-Mans erste Inkarnation des 21. Jahrhunderts, Tobey Maguire, wird im peinlichsten Moment seiner Karriere auf den Arm genommen, das unendliche Origin-Erzählbedürfnis des alten Märchenonkels Marvel in einer narrativen Ellipse parodiert. Und dann kommt ein Miles Morales daher, gefühlt 50 Zentimeter groß und schlechte R'n'B-Musik schief mitsingend tritt er ungewollt in Fußstapfen, die ihm längst nicht passen.
Aber die Autoren können sich all dies und noch viel, viel mehr erlauben, denn wir haben es ja mit einem Animationsfilm zu tun. Animation steht hier gewissermaßen für "Meta", das Nicht-Eigentliche, der Übungsplatz also, auf dem man sich austoben kann. Und Mann, lange hatte die Superhelden-Akademie nicht mehr so viel Spaß am Ausprobieren. Passt so ein blödes Spider-Schwein mitsamt der Assoziationen zu den Looney Tunes und "Simpsons - Der Film" überhaupt in eine ambitionierte Produktion aus den Animationsstudios von Sony? Warum nicht? Einen Schuss Bogart-Tristesse auf den Regenbogen gegossen? Kann man ja mal probieren, es wird schon nichts dabei kaputt gehen. "Drawn Together" lässt übrigens schön grüßen.
Der Animationsstil, der in den After Credits von "Venom" noch so unattraktiv wirkte, spielt auf zwei Stunden übertragen plötzlich seinen revolutionären Charakter aus. Natürlich sind die schrillen Farben und das schnelle Tempo ebenso wie die meisten Hauptfiguren hauptsächlich auf ein junges Publikum justiert; ohne Schutzcreme wird sich mancher Erwachsener eine radioaktive Vergiftung abholen. Der gelungene Schnitt und die stets hochinteressanten Experimente mit Bilddimensionen und Perspektiven wirken aber nicht zufallsgeneriert, sondern erzeugen eine egoperspektivische Illusion, mit der man sich selbst durch die Comic-Panels schwingt, die ihrerseits durch Bildbegrenzungen, Sprechblasen und Schraffuren in Erscheinung treten.
Zerstört wird hier jedenfalls nichts. Im Gegenteil, es werden fantastische Gebilde erschaffen und neue Pfade erkundet, wenn nicht gar frisch angebaut. Das gilt nicht zwangsläufig für den Main Plot, der mit archetypischen Vater-Sohn-Onkel-Konstellationen und klassischen Welteroberungsplänen nicht halb so innovativ ist wie die Art des Films, tote Bilder zum Leben zu erwecken. Aber beim Sprung durch die Dimensionstore ist es eben auch wichtig, dass sich manche Dinge nie ändern. Damit man nicht komplett die Haftung an der Zimmerdecke verliert.
Re: Filmtagebuch: Vince
Und Teil 2 des Postings (habe die Zeichenbegrenzung geknackt, scheiße, ich sollte mal regelmäßiger updaten)
Good Omens
Zwischen "Good Omens" und den bereits entstandenen Fernseh-Zweiteilern einiger Scheibenwelt-Romane (von "Hogfather" 2006 bis "Going Postal" 2010) liegt nun mehr als ein Jahrzehnt und eine beachtlich voranschreitende Evolution der Fernsehunterhaltung. Ferner gehört die neueste Pratchett-Verfilmung selbst nicht zur Scheibenwelt-Reihe und Neil Gaiman hatte auch noch als Fremdkörper seine Finger im Spiel. Und doch haben diese unterschiedlichen Entstehungsbedingungen nichts daran geändert, dass sich eine Terry-Pratchett-Adaption unabhängig von Ort (einer der führenden Streaming-Anbieter) und Zeit (2019) immer sehr ähnlich anfühlt.
Man könnte sagen, Pratchetts Schreibstil ist so eigentümlich, dass er durch jedes Wort eines jeden Satzes einer jeden Dialogzeile eines jeden Schauspielers dringt. Die Mini-Serie spaltet sich nicht bloß in ihre sechs Episoden, sondern in viele weitere Fragmente, womit sie die vielen Kreisel und Zirkel des Buches imitiert. Kleine Bündel von Szenarien werden aufbereitet, in denen mindestens zwei, maximal aber eine gute Handvoll skurriler Gestalten beieinander stehen und sich feingeistige Bonmots gefüllt mit Zynismus, Ironie und weiteren Spitzfindigkeiten um die Ohren hauen. Die Sets sind jeweils blumige Entsprechungen der Stimmungen, die in diesen Grüppchen herrschen - manchmal werden sie akkurat abgebildet, manchmal geschieht das genaue Gegenteil und aus einer Trauerweide wird ein Freudentanz oder aus einem Höhepunkt ein Antiklimax. Pratchett-Stoffe sind eben besonders gut darin, bedeutungsvolle Gesten zu einem albernen Witz herunterzuspielen. Das beherrschen in dieser Form sonst nur Monty Python und Douglas Adams.
David Tennant und Michael Sheen spielen die Pole in dem Theaterstück der sich ständig verändernden Kulissen. Nicht zuletzt spielen sie aber auch beste Kumpels, deren Freundschaft über Jahrtausende hinweg zu einem festen Band gewachsen ist. Und das tun sie mit einer solchen Freude an den jeweiligen Gegensätzen ihrer Partner, dass die Serie zum Plädoyer für frei gelebte Vielfalt wird. Klar, dass das einer Gruppe frommer Christen nicht passt, die prompt einen Affront wittern und sich zum Verfassen eines Protestschreibens entschließen - wobei sie nebenbei ihre Unfähigkeit demonstrieren, zwischen dem großen A und dem großen N zu unterscheiden, was in Hinblick auf das Thema der Serie, die verschwimmenden Grenzen von Himmel und Hölle, zu allerfeinster Realsatire wird.
Sowohl von dem unnachahmlichen Wortwitz als auch von der allgemeinen Stimmung (Quintessenz: Alles wird gut!) kann man sich jedenfalls durchaus anstecken lassen. Allerdings ist "Good Omens" selbst in bewegten Bildern mehr Buch als Serie. Cineastische Werte lässt sie regelmäßig schleifen: Die vielen Spezialeffekte sind von sehr durchwachsener, uneinheitlicher Qualität, auch das Produktionsdesign lässt keine klare Linie erkennen und der Fluss der Erzählung bockt regelmäßig wie eine Hochgeschwindigkeitsachterbahn, in die man zu viele Stopps eingebaut hat. Das sind ähnliche Schwächen, wie man sie schon den Verfilmungen aus dem letzten Jahrzehnt unterstellen konnte. Das legt den Schluss nahe, dass dieser spezielle Autor so fest in seinem Medium verwurzelt ist, dass es selbst in Zeiten der verrücktesten Serien-Experimente (Gaiman selbst ist ja gerade mit dem Musterbeispiel "American Gods" am Start) immer noch unmöglich erscheint, ihn in ein neues Medium zu transferieren.
Insofern ist es wohl so eine typische Love-it-or-hate-it-Kiste. Entweder man kann die Mängel in Bezug auf das Adaptive ausblenden und geht auf in dem verzwirbelten Humorverständnis oder man fragt sich eben, was dieses Gehampel zwischen Himmel und Hölle eigentlich soll. Sollte man sich zwischen diesen Optionen nicht entscheiden können, leidet man womöglich unheilbar an Agnostizismus.
Too Old To Die Young
Noch immer nicht geschafft, etwas dazu zu schreiben, aber ist wie erwartet ein Statement gegen Massenunterhaltung und ein träges kleines Universum für sich selbst mit einer nicht-irdischen Zusammensetzung der Atmosphäre, wodurch jede Bewegung etwas länger dauert. Halt wie auf dem Mond.
The Punisher - Season 1 + 2
Wie baut man ein Mikroversum um einen Mann, der eigentlich nur in Ruhe gelassen werden will? Gar nicht so einfach, den Einzelgänger mit Verlust-Trauma im Zentrum einer Serie festzunageln. Der Wunsch nach einem "Punisher"-Spin-Off ist derweil durchaus nachvollziehbar; wann immer Jon Bernthal in der Mutterserie "Daredevil" aus dem Schatten hervorstieß, haben seine Aufräumaktionen schließlich frischen Wind in die Handlung gebracht.
Bernthals Darstellung rechtfertigt dann auch die Entscheidung, ihm einen eigenen Spielplatz zu spendieren. Bei den Filmen wird nach wie vor herzhaft gestritten, wer denn nun die beste Inkarnation Frank Castles ist, da prügelt sich der Neue aus dem Streaming-Zeitalter wie ein Boxer mit stoischer Miene an den Kollegen vorbei und empfiehlt sich als neuer Vorzeige-Bestrafer. Weil die nach inzwischen zwei Staffeln abgeschlossene Serie von Steve Lightfoot in den vielen Dialogen einen hochgradig psychoanalytischen Charakter annimmt, wird dem Hauptdarsteller die Möglichkeit zuteil, aus der archaischen Verkörperung der Mann gewordenen Exekutive, einem alten Relikt der 80er Jahre, etwas Tiefschürfendes zu ziehen. Und das funktioniert nur deswegen, weil dieser Castle nicht einfach ein grobmotorischer Schlägertyp ist, sondern jemand, der in Momenten von fast autistischem Charakter mit Narben überdeckt, was früher einmal ein sozialer, fürsorglicher Mensch gewesen sein muss.
Deswegen fordert das Drehbuch den störrischen Antihelden immer wieder heraus mit Charakteren, die sich ihm eng verbunden fühlen, obwohl sie oftmals auf der "anderen Seite" stehen. Amber Rose Revah knüpft hier als Special Agent Dinah Madani vielleicht das engste Band, aber auch viele andere schmiegen sich tief in seine private Zone: Alte Freunde vom Militär, das besonders für die Hintergründe der ersten Staffel eine wichtige Rolle spielt, ein Hacker (Ebon Moss-Bachrach), der gemeinsame Erfahrungen mit Castle teilt, später die Teenagerin Amy (Giorgia Whigham), die den Beschützerinstinkt zu wecken verspricht, der sich in der konfusen Gefühlswelt der Hauptfigur zu väterlicher Fürsorge zu entwickeln verspricht...
Weil "Daredevil" in der Kategorie "Action, Stunts & Gewalt" so schön vorgelegt hat, erwartet man das natürlich erst recht bei jemandem, der mit einem Totenkopf-Motiv auf der kugelsicheren Weste durch die Gegend läuft. So steigert sich vor allem das Finale der ersten 13 Folgen in wilde Raserei mit äußerst blutigen Finishern und Hinrichtungen von Fieslingen, die man regelrecht als befriedigend bezeichnen kann. Dabei ist man vor allem darauf bedacht, den Punisher nicht zu sauber aus den Gemetzeln zurückkehren zu lassen. Die Menge an Schnittwunden, Faustschlägen und Einschusslöchern, die er hinnehmen muss, reichen manchem Militärveteranen für zwei Leben. Viele Situationen verlässt er halbtot, das Gesicht völlig zu Brei geprügelt; hier wird eben auch der Masochist im Publikum bedient.
Solche Momente völliger Eskalation bleiben allerdings auf ein Mindestmaß beschränkt. Es ist weniger eine Action-Serie als vielmehr ein Drama mit Action-Spitzen, entpuppt sich die Serie doch im Ganzen als überraschend dialoglastig. Zunächst geht diese Marschrichtung dank einiger Geistesblitze der Dialogschreiber auch auf. Gerade die Lieberman-Storyline hat einige psychologische Raffinessen zu bieten, zumal Lieberman als Figur streckenweise fast noch interessanter ist als der Punisher selbst. In der zweiten Staffel allerdings geht vieles zu Bruch; die Neuzugänge funktionieren nicht (Giorgia Whigham ist die Inkarnation des berühmten Klotzes am Bein und Floria Limas Militärpsychologin möchte man am liebsten ihr eigenes Diplom in den Rachen stopfen) und die Restbestände der Vorgängerstaffel haben Mühe, in ihre neuen Rollen zu finden (Ben Barnes). Da kommt die Entscheidung, die Serie einzustellen, dann auch gerade zur rechten Zeit; noch ein solcher Entwicklungsschub bei den Figuren und der Punisher kann sich gleich zu Dr. Freud auf die Couch legen...
The Real Ghostbusters + Slimer!
Habe die komplette Serie, ein Liebling aus Kindheitstagen, nochmal in wenigen Monaten durchgezogen und war überrascht, wie gut sie auch aus der Perspektive eines Erwachsenen noch funktioniert. Das ist schon mehr als eine Kinderserie, zumindest bis sich in den späteren Staffeln der Ton ändert. Gerade Janine und Slimer profitieren nicht besonders von den späteren Veränderungen, obwohl oder gerade weil Letzterer immer mehr Screentime und mehr Dialog bekommt.
Das Slimer-Spin-Off ist dann ein frecher Abklatsch typischer Warner-Cartoons und hat tonal nichts mehr mit der Hauptserie gemeinsam.
Weitere Sichtungen:
Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah
Creed II
The Night Comes For Us
Glass
Kin
Operation: Overlord
Graf Zaroff - Genie des Bösen
Die Brut des Bösen
Monstrum
Triple Threat
The Watcher - Willkommen im Motor Way Hotel
Kannibalinnen im Avocado-Dschungel des Todes
Transylvania 6-5000
Skyscraper
Dark Waters (+ Kurzfilme "Dream Car", "Caruncula" und "Never Ever After")
Love Death & Robots - Season 1
The Friendly Beast (+ Kurzfilme "Die Hand, die streichelt" und "Keine Bewegung!")
Good Omens
Zwischen "Good Omens" und den bereits entstandenen Fernseh-Zweiteilern einiger Scheibenwelt-Romane (von "Hogfather" 2006 bis "Going Postal" 2010) liegt nun mehr als ein Jahrzehnt und eine beachtlich voranschreitende Evolution der Fernsehunterhaltung. Ferner gehört die neueste Pratchett-Verfilmung selbst nicht zur Scheibenwelt-Reihe und Neil Gaiman hatte auch noch als Fremdkörper seine Finger im Spiel. Und doch haben diese unterschiedlichen Entstehungsbedingungen nichts daran geändert, dass sich eine Terry-Pratchett-Adaption unabhängig von Ort (einer der führenden Streaming-Anbieter) und Zeit (2019) immer sehr ähnlich anfühlt.
Man könnte sagen, Pratchetts Schreibstil ist so eigentümlich, dass er durch jedes Wort eines jeden Satzes einer jeden Dialogzeile eines jeden Schauspielers dringt. Die Mini-Serie spaltet sich nicht bloß in ihre sechs Episoden, sondern in viele weitere Fragmente, womit sie die vielen Kreisel und Zirkel des Buches imitiert. Kleine Bündel von Szenarien werden aufbereitet, in denen mindestens zwei, maximal aber eine gute Handvoll skurriler Gestalten beieinander stehen und sich feingeistige Bonmots gefüllt mit Zynismus, Ironie und weiteren Spitzfindigkeiten um die Ohren hauen. Die Sets sind jeweils blumige Entsprechungen der Stimmungen, die in diesen Grüppchen herrschen - manchmal werden sie akkurat abgebildet, manchmal geschieht das genaue Gegenteil und aus einer Trauerweide wird ein Freudentanz oder aus einem Höhepunkt ein Antiklimax. Pratchett-Stoffe sind eben besonders gut darin, bedeutungsvolle Gesten zu einem albernen Witz herunterzuspielen. Das beherrschen in dieser Form sonst nur Monty Python und Douglas Adams.
David Tennant und Michael Sheen spielen die Pole in dem Theaterstück der sich ständig verändernden Kulissen. Nicht zuletzt spielen sie aber auch beste Kumpels, deren Freundschaft über Jahrtausende hinweg zu einem festen Band gewachsen ist. Und das tun sie mit einer solchen Freude an den jeweiligen Gegensätzen ihrer Partner, dass die Serie zum Plädoyer für frei gelebte Vielfalt wird. Klar, dass das einer Gruppe frommer Christen nicht passt, die prompt einen Affront wittern und sich zum Verfassen eines Protestschreibens entschließen - wobei sie nebenbei ihre Unfähigkeit demonstrieren, zwischen dem großen A und dem großen N zu unterscheiden, was in Hinblick auf das Thema der Serie, die verschwimmenden Grenzen von Himmel und Hölle, zu allerfeinster Realsatire wird.
Sowohl von dem unnachahmlichen Wortwitz als auch von der allgemeinen Stimmung (Quintessenz: Alles wird gut!) kann man sich jedenfalls durchaus anstecken lassen. Allerdings ist "Good Omens" selbst in bewegten Bildern mehr Buch als Serie. Cineastische Werte lässt sie regelmäßig schleifen: Die vielen Spezialeffekte sind von sehr durchwachsener, uneinheitlicher Qualität, auch das Produktionsdesign lässt keine klare Linie erkennen und der Fluss der Erzählung bockt regelmäßig wie eine Hochgeschwindigkeitsachterbahn, in die man zu viele Stopps eingebaut hat. Das sind ähnliche Schwächen, wie man sie schon den Verfilmungen aus dem letzten Jahrzehnt unterstellen konnte. Das legt den Schluss nahe, dass dieser spezielle Autor so fest in seinem Medium verwurzelt ist, dass es selbst in Zeiten der verrücktesten Serien-Experimente (Gaiman selbst ist ja gerade mit dem Musterbeispiel "American Gods" am Start) immer noch unmöglich erscheint, ihn in ein neues Medium zu transferieren.
Insofern ist es wohl so eine typische Love-it-or-hate-it-Kiste. Entweder man kann die Mängel in Bezug auf das Adaptive ausblenden und geht auf in dem verzwirbelten Humorverständnis oder man fragt sich eben, was dieses Gehampel zwischen Himmel und Hölle eigentlich soll. Sollte man sich zwischen diesen Optionen nicht entscheiden können, leidet man womöglich unheilbar an Agnostizismus.
Too Old To Die Young
Noch immer nicht geschafft, etwas dazu zu schreiben, aber ist wie erwartet ein Statement gegen Massenunterhaltung und ein träges kleines Universum für sich selbst mit einer nicht-irdischen Zusammensetzung der Atmosphäre, wodurch jede Bewegung etwas länger dauert. Halt wie auf dem Mond.
The Punisher - Season 1 + 2
Wie baut man ein Mikroversum um einen Mann, der eigentlich nur in Ruhe gelassen werden will? Gar nicht so einfach, den Einzelgänger mit Verlust-Trauma im Zentrum einer Serie festzunageln. Der Wunsch nach einem "Punisher"-Spin-Off ist derweil durchaus nachvollziehbar; wann immer Jon Bernthal in der Mutterserie "Daredevil" aus dem Schatten hervorstieß, haben seine Aufräumaktionen schließlich frischen Wind in die Handlung gebracht.
Bernthals Darstellung rechtfertigt dann auch die Entscheidung, ihm einen eigenen Spielplatz zu spendieren. Bei den Filmen wird nach wie vor herzhaft gestritten, wer denn nun die beste Inkarnation Frank Castles ist, da prügelt sich der Neue aus dem Streaming-Zeitalter wie ein Boxer mit stoischer Miene an den Kollegen vorbei und empfiehlt sich als neuer Vorzeige-Bestrafer. Weil die nach inzwischen zwei Staffeln abgeschlossene Serie von Steve Lightfoot in den vielen Dialogen einen hochgradig psychoanalytischen Charakter annimmt, wird dem Hauptdarsteller die Möglichkeit zuteil, aus der archaischen Verkörperung der Mann gewordenen Exekutive, einem alten Relikt der 80er Jahre, etwas Tiefschürfendes zu ziehen. Und das funktioniert nur deswegen, weil dieser Castle nicht einfach ein grobmotorischer Schlägertyp ist, sondern jemand, der in Momenten von fast autistischem Charakter mit Narben überdeckt, was früher einmal ein sozialer, fürsorglicher Mensch gewesen sein muss.
Deswegen fordert das Drehbuch den störrischen Antihelden immer wieder heraus mit Charakteren, die sich ihm eng verbunden fühlen, obwohl sie oftmals auf der "anderen Seite" stehen. Amber Rose Revah knüpft hier als Special Agent Dinah Madani vielleicht das engste Band, aber auch viele andere schmiegen sich tief in seine private Zone: Alte Freunde vom Militär, das besonders für die Hintergründe der ersten Staffel eine wichtige Rolle spielt, ein Hacker (Ebon Moss-Bachrach), der gemeinsame Erfahrungen mit Castle teilt, später die Teenagerin Amy (Giorgia Whigham), die den Beschützerinstinkt zu wecken verspricht, der sich in der konfusen Gefühlswelt der Hauptfigur zu väterlicher Fürsorge zu entwickeln verspricht...
Weil "Daredevil" in der Kategorie "Action, Stunts & Gewalt" so schön vorgelegt hat, erwartet man das natürlich erst recht bei jemandem, der mit einem Totenkopf-Motiv auf der kugelsicheren Weste durch die Gegend läuft. So steigert sich vor allem das Finale der ersten 13 Folgen in wilde Raserei mit äußerst blutigen Finishern und Hinrichtungen von Fieslingen, die man regelrecht als befriedigend bezeichnen kann. Dabei ist man vor allem darauf bedacht, den Punisher nicht zu sauber aus den Gemetzeln zurückkehren zu lassen. Die Menge an Schnittwunden, Faustschlägen und Einschusslöchern, die er hinnehmen muss, reichen manchem Militärveteranen für zwei Leben. Viele Situationen verlässt er halbtot, das Gesicht völlig zu Brei geprügelt; hier wird eben auch der Masochist im Publikum bedient.
Solche Momente völliger Eskalation bleiben allerdings auf ein Mindestmaß beschränkt. Es ist weniger eine Action-Serie als vielmehr ein Drama mit Action-Spitzen, entpuppt sich die Serie doch im Ganzen als überraschend dialoglastig. Zunächst geht diese Marschrichtung dank einiger Geistesblitze der Dialogschreiber auch auf. Gerade die Lieberman-Storyline hat einige psychologische Raffinessen zu bieten, zumal Lieberman als Figur streckenweise fast noch interessanter ist als der Punisher selbst. In der zweiten Staffel allerdings geht vieles zu Bruch; die Neuzugänge funktionieren nicht (Giorgia Whigham ist die Inkarnation des berühmten Klotzes am Bein und Floria Limas Militärpsychologin möchte man am liebsten ihr eigenes Diplom in den Rachen stopfen) und die Restbestände der Vorgängerstaffel haben Mühe, in ihre neuen Rollen zu finden (Ben Barnes). Da kommt die Entscheidung, die Serie einzustellen, dann auch gerade zur rechten Zeit; noch ein solcher Entwicklungsschub bei den Figuren und der Punisher kann sich gleich zu Dr. Freud auf die Couch legen...
The Real Ghostbusters + Slimer!
Habe die komplette Serie, ein Liebling aus Kindheitstagen, nochmal in wenigen Monaten durchgezogen und war überrascht, wie gut sie auch aus der Perspektive eines Erwachsenen noch funktioniert. Das ist schon mehr als eine Kinderserie, zumindest bis sich in den späteren Staffeln der Ton ändert. Gerade Janine und Slimer profitieren nicht besonders von den späteren Veränderungen, obwohl oder gerade weil Letzterer immer mehr Screentime und mehr Dialog bekommt.
Das Slimer-Spin-Off ist dann ein frecher Abklatsch typischer Warner-Cartoons und hat tonal nichts mehr mit der Hauptserie gemeinsam.
Weitere Sichtungen:
Frankensteins Monster im Kampf gegen Ghidorah
Creed II
The Night Comes For Us
Glass
Kin
Operation: Overlord
Graf Zaroff - Genie des Bösen
Die Brut des Bösen
Monstrum
Triple Threat
The Watcher - Willkommen im Motor Way Hotel
Kannibalinnen im Avocado-Dschungel des Todes
Transylvania 6-5000
Skyscraper
Dark Waters (+ Kurzfilme "Dream Car", "Caruncula" und "Never Ever After")
Love Death & Robots - Season 1
The Friendly Beast (+ Kurzfilme "Die Hand, die streichelt" und "Keine Bewegung!")
Re: Filmtagebuch: Vince
Judgement Night fand ich damals sehr stark
Unser neuestes Projekt: https://open.spotify.com/show/35s3iDdkQ12ikEFT9hOoTP - Talk rund um Filme und Serien
Re: Filmtagebuch: Vince
Welche Masse! Phättes Dito zu Buster Scruggs und Mid90s.
Re: Filmtagebuch: Vince
Ist er auch noch immer, imo
ABER @ Vince: kann es sein, dass Du Peter Greene und Denis Leary durcheinandergebracht hast?
Re: Filmtagebuch: Vince
Ach, so viel ist das gar nicht, ich hab ja immerhin auch viele Wochen nix gepostet. Eigentlich schaf ich derzeit nur recht wenig, komme vielleicht so auf 4 Filme pro Woche maximal. Oft auch nur drei. Gab mal Zeiten, da waren das sieben pro Woche.Welche Masse! Phättes Dito zu Buster Scruggs und Mid90s.
@StS: oh, du könntest Recht haben. Die spielen ja beide im Film mit und ich finde, das sind auch so halbwegs ähnliche Typen. Ich weiß grad gar nicht mehr, wen dann Peter Greene gespielt hat, nen einfaches Gangmitglied vermutlich?
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