Cinefreak hat geschrieben: ↑25.01.2022, 13:07
Welche Folgen fandest du denn besonders gut und gibt es welche, die actionreicher sind?
Actionreich ist bei Schimmi nicht so viel, sind halt TV-Produktionen ihrer Zeit. Aber für Action gucke ich auch nicht Schimmi. :)
Ich habe erst vor Kurzem zum mittlerweile dritten Mal "Tatort: Kuscheltiere" gesehen, einen der frühen Schimanskis. Der hat mir ausgesprochen gut gefallen und ist in meiner Top 3 der Reihe. Der Plot fängt recht simpel an (Ein totes asiatisches Kind wird aus einem Duisburger Kanal gefischt, die Boulevardpresse macht Stunk, der Fall führt zu einem Adoptionsagentur in Amsterdam), wird aber zunehmend komplexer. Gar nicht mal bezogen auf dem Kriminalplot, dessen ganz große Wendung sicherlich einigermaßen absehbar ist, sondern im figürlichen Sinne. Tatsächlich ist das ziemlich gewaltig, was Chiem van Houweninge als Autor da alles in die neunzig Minuten Laufzeit presst: Schimmi zeigt vielfach seine sentimentale Seite (so im Umgang mit verängstigten Adoptiveltern, kleinen Kindern und einer jungen Frau, die er eigentlich eiskalt verführt und ausnutzt, um sie für seine Zwecke zu missbrauchen, nur um dann am Ende in einer hübsch melancholischen Szene stehengelassen zu werden). Gleichzeitig gelingt es dem Film, den Zuschauer (in dem Falle mich) sehr empört zurückzulassen: Knackpunkt des Films ist schließlich der bürokratische Irrsinn bei der Strafverfolgung (insbesondere bei der internationalen, der der Fall in die Niederlande übergeht), der trotz eindeutiger Indizien und Beweise die Aufklärung eines Kindermordes massiv erschwert. Ein Prima Film unterm Strich, mit einem natürlich fabelhaften Götz George, aber auch all die kleinen Nebenrollen sind ausgesprochen gut besetzt.
Die anderen beiden Teile meiner Top 3 bilden "Tatort: Der unsichtbare Gegner" und "Tatort: Schwarzes Wochenende". "Der unsichtbare Gegner" ist von Anfang bis Ende destilliertes Ruhrpott-Machotum, und der Killer ist so herausragend besetzt, alleine deshalb ist das schon ein toller Film. Der erzählt aber auch eine im Kern hochinteressante Geschichte um Vertrauen und die Psychologie hinter der Entscheidung, Ordnungshüter zu werden. Der Film fragt sehr eindringlich: Warum wird ausgerechnet jemand wie Schimanski eigentlich Ermittler? Was treibt ausgerechnet so jemanden in einen Verein, in dem es um das Befolgen der Regeln geht? Als Charakterstudie funktioniert das toll und das Finale ist Hochspannung pur, fand ich zumindest.
Der beste Film ist aber "Tatort: Schwarzes Wochenende", für mich generell einer der besten deutschen Filme. Dominik Graf auf seinem künstlerischen Höhepunkt (bzw. muss man bei ihm sagen: auf einem seiner künstlerischen Höhepunkte). Das ist intellektuell ein herausfordernder Film, den die ARD zwei Jahre lang nicht ausstrahlen wollten, weil sie fürchteten, der Film sei zu radikal, zu anders, zu gewagt. Graf nutzt exzessiv ungewöhnliche Stilmittel, darunter zum Beispiel ein Dauereinspielen des Polizeifunks (eine Idee, die er später in seinem "Die Katze" erneut verwendete). Der Krimifall ist herrlich verzwickt, im Kern geht es um eine kaputte, patriarchisch geführte ostdeutsche Familie, in der jeder Dreck am Stecken hat und in der Schimmi nur durch zermürbende, ihm psychologisch zusetzende Verhöre ermitteln kann, wem genau was zuzuschieben ist. Ich will nicht zu viel spoilern, aber der Fall führt zurück bis ins Dritte Reich und hat einige heftige Enthüllungen bereit, die sich so in den 1980ern im TV wohl nur Dominik Graf zugetraut hat. Götz George ist zudem hier so gut wie nie wieder in seiner Karriere, obwohl Schimanski selbst ein wenig in den Hintergrund tritt.