Rocky Balboa
Originaltitel: Rocky Balboa
Produktionsjahr: 2006
Herstellungsland: USA
Regie:
Sylvester Stallone
Darsteller:
Sylvester Stallone, Burt Young, Geraldine Hughes, Antonio Tarver, Milo Venamiglia u.a.
Mason Dixon ist der aktuelle Schwergewichtsweltmeister im Boxen und eigentlich ein Aushängeschild seiner Zunft. Leider kommt seine unglaubliche Dominanz in seinen Fights bei den Zuschauern nicht besonders gut an, da die Fights zu kurz und wenig spannend daherkommen. Dieser Zustand lässt die ganze Boxzunft vor sich hin darben. Doch was tun? Da kommt Dixons Managern zu Ohren, dass der große Rocky Balboa erneut eine Boxlizenz beantragt und erhalten hat! Obendrein spielt ihnen ein von einem Computer berechneter "Was wäre wenn?" Kampf zwischen Dixon und Balboa in die Karten. Das ganze Land beginnt sich nämlich zu fragen, ob das alte Eisen Balboa gegen den jungen Dampfhammer Dixon wirklich eine Chance hätte. Da gelingt den Managern von Dixon das schier Unglaubliche! Sie bringen Rocky für einen Schaukampf gegen den amtierenden Weltmeister Mason Dixon zurück ins Interesse der Boxwelt.
Es ist vorbei ...
Keine Filmserie dürfte so mit der Karriere ihres Hauptdarstellers und Schöpfers in Personalunion verbunden sein, wie es die Rockyserie mit Sylvester Stallone ist. Fast muten alle Teile der Reihe wie eine Art Kommentar auf die aktuellen Lebensumstände ihres Hauptdarstellers an, was Rocky wie eine beständig fortgeschriebene Biographie Stallones wirken lässt. So scheint sich eben irgendwie das Leben Stallones wie ein roter Faden durch die Boxserie zu ziehen. Zu Zeiten von Rocky I war er wie The Italian Stallion ein Underdog, ein Nobody, den niemand auf der Rechnung hatte und der sich nur durch einen Trick in dem von ihm begründeten Franchise halten konnte! Danach lebte er wie seine Kunstfigur Rocky: Streng dem amerikanischen Traum folgend ging er Risiken ein, versuchte er selbst zu bleiben und landete damit durchaus auch auf der Schnauze. Dennoch war er über Nacht im Stardom Hollywoods angekommen. Rocky II startete er dann in der Phase, in der sein Ruhm zu verblassen begann und er mit dem Rücken zur Wand stand. Genauso ergeht es Balboa in Rocky II. Wie Stallone lebte er über seine Verhältnisse und muss sich der Realität stellen. Das Ergebnis: Rocky wird Weltmeister und Stallone kehrt in die heiligen Hallen des Stardoms zurück. Rocky III zeigt einen neuen Rocky: zivilisiert, abgespeckt, elegant gekleidet und in der Lage sich zu artikulieren. Stallone zeichnet Rocky damit so, wie er selbst gerne gesehen werden will, was ihn aber von seinen Fans und der Öffentlichkeit verwehrt wird. Stallone ist nun einmal ein Muskelmacho ... zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Der durchaus sehr träge und risikoscheu gewordene Rocky zeichnet zudem ein Bild des Stallones, wie er sich selber sah: Das Publikum nahm ihn einfach abseits der Rockyfilme nicht ernst und er fühlte sich in einer Art künstlerischen Starre gefangen! (Rambo wurde erst im selben Jahr - nach dem gigantischen Erfolg von Rocky III - in Angriff genommen.) Rambo und natürlich vor allem Rambo II machten Stallone in den Folgejahren zum Pin Up Boy der Reagan Ära ... Sly wurde zum Mann der Männer, der schon mal im Alleingang ganze Kriege gewinnt und dann in Rocky IV folgerichtig fast im Alleingang den Eisernen Vorhang niederknüppelt. Wie in der City Cobra (kurz nach Rocky IV) und Rambo II werden Stallones Figuren immer comichafter und vor allem deutlich rechtslastiger. Kein Wunder, dass vor allem Rocky IV in feingeistigen Kritikerkreisen wahrlich keinen guten Ruf genießt. Rocky V startete dann zu der Zeit, als Sly versuchte eine Art Imagekorrektur durchzuführen. Tango und Cash hatte ihn im Nadelstreifenanzug präsentiert und verlegte den größten Actionanteil auf Slys Mitstreiter Kurt Russel. Lock Up hatte schon vor Tango & Cash bewiesen, dass Sly weg wollte von dem tumben Muskelbergimage. Und dies musste nun Rocky V ausbaden. Der schlimmste Streifen aus dieser Imagewandelphase, der wirklich zu keiner Sekunde funktionieren wollte und eher peinlich denn irgendwie Rockylike geriet! Daran rockte gar nichts. Danach ging es für Sly bergab. Ein Comeback konnte er mit Cliffhanger und Demolition Man einleiten, wirklich fest verankert in Hollywoods A-Liga ist er allerdings nicht mehr. Die Traumfabrik braucht Männer von seinem Schlage anscheinend nicht mehr. Und Sly, der mit Spy Kids III - und damit mit einem Kinderfilm - seinen letzten großen Erfolg hatte, machte sich genau diese Denke zu eigen. Und gewinnt damit auf ganzer Linie.
Denn Rocky VI ist einfach Nostalgie pur. Ein Abgesang auf glorreiche und wunderschöne Zeiten! Wir erleben einen Helden, der von sich selbst behauptet, ein schönes Leben gelebt zu haben. Einen Mann der wehmütig aber nie wehleidig auf seine besseren Zeiten zurückblickt, sich an die gemeinsamen Stunden mit seiner an Unterleibskrebs verstorbenen Adrian erinnert, in seinem Restaurant Boxgeschichten zum Besten gibt, sich selbst immer treu bleibt und sich sicher ist, seine Träume gelebt zu haben. Doch da ist noch etwas in ihm. Sein Motor hat noch Dampf und er will allen noch einmal zeigen, dass er zwar alt ist, aber noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Und genau das trifft wieder eins zu eins auf Slys Karriere angewendet zu. Genau wie Rocky in Rocky Balboa wurde Sly belächelt, als er einen weiteren Rocky ankündigte. Zu alt sei er, zu überholt die Figur und zu uninteressant das ganze Boxersujet. Doch Sly straft mit seiner Ode an den unbändigen Willen eines "alten" Mannes alle Zweifler Lügen und nutzt deren Vorbehalte offensiv für diverse Seitenhiebe aus. Sein Alter wird in keiner Sekunde des Streifens verleugnet und mutiert sogar zum Bestandteil seiner Boxstrategie, die eben von hochtechnischen und schnellen Kombinationen abgeht und sie durch "altmodische Gewalt" ersetzt. Auch funktioniert Rocky VI wie ein Rückblick auf Rockys Leben. Obwohl Adrian nur ganz kurz in den Film montiert wird, wird durch Rockys Erzählungen immer greifbar, warum er sie geliebt hat. Im weiteren Filmverlauf führt er uns durch sein Viertel, das inzwischen genauso abgerissen wirkt, wie er selbst. Wir treffen seine alten Freunde und Bekannten wie Paulie wieder und fragen uns nach wie vor, was Rocky nur in diesem schrecklichen Menschen sieht. Auch Rockys Sohn begegnen wir und können gar nicht glauben, dass das der verzogene Rotzbengel aus Rocky V sein soll und wie Rocky selber stellen wir fest: Irgendwas hat der Mann schon richtig gemacht! Und so ist es, als schaue man einem alten Bekannten zu, als träfe man ihn zufällig eben auf einer der Straßen in Philadelphia und lausche seinen Geschichten. Klar, für Menschen, die nicht mit Rocky einem russischen zwei Meter Hünen die Scheiße aus dem Leib gekloppt, dem Großmaul Clubber Lang die Kauleiste verbogen oder zweimal dem Weltmeister Apollo Creed so richtig aufs Maul gegeben haben, wird diese Tour nicht viel mehr als ein Hort der Langeweile sein. Das Feiern einer ihnen fremden Person und das Schwelgen in Erinnerungen, die sie nicht interessieren. Wer aber bei den oben genannten Namen und Situationen auch nur annähernd ein wenig verklärt Lächeln musste, der muss diesen Streifen hier einfach sehen!
Und spätestens wenn Rockys Trainer meint: "Dann lasst uns ein paar schmerzhafte Bomben bauen", die Rockyfanfaren aus Bill Contis Feder ertönen und Rocky sein typisches, ungemein involvierendes Training aufnimmt, dürfte jedem Sly und Rocky Fan ein Schauer nach dem anderen über den Rücken laufen. Alleine das Training ist bereits wieder das Eintrittsgeld wert! Sly präsentiert sich in Topform, stemmt Gewichte wie ein junger Gott und erlaubt sich sogar legendäre Szenen wie die Treppenbesteigung aus Rocky I ein wenig humoristisch aufzubrechen, indem er sie diesmal mit seinem hässlichen Köter Punchy besteigt (später im Abspann findet diese Hommage an die eben genannte Treppenszene ihren sympathischen Höhepunkt). Bis zu diesem Zeitpunkt präsentiert Regisseur Sylvester Stallone seinen Film herrlich altmodisch und fast schon ein wenig altbacken in einer Optik, wie sie jedem anderen Rocky Film zu Ehren gereichen würde. Nur in wenigen Szenen bringen nervöse Steadycambilder etwas unruhige, fast schon anachronistisch wirkende Momente in die ruhige Bebilderung hinein, harmonieren aber prächtig mit den transportierten Inhalten. So schwankt die Kamera nämlich dann am Meisten, wenn Rocky seine Boxlizenz nicht erhalten soll und er seine Träume vorzeitig beendet sieht. In Momenten wie diesen dreht dann auch Hauptdarsteller Sly ganz groß auf! Egal wie sehr man seine Leistung vor allem in Copland immer wieder hervorhebt, sie verblasst im Vergleich zu seiner ungemein präzisen und über die Jahre verinnerlichten Darstellung seines Alter Egos Rocky Balboa. Immer ein wenig tumb und naiv wirkend tanzt Sly von einem Fuß auf den anderen und bringt so das Getriebene und Unbändige seines Charakters hervorragend zum Ausdruck. Mit seinen fahrigen, immer viel zu großen Gesten, die seinem Rocky schon immer zu eigen waren, unterstreicht er diese Charakterzüge treffend. Sly spielt diesen Rocky nicht mehr, er ist Rocky. Und er weiß, dass das Publikum dieser Charmeattacke nicht widerstehen kann. Darum lanciert er zum Beispiel auch keinen wirklichen Bösewicht! Sein Gegner ist ein ganz normaler Mann, der gerne akzeptiert werden will und der Respekt verdient hat, diesen aber nicht bekommt. So ist einem die Figur des Mason Dixon nicht einmal ansatzweise unsympathisch und dennoch stellen wir uns ohne große Umschweife auf Slys Seite, einfach weil er eben Sly ist. Ein Sly, der eben auch seinen Mitspielern gelungene Momente zugesteht. So eben der Mason Dixon Darsteller Antonio Tarver (ein echter Box-Star), der mit einer kraftvollen Performance glänzt. Burt Young gibt den seit Jahren entwickelten Unsympathen Paulie erneut mit viel Verve und auch die neuen Figuren im Cast wissen durch die Bank zu überzeugen. Wenn dann auch noch Mickey (der verstorbene Burgess Meredith) ganz kurz zwischengeschnitten wird, weiß man, dass hier ein Mann am Werk ist, der einfach Respekt vor seinem Werk und dessen Figuren hat!
Mit dem Boxkampf wechselt Regisseur Stallone dann den optischen Stil. Es kommt zu einem kleinen Bruch, in dessen Verlauf Stallone beweist, dass er inszenatorisch nicht vor hat, einer ewig gestrigen Bebilderung anheim fallen zu wollen. Er nutzt ganz offensichtlich HD Kameras, die dem Geschehen nun eine Art LIVE-TV Übertragungsatmosphäre verpassen, was nach anfänglichem Befremden ob des Stilbruchs hervorragend funktioniert und offensichtlich auch genutzt wurde, um das nun folgende Feuerwerk inszenieren zu können! Denn der Fight ist allererste Sahne! Ok, ich finde, er kommt nicht an die Genrereferenz das Comeback mit Russell Crowe heran was Choreographie und Unmittelbarkeit angeht, aber optisch ist er ein absolutes Meisterstück geworden! Schnelle Schwenks und Zooms bringen Tempo ins Geschehen, Bildverfremdungen lassen manche Treffer noch härter wirken als sie sind und geniale Spielereien wie Schwarz-Weiß Sequenzen, in denen sich rote Blutsturzbäche ihren Weg bahnen, machen mehr als nur ein wenig Staunen. In die härtesten Treffer werden dann sogar Szenen aus den frühen Rockyfilmen eingebunden und tauchen eben wie Erinnerungsfetzen kurz vor unserem und Rockys Augen auf. Die absolut geniale Soundkulisse unterstreicht dann das Gesehene nur noch und wieder einmal gelingt es dem Team um Stallone spielend, dafür zu sorgen, dass die härtesten Treffer gegen Rocky durch ein gemeinschaftliches Zurückweichen des Kinosaales etwas abgemildert werden, während seine Schläge mit der Wucht und Wut des gesamten Publikums auf seinen armen Gegner niederprasseln. Bei Rocky ist man nun einmal mittendrin statt nur dabei. Immer!
Nach dem Kampf gelingen dann auch noch kleine Szenen, die lange nachwirken. Rockys "Flucht" aus der Halle und seine kurzen, dafür umso intensiveren Momente der Freude sitzen wie ein Knock Out und sorgen für den vermeintlich finalen Gänsehautmoment. Doch mehr noch: Am Ende sitzt Rocky am Grab seiner Adrian, wie er es so oft machte. Er legt einen Strauß Blumen auf den Grabstein. Dann verstaut er seine Sitzgelegenheit an dem gewohnten Platz und verschwindet einem Geist gleich von der Szenerie. Kurz dreht er sich noch einmal um, winkt uns zu und obwohl wir eigentlich alle glücklich sein dürfen einen alten Freund wiedergesehen zu haben, öffnen sich alle Schleusen und wir ahnen schon: So oft werden wir nicht wieder in den Genuss kommen ...
Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist ...
Rocky VI ist ein Lucky Punch des aktuellen Filmjahres. Eine nostalgisch gefärbte Reise in die Vergangenheit einer Kunstfigur und ihres Schöpfers, die man beide über die Jahre lieb gewonnen hat und nicht mehr missen möchte. Natürlich wird hier Niemandem irgend etwas Neues geboten, ist der sentimentale Einstieg für viele sicher zu langatmig und das eigentliche Filmgeschehen sicher zu vorhersehbar, kitschig, pathetisch und simpel. Mir ist das allerdings absolut egal! Ich ziehe vor Rocky, Sly und ihrem Alterswerk nur meinen imaginären Hut!
In diesem Sinne:
freeman