Liquid-Love-Bücherthread
Re: Liquid-Love-Bücherthread
Ich wundere mich ja schon häufig, warum man einen Film in der Qualität zu Ende schaut, aber ein Buch? Was hast am Ende erwartet? Eine Schatzkarte?
- deBohli
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Es war wohl einer ein Fall von Unverständnis, das ich zu widerlegen versucht habe. Ich wollte dem Hype Fitzek auf den Grund kommen und merkte, da gibt es nur stinkenden Bodensatz.
Re: Liquid-Love-Bücherthread
Die frühen Roman von Fitzek sind eigendlich gar nicht mal schlecht, kein Literaturhighlight sondern eher sowas wie ein Michael Bay Film in Buchform . Die neueren Werke kenne ich (noch) nicht, den Hype um ihn habe ich auch nicht so ganz nachvollziehen können...
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note
Re: Liquid-Love-Bücherthread
Ich habe von der Type noch nie was gehört.
- deBohli
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Das klingt zumindest so, als würde ich dann doch 2 Punkte vergeben.
Re: Liquid-Love-Bücherthread
Der ist ja auch nicht beim Reclam Verlag
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Ok, dann habe ich nix verpasst!
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Unendlicher Spaß
von David Foster Wallace
Bei Vertretern der Weltliteratur entsprechen meine Erwartungen selten der Realität, zu viel hat man bereits über solche Bücher gehört, zu eigen die persönlichen Vorstellungen. David Foster Wallace hat mit seinem Ziegelstein "Unendlicher Spass" allerdings einen Roman verfasst, der jegliche Haltungen und Fantasien sprengt. Ein Buch wie ein Urknall, zuvor war nichts, dann eine grosse Explosion, danach Leere.
Weder Inhalt, Struktur oder Form folgen bei Foster Wallace der Norm, alleinig hat er die Literatur während mehr als 1500 Seiten auf den Kopf gestellt und zwing Leserinnen und Leser dazu, alles neu zu lernen. Krude Figuren, unerklärte Handlungsverläufe, merkwürdiger Syntax, absichtliche Fehler und falsch verwendete Wörter, extreme Dialektformen und haufenweise Fussnoten - welche sehr wohl relevante Passagen oder gleich gesamte Kapitel des Buches beinhalten.
Nein, Spass macht "Unendlicher Spass" eigentlich nie, der Lesefluss ist selten gut, viel öfters stolpert man über die zu zahlreichen Charaktere, ewigen Beschreibungen, technischen Wortsalven und frei erfundenen Abkürzungen. Trotzdem, dieser Roman enthält alles, das gesamte Leben, eine Abrechnung mit Satire und Ironie, ein Blick auf unsere destruktive Lebensweise als Menschheit, eine Abhandlung zum Suchtverhalten, die Dekonstruktion des amerikanischen Systems, eine teilweise prophetische Sicht auf die Zukunft.
Auch wenn sich der Autor eventuell wohl selber mit der Menge und dem Inhalt übernommen hat, stellt "Unendlicher Spass" klar ein wichtiger Meilenstein in der modernen Literatur dar und ist ein Zeugnis davon, wie genial die schöpferische und kreative Kraft einer einzelnen Person sein kann. Das gäbe die Höchstwertung, gemischt mit dem Lesevergnügen von zirka sechs Punkten erhält man allerdings die vergebenen acht.
- deBohli
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
50
von Hideo Yokoyama
Hideo Yokoyama hat es geschafft, er hat sich seinen Platz in meinem Leserherzen erschrieben. Nach dem grossartigen Roman "64" und den spannenden Kurzgeschichten "2" gibt es mit "50" nun endlich seinen Debütroman auf Deutsch zu lesen. Eine japanische Kriminalgeschichte, die sich angenehm von dem hierzulande bekannten Einheitsbrei abhebt.
Nicht nur handelt "50" von einem Mordfall eines Polizisten, sondern von Ethik, dem Gesundheitssystem und der Problematik von Demenz, den internen Machtkämpfen der Staatsapparate - und natürlich der japanischen Verhaltensweise. Ohne Schockmomente oder billige Finten bietet das Buch eine mitreissende Geschichte, die aus wechselnden Perspektiven und daher mit immer wieder neuen Argumentationen fortgeführt wird.
Toll auch, dass sich der Atrium Verlag bei der Gestaltung dieser Bücher so viel Mühe gibt. Farbiger Schnitt, geschmackvolle Motive und eine einheitliche Wirkung bei allen Veröffentlichungen zu Yokoyama.
Recursion
von Blake Crouch
Blake Crouch hat es wieder getan: Nach "Dark Matter" hat er erneut einen SF-Thriller geschrieben, der mich nicht nur gepackt, sondern zugleich fasziniert hat. Eine Freude, welche man bei den besten Genre-Werken verspürt, die nicht nur eine packende Geschichte auftischen, sondern auf gute Art mit Wissenschaft und Physik herumspielen. "Recursion" macht dies, indem es eine Welt aufzeigt, in der man Zeitreisen ermöglicht hat. Im geheimen natürlich, und durch die Technologie, in Erinnerungen einzutauchen.
Das bietet tolle Möglichkeiten, Geschehnisse mehrschichtig und repetitiv anzulegen, Situationen auf den Kopf zu stellen und mit Figuren und Orte zu spielen. Crouch gelingt dies scheinbar mühelos, ohne komplexe Sprache oder zu verkopftes Konstrukt. Der Roman liest sich schnell und befriedigt nicht nur Nischenfans auf tolle Weise.
Freie Sicht aufs Kino. Beiträge zur Filmkritik in der Schweiz
von Philipp Brunner, Tereza Fischer und mehr
Mit dem Essayband "Freie Sicht aufs Kino" untersuchen Autorinnen und Autoren die Geschichte der Filmkritik in der Schweiz, und deren heutige Relevanz. Mit drei nachgedruckten Texten, welche in den Neunzigerjahren diese Aufgabe zu stemmen versuchten, bietet der Band zu Beginn einen Blick zurück, um dann den heutigen Zustand der journalistischen Sparte zu erkennen.
Herausgegeben von der Zeitschrift "Filmbulletin", bietet "Freie Sicht aufs Kino" einen spannenden Überblick der Schweizer Szene, welche Problematiken, Möglichkeiten und Dimensionen aufzeigt. Als Filmliebhaber ist es für mich immer spannend, die theoretischen Aspekte der Kunstform in Betracht zu ziehen, zu der auch die kritische Reflektion des Gesehenen gehört. Dank der zugänglichen Textform ermöglicht sich bei der Lektüre eine weitreichende Verknüpfung. Konsumverhalten und Medienkritik im allgemeinen, Sehgewohnheiten und Geschmacksfragen werden verwoben.
Ein spannender Band mit viel Hintergrundwissen, der Lust auf intelligente Diskussionen über Filme und TV-Sendungen macht.
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Goldene Jahre
von Arno Camenisch
Arno Camenisch, du bist ein Schlitzohr. Regelmässig veröffentlichst du Geschichten, meist verpackt in einem hübschen Büchlein mit etwa 100 Seiten - und bietest darin die Möglichkeit, in die leicht verschrobene Welt der Alpkantone der Schweiz einzutauchen. Reminiszenzen und ehemalige Erlebnisse der beschriebenen Personen nehmen die zentrale Rolle ein, ein entspannter Stil begleitet die Szenerien.
Diese Erzählweise hat mich zu einem Fan von dir gemacht, Arno, nun aber muss ich sagen: Bitte, spreng bald einmal dein Muster. Nach "Ustrinkata", "Der letzte Schnee" und "Herr Anselm" ist "Goldene Jahre" bereits das vierte Buch, das praktisch deckungsgleich funktioniert. Einzelne Figuren im Zentrum, Anekdoten werden hin- und hergeworfen, ein zielloser Einblick in das normale Alltagsleben. So weit so angenehm, für mich als regelmässiger Leser camenischer Bücher hat sich die Formel nun leider totgelaufen. Wer vor "Goldene Jahre" noch nichts vom Autor gelesen hat, der darf gerne ein paar Punkte aufrunden.
Re: Liquid-Love-Bücherthread
vielleicht hat er am Ende gehofft, das Buch zu verstehen
Sorry, der musste sein...Flugangst fand ich nicht schlecht, nicht der stärkste Fitzek und nimmt am Ende ein wenig raus um die eigentlich unlösbare Situation zu lösen...sonst fand ich den aber recht gut, hatte das Hörbuch gehört. Nbib machts möglich für lau ;)
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Wie der Soldat das Grammofon repariert
von Saša Stanišić
Wie war es damals in der Heimat? Anders, verwirrend, wunderschön. So scheint sich Hauptfigur Aleksandar an die Herkunft von sich und seiner Familie zu erinnern. Die Gedanken an das ehemalige Bosnien werden mit Querverweisen zum Leben in Deutschland versehen, überborden vor allem aber dann, wenn sich die Verwandten an der Erzählung beteiligen und Anekdoten wie Eigenheiten zum Besten geben.
Das Debüt von Saša Stanišić ist ein sprunghaftes Buch, ein Roman voller kleiner Episoden und blühenden Abschnitten. "Wie der Soldat das Grammofon repariert" bietet in seiner Form eine lebendig wirkende Rückschau in ein Leben aus anderer Zeit, liess zugleich aber etwas an Gesamtheit vermissen. Trotzdem, sprachlich mehr als überzeugend.
Der dunkle Wald
von Liu Cixin
Mit dem zweiten Teil der "Die drei Sonnen"-Trilogie springt Liu Cixin einige Jahre nach vorne und präsentiert eine Weiterführung der Geschichte mit neuen Figuren und weiteren Problem. Die Trisolaris-Flotte befindet sich im Anflug, die Bedrohung wird realistischer. Obwohl noch mehrere Jahrhunderte bis zum Aufeinandertreffen zwischen Menschheit und Ausserirdischer vergehen werden, befindet sich die Erde in einem tumultartigen Zustand. Politisch, Wirtschaft und Wissenschaft werden geprüft, verändert, gefordert.
"Der dunkle Wald" bietet intelligente SF-Unterhaltung, welche mit logischen Schlussfolgerungen, tiefreichenden Problemen und durchdachten Lösungen fesselt. Vieles an diesem Roman wirkt realistisch, niemals verkommt das Buch zu einer hohlen Erzählung, immer fiebert man mit. So bleibt am Ende dieses Bandes alles anders als zuvor, so will man sofort weiterlesen.
Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich
von David Foster Wallace
Seit dem (mehr oder minder grossen) Vergnügen von "Unendlicher Spass", ist mir David Foster Wallace ans Herz gewachsen - er war ein grosser Denker, ein fantastischer Autor. Die Sonderausgabe zum weltbekannten Essay "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" konnte mich sogar noch stärker überzeugen, wohl auch, da hier nicht wochenlange Arbeit nötig war. Mit hübschem Einband, herrlich subtilen Zeichnungen und einer schönen Schriftsetzung ist diese Edition der Büchergilde Gutenberg für jeden Fan ein Muss.
Der Bericht über eine längere Kreuzfahrt, welche Wallace aus schriftstellerischen Gründen wirklich unternahm, zieht der Pauschalreiseindustrie auf beste Weise den Teppich unter den Füssen weg. Entlarvt den Stumpfsinn unserer Gesellschaft und bietet einen pointierten Blick auf Tourismus, Luxus und Egozentrik. Ergänzt durch die humoristischen und bösen Fussnoten, verzaubert Wallace mit jedem Satz.
Frankissstein: A Love Story
von Jeanette Winterson
Als der Roman "Frankenstein" damals veröffentlicht wurde, liess er die Leserschaft nicht nur vor Grusel erschaudern, sondern zeigte eine neue Perspektive auf den menschlichen Körper, das Leben, das Dasein. Ein Mann brachte eine neue Person auf die Welt, die Geschlechterfrage wurde auf den Kopf gestellt.
Jeanette Winterson nimmt diese Voraussetzung für "Frankissstein" und spinnt die Gedanken in der heutigen Zeit weiter. Was bedeutet Sexualität, Geschlecht und Körperform im 21. Jahrhundert? Was unterscheidet uns von Robotern, Maschinen? Ein Roman, der wichtige Fragen und spannende Aussagen in tollen Situationen darlegt, ohne moralisch zu sein oder plakativ zu werden. Trotz dem Handlungsstrang im Sexgewerbe, trotz teilweise klischiert agierenden Personen.
Diverse Zeitebenen und Möglichkeiten verbinden sich so zu einer weitreichenden Betrachtung von unserer Wahrnehmung als Spezies - und die Autorin versucht gar in die mögliche Zukunft zu blicken.
Re: Liquid-Love-Bücherthread
Dieter Kleffner - Ein Tag für Blinde, Lahme und Verrückte
Ich hatte vorher AUTORENSTOLZ gelesen von ihm, der mich nicht ganz so begeistern konnte (der ähnlich gelagerte und offenbar ein wenig von Autorenstolz inspirierte OFFLINE von Arno Strobel übrigens noch weniger), das Buch hier fand ich aber richtig gut.
Dieter Kleffner ist ein blinder Autor, den ich auch schon bei mir in der Sendung hatte und somit auch einige Leseexemplare geschickt bekommen hatte. Das Buch - wie gesagt mein zweites von ihm - las sich richtig schön, hatte spannende Charaktere und starke Momente.
würde ich dem etwa geben
http://www.blautor.de/vita-und-werke/di ... ueckte.htm
Arno Strobel - Offline
nette Grundidee, die ich ein wenig als geklaut empfang von Autorenstolz - wie oben beschrieben - allerdings im letzten Drittel ziemlich langatmig und viel zuviel hin und her...mit der Schwerverletzten und ihrer "Rätselaufgabe" kam noch etwas Spannung rein, letzten Endes empfand ich aber die Auflösung als eher schwach...
knapp vielleicht
Ich hatte vorher AUTORENSTOLZ gelesen von ihm, der mich nicht ganz so begeistern konnte (der ähnlich gelagerte und offenbar ein wenig von Autorenstolz inspirierte OFFLINE von Arno Strobel übrigens noch weniger), das Buch hier fand ich aber richtig gut.
Dieter Kleffner ist ein blinder Autor, den ich auch schon bei mir in der Sendung hatte und somit auch einige Leseexemplare geschickt bekommen hatte. Das Buch - wie gesagt mein zweites von ihm - las sich richtig schön, hatte spannende Charaktere und starke Momente.
würde ich dem etwa geben
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Arno Strobel - Offline
nette Grundidee, die ich ein wenig als geklaut empfang von Autorenstolz - wie oben beschrieben - allerdings im letzten Drittel ziemlich langatmig und viel zuviel hin und her...mit der Schwerverletzten und ihrer "Rätselaufgabe" kam noch etwas Spannung rein, letzten Endes empfand ich aber die Auflösung als eher schwach...
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Die unsichtbare Frau
von Siri Hustvedt
Wie definiert sich ein Mensch? Von aussen her, aus den Betrachtungen und Wahrnehmungen der Mitmenschen, oder selbst, innerlich und mit den eigenen Vorstellungen? Bei Iris Vegan im Roman "Die unsichtbare Frau" passiert ersteres, die Literaturstudentin hat sich noch nicht gefunden und dient darum als Gefäss für Phantasien und Taten von Männern.
Siri Hustvedt beschreibt das Leben von Iris anhand diverser Anekdoten und Begegnungen mit Typen, die mit kleinen Zeitsprüngen getrennt werden. Formell wie immer mehr als gelungen. Man begleitet die Figur wie ein Spielball durch ihre Suche und ihre Fehltritte, was als Spiegel für die eigens erlebten Momente funktioniert, in denen man andere Menschen oder sich selber wahrzunehmen versuchte.
Wer ist man? Was sollte man sein? Schwierige Gedankengänge, die man zu selten mit Sicherheit beenden kann. Zu oft benötigt es einen Ruck von aussen, wie bei "Die unsichtbare Frau". Der intelligent geschriebene Roman endet dann, als Iris endlich eine neue Perspektive einnehmen kann und die Passivität durchstösst. Zu spät oder gerade noch im richtigen Moment? Das bleibt der Leserin und dem Leser überlassen.
Widerfahrnis
von Bodo Kirchhoff
Verpasste Chancen im Leben können schmerzen, noch schlimmer sind falsch getroffene Entscheidungen. Daran nagt der pensionierte Kleinverleger Reither im Roman "Widerfahrnis", und lässt sich darum auf eine spontane Abenteuerfahrt mit der ehemaligen Hutverkäuferin Leonie Palm ein. Was zuerst aus Neugierde geschieht, entwickelt sich immer mehr zu einer Suche nach Vergebung, zu einer zweiten Chance, zu einer Korrektur.
Mit einer langsamen Sprache, welche sich scheinbar dem Alter der Protagonisten angepasst hat, beschreibt Bodo Kirchhoff in seiner Novelle in geschickt formulierten Sätzen und teilweise spitzbübischen Bemerkungen diesen neu gefundenen Glauben an Harmonie. Nicht ohne Fallen natürlich, nicht ohne die blauäugigen Fantasien von uns allen zu durchschauen. Ein Buch, das sich wunderbar mit den Zweifel im höheren Alter auseinandersetzt und zugleich die Welt als Ort beschreibt, den man mitgestalten und geniessen kann.
Spring
von Ali Smith
Zu selten passiert es, dass man eine neue Autorin entdeckt, die bei keinem Buch enttäuscht. Bei Ali Smith wage ich nun sogar zu behaupten, dass ihre Romane nur noch besser werden. Der dritte Teil der Jahreszeiten-Quadrilogie, "Spring", untermauert diesen Gedanken. In ihrer unvergleichlichen und emotional wie intellektuell mitreissenden Schreibweise betrachtet sich das heutige Grossbritanien, festgefahren in alten Hassgedanken, neuen Ängsten und dem chaotischen Brexit.
Ohne politisch komplexe Strukturen einbauen zu müssen, verbindet dieser Roman genial die Leben einfacher Leute mit nationalen Verschiebungen und Verwirrungen. Somit sorgt Smith dafür, dass man beim Lesen gefordert wird, zugleich die Welt mit berührtem Herz und glasigen Augen neu erfahren darf. Einzelne Wörter bohren sich in das Herz, kurze Sätze strahlen wie Leuchtfeuer. Das Buch ist unglaublich menschlich, sozial und empathisch.
"Spring" kann natürlich losgelöst von "Autumn" und "Winter" gelesen werden, gehört thematisch aber in die Reihe und erweitert diese auf fulminante Weise. Ein aktueller und wichtiger Roman, den alle lesen sollten. Nicht nur in England.
Drei
von Dror Mishani
"Drei" ist eine gut geschriebene, rasch zu lesende Kriminalgeschichte, welche mit einigen überraschenden Wendungen auftrumpfen kann. Ebenso ist das israelische Setting für meine Lesegewohnheiten noch unverbraucht und einzelne Gedanken zu Beziehung, Liebe und Versuchung sind spannend.
Das war es dann aber auch. Sicherlich ist Dror Mishani ein Schriftsteller, der mit diesem Roman ein toll konstruiertes und ausgeführtes Werk vorgelegt hat - den grossen Hype um das Buch kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Anfänglich komplex erscheinende Hintergründe stellen sich als eher eindimensional heraus, eine etwaige Kritik an den gesellschaftlichen Normen des Zusammenlebens werden durch die Thriller-Aspekte verhindert. Schlussendlich dreht es sich halt doch wieder "nur" um eine Verbrechensserie, bei der Frauen die Opfer darstellen.
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Cinemaps
von A. D. Jameson und Andrew DeGraff
Mehr als gerne entschwindet der Mensch in erfundene Welten, in fantastische Realitäten. Und am besten gelingt dies, wenn eine Umgebung erschaffen wird, die logisch und erfassbar scheint. Kein Wunder also, gibt es zu vielen Filmen nicht nur Begleitmaterial, sondern Atlanten (wie etwa bei „The Lord Of The Rings“) und unzählige Fanarbeiten und Websites. Mit den „Cinemaps“ bietet der Grafiker und Illustrator Andrew DeGraff darum bestes Nerd-Material: Komplette Filme auf eine Zeichnung destilliert, mit herrlichen Details und grosser Fertigkeit.
[...]
Die komplette Kritik jetzt bei ARTNOIR.
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Geschichte wird gemacht
von Ar/Gee Gleim, Xao Seffcheque und Edmund Labonte
Dabei sein ist alles? Doch was bedeutet dies, dabei zu sein? Steht man daneben und schaut zu, oder mischt man aktiv mit, spornt an, formt um? Ein Umbruch oder eine spezifische Szene wahrzunehmen, das geschieht meist besser in der Retrospektive, besonders wenn sich der Wandel an diversen Orten manifestiert hatte. Mit dem Fotoband „Geschichte wird gemacht“ wird dieser Perspektivenwechsel ermöglicht, bietet das Buch von Fotograf Ar/Gee Gleim die Möglichkeit, den deutschen Untergrund der Achtzigerjahre neu wahrzunehmen.
Mit Fokus auf den Ratinger Hof in Düsseldorf und den damals auftretenden Bands der frisch entstandenen Punkszene zeigt der Bildband herrlich ungeschminkte Momente. In kernigen Schwarzweissaufnahmen und oft spontan wirkend, nah am Geschehen und mit der richtigen Menge Schmuddel. Es war eine andere Welt, als sich die Jugend zu den Klängen von den Toten Hosen, Fehlbaren, Östro 430 oder Family*5 bewegten. Unmut und fehlende Perspektiven entluden sich in lauter Musik, in Experimenten und einem Gefühl, das die Provinz zur Metropole umgestaltete.
Komplette Rezension bei ARTNOIR.
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Der Schrank
von Olga Tokarczuk
Ob sie die gesamte Welt umfassen, oder nur einen Gegenstand behandeln, die hier versammelten Kurzgeschichten von Olga Tokarczuk versprühen immer ein Gefühl von Magie und Mysterium. Das alltägliche Leben wird zu einem unberechenbaren, aber wunderschönen Abenteuer, jede Handlung zu einer Möglichkeit.
"Der Schrank" ist ein toller Einstiegspunkt in das Werk der Schriftstellerin und liest sich wunderbar leicht, ohne Tiefe zu vermissen.
The Glass Hotel
von Emily St. John Mandel
Für mich ist es immer magisch, die Sätze von Emily St. John Mandel lesen zu können. Jedes ihrer bisher veröffentlichten Bücher gefiel mir sehr gut und berührte mich. Natürlich waren deswegen die Erwartungen gegenüber "The Glass Hotel" unglaublich hoch und konnten nicht ganz erfüllt werden. Die Geschichte um ein Ponzi-Scheme und dessen desaströse Auswirkungen auf diverse Leben und Familien ist zwar interessant, nicht aber so zwingend wie beispielsweise der Inhalt von "Station Eleven".
Mit ihrem typischen, zeitlich nicht linearen Aufbau, den Sätzen, welche hinter die Seele der Figuren schauen und einigen wiederkehrenden Motiven ist der Roman trotzdem faszinierend. Besonders darum, weil St. John Mandel in jedem Aspekt des menschlichen Daseins die pure Schönheit zu finden vermag. Ob in Schmerz und Trauer, Verlust und Hoffnungslosigkeit, alles scheint hell zu leuchten.
Die Ambassadorin
von Sebastian Janata
Es kann schwierig sein, an den kleinen Ort zurückzukehren, in dem man aufgewachsen ist. Besonders wenn es sich um die österreichische Provinz handelt, in der Natur und Tradition regieren. Hugo Navratil muss diesen Weg allerdings auf sich nehmen, ist sein Großvater, der ihm die Jagd nähergebracht hatte, gestorben. So trifft der Wahlberliner auf die ewig gleichbleibenden Zustände des burgenländischen Dorfes, trifft alte Freunde und Feinde wieder, bemerkt die alten Muster.
Wären da nicht die zwei Frauen, welche nach der Beerdigung ziemlich energisch im Dorf nach einer alten Flinte suchen. Hugo gerät ohne sein Zutun inmitten einer alten Geschichte, bei der nicht nur sein Großvater die Finger im Spiel hatte, sondern das halbe Dorf – seit Jahrzehnten. Und plötzlich erscheint vieles in neuem Licht.
Die komplette Rezension findet ihr bei ARTNOIR.
Willkommen im Tal der Tränen
von Noëmi Lerch
In einem regnerischen Tal auf der Alp zu arbeiten, verschwiegen und introvertiert, das wird in Bücher oft romantisiert. Bei Noëmi Lerch geschieht dies glücklicherweise nicht, hat sie es mit ihrer knappen Prosa geschafft, die dortig herrschenden Stimmungen perfekt zu transportieren. Die Gefahren wirken real, das Leben hart und der Alltag schmutzig.
Drei Mannen im Kampf gegen die Einsamkeit, gegen ihre inneren Hürden. Kurze Abschnitte, Zeitsprünge und wenige Worte für eine Aussage - die Form hat sich der Situation angepasst. Dazu passen wunderbar die Illustration des Duos Alexandra Kaufmann und Hanin Lerch, welche die Texte erweitern und fast wie eine Graphic Novel erscheinen lassen. Ein sehr schön gestaltetes Buch, das ein paar Stunden beschäftigt.
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Glauser
von Hannes Binder
Friedrich Glausers Schriften in Bilder zu verwandeln, das drängt sich geradezu auf. Schliesslich musste sich der Schweizer Schriftsteller in seinem eigenen Leben der Entmündigung, Drogenabhängigkeit und Internierungen in psychiatrischen Anstalten stellen - was in den Bücher herauszuspüren ist. Mit den Zeichnungen von Hannes Binder werden diese Ebenen greifbar, der Wahnsinn mischt sich unter die scheinbare Banalität des Alltags.
Sieben Geschichte vereint der dicke und schwere Band "Glauser", alternierend zwischen Fließtext und Graphic Novel. Sprunghaft erzählt und immer weiter in eine Zwischenwelt abdriften. Bis sich die Personen Binder und Glauser vermischen, bis sich Zeichnungen, Worte und Ursprungstexte zu einer neuen Gestalt verbinden. Ein Sammelband, der nicht nur fasziniert und das Talent von Binder zur Schau stellt, sondern Lust auf die Romane Glausers macht.
Handbuch für Zeitreisende
von Kathrin Passig und Aleks Scholz
Unternehmen wir eine Reise durch die Zeit, verbessern wir die Vergangenheit und helfen so der Gegenwart, erforschen wir alte Gemäuer und Traditionen. Doch Moment, das ist gar nicht so simpel, wie es in all den Bücher und Filmen immer dargestellt wird. Denn in dem Multiversum, dem Paradoxon und dem starren Lauf der Zeit verlieren sich viele Intentionen und Träume.
Gut also, gibt es endlich das "Handbuch für Zeitreisende". Kathrin Passig und Aleks Scholz bieten mit diesem Ratgeber nicht nur eine Übersicht zur allgemeinen Thematik der modernen Urlaubsart, sondern räumen mit Falschwissen und verbreiteten Missverständnissen auf. Natürlich werden die beliebtesten und bekannten Epochen und Ziele noch einmal erläutert, dazu gibt es Geheimtipps und Hinweise auf viele, gern vergessene Gefahren.
Dargelegt wird alles in einer angenehmen und zugänglichen Sprache, mit genügend Witz und Ironie. Wir sehen uns damals, oder morgen.
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Hundstage
von Walter Kempowski
Wie an warmen Tagen, oder eben diese Hundstagen, schleppt sich der Roman von Walter Kempowski dahin. Etwa die Hälfte des Buches habe ich benötigt, um in einen Lesefluss zu gelangen, um die Geschichte amüsant zu finden. Doch leider bleibt auch so am Ende eine gewisse Leere zurück, die Geschichte verpufft in dem Nichts, aus dem sie gekommen ist. Schade eigentlich, denn Kempowski weiß seine Sätze wunderbar auszuformulieren und versetzt den Geschehnissen immer wieder eine gehörige Portion Sarkasmus.
Eine gewisse Grundkomik liegt dem Alltag und den Tätigkeiten des Schrifstellers Alexander Sowtschick, welcher bei "Hundstage" die Hauptrolle innehält, zugrunde, gewisse Details lösten aber zugleich unangenehme Gefühle aus. Möchte sich der Herr nun an den jungen Mädchen vergreifen? Trägt er wirklich die nationalsozialistische Vergangenheit mit Stolz in seinem Lebenslauf herum? Facetten, die nicht nur diese Figur lebensnah gestalten und besonders in den Dialogszenen für Vergnügen sorgt. Trotzdem bleibt am Ende nicht mehr übrig, als ein lauwarmer Wind.
Miracle Creek
von Angie Kim
Alle haben etwas zu verbergen, aber wirklich alle. Darum glaubt bloß nicht, bei "Miracle Creek" sei alles so einfach zu durchschauen, oder naheliegend, wie zuerst eventuell gedacht. Denn der Gerichtsprozess um Elizabeth, die scheinbar ihren eigenen Sohn bei einem Feuer in der Sauerstoffkammer der eben diesen Therapie umkommen ließ, offenbart immer weitere Facetten der menschlichen Abgründe.
Angie Kim bietet mit ihrem ersten Roman einen Thriller, der sich um die psychologischen Aspekte von verletztem Stolz, Kinder mit gesundheitlichen Problemen und drohender Armut widmet. Falsche Vermutungen und Neid vermengen sich zu einem gefährlichen Cocktail, niemand kommt ungeschoren davon.
Was für mich leider etwas zu viel des Guten war, weniger Missmut und rote Heringe hätten die Geschichte stärker atmen lassen. Denn die eingebauten Hintergründe um Träume und Migration boten, nebst dem technischen Fixpunkt der Therapie, eine angenehme Abwechslung in diesem Genre-Werk.
Gleichheit? Welche Gleichheit?
von Amartya Sen
Für mich war es ganz passend, dass dieser Aufsatz in der Reihe "Was bedeutet das alles?" von Reclam erschienen ist. Denn beim Lesen war dies für mich die zentrale Frage. Das Essay von Amartya Sen, welches sich aus ökonomisch-philosophischer Sichtweise der Güter- und Werteverteilung widmet, war ohne Vorwissen und Grundkenntnisse der nötigen Lehren sehr schwierig nachzuvollziehen. Was auf dem Klapptext als verständlich und sehr interessant angepriesen wurde, war eine Rede für ein Fachpublikum.
Das ist nicht der Fehler des Autors und Denkers, allerdings habe ich eine etwas erklärendere Formulierung erwartet. Das Nachwort ergänzt den Text aber mit gewissen Grundlagen und Umformulierungen, welche die Gedankengänge fassbarer machen. Inhaltlich ist "Gleichheit? Welche Gleichheit?" bis heute wichtig.
oder fairerweise ohne Wertung.
Re: Liquid-Love-Bücherthread
Deine Lesegewohnheiten erinnern mich irgendwie an Marcel Reich-Ranicki
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Dann würde es mich ja wunder nehmen, was du zum Leseverhalten von meiner Freundin sagst. Sie führt bei Instagram einen Bücherblog.
Re: Liquid-Love-Bücherthread
kurz mal drübergeschaut - das ist ja schlimmer als dem SFI seine Reclam Heftchen
Das ist genau der Kram mit dem man mich jagen kann
Das ist genau der Kram mit dem man mich jagen kann
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Naja, sie liest immerhin Belletristik. Ich weiß ja nun nicht, ob dir da meine kleinen Gelben besser gefielen!
Re: Liquid-Love-Bücherthread
weder noch
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Re: Liquid-Love-Bücherthread
Du meinst also, mit guter Literatur kann man dich jagen? Na, immerhin beweist du bei Musik einen offenen Geist.
Und SFI tut sich ganz klar schwerere Kost an als ich und meine Freundin zusammengerechnet.
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