Marvel will nun endgültig wissen, was aus dem globalen Markt zu pressen ist und liefert mit „Doctor Strange“ einen kulturellen Overkill von Welteroberer-Format. Nie hat sich das Studio vom psychedelischen Standpunkt aus betrachtet weiter aus dem Fenster gelehnt, nicht einmal, als Ant-Man sich in eine subatomare Mikro-Welt beförderte, indem er sich unendlich schrumpfte. Folglich ist Stranges täglicher Murmeltier-Besuch in der dunklen Dimension eine für einen Blockbuster recht surreale Angelegenheit, die selbst den abgebrühtesten Special-Effects-Kennern kaum einen Haltegriff zur Verfügung stellt. Richtungsangaben wie oben und unten, links und rechts, vorne und hinten werden einfach ausradiert, das im Kino noch ausgestellte 3D verliert ironischerweise jede Form und Bedeutung.
Bevor nun aber der Eindruck entsteht, man habe es mit einem Film der Avantgarde zu tun, sei gleich wieder geerdet: Konventionen bleiben Konventionen, selbst wenn man sie in ein schwarzes Vakuum mit leuchtend bunten Planeten kleidet. Zu Recht werden die spektakulären CGI-Effekte gelobt, auch weil sie endlich mal wieder mehr bedeuten als selbstgerechten Entertainment-Standard, aber sich auflösende Realitätsebenen in Form zusammengefalteter Großstadtfassaden, da steckt so viel „Inception“ drin, dass sich kein noch so unerfahrener Filmgucker verwirrt fühlen muss.
Gleiches gilt für den inzwischen allseits bekannten Benedict Cumberbatch, der gerade berühmt genug ist, um Zuschauer zu ziehen und dessen Profil dennoch eigenständig genug ist, dass er dem arroganten Chirurgen eine besondere Note verleihen kann. Gemeinsam mit dem rauschhaften Tempo, das vom Krankenhaus in Rekordzeit an die unerreichbarsten Orte führt, ist eher der Garant für den hohen Unterhaltungsfaktor, der im eigenen Cinematic Universe ganz oben mitspielt. Schade nur, dass Marvel sein Villain-Problem nicht in den Griff bekommt; wer über Mads Mikkelsen verfügt und doch nur so wenig Bösartigkeit aus dem Antagonisten gewinnt, hat ganz zweifellos ein strukturelles Problem, das endlich mal an der Wurzel gepackt gehört.
