Shaft

Mit Sonnenbrille und karierten Hosen über die Straße schlurfen, ohne sich um die heranfahrenden Autos zu kümmern... ist das noch cool oder qualifiziert das schon fürs Altersheim? Schwer zu sagen im "Shaft" der dritten Generation, der den geschmeidigen Ruf des schwarzen Dynamits nach dem Motto "Alles oder Nichts" in die Runde wirft und nicht unbedingt als Gewinner vom Tisch geht.
Aus dem straighten Actionkrimi mit zwei bockstarken Gegenspielern, mit der die Franchise vor 19 Jahren ins Eisfach geschoben wurde, ist jedenfalls eine alberne Generationenkomödie geworden, bei der die Shafts hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt sind, weil in den Reihen der Verbrecher offenbar nicht genug Gemüse nachgewachsen ist. Natürlich war schon die 2000er Ausgabe mit Samuel L. Jackson in der Blütezeit nicht vor Peinlichkeiten gefeit, wenn vom Weiß- und Schwarz- bis zum Knäckebrot die ganze Palette von Rassen- und Potenzthemen mit überdeutlichem Augenzwinkern weggesoult wurde, doch dahinter steckte immer noch ein beinharter Rassismus-Thriller, so dass auch ernsthaft-verbissen aufspielende Darsteller wie Toni Collette und Christian Bale nicht fehl am Platz wirkten, sondern den Ton des Filmes bereicherten.
Beim Shaft 2019 hingegen dauert es nur wenige Tage, da hat man glatt den kompletten Aufhänger vergessen. Man erinnert sich bald nur noch an die Kondome, die Papa Shaft seinem Sohn zum Kindergeburtstag hat schicken lassen, an kuriose Tanzduelle in der Disco und an den glänzenden Bart Jacksons, der soeben beim Sex gestört wurde. Noch dazu stellt das Drehbuch eine These auf, der Neuzugang Jessie Usher nicht standhalten kann: Coolness sei erlernbar. Aber selbst das Shaft-Intensivprogramm macht aus einem weichgespülten Bücherwurm keinen eiskalten Privatdetektiv. Der aus dem Generationenkonflikt gewonnene Humor mag auf ein sehr spezielles Publikum zugeschnitten sein und für dieses auch funktionieren. Problematisch wird es eben nur, wenn diese Art von Selbstverballhornung alles ist, was so ein Film an Reflektion zustande bringt. Trotz Roundtree (der aber auch erst sehr spät eingreift), trotz Jackson in Hochform - auch ein Shaft braucht einen anständigen Fall, um sich seine Glatze daran geschmeidig zu polieren.
(Jetzt auch mit richtigem Kurzkommentar):
Cabal

Als Karneval der surrealen Masken kann Clive Barkers zweite und vorletzte Regiearbeit nach wie vor eine gewisse Faszination ausüben, zumal es eine aussterbende Handwerkskunst ist, die hier ausgestellt wird. In den ausgefallenen Kulissen eines verwilderten Gartens voller Ruinen mitsamt eines unterirdischen Labyrinths scheint die Zeit verlangsamt; die Farne wehen in leichter Bewegung im Wind, das ausgeprägte Filmkorn scheint die Physik stoppen zu wollen und die Monster rauschen wie Geister an der Kamera vorbei. Man benötigt an einigen Stellen schon eine Standbildfunktion und muss eine Bild-für-Bild-Analyse anfertigen, um jedes einzelne Kostüm zu würdigen. Das Creature- und Artdesign folgt dabei überdeutlich den großen Fußstapfen von "Hellraiser". Es ist vom Wunsch beseelt, eine unergründliche Dimension der Dunkelheit zu erschaffen, die in Bezug auf Geist, Fleisch, Lust und Schmerz nach völlig anderen Regeln ausgelegt ist als die unsere.
Gerade dies gelingt dem Autoren nach seinem vielbeachteten Regiedebüt allerdings diesmal nicht. Nachdem er das Reich der Kreaturen mit einer Kultur und sogar einem sozialen Konstrukt ausstattet, wird es nicht mehr länger von der Aura des Unergründlichen umweht. Man sieht nur noch Schauspieler unter monströsem Latex anstatt der Dämonen in Menschengestalt, die in "Hellraiser" für Alpträume sorgten. Selbst wenn die Maskenbildner zu drastischen Mitteln greifen und Haut von Muskelsträngen lösen, bleibt es am Ende eben nur eine Verkleidung. Einzig David Cronenberg und seine Scarecrow-Maske verschmelzen zu einer überzeugenden Abnormität, was auch seiner beängstigend klinischen Darstellung zu verdanken ist. Einem Film wie "Freaks" hat gerade das zu seiner Menschlichkeit verholfen; entsprechend kontraproduktiv wirkt es sich in Barkers Welt des Horrors aus.
Auch Hauptdarsteller Craig Sheffer bleibt als Grenzgänger zwischen den Dimensionen blass, zumal sich die Motivation für sein Handeln als ein reines Stereotyp entpuppt. Es bleibt also nur das stimmungsvolle Ambiente und die spektakuläre Masse an handgemachten Effekten aus der Oberklasse, wegen derer "Cabal" in gewisser Weise sehenswert geblieben ist.
1922

Das "verräterische Herz" pocht diesmal nicht unter Holzdielen, sondern aus einem verschütteten Brunnen heraus, doch das anklagende Geräusch bleibt dasselbe. Risse in der Wand, wuselnde Ratten, die an die Oberfläche dringen, derartige Metaphern für das nagende Gewissen ziehen sich wie ein roter Faden durch die klassische Schauerliteratur. Stephen King hat diesem Allgemeinplatz mit seiner Novelle "1922" wohl einfach seinen eigenen Stempel aufzudrücken versucht, um sich in die Garde amerikanischer Schriftsteller einzureihen, die gerne auf Tuchfühlung mit ihren Wurzeln gehen.
Diese Grundlagen machen aus Zak Hilditchs Verfilmung automatisch eine hochgradig altmodische Angelegenheit, deren Ablauf nicht allzu schwer vorherzusagen ist. Das gilt erst recht bei dem sehr beschränkten Handlungsrahmen, der sich lediglich um 70 Hektar Land und altmodische Wertvorstellungen dreht. Was soll man da auch groß experimentieren?
Doch natürlich gehört gerade die Vorahnung zu den Haupteigenschaften des Suspense. Insofern könnte man auch sagen, dass die Vorhersehbarkeit des Drehbuchs zu seinen Stärken gehört. Gerade weil man weiß, was passieren wird, gewinnt das Unvermeidliche eine gewisse Intensität. Hinzu kommt die äußerst hochwertige Produktion: Der Kamera gelingen edle Einstellungen außerhalb und beklemmende Perspektiven innerhalb des Hauses, Thomas Jane legt sich enorm ins Zeug und Mike Patton entwirft einen grollenden Soundtrack, der das Drama bereits in den Abgrund des Horrors zieht, bevor die Schuldgefühle Unheimliches auf der Leinwand manifestieren. Vor allem Anfang und Mittelteil sind dadurch von dunklem Fatalismus durchzogen, der sich in der Einsamkeit spielend durchsetzt. Klug auch, dass dabei das begrenzte Budget im Auge behalten wird. Abgesehen von einer weniger gelungenen Einstellung, in der für Sekundenbruchteile schlecht ausgearbeitete CGI zum Einsatz kommen, beschränkt man sich auf dunkle Schatten im Flur, verfilzte Nagetiere auf dem Fußboden und ein wenig Make-Up für Heimkehrende aus dem Reich der Toten. Ein später noch hastig eingearbeiteter Subplot der Marke "Bonnie & Clyde" erscheint seltsam abseitig, was aber wiederum zur Perspektive des Familienvaters passt, aus dessen Sichtfenster heraus der Wahnsinn schließlich langsam in die Leinwand tröpfelt.
Dessen ungeachtet bleibt nicht allzu viel zurück, denn letztlich ist "1922" nichts anderes als der x-te Rückgriff auf die Werkzeuge des Edgar Allen Poe. Für die Dauer seiner Laufzeit verbreitet die King-Adaption eine beklemmende Stimmung, von der aber Minuten nach dem Abspann bereits nichts mehr zu spüren ist. Für eine Nachwirkung darüber hinaus hätte das Schicksal der Farmerfamilie vielleicht weniger nach historischem Holzschnitt und mehr nach menschlicher Tragödie aussehen müssen - obwohl gerade Thomas Jane alles in die Waagschale legt, um den Film in die letztere Richtung kippen zu lassen.
(Gute)
One Cut of The Dead

Schon wieder so ein bescheuerter Amateurfilm in Digitalkamera-Optik. Natürlich mal wieder im Found-Footage-Stil. Mit Zombies. Blau angemalt, als wolle man Tom Savini, dem Meister der Make-Up-Effekte, huldigen. Dabei winden sich bei weitem schon genug Fans in dessen Staub. Ein Wunder auch, dass das Filmteam überhaupt noch eine leerstehende Fabrikanlage gefunden hat; man sollte glauben, dass sie alle schon auf Monate ausgebucht sind. Entweder von anderen Nachwuchs-Hitchcocks, die Weißgottwas auf ihr eigenes Talent geben, oder von irgendeiner dahergelaufenen Heavy-Metal-Kapelle, die sich gerade für ihr neues Musikvideo filmen lässt. Immerhin können dann in der Drehpause alle zusammen Mittagessen gehen und den Black-Metal-Musikvideoregisseuren aus dem Wald gleich noch ein Bierchen vorbeibringen. "One Cut Of The Dead" bringt sich in Position wie so ziemlich jede Billighorrorproduktion aus aller Herren Länder: Hässliche Kulissen, schwachsinnige Dialoge, massig Anschlussfehler, eine Kameraführung, die seekrank macht, Schauspieler, die als Äquivalent für Notdurft durchgehen, kein Interesse an Dramaturgie oder Kontinuität. Und dann ist das Ganze auch noch ein Meta-Film, der die Dreharbeiten in die Handlung mit einbezieht, also auf das allseits berüchtigte Film-im-Filmgerüst herauszoomt. Da ist er wieder, jener Hauch von Postmoderne, für den der Amateurfilmer besonders anfällig ist, weil er regelrecht berauscht ist von dem bloßen Umstand, dass er hier überhaupt gerade einen Film dreht.
Als dann aber nach etwa einer halben Stunde der Abspann einsetzt, geht es endlich los. Ja, es bleibt meta und die Fähigkeiten der Filmemacher-im-Film verwandeln sich vom Neustart wachgeküsst auch nicht gerade von der Kröte in eine wunderschöne Prinzessin, aber plötzlich hat dieser Film etwas zu sagen, was andere allerhöchstens zu implizieren wussten. Im Schnitt wurde die verdammt mutige Entscheidung gefällt, das "One Cut" wirklich durchzuziehen und ewig lange darauf zu beharren, dass es sich hier um handelsüblichen Trash handelt, der von den direkt Beteiligten abgefeiert und vom Rest der Welt in der Tonne entsorgt wird. Schließlich werden nun 33% aller Zuschauer (diese Zahl ist natürlich eine reine Schätzung ohne statistische Grundlage) niemals erfahren, worum es eigentlich geht, weil sie schon beim ersten Heulkrampf des Zombie-Opfers abschalten.
Dabei ist "One Cut Of The Dead" in einer harsch gewordenen Kritiker-Kultur, in der sich jeder Kritiker nennen darf, der mal einen Film gesehen hat, von besonderer Relevanz. Es ist schließlich zum Volkssport geworden, Filme in der Luft zu zerreißen. Je härter, desto besser, müssen doch fleißig Likes geerntet und Follower an Land gezogen werden.
Indem nun die Mühe und der Einfallsreichtum direkt auf der Leinwand gezeigt werden, mit denen sogar noch ein Schundwerk wie "One Cut Of The Dead" versehen ist, gewinnt man natürlich nicht den zynischen Kritiker, der durchaus zu Recht einwirft, dass es nicht um den Aufwand geht, sondern um das Ergebnis, und dass der Einwurf "mach es doch erst einmal selbst besser" ein inhaltsleeres Totschlagargument ist. Trotzdem ist es schön, dass sich mal wieder jemand die Mühe macht, das in Schieflage geratene Verhältnis zwischen Produktion und Rezeption zu thematisieren. Wenn es dann auch noch in einer so charmanten, fast schon knuffeligen Art und Weise geschieht, um so besser. Es muss ja nicht immer gleich der Stinkefinger sein.
Stranger Things / Stranger Things 2 / Stranger Things 3

"Stranger Zone" wäre ein schöner Alternativtitel gewesen, wenn man es sich recht überlegt. Schließlich liegt es in der Absicht der Duffer-Brüder, Zonen zu überschreiten. Vom Digitalen ins Analoge, vom Normalen ins Paranormale, vom Jahr 2016 ins Jahr 1983. Selbst die Buchstaben des neonrot leuchtenden, langsam von außen ins Bild gefahrenen Titels sind eine typographische Nachbildung der "Twilight Zone" und der "Dead Zone". Der Kaninchenbau ist nur einen Schritt weit entfernt; in der Asthöhle eines Baumes im angrenzenden Wald vielleicht oder auch gleich hinter der Tapete der Wohnzimmerwand. Die Figuren gleiten zwar regelrecht willenlos durch das Erlebte, durchstoßen dabei aber ungewollt harte Barrieren, als würden sie in einer Kabine mit aktiviertem Steigbügel durch eine Geisterbahn gefahren werden, während sich alle paar Meter die Szenerie komplett verwandelt. So viel zur Wahrnehmung einer Gruppe Heranwachsender; so viel zum Coming-Of-Age.
So wie sich die Felgen der BMX-Räder im Mondschein spiegeln und die Zimmer der Jugendlichen mit Postern von Mystery- und Horrorklassikern tapeziert sind, muss man sich keinerlei Hoffnung machen, dass die echten 80er Jahre wieder zum Leben erweckt werden, so wie sie damals erlebt wurden. "Stranger Things" ist vielmehr eine Schein- und Kunstwelt, gebunden an Phänomene der damaligen Popkultur. Die gesamte Ästhetik der Produktion bezieht sich auf die fiktive Filmrealität, die zu jener Zeit das Kino beherrschte. Wenn man davon ausgeht, dass es im Phantastischen Kino der 80er hauptsächlich um Eskapismus ging, könnte man also sogar behaupten, mit den 80ern im eigentlichen Sinne habe das alles gar nicht viel zu tun. Das eigentliche Monster der ersten Staffel ist also vielleicht nicht der Demogorgon, der bemerkenswerterweise - gar nicht mal so stilecht- mit dem Computer zum Leben erweckt wurde anstatt durch Animatronik und Puppeneffekte. Es ist die Serie selbst, ein perfider Gestaltwandler, der sich als etwas ausgibt, das er nicht ist.
Die Trigger funktionieren natürlich dennoch. Angehörige der Geburtenjahrgänge 70er bis frühe 80er müssten schon sehr emotionslos sein, um diese Serie nicht zumindest mit einem nervösen Zucken zu registrieren. Schließlich ist eine komplette Generation gerade durch all diese bunten Klassiker miteinander verbunden, die von den Duffers so eifrig zitiert werden. Weil die zunächst achtteilige Serie auch noch die Dramaturgie eines langen Kinofilms verfolgt, wird es wohl auch nicht viele Querein- oder Aussteiger gegeben haben; wenn man überhaupt Pausen einlegt, dann am Ende einer Staffel. Die Folgestaffeln würden das filmische Konzept dann auch fortführen; eine große "2" bzw. "3" hinter der Titeleinblendung zeugt davon, dass man sich eher als klassische Movie Franchise versteht.
So wird man also von vorne bis hinten mit Fragmenten bedient, die an das drei Jahrzehnte jüngere Ich in uns appellieren, und das mit einer analytischen Präzision, die mehr als berechnend wirkt. Der Netflix-Kunde ist hier die Art König, die von von ihren Dienern genau das bekommt, was sich in ihren Gesichtern ablesen lässt... was bekanntermaßen nicht immer zum Glück führt. Vielleicht fühlt sich das Ende der ersten Staffel deshalb so leer an, vielleicht bleibt deshalb trotz allerbester Unterhaltung ohne eine Spur von Leerlauf so wenig zurück: Was fehlt, ist das überraschende Moment, die eine schief gespielte Note oder eben der kleine Kniff, der gerade deswegen so gut passt, weil er nicht so schrecklich vorhersehbar ist.
Dabei macht gerade die erste Staffel nichts offenkundig falsch. Kinder zu den Leads zu erklären, ist eine riskante Entscheidung, die aber letztlich belohnt wird. Angetrieben von teils außergewöhnlichen Darstellern ist ihre Gruppendynamik zweifellos das Herz der Serie, wobei vor allem Finn Wolfhard, Gaten Matarazzo und natürlich Millie Bobby Brown wie Sprungfedern auf den Kreislauf der Kleinstadtkonstruktion einwirken. Dazu kommen sehr gut gecastete Erwachsenen-Darsteller wie Winona Ryder und David Harbour. All diese Figuren sind natürlich reinste Abziehbilder der Marke "Goonies" oder "Monster Squad", aber so gut wie alle Hauptfiguren wissen die Klischees sehr charmant über den Bildschirm zu geleiten. Lediglich bei den Nebenfiguren wie Nancy (Natalia Dyer) und Steven (Joe Keery) geht der Plan noch nicht ganz auf, die Schablonen zu durchbrechen und mit ungewöhnlichen Entwicklungen zu überraschen.
Die zweite Staffel ist vielleicht auch deswegen die schwächste, weil es ihr nicht gelingt, an diesem Umstand etwas zu verändern. Obgleich sie sich angeboten hätte, eine komplett neue Bedrohung auf den Plan zu bringen, begnügt sie sich lieber damit, die Mythologie der ersten Staffel nach Vorbild des "Alien"-Zyklus auszudehnen. Neue Nebenfiguren wie die jungenhafte Max (Sadie Sink) und ihr rüpelhafter Bruder Billy (Dacre Montgomery) oder der herzlich-naive Everyman Bob (Sean Astin) erweitern das Repertoire und zementieren den Eindruck, dass jetzt alles ein bisschen größer und vielfältiger wirkt. Neben dem Cast gilt das auch für das Setting, die Effekte, die Menge der Subplots und die Bedrohung, die durch einen spinnenartigen Monolithen erweitert wird. Nebenbei erkundet die mit übernatürlichen Kräften ausgestattete Eleven ihre Ursprünge im Stil einer Origin-Geschichte, was die ganze Geschichte viel zu nah an den Rand aktueller Superheldenverfilmungen befördert - ein Bezug zur Jetztzeit, den man eigentlich um jeden Preis hätte verhindern müssen. Überhaupt zeigt eine letzte herzzerreißende Szene auf dem Schulball, dass es längst nicht mehr die Monster und Spezialeffekte sind, bei denen die Serie ihre Stärken ausspielt, sondern die immer noch sehr jungen Charaktere, die einem langsam ans Herz wachsen.
Es würde aber letztlich bis zur dritten Staffel dauern, bevor sich das Abziehbild von der Vorlage endlich komplett lösen würde. Nicht nur die Darsteller haben nach zwei Jahren Drehpause einen gewaltigen Schuss in die Höhe gemacht, auch die Welt, in der sie leben, hat sich extrem gewandelt. Eine große Mall wird zum Hauptschauplatz von "Stranger Things 3". Oft in Aufsicht abgefilmt, verheißt sie für die frisch gebackenen Teenager eine aufregende Zukunft, die zugleich einen Abschied von der Ungezwungenheit aus Kindheitstagen bedeutet. Selbst wenn die Serie im dritten Jahr mit einigen Charakteren eine Spur zu hysterisch umgeht (allen voran David Harbour, dessen Rolle zum lebenden HD-Männchen in Miami-Vice-Montur umgeschrieben wurde, womit er aber die Coolness eines Tom Selleck auch wieder herzhaft demontiert), weiß sie doch wieder besonders schöne Dinge mit der zentralen Gruppe anzustellen. Und diesmal funktionieren sogar die Nebenfiguren: Joe Keery hat sich längst vom Ekelpaket zum Sympathieträger gemausert, Maya Hawke kitzelt diese Eigenschaften vielleicht erst aus ihm heraus, Dacre Montgomery gibt der bis dahin deformierten Bedrohung ein menschliches Gesicht und Sadie Sink, so nervig ihre Rolle inzwischen auch angelegt ist, stellt Wunderbares mit dem Dreh- und Angelpunkt der Serie an, denn durch sie wird Millie Bobby Brown zur ganz normalen Teenagerin, die sich so irrational verhält, wie sich Mädchen in diesem Alter eben verhalten - was herrliche Szenen rund um die Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Geschlechtern zur Folge hat.
Darüber hinaus hängen die Filmzitate diesmal nicht mehr bloß an der Wand, sondern sind schlüssig in den Plot eingebettet. Die Zombies von George A. Romero, das "Ding" und die "Körperfresser" legen sich auf das Kleinstadtgebälk nieder und sorgen für die bislang schönsten Bilder der gesamten Serie, die natürlich aufgrund des anhaltenden Erfolgs inzwischen auch mehr Budget zur Verfügung hat. So fleischig-schleimig, wie die Kreatur inzwischen Menschen in sich aufsaugt, könnte man beinahe vergessen, dass die sich auflösenden Körper offensichtlich wieder nur mit dem Computer realisiert wurden. Und doch - was wären das für tolle Bilder gewesen, hätte man für das Finale im Feuerwerk eine gigantische animatronische Puppe in der Mall aufgestellt. Dann hätten die Duffer-Brüder die Herzen der Zielgruppe vielleicht ein für allemal gewonnen.
