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Originaltitel: Re-Cycle / Gui cheng
Herstellungsland: Hongkong
Erscheinungsjahr: 2006
Regie: Danny Pang, Oxide Pang Chun
Darsteller: Angelica Lee Sin Je, Rain Li, Lawrence Chou, Lau Siu Ming, Ekin Cheng
“Recycling” kann man es wahrlich nennen, was die Pang Brothers 2006 auf die Leinwand brachten. Der Surrealismus ist ein nur zu gerne gepflegter Vorwand, intelligente Geschichten zu erzählen, die dann oft nach vollständiger Entschlüsselung so beeindruckend gar nicht mehr sind. Vielmehr endeten sämtliche Ausflüge einer weiblichen Protagonistin aus der problembehafteten Realität in eine Fantasiewelt mit der gleichen moralischen Essenz: Die Probleme des wirklichen Lebens sind nicht wirklich das Ende der Welt, denn die Welt dreht sich immer weiter. Es kommen neue Probleme, die alten werden bewältigt. Und so steht am Ende eine geläuterte Hauptfigur, die ihr Leben wieder genießen kann, weil sie alles relaxter sieht. Das ist nun mindestens seit Disneys “Alice im Wunderland” immer wieder der Fall - zuletzt 2005 in Großbritannien mit “MirrorMask”. Was “Re-Cycle” nun variiert, ist lediglich die klar pessimistischere Auflösung, deren Twist am Ende jedoch auch nichts neues erzählt.
Doch zum Glück ist der neue Film der “The Eye”-Macher ein visuelles Kunstwerk der Extraklasse geworden, und so wird folgendes geschehen: Die Zuschauer spalten sich in zwei Lager. Eines, das die narrativen Unzulänglichkeiten kritisiert, und eines, das sich von der Originalität der Bilder gänzlich gefangen nehmen lässt.
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Dass die erste halbe Stunde irritierenderweise noch puristisch mit dem bisher starren Mechanismus des Asiahorrors der letzten sieben, acht Jahre spielt, ist ein bemerkenswertes Detail am Rande. Denn mit der amerikanischen Verfilmung des japanischen Videospiels “Silent Hill” deutet sich langsam eine Wachablösung der kleinen Mädchen mit den schwarzen Haaren an hin zum abstrakten, deformierten Psychohorror, der zwar schon vorher existierte, aber erst jetzt langsam den Mainstream erobert. “Re-Cycle” bietet einen nahtlosen Übergang, baut noch den Geistermädchen-Stereotyp ein, verzichtet aber beispielsweise schon auf die stierenden Augen, um dem bösen Geist stattdessen eine gesichtslose Masse zu verpassen, eine Cronenbergsche Fleischwulst. Der Horror verliert von seiner materiellen Manifestation und wird geisterhaft. Den Übergang markiert daher eine Reminiszenz an “Dark Water”, und ein Mädchen mit schwarzen Haaren steht im Aufzug und versinkt im Boden, verliert seine Materialität. Und dann ist man auch schon in der Parallelwelt. Vorbei die schemenhaften Umrisse einer fremden Person in der eigenen, leeren Wohnung, keine verräterischen Haare mehr in der gestochen scharfen und minimalistisch eingerichteten Küche - nun gestalten Hieronymus Bosch und Salvador Dalí gemeinsam ein alptraumhaftes Treppengewinde, das aus den Seitengassen Tokios abgeleitet zu sein scheint, mit seinen im Nichts endenden, brüchigen Stufen eine architektonische Absurdität darstellt.
Die ambitionierte Hauptdarstellerin Angelica Lee wird nun als verzweifelte, von Unruhe und möglicherweise Schuldgefühlen geplagte Autorin durch diese fremde Welt gejagt. Zum einen von passiven Angreifern, wofür die Pangs vor allem das klassische Zombietum in Anspruch nehmen. Tote Menschen mit verfaulten Gesichtern, die in Massen gedankenlos durch eine sich ständig verändernde Umgebung wandeln, eine bizarre Umkehr zur Realität, in der die Menschen lebendig sind und die Welt um sie herum auf den ersten Blick tot erscheint, um lediglich auf äußere Einflüsse zu reagieren, wie der Baum im Sommer seine Blätter füllt und sie im Herbst verliert. Tsui Ting-Yin (Angelica Lee) zwängt sich zwischen den kafkaesken Gestalten hindurch, um ein übergeordnetes Ziel zu erreichen. Im Wald hängen Menschen am Strick, schweben geisterhaft auf den Eindringling zu mit ihren in die Länge gezogenen Hälsen und schreien ihr mit totem Gesichtsausdruck ins Ohr, unnatürlich schlaksig und verbogen, eindeutig inspiriert durch “Silent Hill 4".
Auf der anderen Seite zwei zielgerichtetere bösartige Verfolger, die Tsui nicht instinktiv, sondern intentional verfolgen, darunter die Abstraktion des Mädchens mit den schwarzen, langen Haaren, aber begleitet von einer fleischlichen Mutation mit leeren Augenhöhlen. Sie zeigen mit Fingern auf die Frau und gleiten ihr nach. Zwei Klassen der Bedrohung, eine aktive und eine passive.
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Neu ist es nicht, aber effektiv und vor allem optisch innovativ, oder zumindest nicht stagnierend. Ebenso obligatorisch sind die freundlichen Helfer, die in der Fremde als Stützen und Wegweiser fungieren. Es hat storytechnisch alles seinen Sinn, daran besteht kein Zweifel. Aber dennoch würde man sich wünschen, einmal von diesem Stereotyp, das nahezu bereits ein Klischee ist, befreit zu werden.
Nur dann sieht man die detaillierte, postapokalyptisch veränderte Wohngasse mit ihrem riesigen Jahrmarktsrad am Ende, über einem leuchtend gelben Himmel, und man ist geneigt, den vorhersehbaren Begegnungen nicht weiter Beachtung zu schenken. Insgesamt zwölf stilistisch vollkommen unterschiedliche Ebenen werden aufgeboten, jede mit eigener Farbgebung, Artdesign, Beleuchtung und Architektur. Wenngleich manche Übergänge etwas bemüht erscheinen, so entwickelt sich die Reise durch die Geisterwelt doch als faszinierender Tunnel mit Stationen wie Welten, die sich mit ihrer Ausdrucksstärke allesamt gegenseitig ausstechen.
Wie schon in Christophe Gans’ “Silent Hill” leidet darunter ein wenig der Horror-Faktor, der gegen das Staunen über die Kulissen von Art Director SirLaosson Dara und die Effekte von Ng Yuen Fai ankämpfen muss und hier einfach nicht gewinnen kann. Gerade die eigentlich im Ansatz klaustrophobische Kulisse der Brückenüberquerung ruft verhältnismäßig wenig Spannung hervor, allerdings ist das ein Opfer, das man bei dieser Form des Surrealismus wohl zwangsläufig in Kauf nehmen muss - vermutlich nehmen sich der Grusel- und der Sensationseffekt rezeptiv gegenseitig die Wirkung. Insofern stellt es einen gelungenen Kontrast dar, dass zumindest die erste halbe Stunde dezenten, aber intensiven Horror aufzubauen imstande ist, wenn auch für sich alleine betrachtet zu unoriginell gegenüber den vielen Vorläufern, die Ähnliches und noch mehr bereits gezeigt haben.
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Doch darauf kommt es nicht im Geringsten an. “Re-Cycle” ist in jedem Fall ein visuelles Meisterstück, dem jedoch leider keine entsprechend faszinierende Story zugrunde liegt. Der doppelte Plottwist - einer davon bereits mehrfach in der Geisterwelt angedeutet und damit vorhersehbar - ist ganz nett, entlarvt die opulent aufgetürmte Symbolik letztlich aber doch wieder nur als persönliches Problem der Hauptfigur, die mit sich selbst zu kämpfen hat. Alles wie gehabt. Das enttäuscht schon deswegen, weil es durchaus Momente gibt, in denen man glaubt, “Re-Cycle” breche endlich die Grundfesten der alten “Alice im Wunderland”-Geschichte auf und biete mit dem Schlussakt eine augenöffnende Erkenntnis. Dies geschieht dann leider doch nicht und so bringt auch das etwas düstere Ende nicht mehr den gewünschten Quantensprung, er verdunkelt lediglich ein wenig den Abspann. Dennoch für Optik-Gourmets eine herbe Erfahrung, die sich für sehr lange Zeit ins Gehirn einbrennen wird.
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Von Splendid kommt eine sehr schön aufgemachte, auf 5.000 Stk. limitierte Special Edition. Enthält zwei DVDs in zwei Digis, die in ein großes Digi geklebt sind (!) sowie zwei (!) Booklets mit Artworks. Revie gibt es bei den Kollegen von dvdnarr.com
Weiterhin gibt es eine Single-Disc-Version und ein 2-DVD-Set im Amaray soll auch schon gesichtet worden sein.