[CD] The Mars Volta - The Bedlam in Goliath

Eindrücke, Klangchecks aktueller aber auch älterer Scheiben im Review. Dazu Musik DVDs und Konzertberichte.

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[CD] The Mars Volta - The Bedlam in Goliath

Beitrag von Vince » 07.02.2008, 13:55

The Mars Volta
The Bedlam in Goliath

Bild

Technische Daten
Vertrieb: Universal Records
Laufzeit: 75:52 Min.
Anzahl der Tracks: 12
Extras: Keine; nur auf Sekundärmedien (Amazon, Band-Homepage)
Booklet: 12 Seiten
Verpackung: Super Jewel Case

Besetzung:

• Omar Rodriguez-Lopez – Gitarre
• Cedric Bixler-Zavala – Gesang
• Isaiah Ikey Owens – Keyboard
• Juan Alderete – Bass
• Thomas Pridgen – Schlagzeug
• Marcel Rodriguez-Lopez – Percussion
• Paul Hinojos – Gitarre
• Adrián Terrazas-González – Flöte, Tenor, Saxophon, Sopran-Saxophon, Bassklarinette

Gastmusiker:
• John Frusciante – Gitarre

Tracklist
1. Aberinkula – 5:45
2. Metatron – 8:12
3. Ilyena – 5:36
4. Wax Simulacra – 2:39
5. Goliath – 7:15
6. Tourniquet Man – 2:38
7. Cavalettas – 9:32
8. Agadez – 6:44
9. Askepios – 5:11
10. Ouroboros – 6:36
11. Soothsayer – 9:08
12. Conjugal Burns – 6:36


Kritik
Progression bedeutet Fortschritt und wenn wir diese Gleichung so auslegen, dass Reflexion, Referenz und Hermeneutik in der Progression nichts zu suchen haben, so sind The Mars Volta die Superfreaks der Progression. Denn über die Vergangenheit denkt hier niemand nach. Vielmehr dreht sich alles um die Frage: Wie befördere ich die Gegenwart in die Zukunft? Die Antwort lautet: mit übereifernder Produktion, die sich irgendwann noch mal selbst überholt. Ultraspeed-Superfreak.

Die Kritik muss aber das tun, wofür The Mars Volta in ihrer Musik keine Zeit haben: sie muss reflektieren. Nun möchte man sich aber als Rezensent dem Life on the Fastlane anpassen und keine Zeit verlieren, die neue Scheibe zu rezensieren, denn irgendwie hat man im Gefühl, eine Rezension wäre in einem halben oder einem ganzen Jahr überflüssig. Der Vorgänger “Amputechture” zählt im Grunde jetzt schon überhaupt nichts mehr. Innerhalb von fünf Jahren erschienen vier multiplexe Progressive-Balken von jeweils weit über 70 Minuten Laufzeit und langsam kommt man zu dem Punkt, zu fragen, wo die Grenzen der menschlichen Aufnahmekapazität sind. Da bleibt kaum mehr, als sich auf die aktuelle Wirkung zu berufen. Wie sieht die im Falle “The Bedlam in Goliath” aus?

Halten wir für die Nachwelt fest: das vierte Volta-Album ist eine einzige Fraktur. Man möchte es gerne als Schwäche auslegen, dass die Scheibe offenbar nicht für sich selbst stehen kann oder will, weil begleitend ein Online-Spiel angeboten wird, um der Interaktivität ein Podium zu geben. Auf der Homepage werden zusätzlich in regelmäßigen Abständen “Webisoden” veröffentlicht und das Konzept des Albums erschließt sich in erster Linie nicht aus den Texten oder der Musik, sondern aus Interviews mit der Band im Vorfeld. Dabei ermüden Geschichten von geheimnisvollen Ouija-Brettern, die von einem Bandmitglied zum Geburtstag für ein anderes gekauft wurden und die Aufnahmearbeiten “verhext” hätten, langsam aber sicher. Man kennt diese Art der Mythenbildung schon zu genüge von Filmsets, wo bei Geisterfilmen grundsätzlich unsichtbare Kräfte umherspuken. Hier ist halt ein im Orient erworbenes Ouija-Brett der Übeltäter und das sorgt schon mal für reichlich Klischees.

Die musikalische Ausrichtung indes hat sich kein Stück verändert. Aller Schlenker zum Trotz geht es auf lange Distanz nach wie vor straight forward, immer weg von dem, was bereits erreicht wurde. Ob dabei neue Gebiete erschlossen werden, muss jeder Hörer für sich entschlüsseln. Die technische Virtuosität der Herrschaften macht es zumindest möglich, andererseits hat sich im groben Stil nicht das Geringste geändert. Cedric Bixler-Zavala kreischt sich nach wie vor dermaßen extrovertiert die Seele aus dem Leib, als wolle er irgendwas ausdrücken, das man gar nicht ausdrücken kann. Zwar sind die Latin-Einflüsse inzwischen weitgehend gewichen, dafür kriechen zunehmend Free Jazz-Einflüsse in die tiefsten Eingeweide. Die Geschwindigkeit hat soweit zugenommen, dass man jeden Moment den schmerzhaften Knall erwartet. Gerade überholen wir auf einem fliegenden Teppich einen Überschall-Jet und winken dem verdutzten Piloten zu. “De-Loused in the Comatorium” klingt inzwischen im Vergleich geradezu lethargisch. Speziell “Goliath” beschleunigt mit jeder Sekunde und als Bixler-Zavala unmittelbar vor einem Gitarrensolo “Watch me now” schreit, ist der Herr bereits Augenblicke später wieder Lichtjahre entfernt - wie sollen wir ihn da anschauen?

Zumindest während der ersten paar Durchgänge ist “The Bedlam in Goliath” unhörbarer als alle Platten zuvor. Noch dazu klingt der Sound ein wenig matschig, bis dann natürlich irgendwann die Differenzierung und Sortierung eintritt. Da erkennt man dann hier und da sogar mal eine eingängige Melodie oder etwas in der Art und irgendwann stellt sich der Dank ein für einen weiteren Drehkubus, an dem man mindestens bis zum nächsten Output zu knabbern hat. Dann wirft man ihn weg, weil man sich ja schließlich mit dem neuen Kubus beschäftigen muss, bevor auch schon der übernächste auf den Markt geworfen wird. Und doch, mit den ersten ein, zwei Kuben bin ich nach wie vor beschäftigt; nicht, weil sie mir mehr Rätsel aufgeben würden - diesbezüglich hat die Qualität der “Mars Volta”-Outputs unglaublicherweise nie auch nur im Geringsten gelitten - sondern weil sie einfach mehr Charme haben. “The Bedlam in Goliath” hat sehr viel Beschäftigungswert, aber eher wenig darüber hinaus.
:liquid7:

Artdesign
Diesmal im abgerundeten Super Jewel Case geht das grundsätzöiche Coverartwork mit Künstler Jeff Jordan bekannte Pfade: Nach "Amputechture" ist "Bedlam in Goliath" nun auch auf den ersten Blick als "The Mars Volta"-Scheibe zu identifizieren. Sowohl auf dem Front- als auch auf dem Backcover wird sehr mit Größenverhältnissen gespielt und wer mal auf Jeff Jordans Homepage war, wird erkennen, dass dies grundlegend in seinem Stil verankert ist. Das Motiv geht auf die Thematik ein. Der Innenraum des Booklets derweil spielt mit religiöser Ikonik.
:liquid7:

Extras
Das Album selbst verfügt über keinerlei Extras; wie in der Rezension erwähnt, lässt sich jedoch auf Amazon ein begleitendes Online-Spiel finden und die Homepage der Band bietet weiterführendes Dokumaterial.
:liquid0:

Fazit
Wer sich noch mit "The mars Volta" umgehend befassen will, sollte besser schnell einsteigen, denn irgendwann kommt man einfach nicht mehr mit. Die Kost ist inzwischen gewohnt, aber nach wie vor dermaßen komplex, dass der Verstand insbesondere in Kombination mit den Vorgängerwerken zu zerbrechen droht.

Testequipment
AIWA NSX-SZ315

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Beitrag von EatenAlive » 07.02.2008, 14:07

Mmh mit Mars Volta und mir ist es so eine Sache, für die De-Loused liebe ich sie, für jedes darauf folgende Album hasse ich sie. Ich hatte schon bei der Amputechture kaum noch Lust mich einzuarbeiten, weil ich am Ende trotzdem enttäuscht war. Kritiken wie die von Laut.de gehören trotzdem verboten...
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Beitrag von Vince » 07.02.2008, 14:44

Naja, diese 0-Punkte-Noten sind bei solchen Alben halt immer ein guter Indikator für Polemik, allerdings merkt man der Laut.de-Kritik halt schon an, dass man sich hier gar nicht erst die Mühe gemacht hat, ins Album einzusteigen. Da wird dann doch relativ willkürlich mit intelligent wirkenden Phrasen um sich geworfen, die aber letztendlich nichts weiter tun als den oberflächlichen chaotischen Eindruck zu beschreiben, der vielleicht beim ersten oder zweiten Mal hören rauskommt.

Ich will nämlich schon meinen, dass die neue Scheibe was auf dem Kasten hat, deswegen von mir auch die verhältnismäßig gute Note... aber der Spaßfaktor ist, wie du schon sagst, klar zurückgegangen.

Ich bin ja auch ein Vergötterer von "De-Loused", allerdings bin ich auch hartnäckig und deswegen gewinne ich auch noch regelmäßig den Nachfolgealben etwas ab, sie landen zumindest immer mal wieder im CD-Spieler.

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Beitrag von Hannibal » 11.02.2008, 16:42

Vince hat geschrieben:Naja, diese 0-Punkte-Noten sind bei solchen Alben halt immer ein guter Indikator für Polemik, allerdings merkt man der Laut.de-Kritik halt schon an, dass man sich hier gar nicht erst die Mühe gemacht hat, ins Album einzusteigen. Da wird dann doch relativ willkürlich mit intelligent wirkenden Phrasen um sich geworfen, die aber letztendlich nichts weiter tun als den oberflächlichen chaotischen Eindruck zu beschreiben, der vielleicht beim ersten oder zweiten Mal hören rauskommt.
[...Möge die Schlacht beginnen...]

Ist es nicht so, dass man selbst in dem größten Chaos irgendwann eine gewisse Regelmäßigkeit erkennt? Ist das Chaos deshalb gut? Und ist es oberflächlich, wenn man sich diesem Chaos verweigert? Wenn du mir 2 Wochen lang ununterbrochen "The Mars Volta" vorspielst, kann ich in 2 Wochen sicherlich ein paar Lieder mitsummen. Wenn du vor mir 2 Wochen lang mit einer Eisenkralle über eine Pfanne kratzt, kann ich die Geräusche 2 Wochen später ebenfalls imitieren. Ich weiß, der Vergleich ist gewagt, aber wenn man es geschickt anstellt, kann man aus allem Kunst machen und irgendwelche Leute werden dann Pfannen-Kratzen für Kunst halten und jeden, der bei dem Geräusch das Gesicht verzieht wird gesagt, dass man die metaphorischen Ebenen dieser progressiven Klangwelten einfach nicht nach einmal oder zweimal Hören erfassen kann.
Ich hab mich für meine Verhältnisse recht ausführlich mit "TMV" auseinandergesetzt und mir erschließt sich das Genie hinter dieser Truppe nicht. Gegen die Arrangements der Instrumente ist ja nichts zu sagen, aber der Gesang ist einfach jenseits von Gut & Böse. Kann das wirklich Leuten gefallen? Oder ist der Vergleich mit der Pfanne doch nicht so unangebracht?

Feine Review btw :-)

*duck*

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Beitrag von Carcass77 » 11.02.2008, 20:37

Schönes Review, Vince!

Ich weiß allerdings nicht, ob ich mir die Band antuen sollte, interessieren würde sie mich ja schon. :wink: Gibt es wenigstens im Ansatz Vergleiche zu anderen Bands?

Habe Dir (und wayne's sonst noch interessiert) mal das Interview aus der letzten Rock Hard eingescannt:

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Beitrag von Vince » 11.02.2008, 22:40

Carcass77 hat geschrieben: Gibt es wenigstens im Ansatz Vergleiche zu anderen Bands?
Nein! :wink:

Vielleicht ansatzweise "Portugal. The Man", so vom Stil, aber die sind viiiiiiieeeeel zugänglicher. Aber wozu gibts Myspace, da findest du ja sicher ein paar Ausschnitte. Ich wiederhole es an dieser Stelle gerne nochmal: das The Mars Volta-Debüt "De-Loused in the Comatorium" ist für mich wahrscheinlich das wichtigste Album in diesem Jahrtausend.

Danke für den Artikel, les ich mir in Kürze mal durch.

@Hannibal: Mit solchen Totschlagargumenten kann ich nicht wirklich was anfangen. Im Grunde sagst du ja nix anderes, als dass man eigentlich alles scheiße finden kann, wenn man nur will. Metallica und Dream Theater kann ich mit genau dieser Haltung auch demontieren.

Ich habe in die Musikkultur auf jeden fall genug Vertrauen, dass sie dazu imstande ist, die Spreu vom Weizen zu trennen und "The Mars Volta" sind ein unglaublich wichtiger Baustein in der jüngsten Musikgeschichte. Daran ändert sich auch nix, wenn ein paar Leute (logischerweise, was sollte man sonst bei solch experimenteller Musik erwarten?) nur Chaos darin sehen. Nur deswegen wird eben noch lange kein sinnloses Chaos daraus.

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Beitrag von Hannibal » 12.02.2008, 17:18

Vince hat geschrieben:@Hannibal: Mit solchen Totschlagargumenten kann ich nicht wirklich was anfangen. Im Grunde sagst du ja nix anderes, als dass man eigentlich alles scheiße finden kann, wenn man nur will.
Ne, eigentlich sag ich, dass man alles gut finden kann, wenn man's nur oft genug gehört hat. Dazu dann die Frage, ob's dann auch wirklich gut ist oder ob dieses Gut-Finden nur aus der Hörgewohnheit resultiert. Weil ich behaupte mal, wenn man mir 2 Wochen lang ununterbrochen Sido oder sowas vorspielt, summ ich es danach halt auch mit und kann dem Kram was abgewinnen. Ich hab halt irgendwie ein Problem damit, wenn gesagt wird "Das erschließt sich nicht beim 1. oder 2. Hören." (im Bezug auf die Laut.de-Kritik). Weil ich stelle mir die Frage, ob sich ein Lied nach 20maligem Hören aufgrund der Genialität des KÜnstlers oder einfach aufgrund der Hörgewohnheit erschließt. Antwort hab ich darauf allerdings selbst keine...
Metallica und Dream Theater kann ich mit genau dieser Haltung auch demontieren.
Völlig korrekt.....hat mir mein Vater sogar schon bestätigt. Der hält Metallica für Krach. Letztens hab ich ne CD im Autoradio gelassen und vor 2 Wochen kam er dann zu mir: "Hm, die CD is richtig cool."...nur weil er es halt die letzten 14 Tage auf dem Weg zur Arbeit hören musste. Wäre das mit einer Mars Volta-, Sido-, Dream Theater- oder Porcupine Tree-CD nicht dasselbe gewesen? Und bei welchem Künstler ist das dann auf die Genialität und bei wem auf bloßes Anpassen der Hörgewohnheiten zurückzuführen?

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Beitrag von Vince » 12.02.2008, 22:47

Dazu kann ich dir nix sagen, weil ich dieses Phänomen noch nie mitgekriegt habe, dass Musik besser wird, wenn man sie nur oft genug hört. Schlechte Musik werde ich immer als schlecht empfinden, egal wie oft ich sie hören muss. Bestes Beispiel: Radiocharts. Die hört man ja eigentlich ständig ungewollt, besser sind sie dadurch aber in meinen Ohren nie geworden.

Es ist nun mal was dran an der These, dass komplexe Musik sich normalerweise nicht auf Anhieb erschließt, sondern erst reifen muss. Am stärksten hab ich das bei meinem ersten Tool-Album erfahren. Ich denke, du bringst da einfach zwei unterschiedliche Dinge durcheinander und meinst deswegen, dass das einfach ein Routinephänomen ist, dass solche Musik wie "The Mars Volta" auf Dauer besser wird. Das ist aber ganz sicher nicht der Fall. Ich denke auch, da würden dir nicht nur sämtliche Kritiker, sondern auch Millionen von Prog-Hörern (bzw. es muss ja nicht mal Prog sein, andere Musikrichtungen brauchen ebenfalls Zeit) widersprechen. Aber du bist auch einfach nicht der Typ für Musik, die sich erschließen muss und deswegen verstehst du das vielleicht nicht so ganz.

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Beitrag von Hannibal » 12.02.2008, 23:25

Vince hat geschrieben:Es ist nun mal was dran an der These, dass komplexe Musik sich normalerweise nicht auf Anhieb erschließt, sondern erst reifen muss.
Aber was für ein Reifen ist das? Ist doch grundsätzlich nichts anderes, als sich an das komplexere Regelwerk der Prog-Musik zu gewöhnen. Seit ich "Dream Theater" höre, sag ich auch öfter zu Leuten, die auf den ersten Blick mit der Mucke nicht klarkommen, dass sie das öfter hören müssen, um da durchzusteigen usw....halt dasselbe, was du auch über "Mars Volta" schreibst. Auf das Thema gekommen bin ich auch eigentlich nur wegen folgendem Satz:
Da wird dann doch relativ willkürlich mit intelligent wirkenden Phrasen um sich geworfen, die aber letztendlich nichts weiter tun als den oberflächlichen chaotischen Eindruck zu beschreiben, der vielleicht beim ersten oder zweiten Mal hören rauskommt.
Da schwingt (finde ich) so eine unterschwellige Arroganz mit, die auch bei mir zu Tage tritt, wenn ich den Leuten sag, sie würden DT erst gut finden, wenn sie's öfter hören. Dabei ist es wahrscheinlich genau der gleiche stupide Vorgang, der im Kopf abläuft, wie bei jeder anderen blöden Musik auch...es reift nix, es findet auch keine Bewusstseinserweiterung statt, es ist nur eine Anpassung der Hörgewohnheiten...
Aber du bist auch einfach nicht der Typ für Musik, die sich erschließen muss und deswegen verstehst du das vielleicht nicht so ganz.
Ich dachte du kannst nix mit Totschlagargumenten anfangen? :roll:

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Beitrag von Vince » 12.02.2008, 23:37

Ich weiß nicht so ganz, worauf du in dieser Diskussion hinauswillst... also offenbar sind wir uns doch einig, dass gewisse Arten von Musik Eingewöhnungszeit brauchen, damit man sie erst richtig begreift. Das führt in machen Fällen dazu, dass Alben besser werden, in anderen Fällen kann es auch dazu führen, dass nach einer ersten Anfangsbegeisterung mit der zeit zu Tage tritt, wie belanglos ein Album vielleicht ist. So oder so, es ist doch immer sinnvoll, zunächst mal ein Album lange genug zu hören, bevor man es nach nur einem Durchlauf aburteilt. Deswegen verstehe ich nicht, wie du Kritik daran üben kannst, dass man sowas fordert.

Dass in dem Satz "Lass das erst ein paar mal durchlaufen, dann findest du es besser" eine latente Arroganz mitschwingt, liegt ja auch nicht an diesem Prinzip, sondern eher daran, dass man mit so einem Satz andeutet, dass der Andere auf jeden Fall das Album dann besser finden wird. Und das muss ja nie sein. Ein Album MUSS nicht besser sein, wenn man es mehrmals hört, obwohl du das oben merkwürdigerweise behauptest. Es kann aber auch belanglos bleiben. ICH finde (und weiß Gott nicht nur ich), dass The Mars Volta zumindest in den ersten Alben ganze Planeten von Bedeutung beherbergen und deswegen kaum genug geschätzt werden können. Ich kann da nix Sinnloses dran finden. Aber wie ich an anderer Stelle schon erwähnte, ich kann durchaus verstehen, wenn der Zugang zu diesen "Planeten der Bedeutung" ( ;) ) fehlt. Denn The Mars Volta machen vor allem eines, nämlich extrem gewöhnungsbedürftige Musik.

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Beitrag von Frances TM » 25.02.2008, 18:29

Nice Review! Aber imo bist du eine Spur zu wenig auf die einzelnen Songs eingegangen. Goliath mag ich irgendwie am wenigsten. ;)
Wie siehst du denn das Album im Gesamtkontext der Band?

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Beitrag von Vince » 25.02.2008, 20:47

Frances TM hat geschrieben:Nice Review! Aber imo bist du eine Spur zu wenig auf die einzelnen Songs eingegangen.
Ja, ich wollte es halt unter Romangröße halten. ;)
Wie siehst du denn das Album im Gesamtkontext der Band?
Gaaaaanz unten. Übrigens in meinen Augen eine einzige Abwärtschronologie, ein Album "schlechter" als das vorherige. Die hätten sich einfach mal was mehr Zeit nehmen sollen... ich spüre gar keine Liebe mehr. ;)

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Beitrag von Frances TM » 27.02.2008, 19:52

Schön, dass du "schlecht" so wie ich geschrieben hast. Das Tolle ist ja, dass die Alben so homogen sind. Versuch mal einen Mix zu brennen, bei dem ein einziger Song von einem zweiten Album ist, und du wirst sehen, dass es einfach nicht passt... Allerdings hab ich die ersten beiden auch lieber, gleichlieb sogar. Seitdem ist ihnen irgendwie das Unzwanghafte abhanden gekommen. Wobei Liebe imo immer noch im Spiel ist (hallo, wann kann denn bei so begnadeten Musikern die Liebe für selbige abgehen? imo können die gar nicht anders) das ist eher so wie in einer Ehe, einer guten Ehe. :lol:

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Beitrag von Vince » 27.02.2008, 19:57

Frances TM hat geschrieben:das ist eher so wie in einer Ehe, einer guten Ehe. :lol:
Also wenn meine Alte so kreischen würde, ich würd mich auf der Stelle scheiden lassen. :lol:

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Beitrag von EatenAlive » 28.02.2008, 20:22

Vince hat geschrieben:
Frances TM hat geschrieben:das ist eher so wie in einer Ehe, einer guten Ehe. :lol:
Also wenn meine Alte so kreischen würde, ich würd mich auf der Stelle scheiden lassen. :lol:
Ich glaube, ich bin wohl der Einzige, der den Gesang von Cedric auch oberflächlich gesehen wirklich mag. :lol:

Album hab ich mir übrigens heute gekauft...mal schauen. 8-)
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Beitrag von Sir Jay » 02.03.2010, 23:46

Hannibal hat geschrieben: aber der Gesang ist einfach jenseits von Gut & Böse. Kann das wirklich Leuten gefallen? Oder ist der Vergleich mit der Pfanne doch nicht so unangebracht?
Genau dieselbe Frage stelle ich mir bei dem gutturalem "Gesang" (oder nennen wirs lieber Knurren), wie das jemandem Gefallen kann :lol:
Ich jedenfalls hab mich zu Beginn auch an diesem Highspeed (wobei "Speed" zweideutig zu verstehen ist ;) hehe) gestoßen, aber irgendwie auch schnell ins Herz geschlossen habe, kann aber natürlich nach wie vor verstehen, wenn das dem ein oder anderen zu nervtötend klingt.

Das ist übrigens das perfekte Gegenstück zu diesem death metalligem Gegrunze, also quasi das andere große Extrema (das eben bisher kein Genre regiert, sondern nur so viel ich weiß von Mars Volta ins Leben gewurfen wurde) markiert.

Aber wenn ich mir die Frage stelle womit ein Mainstreamohr eher etwas anfangen könnte, würde ich eben fast auf den Gesang vom Cedric tippen ;)

Ach wenn auch etwas verspätet, spreche an dieser Stelle auch ich mal ein Lob an die Kritik aus, an der man höchstens ankreiden könnte, dass sie Basiswissen bzw Erfahrungen mit den bisherigen Platten voraussetzt; als Neuling hätte ich mir jetzt noch wenig von der Musik vorstellen können...

Wie ich hier im Fred gelesen habe nehmen die Alben in der Chronologie an Qualität ab, womit ich mit De-Loused an scheinend die beste Scheibe erwischt habe; Frances TM ist evtl auch noch interessant, und wenn mir das gefällt werde ich mich wohl auch noch durch den Rest kämpfen 8-)

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Beitrag von Vince » 03.03.2010, 08:01

Naja erfunden hat der liebe Cedric den androgynen Gesang sicher nicht, da gibts noch einige Bands, die ähnlich vorgehen. Aktuell wären da noch "3" ("Three") zu nennen oder "Coheed & Cambria", die du dir bei Gefallen von TMV vielleicht mal reinziehen könntest. Allerdings gehen die beide sehr vom Prog weg und steuern in eine alternativrockige Richtung.

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Beitrag von Sir Jay » 10.03.2010, 00:28

Vince hat geschrieben:Allerdings gehen die beide sehr vom Prog weg und steuern in eine alternativrockige Richtung.
Jetzt frage ich an dieser stelle mal nen erfahrenen Hasen, weil irgendwie bin ich ein wenig irritiert...

Progressivität im Rock Genre bedeutet für mich (so meine ich das bisher verstanden zu haben), dass die Tracks von mehreren Phasenübergängen leben, und nur selten auf die gewöhnliche "Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Brücke-Refrain" Song-Struktur zurück greifen.

Das muss ja dann im weitesten Sinne nicht einmal etwas über den Sound aussagen, theoretisch wäre da auch eine Art Progressive Hip Hop möglich (gibt es das nicht evtl sogar?).
Insofern meine ich irgenwdie, dass Alternative Sound durchaus im Progbereich vertreten sein kann (mal abgesehen davon, dass ich nicht wirklich mich dem Finger auf Musik zeigen könnte, die offiziell als Alternative durchgeht :lol:)

vllt rede ich jetzt auch gearde nur absoluten Blödsinn, aber so in etwa habe ich diese Genrebezeichnung kennengelernt, und wundere mich deswegen wieso da jetzt Prog und Alternative so strickt getrennt werden...

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Beitrag von Vince » 10.03.2010, 09:08

Progressivität ist eigentlich kein Genre, sondern eine Art, Musik zu interpretieren. Sie bezeichnet ganz einfach den Antrieb, neue Gebiete zu erkunden und etwas zu machen, das vorher noch niemand gemacht hat. Was du sagst, dass Progressive für dich mehrere Phasenübergänge sind und das Strophe-Refrain-Schema gemieden wird, das ist nur ein möglicher Indikator für Progressivität. Aber das kann sich genauso gut auf andere Art und Weise auswirken. Einzig aus diesem Grund kann man Bands wie Porcupine Tree und Devin Townsend überhaupt dem Progressiven zuordnen, denn genau genommen machen auch die oft nur "einfache" Songs.

Insofern kann es natürlich auch "Progressive Hip Hop" geben und gibt es auch. Einige Genres vertragen sich eher schlecht mit Progressivität, zB. Hard Rock, Grunge, Schlager, andere dafür umso besser, zB. Jazz, Metal, Experimentalrock.

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Beitrag von Sir Jay » 10.03.2010, 12:15

Vince hat geschrieben:Einzig aus diesem Grund kann man Bands wie Porcupine Tree und Devin Townsend überhaupt dem Progressiven zuordnen, denn genau genommen machen auch die oft nur "einfache" Songs.
hä wie jetzt, weil die "einfache" songs machen, kann man sie nur dem Progressiven zuordnen?

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Beitrag von vstverstaerker » 10.03.2010, 13:32

Nein weil sie zwar einfache Songs machen, aber sich ihre Progressivität eben auf andere Art und Weise als "ich spiel jetzt mal ein 10-minütiges Solo" auswirkt. Das kann z.B. auch der Einsatz besonderer, für diese Musik untypischer, Instrumente sein.
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Beitrag von Sir Jay » 10.03.2010, 18:06

also was das angeht, hat ja auch der Trent Reznor in downward spiral und the fragile einiges an kreative arbeit vollbracht, aber mit Progressivität wurde das dennoch nie in verbindung gebracht, obwohl fast sagen würde, dass das doch der fall ist 8-) :lol:

das ist echt total schwer diese sachen zuzuordnen

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Beitrag von vstverstaerker » 10.03.2010, 18:17

Ja in der Musik sind halt alles Kaugummi-Begriffe (außer die blanke Notentheorie). Wenn man will dann kann man auch New Metal progressiv nennen, dem Metal wurde mit Rap eine neue Komponente hinzugefügt^^
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Beitrag von deBohli » 11.03.2010, 10:15

Vince hat geschrieben:Progressivität ist eigentlich kein Genre, sondern eine Art, Musik zu interpretieren. Sie bezeichnet ganz einfach den Antrieb, neue Gebiete zu erkunden und etwas zu machen, das vorher noch niemand gemacht hat. Was du sagst, dass Progressive für dich mehrere Phasenübergänge sind und das Strophe-Refrain-Schema gemieden wird, das ist nur ein möglicher Indikator für Progressivität. Aber das kann sich genauso gut auf andere Art und Weise auswirken. Einzig aus diesem Grund kann man Bands wie Porcupine Tree und Devin Townsend überhaupt dem Progressiven zuordnen, denn genau genommen machen auch die oft nur "einfache" Songs.
Heutzutage hat dsa Genre "Progressive Rock" nicht mehr mit dem Erkunden und Erforschen neuer Gebiete in der Musik zu tun. Es ist wie Jay es ansatzweise zu erfassen versucht, ein Begriff für bestimmte Musik geworden.
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Beitrag von Vince » 12.03.2010, 08:39

Ich hab mich auch eher an einer Erklärung des Wortes "Progressive" versucht. Progressive Rock ist natürlich ein Genre und dass nicht alle Vertreter dieses Genres wirklich progressiv sind, ist klar.

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Beitrag von gelini71 » 12.03.2010, 09:43

Solche Haarspaltereien sind für mich der Grund weswegen ich solche Schubladen ungern bemühe - nix gegen eine Grobe Unterteilung in Musikgenres aber wenn es dann anfängt in Subgenres zu unterscheiden wird es imo affig.
Ich mache keine Rechtschreibfehler, ich gebe Wörtern lediglich eine individuelle Note

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