The Bedlam in Goliath

Technische Daten
Vertrieb: Universal Records
Laufzeit: 75:52 Min.
Anzahl der Tracks: 12
Extras: Keine; nur auf Sekundärmedien (Amazon, Band-Homepage)
Booklet: 12 Seiten
Verpackung: Super Jewel Case
Besetzung:
• Omar Rodriguez-Lopez – Gitarre
• Cedric Bixler-Zavala – Gesang
• Isaiah Ikey Owens – Keyboard
• Juan Alderete – Bass
• Thomas Pridgen – Schlagzeug
• Marcel Rodriguez-Lopez – Percussion
• Paul Hinojos – Gitarre
• Adrián Terrazas-González – Flöte, Tenor, Saxophon, Sopran-Saxophon, Bassklarinette
Gastmusiker:
• John Frusciante – Gitarre
Tracklist
1. Aberinkula – 5:45
2. Metatron – 8:12
3. Ilyena – 5:36
4. Wax Simulacra – 2:39
5. Goliath – 7:15
6. Tourniquet Man – 2:38
7. Cavalettas – 9:32
8. Agadez – 6:44
9. Askepios – 5:11
10. Ouroboros – 6:36
11. Soothsayer – 9:08
12. Conjugal Burns – 6:36
Kritik
Progression bedeutet Fortschritt und wenn wir diese Gleichung so auslegen, dass Reflexion, Referenz und Hermeneutik in der Progression nichts zu suchen haben, so sind The Mars Volta die Superfreaks der Progression. Denn über die Vergangenheit denkt hier niemand nach. Vielmehr dreht sich alles um die Frage: Wie befördere ich die Gegenwart in die Zukunft? Die Antwort lautet: mit übereifernder Produktion, die sich irgendwann noch mal selbst überholt. Ultraspeed-Superfreak.
Die Kritik muss aber das tun, wofür The Mars Volta in ihrer Musik keine Zeit haben: sie muss reflektieren. Nun möchte man sich aber als Rezensent dem Life on the Fastlane anpassen und keine Zeit verlieren, die neue Scheibe zu rezensieren, denn irgendwie hat man im Gefühl, eine Rezension wäre in einem halben oder einem ganzen Jahr überflüssig. Der Vorgänger “Amputechture” zählt im Grunde jetzt schon überhaupt nichts mehr. Innerhalb von fünf Jahren erschienen vier multiplexe Progressive-Balken von jeweils weit über 70 Minuten Laufzeit und langsam kommt man zu dem Punkt, zu fragen, wo die Grenzen der menschlichen Aufnahmekapazität sind. Da bleibt kaum mehr, als sich auf die aktuelle Wirkung zu berufen. Wie sieht die im Falle “The Bedlam in Goliath” aus?
Halten wir für die Nachwelt fest: das vierte Volta-Album ist eine einzige Fraktur. Man möchte es gerne als Schwäche auslegen, dass die Scheibe offenbar nicht für sich selbst stehen kann oder will, weil begleitend ein Online-Spiel angeboten wird, um der Interaktivität ein Podium zu geben. Auf der Homepage werden zusätzlich in regelmäßigen Abständen “Webisoden” veröffentlicht und das Konzept des Albums erschließt sich in erster Linie nicht aus den Texten oder der Musik, sondern aus Interviews mit der Band im Vorfeld. Dabei ermüden Geschichten von geheimnisvollen Ouija-Brettern, die von einem Bandmitglied zum Geburtstag für ein anderes gekauft wurden und die Aufnahmearbeiten “verhext” hätten, langsam aber sicher. Man kennt diese Art der Mythenbildung schon zu genüge von Filmsets, wo bei Geisterfilmen grundsätzlich unsichtbare Kräfte umherspuken. Hier ist halt ein im Orient erworbenes Ouija-Brett der Übeltäter und das sorgt schon mal für reichlich Klischees.
Die musikalische Ausrichtung indes hat sich kein Stück verändert. Aller Schlenker zum Trotz geht es auf lange Distanz nach wie vor straight forward, immer weg von dem, was bereits erreicht wurde. Ob dabei neue Gebiete erschlossen werden, muss jeder Hörer für sich entschlüsseln. Die technische Virtuosität der Herrschaften macht es zumindest möglich, andererseits hat sich im groben Stil nicht das Geringste geändert. Cedric Bixler-Zavala kreischt sich nach wie vor dermaßen extrovertiert die Seele aus dem Leib, als wolle er irgendwas ausdrücken, das man gar nicht ausdrücken kann. Zwar sind die Latin-Einflüsse inzwischen weitgehend gewichen, dafür kriechen zunehmend Free Jazz-Einflüsse in die tiefsten Eingeweide. Die Geschwindigkeit hat soweit zugenommen, dass man jeden Moment den schmerzhaften Knall erwartet. Gerade überholen wir auf einem fliegenden Teppich einen Überschall-Jet und winken dem verdutzten Piloten zu. “De-Loused in the Comatorium” klingt inzwischen im Vergleich geradezu lethargisch. Speziell “Goliath” beschleunigt mit jeder Sekunde und als Bixler-Zavala unmittelbar vor einem Gitarrensolo “Watch me now” schreit, ist der Herr bereits Augenblicke später wieder Lichtjahre entfernt - wie sollen wir ihn da anschauen?
Zumindest während der ersten paar Durchgänge ist “The Bedlam in Goliath” unhörbarer als alle Platten zuvor. Noch dazu klingt der Sound ein wenig matschig, bis dann natürlich irgendwann die Differenzierung und Sortierung eintritt. Da erkennt man dann hier und da sogar mal eine eingängige Melodie oder etwas in der Art und irgendwann stellt sich der Dank ein für einen weiteren Drehkubus, an dem man mindestens bis zum nächsten Output zu knabbern hat. Dann wirft man ihn weg, weil man sich ja schließlich mit dem neuen Kubus beschäftigen muss, bevor auch schon der übernächste auf den Markt geworfen wird. Und doch, mit den ersten ein, zwei Kuben bin ich nach wie vor beschäftigt; nicht, weil sie mir mehr Rätsel aufgeben würden - diesbezüglich hat die Qualität der “Mars Volta”-Outputs unglaublicherweise nie auch nur im Geringsten gelitten - sondern weil sie einfach mehr Charme haben. “The Bedlam in Goliath” hat sehr viel Beschäftigungswert, aber eher wenig darüber hinaus.

Artdesign
Diesmal im abgerundeten Super Jewel Case geht das grundsätzöiche Coverartwork mit Künstler Jeff Jordan bekannte Pfade: Nach "Amputechture" ist "Bedlam in Goliath" nun auch auf den ersten Blick als "The Mars Volta"-Scheibe zu identifizieren. Sowohl auf dem Front- als auch auf dem Backcover wird sehr mit Größenverhältnissen gespielt und wer mal auf Jeff Jordans Homepage war, wird erkennen, dass dies grundlegend in seinem Stil verankert ist. Das Motiv geht auf die Thematik ein. Der Innenraum des Booklets derweil spielt mit religiöser Ikonik.

Extras
Das Album selbst verfügt über keinerlei Extras; wie in der Rezension erwähnt, lässt sich jedoch auf Amazon ein begleitendes Online-Spiel finden und die Homepage der Band bietet weiterführendes Dokumaterial.

Fazit
Wer sich noch mit "The mars Volta" umgehend befassen will, sollte besser schnell einsteigen, denn irgendwann kommt man einfach nicht mehr mit. Die Kost ist inzwischen gewohnt, aber nach wie vor dermaßen komplex, dass der Verstand insbesondere in Kombination mit den Vorgängerwerken zu zerbrechen droht.
Testequipment
AIWA NSX-SZ315
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