X-Men: der letzte Widerstand
Originaltitel: X-Men: The Last Stand
Produktionsjahr: 2006
Regie: Brett Ratner
Darsteller: Patrick Stewart, Hugh Jackman, Ian McKellen, Halle Berry, Famke Janssen, Anna Paquin, Kelsey Grammer, Rebecca Romijn,
Vinnie Jones, James Marsden u.a.
Die X-Men läuteten vor einigen Jahren eine wahre Welle an Comicverfilmungen ein, die vor allem dadurch gekennzeichnet waren, dass sie ihr Sujet und ihre Herkunft ernst nahmen und eben nicht dem Publikumsgeschmack angepasste, bunte Hohlgeschosse waren. Die Helden dieser Verfilmungen waren echte Charaktere, keine übergroßen Helden. Kurzum, die Comicverfilmungen wurden endlich menschlicher, was man auch dem Umstand verdankte, dass das hinter den meisten aktuellen Comicverfilmungen stehende Marvel Universum eben genau mit derartigen Helden zu punkten verstand. Ihre Helden waren im Reallife keine übergroßen Dandys mit massig Frauen an der Hand, die sich in einer schlossähnlichen Behausung von der Umwelt abschotteten und regelmäßig ein paar Gangstern auf die Finger klopften. Marvel Helden wie Spiderman waren durch ihre menschlichen Schwächen einfach greifbarer als all die Batmans dieser Welt und es schwang eben hier auch immer der Ansatz mit, dass mit den Kräften der Superhelden auch viel Verantwortung und durchaus auch einige Nachteile einhergingen. So erging es auch der Stan Lee Schöpfung X-Men (er hat im übrigen wieder einmal ein Cameo), in denen immer unterschwellige Andeutungen mitschwangen, dass in unserer Gesellschaft alles ausgegrenzt wird, was anders ist. Diesem Ansatz verschrieb sich vor allem X-Men II massiv und legte nach einem furiosen - leider zu schnell gepaceden - ersten Teil, die Grundlagen für den nun aktuellen III. Teil.
Nach den Ereignissen in Teil II hat eine allmähliche Integration der Mutanten in die Gesellschaft stattgefunden. Sie werden nicht mehr verfolgt, haben Abgeordnete in den Kabinetten und eine Art Gleichstellungsbeauftragten in der Spitze der Regierung. Dennoch spüren vor allem die Mannen um Professor Xavier, dass diese Ruhe nur auf sehr wackligen Beinen steht und alte Vorurteile nicht so schnell abgebaut werden können, wie man es wohl gerne hätte. In dieser Phase gelingt es einem Wissenschaftler ein Serum herzustellen, dass die Mutanten von ihren Gendefekten befreit und sie so zu "echten" Menschen machen kann. Zunächst verkündet man, dass man dieses Serum nur jenen Mutanten verabreichen werde, die es auch wirklich aus freien Stücken nehmen wollen, weil sie es so leichter schaffen können, sich zu integrieren oder eine besonders furchterregende Fähigkeit loszuwerden (man denke nur an Rogue). Doch plötzlich tauchen Waffen auf, mit denen man das Serum auch verschießen kann, was für Mystique verheerende Konsequenzen hat.
Diese Entwicklung gefällt Magneto ganz und gar nicht und er beschließt das Serum zu stehlen, genauso wie den Quell für selbiges (ein Mutant). Er schart eine große Gruppe von Mutanten um sich und startet seinen Angriff auf die Hersteller des Serums. Seine mächtigste Waffe: Die wiederauferstandene Jean Grey, jetzt besser bekannt unter dem Namen Phoenix, die Mächtigste aller Mutanten, die ihre Fähigkeiten aber nicht wirklich im Zaum halten kann, ist die neue Jean Grey/Phoenix doch ein durch und durch wankelmütiges, fast schon schizophrenes Wesen. Die Lage erscheint daher aussichtslos für Wolverine und Co, die sich gegen Magneto stellen ...
Teil III schließt unmittelbar an Teil II an. Wiederholt nichts aus jenem und setzt alles aus X-Men II als gegeben und bekannt voraus. Freie Bahn also für einen hochtourigen Start in den angeblich abschließenden Teil des Franchises. Doch was in den Händen von Bryan Singer vermutlich funktioniert hätte, geht nun leider unter den Händen der talentfreien Zone Brett Ratner teils massiv vor den Baum. Ungelenke, teils krachend blöde Dialoge, uninteressante Figurenkonstellationen (Highlight: der Dreier um Iceman, Rogue und durch die Wand Läuferin Kitty (Ellen Page), der an peinlichen Teeniemüll nicht zu überbieten war), komplett verschenkte Neuzugänge wie Ben Foster als "Angel", dessen Einlagen an Peinlichkeit kaum zu überbieten waren, der hohlste US-Präsident seit George Bush Jr. und dergleichen mehr. Innerhalb des bereits bekannten Figureninterieurs wütet Ratner mit der Nonchalance einer Axt im Walde und kickt einige der liebgewonnen Figuren mir nichts dir nichts aus dem Franchise. Die dadurch entstandenen Lücken füllt er mit neuen, fast immer im Teeniealter befindlichen Gören wieder auf, was den wahren Fan schon ziemlich vor den Kopf stößt. Halle Berry, die noch nie in das Franchise hineingepasst hat und daher bisher auch nie wirklich Screentime hatte, wird stärker in den Vordergrund gerückt und mutiert von einer Sekunde zur anderen zur engsten Freundin Wolverines, wo man sich nur fragt: Wie geht denn das? Auch sind ihre weinerlichen Auftritte um den Tod eines anderen Charakters herum megamies gespielt und erinnern an ihren Oscarauftritt anno Monster's Ball. Und so kann man ansatzlos weitermachen. Rattner macht in den ersten Minuten enorm viel von dem kaputt, was Singer in den ersten Teilen aufgebaut hat. Wirklich interessante Ansätze, wie das verschießbare Serum oder der bereits erwähnte Dreier, den er eigentlich benötigen würde, um die Motive eines Charakters zu belegen, sich seiner Kräfte zu entledigen, ritzt Ratner an, führt aber keinen konsequent zu Ende. Man hat das Gefühl, Ratner hake eine Liste an Must Haves ab, ohne sie wirklich zu verstehen. Anders ist einfach nicht zu erklären, dass Ratner NUR an der Oberfläche bleibt und nichts aus den zuhauf vorhandenen Ansätzen macht. Dazu gesellen sich auch noch katastrophale Anschlussfehler! Highlight: Magneto baut sich am HELLICHTEN Tag eine "Umleitung" zu der Alcatrazinsel. Sein Werk ist vollbracht, seine Mutantenarmee ist bereit, in Alcatraz einzufallen - es ist immer noch taghell. Man geht auf Alcatraz zu - Schnitt - STOCKFINSTERE Nacht! Von einer Sekunde auf die andere (und nein, es gab keinen Sonnenverdunklungsmutanten und Storm kämpfte auf der anderen Seite ;-)) Dazu setzt es Logikfehler, die wirklich weh tun und das sage ich, der sich daran bei Filmen wie diesen normalerweise niemals stören würde. Aber hier ist es eklatant.
Diese teils katastrophalen ersten 75 Minuten garniert Ratner dann immer einmal mit dem, wegen dem man eigentlich in den Film rein ist: Action, ideenreiche Mutantenaction. Die Einlagen sind zu Beginn dann aber leider sehr verhalten und recht abrupt zu Ende. Zumindest heben sie das Tempo immer mal ein wenig an. Eine durchgehende Spannungskurve erschafft Ratner so aber bei weitem nicht, weil von Anfang an klar ist, auf was der Film hinausläuft. Auch die Weichen dahingehend sind früh gestellt, einzig Ratner kommt nicht zu Potte!!! Hätte er die tolle Phoenix Substory nicht, X-Men III wäre wohl eine einzige, riesengroße Enttäuschung geworden. Glücklicherweise kommt dann nach gefühlten 3 Stunden das, worauf alles in der Serie hingearbeitet hat. Der große, der ultimative Zusammenstoß zwischen Gut und Böse und ENDLICH rockt der Film die Leinwand. Was hier auf den Zuschauer niedergeht, ist schlicht und ergreifend grandios! Gewitzte Mutantenduelle, coole One Liner, Wolverine am Metzeln, riesige Feuerbälle und eine Unzahl explodierender Autos. Diese handgemachte Action wird mit einem perfekten Sperrfeuer an digitalen Effekten veredelt und lässt die letzte halbe Stunde nicht mehr zu Atem kommen. Ratner reiht Actionszene an Actionszene und kreiert fast einen Actionoverload ... aber nur fast. Das ganze rundet er dann mit einer stimmigen, sehr schönen Szene ab - bei der man aber im Nachhinein auch viel über die Logik derselben nachdenkt. Dennoch: Der Showdown ist gigantisches Actionkino vom allerfeinsten, das die beiden Vorgänger mühelos in die Tasche steckt. Wäre nur nicht der mühsame Weg dahin.
Neben diesem Highlight im Actionbereich hat der Film dennoch weitere positive Aspekte zu vermelden. Vinnie Jones als Juggernaut rockt in seinen Szenen einfach alles weg (und zwar wortwörtlich), Frasierdarsteller Kelsey Grammer als Beast wusste auch sehr gut zu gefallen, wobei seine Figur etwas unterentwickelt erschien und man nichts weiter von ihr erfahren hat. Hugh Jackman IST wieder Wolverine. Ich hoffe, er bekommt bald sein Spin Off, Wolverine ist einfach die coolste Sau! Schauspielern muss er dafür zwar nicht, aber egal. Der restliche Cast - vor allem die gesetzteren Semester wie Ian McKellen - ist mit Spaß bei der Sache. Insbesondere unter den Mutanten findet man aber auch ein paar echte schauspielerische Nullnummern. Dennoch überwiegt hier der positive Gesamteindruck. Des weiteren sind die Effekte im Allgemein grandios und John Powell hat einen wuchtig bombastischen Megascore gezimmert, der nur nach vorne geht! Und auch wenn Ratner storytechnisch (wie von ihm bisher eigentlich auch immer gewohnt: Red Dragon, Rush Hour und Co.) versagt, entpuppt er sich zumindest technisch weitgehend als versierter Handwerker und liefert ordentliche Bilder, die zumindest die Hektik aus den Actionszenen herausnehmen kann, die Singer vor allem in Teil II in den Film hineingetragen hat, was teils zu Ungunsten der Übersichtlichkeit ging.
Was bleibt ist ein durch und durch zwiespältiges Ding. Die ersten 75 Minuten sind teils eine echte Qual, dann tritt Ratner ordentlich aufs Gas und präsentiert einen grandiosen Showdown, der Staunen macht! Diese Actionorgie bleibt dann auch am längsten in Erinnerung und überstrahlt den gesamten Film, weshalb ich zu folgender Wertung tendiere:
PS.: Unbedingt den Abspann abwarten und einen überdeutlichen Hinweis auf einen 4. Teil bestaunen!!! Und man kann wahrlich nur hoffen, dass die bisher so tolle Serie nicht so ein unverdientes Ende bekommt ...
Hinsichtlich der DVD hat Fox ein wahrlich gelungenes Päckel geschnürt. Greift man hier nämlich zu der Special Edition im Steelbock, erhält man den Film in glasklarer Bildqualität mit wuchtigem tonalen Unterbau. Wirklich interessant wird es dann im Extrasbereich, wo man mehr als 20 geschnittene Szenen vorfindet, die KOMPLETT deutsch synchronisiert wurden, was wohl ein kleines Novum darstellen dürfte! Die geschnittenen Szenen hätten imo allesamt im Film bleiben dürfen. Zwar hätten sie seine Qualität nicht wirklich erhöht, aber sie hätten ihm noch einige gelungene Actioneinlagen beschert!
In diesem Sinne:
freeman