Bei Mulan haben sich die Macher entschieden nicht an der Zeichentrick-Story festzuhalten. Genaugenommen sind nur die Prämisse des Films, sowie einige vereinzelte Szenen, wie im Zeichentrick. Man hat nicht den Fehler aus der Vergangenheit wiederholt und ist stattdessen den mutigeren Weg gegangen, sich mehr an der chinesischen Oiginalgeschichte zu halten, was zu begrüßen ist, da vermutlich keiner einen von Otto Waalkes gesprochenen Drachen, sowie eine Schlagzeug-spielende Grille sehen will. Der Phönix als symbol des Erwachens der Hauptfigur ist in Ordnung und stört nicht weiterhin.
Mulan ist wohl einer der gelungensten Realverfilmungen Disneys.
Die Story wird geradlinig (aber manchmal zu schnell) erzählt und ist natürlich familienfreundlich gehalten. Blut sieht man keines obwohl es einige Schlachtenszenen gibt. Wie im Original handelt es sich aber nicht um Schlachten bei denen zigtausende gegeneinander kämpfen wie Jahre zuvor bei "Herr der Ringe" oder "Troja", sondern um realistisch gehaltene "Kompaniegefechte", oder Gruppen-/Guerillakämpfe in denen eine handvoll Soldaten sich in die Stadt einschleichen und (teilweise) auf engstem Raum kämpfen. Die Kämpfe sind sauber choreographiert und haben sowohl einen auf dem bodengeblieben, aber auch einen Wuxia-Film-Touch, mit fliegenden Menschen und akrobatischen Sprüngen.
Die Darsteller sind gut gewählt. Hauptdarstellerin Crystal Liu Yifei passt perfekt in die Hauptrolle und wurde aus tausenden Berwerberinnen angeblich ausgewählt. Ihr love-interest, sowie die anderen Nebendarsteller in ihrer Kompanie machen ihre Sache auch gut, allerdings erfährt man nicht viel von ihnen. Donnie Yen ist wiedermal ein kleines Highlight, allerdings ist seine Rolle wirklich minimal. Das gleiche gilt für Jet Li als Kaiser. Jason Scott Lee und Gong Li sind als Bösewichte souverän und besonders von Li's Hexe und ihrem Werdegang war ich positiv überrascht, obwohl ich diese Rollen normalerweise nicht gerne mag. Ein wenig hat sie mich an die Hexe aus "14 Blades" erinnert, die den Film für mich ein wenig ins negative gezogen hat. Obwohl Jason Scott Lee gut in seiner Rolle ist, hätte ich mir vom Aussehen Doua Moua, der hier einen der guten Soldaten mimt, eher in der Rolle gesehen, wenn man ihn mit dem Bösen aus dem Zeichentrick vergleicht. Disney schafft es manchmal Rollen falsch zu verteilen, wie auch bei Aladdins' Jaffar: Obwohl sie im selben Film Numan Acar hatten, der besser in die Rolle gepasst hätte, haben sie ihm die Rolle eines Wächters zugeteilt.
Der Film hatte das Pech, dass er während der Coronakrise aufgeführt wurde. Man kann nur erahnen welchen Erfolg der 200Mio.-Dollar-Film hätte haben können, wäre er unter normalen Umständen ins Kino gekommen. Als es anfangs, aufgrund der Situation, schleppend für den Film lief, rieben sich viele Zeitungen und sinophoben Kritiker die Hände und machten unter Anderem, Aussagen der Hauptdarsteller zu den extremistischen Mobs in Hong Kong und den daraus resultierenden Reaktionen der Polizei verantwortlich. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aber die Veröffentlichung auf Disney+, auf die man hauptsächlich zurückgreifen musste, zu einem großen Erfolg (wenn man die Situation mit einberechnet). Der Erfolg war so groß, dass Disney anschließend überlegt hat "Black Widow" über Disney+ auszustrahlen, ähnlich wie mit dem zweiten Film nach Mulan für Disney+: "Soul".
Weitere positive Aspekte:
- Die Landschaften (wunderbar in dem nicht bewohnten Teil der riesigen Provinz Xinjiang eingefangen)
- Die Sets (vom bunten Dorf bis hin zur kaiserlichen Stadt beeindruckend)
- Gute Einteilung der Figur Shang aus dem Zeichentrickfilm in 2 Figuren: Kommandant und Kamerad
- Kein Gesang!
Als negativ empfand ich, dass die Story an manchen Stellen schnell abgearbeitet wurde. Der erste Angriff der Bösen, hätte ruhig ein bisschen opulenter ausfallen können. Nach kurzer Einleitung, kam es schon zum Rekrutierungsaufruf der kaiserlichen Armee im Dorf. Teilweise wirken einige Charaktere durch das "abbarbeiten" der Szenen, blass, jedoch nur in einigen Sequenzen. Die Eigenschaft des "Chi" empfand ich nicht wirklich als störend, hätte man aber ein bisschen anders ausarbeiten können. So sieht es aus, als ob nur bestimmte Menschen das "Chi" besitzen und daher nur wenige zu Heldentaten in der Lage sind. Dem Zeitgeist entsprechend haben wir es hier wieder mit einer starken Frauenrolle zu tun, wogegen nichts einzuwenden ist, wenn es zur Story passt. Leider versuchen heutzutage viele Filme, auf stupide Weise, Frauen nur um der Liebe willen, in eine "Powerrolle" zu rücken, was oft daneben geht (siehe "Ghostbusters", der neue "Charlies Angels" etc.). Bei Mulan handelt es sich aber um eine alte, chinesische Legende mit eben genau dieser Thematik, weswegen der Film an sich nicht in die obengenannte Kategorie fällt, aber das obengenannte Beispiel des "Chi" einen faden Nachgeschmack hinterlässt. Das Mulan von vornherein, unglaubliche Eigenschaften besitzt hätte also nicht sein müssen.
Von Donnie Yens Rolle und Kampfkunst hätte man auch gerne mehr gesehen, auch wenn der Fokus natürlich auf der Hauptdarstellerin liegt.
Wenn man von dem Film erwartet hat, dass er sich mehr an den Zeichentrick hält, kann man eher eine 7

geben.
Ist man offen für die "originalere" Interpretation eine 7,5.