Nach dem wahrhaft famosen Einstand, den die britische BBC-Adaption der Originalromane von Sir Arthur Conan Doyle hingelegt hatte, wagt man sich nun im ersten Sequel daran, Sherlock Holmes und seinen Kollegen Doktor Watson in den klassischen Krimialltag zu schicken. Damit etabliert man auf der einen Seite deren fertiges Zusammenspiel nach ihrer Einführung, muss auf der anderen Seite aber auch ein paar dramaturgische Defizite einbüßen, denn natürlich fehlt dieser sehr typischen Kriminalgeschichte ein wenig das Tempo und der Esprit des Vorgängers. Konnte dieser sich voll und ganz auf das erste Annähern der Protagonisten fokussieren, muss man sich nun ohne Umwege einem spannenden Fall widmen. Damit dieser es auch schafft, den Zuschauer volle 90 Minuten zu beschäftigen, weitet man das Umfeld von der Jagd nach einem Serienkiller auf einen sektenartigen Schmugglerkult, geheimnisvolle Schriftzeichen und ein lange getrenntes Geschwisterpaar aus. Während die Anzahl an offenen Fragen und Rätseln am Anfang noch durchaus ansprechend aufgenommen werden, bekommt man im weiteren Verlauf leider ein wenig das Gefühl, dass das Drehbuch Komplexität mit Verwirrung zu verwechseln scheint. Nicht nur einmal verliert man zwischen den Zusammenhängen der unterschiedlichen Ereignisse den Faden oder verdreht die Augen, wenn es wieder einzig und allein Gevatter Zufall zu sein scheint, der den an sich genialen Meisterdetektiv auf eine neue Spur führt. Über weite Strecken der Laufzeit sind es deshalb hauptsächlich die erneut grandiosen darstellerischen Darbietungen von Benedict Cumberbatch und Martin Freeman, deren Timing bei sarkastischen Wortgefechten hervorragend pointiert gesetzt ist und die dieses Mal den restlichen Cast vollends an die Wand spielen, denn leider glänzen sowohl Mark Gatiss als Mycroft Holmes als auch der besonders lieb gewonnene Rupert Graves als Inspektor Lestrade durch Abwesenheit, wobei der Part des Letzteren hier von Paul Chequer übernommen wird. Nur fehlt es diesem in seiner Rolle als Detecitve Inspector nicht nur an Charisma, sondern auch an ein paar guten Wortgefechten mit Holmes. Positiv kann hingegen vermerkt werden, dass man sich atmosphärisch noch stärker entwickelt hat. Chinatown, The Gherkin, ein mysteriöser Zirkus, ein alter U-Bahn-Schacht... die Locations sind stimmig und überzeugend in die Handlung eingebettet. Wenngleich es hier und da etwas sehr überzogen wird und spätestens im Hollywoodesken Showdown jeglicher Realismus flöten geht, so kann man andersherum aber auch nicht leugnen, dass man sich dabei gut unterhalten fühlt. Zwar wird ein für das große Finale nicht unrelevanter Charakter viel zu spät eingeführt, doch wie am Ende gleich mehrmals zahlreiche winzige Details aus vorherigen Szenen aufgegriffen und zusammen zur Rätsels Lösung kombiniert werden, dass ist witzig, es ist clever und es lädt zum erneuten Ansehen ein. Wie schon "Ein Fall von Pink" ist auch hier der britische Touch deutlich spürbar, was bei einem Setting wie dem von Sherlock Holmes ungeheuerlich wichtig ist. Noch dominanter als vorher fällt einem hier auch der tolle Soundtrack von Bond-Komponist David Arnold auf, der mit einem ungemein dynamischen und eleganten Theme vielen kleinen Momenten etwas ganz eigenes verschafft.
Fazit: Auch "Der blinde Banker" jongliert selbstironisch mit den Erwartungen seines Publikums und den berühmten Vorlagen, ohne sich allzu sehr an einer davon festhalten zu müssen. Hatte man im Piloten zeitweise noch das Gefühl, dass das alles etwas zu schnell gehen würde, ist es hier genau umgekehrt, hier passiert im Mittelteil zu wenig (interessantes), um dann in den letzten 20 Minuten etwas zu überhastet aufgearbeitet zu werden. An Atmosphäre und Spaß mangelt es dafür nicht, Chinatown ist eine wundervolle Kulisse und verleiht dem Abenteuer zwischen den grauen Häuserfassaden von London den nötigen Schuss Exotik. Außerdem sind es natürlich weiterhin die ironischen Wortgefechte zwischen den beiden Hauptdarstellern, die einen immer wieder herzhaft auflachen lassen und die eine oder andere Länge vergessen machen. Doch wird man das Gefühl nicht los, dass das Erlebte für den Zuschauer furchtbar belanglos gewesen ist und mehr dazu diente, eine Grundsituation zu etablieren, die man dann in späteren Filmen munter variieren kann. So ist noch mehr als der pinke Fall dies der wahre Prototyp von "Sherlock", der eben gerade deshalb auch schwächer sein darf als das, was laut dem verheißungsvollen Cliffhanger noch auf den Zuschauer zu kommen wird. Mag sein, dass man nicht immer ganz mitgekommen ist und den Plot im Ganzen wohl kaum rekonstruieren könnte, aber vielleicht ist es ja nun an der Zeit, endlich mit dem Auftritt einer sehnlichst erwarteten Figur das Tempo wieder gehörig anzuziehen. "Don’t worry, next date won’t be like this." - Ich nehme sie beim Wort, Watson.
