Filmtagebuch: Wallnuss

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Wallnuss
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Beitrag von Wallnuss » 14.07.2013, 17:18

My Girl - Meine erste Liebe

Mit dem Kevin-Darsteller Macaulay Culkin und der beliebten Schauspielerin Jamie Lee Curtis inszeniert Regisseur Zieff eine Geschichte, wie sie schöner und rührseliger nicht sein könnte. Dabei gelingt es ihm vor allem, in einigen bezaubernden Einzelmomenten, beispielsweise dem gemeinsamen Singen von "The Star-Spangled Banner", eine Atmosphäre zu schaffen, die besonders Kindern hervorragend gefallen dürfte. Das er dabei relativ oberflächlich bleibt ist in Ordnung und auch der Zielgruppe geschuldet, für das ältere Publikum gibt es dafür viele parodistische Elemente und Anspielungen auf das Leben des klassisch-amerikanischen Otto-Normalverbrauchers, sehr passend auch der stets unterschwellig traurige Soundtrack von James Newton Howard, der am Ende wahrscheinlich den größten emotionalen Einfluss auf den Film hat. Der restliche, recht kindliche, Humor weiß dennoch zu gefallen, wenn er sich in die Geschichte eingliedert und für Auflockerung sorgt. Leider ist das nicht immer der Fall, die perfekte Ausbalancierung von tragischen und komischen Elementen fehlte ein wenig und so weißt der Streifen dummerweise zum Ende hin ein paar grobe dramaturgische Schwächen auf, bei denen es auch die ansonsten charmante Regie (spezieller Lob an die Kamera) nicht schafft, über diese hinweg zu täuschen.
Fazit: Auffallend gut besetzte, nicht gänzlich auf ein junges Publikum zu geschnittene Tragikomödie mit bekanntem Ausgang, die glänzend unterhält und erst auf den letzten Metern dann doch zu sehr den Fokus auf die eigenen Stärken verliert. Damit verbaut sie es sich zwar, eine der ganz großen Beiträge des Kinderfilm-Genres zu sein, schafft es aber trotz alle dem, sich im Kopf des Zuschauers nicht schon direkt wieder aufzulösen, wenn der Abspann beginnt.

:liquid8:

My Girl 2 - Meine große Liebe

Der zu diesem Zeitpunkt (1994) gerade an Parkinson erkrankte Regisseur Howard Zieff setzte nur drei Jahre nach dem überraschenden Erfolg seines Kinderfilmes "My Girl - Meine erste Liebe" die Reihe fort und versuchte dabei, dass berühmte Sequel-Phänomen zu umgehen. Ist ihm dies gelungen? Nun ja, teilweise. Bereits am Anfang merkt man recht schnell, dass dieser Film anders angelegt ist als sein Vorgänger, was wahrscheinlich der einzige Weg war, als Fortsetzung nicht in die Belanglosigkeit abzudriften. Leider ziehen sich die ersten 20 Minuten arg hin, da können auch die schon aus dem letzten Teil bekannten Darsteller nicht viel raus holen. Dann, wenn zum ersten Mal auch wieder der lieb gewonnene Humor in Erscheinung tritt, findet auch der Zuschauer langsam in den Film hinein und wird von einer ähnlich packenden und gleichzeitig unterhaltsamen Story mitgerissen, die anders als man es von zahlreichen Nachklapps gewohnt ist, nicht bloß alles bekannte wiederholt, sondern das Original sinnvoll ergänzt und weiter erzählt. Freilich kann Austin O´Brien den wundervollen Macaulay Culkin nicht ersetzen, doch wäre ein Vergleich nicht allzu gerecht, da die Rollen doch sehr unterschiedlich angelegt sind. Was ebenfalls ungewöhnlich ist, ist, dass "My Girl 2" wesentlich lockerer und unbeschwerter ist, als man es nach dem tragischen Ende seines Erstlings erwartet hätte. Dies sorgt zwar zum einen dafür, dass die Charakterisierung und Entwicklung der Figur Vada etwas konfus wirkt, man aber auch zum Ende hin deutlich befriedigter den Kinosaal verlässt und der Film innerhalb seiner Zielgruppe wohl noch besser funktionieren dürfte. Einige grobe Schnitzer erlauben sich dieses Mal sowohl Regie als auch Soundtrack, die beide nicht immer wissen, welches Gefühl sie wann wie beim Publikum erreichen wollen, auch ist die Schauspielführung deutlich weniger imponierend als von Zieff gewohnt.
Fazit: Ebenso charmantes, aber weniger trauriges, dafür mehr auf Humor und Spaß fokussiertes Sequel, dass zwar konsequent seinen Weg geht, dabei sich jedoch vielleicht eine Spur zu sehr vom vorher aufgebauten distanziert. In Summe bleibt es ausgezeichnete Unterhaltung für die kleinen.

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Wallnuss
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Beitrag von Wallnuss » 19.07.2013, 15:34

Spiderman

Als Sam Raimi 2002 den Spinnenmann ins Kino brachte, entstand in der Filmbranche ein Comichype, der bis heute anhält und mittlerweile diverse Abnutzungserscheinungen aufzeigt. Gerade deshalb bietet es sich nun an, mal auf die Anfänge des Genres zu blicken und Spiderman genauer unter die Lupe zu nehmen. Was also machte die Faszination dieses Filmes (vor allem beim amerikanischen Publikum) aus? Ich denke, diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Auf der einen Seite ist da natürlich die Geschichte eines Good-Guys, des typischen Losers, der übersich selbst hinauswächst und ganz nebenbei die Frau rettet die er liebt - absolut klassisch! Klassisch ist auch ein Wort, dass man im Zusammenhang mit diesem Film öfters in Verbindung bringt, sind doch grade die (spannenden) anfänglichen Entwicklungen des spätereren Helden nach dem Lehrbuch "Wie-erschaffe-ich-einen-Superhelden" inszeniert und die Szenen dementsprechend aufgebaut. Hier spielt der Streifen seine größten Stärken auf, wenn er geschickt allen relevanten Fähigkeiten Spider-Mans in kurzen Momenten Raum gibt, sodass diese neben ihrer spaßigen Wirkung auch eine gewisse Vorfreude schnüren können und das alles in dem Augenblick gipfelt, in dem der Protagonist über sich selbst hinaus wächst. In dieser ausgezeichneten ersten Hälfte stimmt auch noch das Timing und das Zusammenspiel der Hauptdarsteller. Danach geht dann leider fast alles schief, was schief gehen konnte. The Green Goblin wird von Willem Dafoe zwar ansprechend verkörpert, leider macht das Drehbuch nichts aus ihm und seinem ansich tief sitzenden Konflikt mit sich selbst und seinem Sohn, sein Aussehen erinnert an die Power-Rangers aus den 90ern und auch seine Konfrontationen mit Spidey sind schwach geschrieben. Kirsten Dunsts Rolle als Love interest wird mit zunehmender Spieldauer immer nerviger und (besonders in ihren kurzen Momenten mit Spiderman) auch der Lächerlichkeit und Naivität Preis gegeben. Der größte Dämpfer ist aber wohl, dass Raimis stärkstes Problem offenbar die Actionszenen sind. Diese überzeugen zwar durch saubere Effekte (die in ihrer Absurdität einen gewissen comicartigen Charme mit sich bringen) und handwerklich professionelle Arbeit, bremsen jedoch die Handlung immer wieder aus, was unter anderem auch daran liegt, dass das Tempo nicht zu dem der eigentlichen Geschehnisse passt. Der Showdown ist dann erfreulicherweise recht schnell und simpel gestaltet, auch wenn hier beim Ableben des Kobolds noch ein stärkere Dialog hätte folgen dürfen.
Fazit: Nach einer grandiosen, lustigen und abwechslungsreichen ersten Hälfte fällt Spideys erster Kinoausflug merklich ab und hinterlässt mit seinem ausgeglichenen Tempo, den unpassenden Actionszenen und dem ausartenden Charakteren einen faden Beigeschmack und erinnert dabei sehr an Tim Burtons ersten Batman-Film, dessen Stil er langezeit auch zu kopieren versucht (siehe Soundtrack und Intro). Bei der jetzigen Sichtung fällt natürlich auf, dass vieles so "klassisch" und "typisch" wirkt, dass man von einer gewissen Vorhersehbarkeit sprechen könnte. Allerdings sollte man nicht außer Acht lassen, dass Spiderman der Beginn einer Epoche war und ein Genre begründete, dass in den letzten Jahren nicht hätte erfolgreicher sein können. So ist er auch in jederlei Hinsicht der Vorläufer von großen Meisterwerken wie "Iron Man", "The Dark Knight" oder "Kick-Ass". Und kann man es ihm wirklich übel nehmen, dass spätere Filme sein Konzept kopierten und sich bei ihm bedienten?

:liquid8: (was hauptsächlich in der für mich charmanten Inszenierung begründet liegt.)

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Beitrag von McClane » 19.07.2013, 16:25

Ich würde eher "X-Men" als Anfang der Epoche sehen, da bereits da ein solches Großprojekt gestemmt wurde, zwei Jahre vor Raimis Film. Das sind zwar keine Einzelhelden wie Spidy, aber sie haben bewiesen, was möglich war, worauf sich dann andere wieder gestützt haben.
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Beitrag von Wallnuss » 19.07.2013, 16:30

McClane hat geschrieben:Ich würde eher "X-Men" als Anfang der Epoche sehen, da bereits da ein solches Großprojekt gestemmt wurde, zwei Jahre vor Raimis Film. Das sind zwar keine Einzelhelden wie Spidy, aber sie haben bewiesen, was möglich war, worauf sich dann andere wieder gestützt haben.
Darüber hatte ich auch nachgedacht, aber irgendwie wirkt der Erstling von Raimis Trilogie deutlich mehr wie der klassische Stereotyp des Genres als es Singers X-Men tut. :)

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Beitrag von Wallnuss » 20.07.2013, 16:41

Spiderman 2

Nach dem immensen Erfolg des Erstlings setzte Raimi 2004 seinen "Spiderman" fort und das Ergebnis gilt unter Fans heute als eine der besten Comicverfilmungen überhaupt. Zu Recht? Fest steht, dass der Film in jederlei Hinsicht nach dem "Größer-Besser"-Prinzip aufgebaut ist. Es gibt mehr Action, mehr Figuren, mehr Entwicklungen, mehr Wendungen und mehr Patriotismus als im direkten Vorgänger. Während speziell der Zuwachs an Actionsequenzen eine echte Bereicherung für das Franchise darstellt (der Kampf auf dem Zug ist schlichtweg atemberaubend und unfassbar gut getrickst) und die vielschichtigere Story vor allem James Franco und J. K. Simmons mehr Zeit gibt um zu glänzen, wird es im Mittelteil dann doch zu unübersichtlich. Gerade das Drama um Peter, seiner Impotenz und seiner Beziehung zu MJ zieht sich wie Kaugummi ewig und nimmt für mich zu viel Raum ein. Da sind sie mal zusammen, dann wieder nicht, dann doch irgendwie wieder... Hier wirkt es auf den Zuschauer so, als wenn man um eine halbwegs respektabel Laufzeit zu erreichen, besonders viele zwischenmenschliche Interaktionen der Charaktere reinquetschte, was der ein oder andere Kritiker wohl mit Tiefgang verwechselt hat. (Ich finde leider auch, dass der Charakter von Parker selbst im Grunde furchtbar langweilig ist, da kann auch Maguire nichts machen.) Das alles führt dazu, dass der Plot rund um den charismatischen Alfred Molina in seiner Rolle als Doctor Oktopus arg in den Hintergrund gerät. Dies ist besonders deswegen so schade, weil hier eine große Menge Potenzial verschenkt wird. Nach Spideys erster Begegnung mit seinem Widersacher lagen die Chancen eigentlich gut für ein packendes Duell der beiden, aber sie haben im Nachhinein kaum gute Momente und auch keine wirklich starken Dialoge, was dafür sorgt, dass uns weder das Dilemma von Octavius interessiert, noch seine Wandlung und Opferung am Ende schlüssig wirken. Ob mit einer größeren Fokussierung auf die Fights der beiden ein besserer Film entstanden wäre, ist zwar nicht mehr als Spekulation, doch bis zu einem gewissen Grade wohl absehbar.
Fazit: Knackige Action, saubere Effekte, eine wie schon im ersten Teil coole Optik (betont klassich) und eine gehörige Prise Humor zeichnet auch das zweite Kinoabenteuer von Spiderman erneut aus und macht es zu launiger und kurzweiliger Popcorn-Unterhaltung. Doch gleichzeitig beweist Raimis Film leider auch wieder einmal, dass ein Blockbuster mehr sein muss als die Summe seiner Teile, was ihm kaum zu gelingen vermag. Dafür erlaubt man sich im sehr unausgegorenen Mittelteil zu viele dramaturgische Fehler, verirrt sich in unnötigen Nebenhandlungen und verliert dabei das Ziel immer wieder deutlich aus den Augen. Bleibt die Frage: Kann der dritte Teil wenigstens als Abschluss der Reihe überzeugen? Das Ende ist vielversprechend und weckt Hoffnungen!

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Beitrag von Wallnuss » 22.07.2013, 11:42

Spiderman 3

Multiple Persönlichkeitsspaltung scheint ein interessantes Thema für Sam Raimi zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass wir in leichten Variationen dieses psychologische Phänomen nach dem Green Goblin und Doktor Oktopus uns jetzt in Form eines durch Alien-Schleim "mutierenden" Spidermans ein drittes Mal ansehen dürfen. Doch nicht nur diese offensichtliche Wiederholung missfällt dem Zuschauer auf Anhieb, denn insgesamt ist beim Versuch der Macher, mit Spiderman 3 einen stimmigen und emotionalen Abschluss der Reihe zu kreieren nicht mehr bei raus gekommen, als einer der langweiligsten Filme des Genres. Aber ich will vorne anfangen: Das Drehbuch wartet diesmal mit gleich 3 Gegenspielern auf, was eigentlich noch nie einem Franchise wirklich gut getan hat, da man nicht nur neue Figuren einführen kann, sondern auch mit bereits vorhandenen arbeiten muss. Erschwerend kommt leider hinzu, dass das Script viel mehr erzählen will, als es das innerhalb der Laufzeit kann. Wie hätten da einmal das (clever geschriebene und sehr berührende) Schicksal von Sandman, seine Verstrickung in den Mord an Onkel Ben, die bereits erwähnte außerirdische Substanz, welche Spideys Emotionen verändert und ihn "böööööse" werden lassen, die zerbrochene Freundschaft zwischen Peter und seinem einstigen nun zum Kobold gewordenen Freund Harry, die Beziehung zwischen dem Protagonisten und MJ, die durch die Polizistentochter Gwen Stacy ins Wanken gerät und natürlich auch noch die Rivalität Spideys mit dem Fotografen Eddie Brock, der dann natürlich noch der Freund von Miss Stacy ist und gleichzeitig auch gerne an den Schleim aus einer anderen Welt rankommen würde... Alles klar? Natürlich verliert da dann selbst die Regie den Überblick und kann nicht alle Nebenhandlungen und Subplots mit einander verknüpfen, wie auch? Am Ende gibt es Entwicklungen nur noch durch Zufälle und die "Konflikte" entstehen auch nur aus naiv dämlichen Missverständnissen. Dies alles war speziell im ersten Teil der Trilogie besser balanciert und getimet. Doch selbst wenn man das missratene Drehbuch bei Seite lässt, bleiben noch viele merkliche Schwächen. Während ich bei den Vorgängern aufgrund deren Kindlichkeit und des klassisch angehauchten Charmes die deutlichen Effekte genossen habe, so grenzen sie hier an eine Frechheit und sind ein Dorn im Auge. Ähnlich kann man auch die darstellerischen Leistungen von Kirsten Dunst und Tobey Maguire zusammenfassen, die nicht mehr tun als nötig, wobei doch grade für Maguire sich hier die Chance geboten hatte, mal richtig aufzuspielen. Die Nebenrollen sind mit James Franco, Bryce Dallas-Howard, dem wie immer fantastischen J. K. Simmons und Thomas Haden Church gut besetzt, doch können sie in dieser totalen Unübersichtlichkeit keine Glanzleistungen vollbringen. Natürlich darf auch die Action bei einem Spiderman-Streifen nicht fehlen, doch auch hier finde ich weder die Choreographien so dynamisch wie im zweiten, noch sind sie so clever mit der Handlung verwoben, außerdem nervt ein leicht konfuser und wackliger Schnitt.
Fazit: Was ist es also, was Spiderman 3 so schlecht macht? Ist es seine Überfüllung an unnötigen und unwesentlichen Nebengeschichten? Sind es seine langweiligen und schlecht ins Drehbuch eingearbeiteten Actionszenen? Sind es die pathetischen Dialoge oder die unmotivierten Hauptdarsteller? Irgendwie ist wohl alles sowohl zu bejahen, als auch zu verneinen, denn der Abschluss der Reihe scheitert hauptsächlich an seinem eigenen Maßstab, sowohl als Comic-Blockbuster als auch als emotionales Drama zu funktionieren, was nur in Ansätzen in der Sandman-Story funktioniert. Daher wäre mein Vorschlag gewesen diesen zusammen mit dem New Goblin in den Vordergrund zu stellen und das Drumherum auf ein Minimun zu beschränken. Stattdessen wird lieblos Dialog an Actionszene und umgekehrt gereiht, weil es am Ende ja dann doch keinen mehr interessiert, was nun wann und wie passiert. In seinem Übermaß an allem erinnert der Film dabei ein wenig an Iron Man 2, nur dass dieser dann wenigstens im Showdown alles so geschickt zusammen setzt, dass alles seine Berechtigung hat. Dies ist hier kaum der Fall und wenn, dann geht alles in einem einzigen Effektgewitter ohne Sinn und Verstand unter. Pfui!

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Beitrag von Wallnuss » 28.07.2013, 18:44

Pacific Rim

Giullermo Del Toros neuer Riesenfilm sah in den Trailern wie eine absurde japanisch amutende Mischung aus den Godzilla-Katastrophenfilmen und Michael Bays Transformers-Trilogie aus. Und die ersten Plot-Details sahen da nicht viel rosiger aus, ganz im Gegenteil. Zu absurd wirkte der bloße Gedanke daran, Roboter gegen mutierte Echsen-Aliens antreten zu lassen. Doch was den Zuschauer am Ende erwartet ist ein Triumph überall die voreiligen Nörgler, denn "Pacific Rim" erweist sich als einer der spaßigsten No-Brainer des Jahres. Ja, er ist vorhersehbar, klischeehaft, naiv und was man solchen Filmen sonst gerne vorwirft. Die schauspielerischen Leistungen bewegen sich größenteils unterm Durchschnitt, in den Actionszenen wird es dank der recht dunklen Optik und den etwas unsauberen Cuts gelegentlich etwas unübersichtlich und Spannung tritt eher in vereinzelnten Situationen auf, als sich die gesamte Laufzeit hindurch präsent zu zeigen. Doch warum sich das ungewöhnliche Crossover gekonnt von Filmen wie "Battleship" abgrenzt ist ganz einfach zu erklären: Er nimmt sich kein bisschen ernst, bringt in übel-patriotischen Momenten eine gehörige Menge Selbstironie mit sich und erzeugt selbst in den ruhigeren Szenen (die gibt es übrigens wirklich) eine stimmige Atmosphäre, einhergehend mit einem Look, der sich in seinen umfangreichen Details in mehrfacher Hinsicht vom Mainstream abzuheben weiß. Auch schien es der Regie nicht nur darum zu gehen, (Top-)getrickste Monster aufeinander treffen zu lassen, viel mehr erscheint der Film wie eine Hommage an die alten Gummiviecher aus der Flimmerkisten, was für Fans von "unvergesslichen" Streifen wie "Panik in New York", "Schrecken vom Amazonas" oder "Tarantula" eine nostalgische Reise in alte Zeiten bedeuten dürfte. Hieran sieht man, mit viel Herzblut und Leidenschaft sich die Macher bemüht haben, ein State-of-the-Art-Best-Of abzuliefern, dass es würdig ist, die Originale zu huldigen und damit den perfekten Genrefilm darstellt. Das man es dabei immer wieder eine Nummer zu weit treibt und mehr als einmal vergisst, dass weniger manchmal mehr ist, sorgt nur für einen ungemeinen Charme, an dem sich nicht nur Hardcore-Monster-Liebhaber erfreuen werden.
Fazit: Auf optische Schauwerte setzendes Spektakel, dass für gehörig kurzweilige Unterhaltung sucht und seine mangelnden intellektuellen Inhalte durch eine große Prise Spaß zu Kaschieren weiß, wenn es im Nachhinein vielleicht für den viel schauenden Filmfan auch etwas zu belanglos wirken mag.

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Beitrag von Wallnuss » 02.08.2013, 20:25

Die Unfassbaren - Now You See Me

Regisseur Louis Leterrier, der wohl eher als Fabrikant von cineastischem Schweizerkäse oder als Vergewaltiger der griechischen Mythologie bekannt sein dürfte, wagt sich an ein Heist-Movie mit Mystery-Ansätzen à la Prestige. Entsprechend gespannt waren viele auf das Endresultat und zumindest ich bin positiv überrascht worden. Das Script, welches unter anderem von Boaz Yakin stammt, ist wirklich toll geschrieben und hält immer eine Überraschung parat, nichts ist so, wie es zunächst scheint und das ist hier nicht nur eine Floskel, sondern das Konzept. Mehr noch als beim eben genannten Vorbild dreht sich auch dieses Mal alles um die Frage, ob es sich bei den Aktionen innerhalb der Handlung um wahre Zauberei oder um besonders intelligente Tricks handelt, denn für den Zuschauer ist einiges was auf der Leinwand passiert oft unbegreiflich. Clever, wie die Beantwortung dieser Fragen dann dramaturgisch eingebunden werden, sodass man zwar immer wieder auflöst, die Spannung jedoch konsequent hochhält. Konsequent ist auch die visuelle Inszenierung, die passend zu den aktuellen Trends schnelle Schnitte, surrealistische Sets, dunkle und emotional unterkühlte Bilder und wackelnde Handkamera-Aufnahmen bereit hält. Zwar stört letzteres in den Kampfszenen (wieso oft) ein wenig und wirkt zu chaotisch, dafür ist gerade bei der Autoverfolgungsjagd das Einbetten eben dieser in die Story gelungen, woraus dann auch für den Zuschauer wahrhaft nervenzerfetzende Spannung resultiert. Zum Abschluss ein (handgemacht?) bombastischer Stunt... was will der Actionfan mehr? Darstellerisch kann bis auf Freeman und Caine zwar keiner so richtig Akzente setzen, was aber andersrum auch dafür sorgt, dass niemand zu sehr hervorsticht oder in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Auch stimmt hier das Timing zwischen humoristischen und dramatischen Sequenzen, die jeweils von einem lockeren Soundtrack unterstützt werden.
Fazit: Leterrier liefert hier seinen bisherigen Karrierehöhepunkt ab und begeistert sein Publikum mit raffinierten Drehbuch-Kniffen, unterhaltsamen Actionmomenten, augenzwinkernden Charme und tiefsinnig spitzen Humor. Eigentlich das ideale Feel-Good-Movie, wenn da nicht die etwas zu blassen Figuren wären, über die auch das schon aus Zombieland bekannte Zusammenspiel zwischen Harrelson und Eisenberg nicht hinweg zu täuschen bleibt. Eine zusätzliche Bemerkung sind mir dann auch noch Mélanie Laurent und Isla Fisher wert, deren Präsenz vor allem das männliche Auge zu erfreuen weiß. Die Frage, wer dabei die heisseste Frau im Film ist, bleibt genau wie einige kleinere Feinheiten der magischen Kunststücke glücklicherweiße ungeklärt.

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Beitrag von Wallnuss » 08.08.2013, 18:06

Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt

Kennt hier irgendjemand das Gefühl, wenn man gerade einen Film gesehen hat und es einem so vorkommt, als wäre er nur für dich gemacht worden, als hätte der Regisseur (in diesem Falle Edgar Wright) eine Satire über dein Leben oder das, dass du gerne gehabt hättest gedreht? Mir ist das soeben passiert! Scott Pilgrim präsentiert sich als Nerd-Spektakel, als skurriles Bombastkino und gleichzeitig ist es die konsequenteste Comic-Verfilmung überhaupt (und das sagt jemand, der die Comics nicht kennt.) Optik, Handlung, Charktere, all das ist völlig überzeichnet und driftet reichlich in die typischen Klischees - Sexismus und pubertäre Blödeleien stehen an der Tagesordnung. Dies alles wird allerdings mit soviel Liebe und Spaß an der Freude verkauft, dass man ungemein mitgerissen wird. Mehr noch als die perfekte Dosierung verschiedener Humorrichtungen funktionieren übrigens die Fights, die Scott gegen die Ex-Freunde seiner Flamme ausführen muss, durch die episch aufgemachte und überdrehte Inszenierung. Hier leisten Effektabteilung und Regie (trotz eines etwas sehr konfusen Schnittes) großes und können immer wieder gezielte, sehr filmische Highlights setzen, ohne den Humor auf der Strecke zulassen, besonders der Auftritt der Veganer-Polizei ist so wohl einmalig. Man merkt eben, dass das gezeigte nicht nur Style over Substance ist, sondern clever durchdacht wurde und, was besonders die Feinde des Mainstream-Kinos freuen dürfte, man auch mal den Mut hatte, experimentell zu sein und neue Wege zu beschreiten. Ein Übermaß an Kreativität, welches mit unter vielleicht etwas zu viel des guten war, kann aber auch nicht die damit schon angedeuteten (geringfügig) auftretenden Schwächen überspielen. Abgesehen davon, dass man besonders zum Beginn hin den Streifen gut und gerne 10-15 Minuten hätte straffen können, sind da noch der Charisma-lose Michael Cena in der Hauptrolle, der leider dafür sorgt, dass einem die Love-Story zu schwach als Aufhänger erscheint, ebenso erscheinen mir nicht alle (durchaus hintergründigen) Ideen und Gedanken des Scriptes vollends ausgeschöpft. Dies alles dürfte nur wenigen etwas ausmachen, denn selbst wenn so etwas wie Dramturgie kaum vorhanden (und wohl auch nicht gewünscht) war, ist das relativ bedeutungslos, da die Stärken des Films eh in Hommagen an alte Videospielklassiker und visuell umwerfenden Actionsequenzen liegen. Und da er diese voll ausspielen kann, ist er auch mehr als nur empfehlenswert.

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Conjuring - Die Heimsuchung

Horrorfilme zu drehen, ist heutzutage wohl mit das Komplizierteste überhaupt, da es fast nichts mehr gibt, was den medial abgehärteten Zuschauer noch wirklich ängstigen kann. Also probiert es der Regisseur James Wan (Saw, Insidious) mit den Urängsten des Menschen - mysteriöse Geräusche wie Türenknatschen oder lautvernehmbaren Schritten stehen also genauso auf der Tagesordnung, wie Szenen in absoluter Dunkelheit. Das es nicht nur dabei bleibt, sondern man gleich noch quer durch die Weiten der Filmgeschichte zitiert, dürfte jedem vorab klar sein und war schon im Trailer absehbar, die meiste (!) Zeit funktioniert das erfreulicherweise auch und stört bei weitem nicht so, wie man vielleicht glauben mag. Ganz im Gegenteil, in der ersten langsam erzählten 30 Minuten tut sich eine Menge und selbst danach noch sind die Schockeffekte immer mit Bedacht und Intelligenz gesetzt, so dass sie einem wirklich desöfteren erwischen und zu schockieren vermögen. Als großer Gewinn zeigt sich dabei auch der Sound, der perfekt auf Bilder und Intensität der vorhandenen Spannung abgestimmt ist, etwas, was vielen Möchtegern-Horrorfilmen mittlerweile abzugehen scheint. Bei den Charakteren kann man soweit eigentlich kaum meckern, Dialoge und Figurenzeichnung sind ausreichend und arbeiten natürlich mit Klischees, die dafür aber wenigstens sitzen und der Stil von Wan erinnert (als völliges Gegenstück zu seinem Meisterwerk "Saw") mehr an Sam Raimis Gruselwerke, die auch ähnlich aufgebaut gewesen sind. Nun kommen wir aber zu etwas anderem und zwar sehr wichtigen, da es den Film (vor allem im letzten Drittel) komplett die Spannung raubt und jedes Feingefühl für guten Horror vermissen lässt... und das sind die Erklärungen der übernatürlichen Phänomene im Haus, die weitestgehend von den "Warrens" ausgehen, welche es wohl auch in der echten Realität gegeben haben soll. Alleine bei der Grundidee dahinter läuft schon etwas grundsätzlich schief... für den Zuschauer selbst ist es meist eher suboptimal, wenn einem in einem Horrorschocker alles erklärt wird, da wahrer Horror immer im Kopf existiert und dort (grade in diesem Genre) auch hauptsächlich stattfinden sollte. Doch nicht genug, dass es bei zahlreichen dummen Erklärungsansätzen bleibt, im Showdown wird der Film plötzlich zu einem dreisten "Exorzist"-Remake, mit ganz wirren biblischen Anspielungen und konfus dämlichen Zusammenhängen. Warum zeigt man expliziet den Dämon, statt ihn nur anzudeuten? Warum muss denn ausgerechnet die christliche Religion von einer Sekunde auf die andere ein Schlüsselelement des Filmes sein? Und was hat ein "Haunted-House"-Movie mit billigem Pseudo-Exorzismus dritter Klasse zu tun? Sorry, aber das alles geht nicht auf, ist konstruiert, peinlich, langweilig und vorhersehbar. Auch wenn die Szenen für sich genommen vielleicht funktionieren würden, sie funktionieren einfach nicht in einem Film, der vorher ganz anders wirkte und wirken wollte. Am schlimmsten ist dabei der Hinweis, dass alles auf wahren Aufzeichnung der echten Warrens basieren soll. Das nimmt dem Streifen jedwede Glaubwürdigkeit, da man erst dadurch beginnt, das Gebotene kritisch zu hinterfragen und zwangsläufig zu dem Schluss kommt, welch einen Blödsinn man hier aufgetischt bekommt.. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass wenn man nun während des Streifens 30-mal wegen runter fallenden Tassen zusammenzuckt, das Finale dann wenigstens eine Steigerung darstellen und dies noch einmal überbieten sollte. Leider war dies hier zu keinem Zeitpunkt der Fall.
Fazit: James Wan kann es besser. Was als spannender Ausflug in den ganz normalen Horroralltag beginnt, verliert sich am Ende immer mehr in albernen und völlig sinnlos aneinander gereihten Sequenzen, die nicht nur filmisch schwach inszniert sind, sondern auch inhaltlich und thematisch nie so recht zum vorher aufgebauten passen wollen und damit beim Publikum ein unentschlossenes Gefühl hinterlassen. Schade drum! Hoffentlich geht man in einer zukünftigen Fortsetzung mit mehr Entschlossenheit und Inhalt an die Sache heran. Und dann bitte auch komplett ohne die Warrens!

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Beitrag von Wallnuss » 20.08.2013, 16:16

Die Truman Show

In "Die Truman Show" (einem Film, dessen Grundmotive (leider) gerade jetzt wieder höchst aktuell sind) geht es um nichts anderes, als den Voyeurismus der heutigen Gesellschaft und die daraus folgende Auswirkung auf Einzelne, die nur ein kleines Rädchen innerhalb der Maschinerie sind. Jim Carreys Aufgabe als Hauptdarsteller ist es dabei, uns als Zuschauer an dem teilhaben zu lassen, was so eine außenstehende und alleingelassene Person in diesen Situationen empfinden muss. Während er sich also noch am Anfang des Filmes in das wie ein Uhrwerk ablaufende Leben in Seaheaven brav eingliedert und mit ihr verschmilzt, ist es grade seine nicht durch Traurigkeit, sondern eher durch Unverständnis und Irritation geprägte Darstellung, die uns mit ihm leiden lässt und für einen unwahrscheinlich hohen Sympatiefaktor sorgt. (Warum Carrey, der in seinen sonstigen Werken eher durch Grimassen-scheniden auffällt, hierfür nicht mals mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde, wissen wohl nur die Jury-Mitglieder der Acadamy selber.) Ebenso sieht es mit Ed Harris als Trumans Widersacher aus, der neben seinen klar psychopatischen Zügen als sich für Gott haltender Regisseur immer mal wieder so etwas wie einen liebenden Vater durchblicken lässt, einer der Gründe, warum die finale Konfrontation zwischen Pro- und Antagonist wohl zu den besten verbalen Showdowns der Filmgeschichte gehört. Um den Zuschauer das Modell des Voyeurismus noch stärker vor Augen zu führen erlaubt sich Regiemann Peter Weir das Publikum zu hintergehen, indem er sie zunächst einen Teil des Filmes werden lässt (als Beobachter der Truman-Show) und ihnen erst dann gemeinsam mit Truman die Hintergründe vorführt. Wenn auch diese Herangehensweise zu loben ist, so hätte grade nach dem Wendepunkt dann visuell mehr passieren dürfen, mir waren viele Szenen zu kühl und objektiv. Auf der einen Seite unterstreicht dies den plastischen Charakter der Scheinwelt, auf der anderen lässt es aber zu wenig Emotionen zu. Gleichzeitig wird der interessantesanteste Nebencharakter des Drehbuches regelrecht verschenkt, Trumans Kumpel Marlon, der innerlich eigentlich zerrissen zu sein scheint, ist dann am Ende doch irgendwie bloß ein fieser Arsch, der kein bisschen an dem Konzept der Show zweifelt. Diese beiden Merkwürdigkeiten sind zwar zu verzeihen, radikal zerstörerisch ist aber das zu fröhlich kitschige Ende, nach welchem man den Film eine gewisse Schizophrenie zwischen düsterer Dystopie und naiver Wohlfühl-Komödie vorwerfen darf.
Fazit: "Big Brother" is watching you! Schaut man sich solche Fernsehformate (oder soziale Netzwerke wie facebook) an, dann sind wir von einem Zustand wie in der Truman-Show aufgezeigt eigentlich gar nicht mehr so weit entfernt. Umso erschreckender ist also das ganze gut durchdachte Konstrukt, dass uns immer wieder vor vollendete Tatsachen stellt und mit mehreren reißerischen Wendungen sowie einem packenden Finale aufwarten kann. Leider gelingt es Weir nicht, mit den Geschehnissen beim Kinogänger soetwas wie Schuldgefühle zu wecken, sodass man am Ende zwar nachdenklich, aber nicht aufgeschreckt genug entlassen wird. Zu wenig verließ man sich offenbar auf die Wirkung von Carrey als ernst zu nehmender Charakterdarsteller und versuchte dafür immer wieder, ihm ein paar komödiantische Einlagen zu verpassen. Schade. Nötig gehabt hätte dieses Drehbuch es jedenfalls nicht. "Und falls wir uns nicht mehr sehen sollten… guten Tag, guten Abend und gute Nacht!"

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Beitrag von Wallnuss » 03.09.2013, 15:05

The Lone Ranger

Im Vorfeld haben Produzent Jerry Bruckheimer und Hauptdarsteller Johnny Depp Unmengen an Kritik einstecken müssen, ihr neuester Kinostreich sei einfallslos, viel zu lang und nicht mehr als eine Pirates of the Caribbean-Kopie. Wer sich jedoch schon im Vorfeld über den Film aufregte und den beiden eben genau das vorwarf, tja, der hat die Rechnung ohne Regiemann Gore Verbinski gemacht, dem es gelingt, eine spannende und abwechlungsreiche Hommage an alte Westernklassiker zu filmen. Klar handelt es sich dabei insbesondere um Anspielungen auf die großen Sergio Leone-Western, doch auch Bezüge zu Harald Reinls Winnetou-Trilogie und natürlich der Serie "Lone Ranger" selbst können ausfindig gemacht werden. Dabei bleibt man allerdings glücklicherweise eher subtil, anstatt wie sonst in Hollywood üblich die Verbindungen dem Zuschauer ins Gesicht zu klatschen und sie dann noch 5-mal zu erklären. Nein, so einfach gestrickt ist der Film tatsächlich nicht (auch wenn man nach den Trailern was anderes vermutet hätte.). Die größte Überraschung ist wohl, dass die Handlung als solches wirklich spannend ist. Da gibt es einige interessante Wendungen, einen tollen Antagonisten, spannende Sequenzen, die nur durch leise Situationskomik mal aufgelockert werden... alles in allem also praktisch genau das, was beispielsweise dem dritten und vierten Pirates of the Caribbean vollständig abging. Okay, der Mittelteil zieht sich tatsächlich etwas, da hätte man wohl insgesamt mindestens 15 Minuten kürzen können, dennoch ist es kurzweilig und fällt erst im Nachhinein auf. Für die Actionfans werden dann übrigens im Finale noch mal alle Register gezogen, so eine perfekt getrickste und von oben bis unten auf Spaß durch komponierte Materialschlacht hat man in dem Genre lange nicht mehr gesehen, hier stimmt praktisch alles. Gott-sei-dank nimmt sich der Film aber neben all dem Spektakel auch noch genügend Zeit für seine Charaktere, Armie Hammer und Johnny Depp vorne weg. Beide funktionieren als Buddys im Zusammenspiel recht gut ohne atemberaubend neues zu bieten, die üblichen Wortgefechte eben. Kennt man zwar, witzig ist es trotzdem. Vor allem Depp ist zu loben, nimmt er sich dieses Mal nämlich mehr als zurück und bietet mimisch das krasse Gegenteil zu Jack Sparrow. Schön, ihn mal wieder etwas weniger tuntig und mehr konzentriert zu erleben, nachdem er in letzter Zeit ja eher als Wiederholungstäter in Machwerken wie "Alice im Wunderland" oder "Dark Shadows" aufgefallen war. William Fichtners Bösewicht, den ich weiter oben schon gelobt habe, zeichnet sich besonders durch seine starken Dialoge mit dem Protagonisten aus, Helena Bonham Carters Rolle ist mehr als überflüssig, sieht aber nett aus und Tom Wilkinson und Barry Pepper wissen in weiteren Nebenrollen zu gefallen.
Fazit: Viel Spaß, großartige - sich zum Ende hin ins unfassbare steigernde - Actionszenen und gleich zwei charismatische Helden sind erneut die Erfolgsformel des Trios Bruckheimer/Depp/Verbinski. Doch anders als bei Fluch-der-Karibik, wo diese Elemente grundsätzlich immer nur getrennt von einander zündeten, funktioniert hier alles als großes Ganzes und kann damit seine (manchmal doch etwas überdeutlichen) Vorbilder hinter sich lassen. Auch wenn logischerweise auch dieser Film nicht ohne Fehler ist und das Rad sicherlich nicht neu erfunden wird, gelingt es dem Zuschauer schlussendlich immer wieder, sich auf den Irrsinn im wilden Westen einzulassen, mitzufiebern und laut Hals zu lachen. Auf der einen Seite schade, dass der Streifen in den USA so eine Bruchlandung hinlegte und damit eventuelle Nachfolger schon ausgeschlossen sind, andersherum gibt es eben auch Filme, die man einfach mal für sich stehen lassen kann. "The Lone Ranger" ist genau so einer.

:liquid8: ,5

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Beitrag von Wallnuss » 04.10.2013, 00:16

Planet der Affen

Als eine der größten und bekanntesten Stärken von Franklin J. Schaffners Dystopie aus dem Jahre 1968 gelten bis heute die unverkennbaren Affenmasken, die sich mehr als nur erstaunlich gut gehalten haben und auch heute noch realistisch und glaubhaft wirken. Dies trifft jedoch nicht nur auf das Make-Up, sondern auch auf den gesamten Film zu, denn selten war ein Sci-Fi-Abenteuer spannender gestaltet als hier. Ohne auf neuartige Kreaturen oder irre Welten zu setzen wird uns eine Geschichte erzählt, deren Botschaft zwar wenig subtil, dafür aber umso ergreifender umgesetzt ist. Verstörend trifft es wohl am besten, was wir empfinden, wenn wir mit George Taylor diesen fremden Planeten entdecken und mit ihm die Rollenverteilung in der Affengesellschaft erkennen: Der Mensch ist dumm, schwach und darf misshandelt und entwürdigend behandelt werden. Natürlich benötigt es für diesen Clue nicht allzu viel Aufwand an Raffinesse, ist es ja nichts anderes als ein simpler Rollentausch unserer tatsächlichen Handlungen im Umgang mit Tieren, aber wie normal und selbstverständlich das alles inszeniert und präsentiert wird ist es, was den ein oder anderen sicherlich zum Nachdenken anregen dürfte. Am besten ist "Planet der Affen" auch immer dann, wenn er sich voll und ganz auf seine Zivilisationssatire und Gesellschaftskritik konzentriert, nur hin und wieder entgleiten dem Regisseur diese für ein paar kurze Momente, was der dichten und geheimnisvollen Atmosphäre aber keinen Abbruch tut. Unterstützt wird die Stimmung übrigens auch sehr tatkräftig von den hypnotischen Klängen des Filmkomponisten Jerry Goldsmith auf dem Höhepunkt seiner Schaffenszeit. Zu erwähnen sei an dieser Stelle ebenfalls, dass der Film damals wahrscheinlich zu rechten Zeit gekommen ist. In einer Zeit des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs ist "Planet der Affen" ein Kind seiner Zeit und gibt die damaligen Ängste (Einsamkeit, Atomkrieg, Gefangenschaft) treffend wieder. Der wohl beste Moment ist dann natürlich das allseits bekannte und oft zitierte Ende, dass der bereits vorher deutlich gewordenen Message noch einen besonderen Druck verleiht und den Zuschauer genau wie den die Menschheit verfluchenden Charlton Heston mit einer gewissen Hoffnungs- und Fassungslosigkeit entlässt.
Fazit: Sicher ein Film, der an sich nicht sonderlich verschachtelt oder intelligent konstruiert ist, aber seine Kritik dennoch durch eine stark rausgearbeitete satirische Darstellung unseres Verhaltens an den Mann bringen kann. Es ist also letzten Endes nicht nur ein Rollentausch, den der Protagonist Taylor erlebt, es ist ein Spiegel, der ihm vorgehalten wird und klar machen soll, dass nicht die Affen seine wahren Feinde sind. Dies hätte man durchaus weniger präsent und offensichtlich zeigen können, doch es wirkt dennoch nie moralisierend. Dies ist besonders für die schlussendliche Wirkung des Streifens wichtig, so verlässt der Zuschauer den Saal keinesfalls als Bekehrter, sondern ist viel mehr sensibler und empfindlicher in Bezug auf ein brisantes Thema geworden. Am Ende bleibt "Planet der Affen" nicht mehr und nicht weniger als ein Plädoyer für Toleranz mit reichlich Nährwert und damit zurecht ein Klassiker der Filmgeschichte!

:liquid9:

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Beitrag von Wallnuss » 05.10.2013, 01:51

2001 - Odyssee im Weltraum

Über dieses filmische Monstrum ein Review oder sonst etwas zu schreiben, ist glaube ich noch nie jemandem leicht gefallen. Zu vieles gibt es, was einem nach der Sichtung durch den Kopf geht, aber zu wenig davon lässt sich im angemessenem Rahmen in Worte fassen. Ist der Film nun die sitzfleischfordernde Schlaftablette oder ein kompliziert philosophisches Meisterwerk? Ist das Kunst oder kann es weg? Ich weiß es nicht und ich möchte auch gar nicht darüber nachdenken, genauso wenig wie ich mir anmaßen will, einen Deutungs oder Erklärungsansatz für das abstrakte Ende zu verfassen. Viel mehr will ich würdigen, was Stanley Kubricks "größter" Film in mir ausgelöst hat: Es war ein unbeschreibliches Erlebnis! Ganz im Ernst. Der langsame Beginn mit dem wunderschönen Sonnenaufgang, die Entstehungsgeschichte des Menschen, die Episoden auf der Mondstation mit den um die Erde tanzenden Satelliten... all das ist grandios gefilmt, geschnitten und in seiner Komposition mit den zarten Waltzer-Klängen von Johann Strauss Kino pur. Danach kommt dann die bekannteste Erzählung des Filmes rund um den Bordcomputer HAL-9000 und die Besatzung des Raumschiffes Discovery-One. Außerdem fällt bei dieser besonders gut auf, dass es Kubrick umso vieles mehr geht, als nur die Geschichte schnell runter zu erzählen, er nimmt sich Zeit und zeigt beispielsweise einen "Raumspaziergang" zur Antenne in all seiner Ausführlichkeit. Warum auch nicht, denn die Bilder haben etwas erschreckend hoffnungsloses und gleichzeitig faszinierendes an sich, wie der Weltraum selbst in seiner Unendlichkeit. HAL-9000 mit seiner süßlichen Stimme und der emotionslosen roten Lampe dürfte ohnehin einer der Filmbösewichte überhaupt sein, ohne selbst wirklich bösartig zu sein. Er ist mehr, wie sich schlussendlich herausstellt, ein sich in der Zwickmühle befindender Geist und verkörpert mit seinem "Tod" eine wundervolle Metapher. Als Abschluss seines Epos entscheidet sich Kubrick dann für eine verwirrende Farbeinlage, die den Protagonisten besudelt und ein vielseitig interpretierbares Ende, dass man aber auch einfach so stehen lassen und genissen kann, ohne sich den Kopf zu zermatern. Dies gilt ebenso für das Werk als Ganzes, es ist gar nicht notwendig, allzu viel Sinn oder Logik in den Episoden zu suchen, geschweige denn sie miteinander verknüpfen zu wollen, hier heißt es einfach mal nur zu fühlen.
Fazit: Tja, was ist es denn nun? Der ultimative Genrefilm des Sci-Fi-Kinos, dass Non-Plus-Ultra der Filmgeschichte oder doch ein sinnloses Gewusel von willkürlich aneinandergereihten Kurzfilmen? Die Antwort wird wohl jeder für sich selbst finden müssen, denn tatsächlich ist die Odyssee im Weltraum lang, beschwerlich und wenig abwechslungsreich, doch hindert sie das nicht daran, über alle Maßen beeindruckend zu sein. Eine Bewertung ist daher ebenso beinahe unmöglich wie auch nur bedingt notwendig, am Ende muss es halt doch jeder selbst erlebt haben. Für die Statistiker sei gesagt: Ob nun der beste Film aller Zeiten oder nicht... in meiner persönlichen Hitliste hat sich "2001" sehr schnell ganz weit nach vorne gemogelt. Und dort wird er wohl auch noch langezeit verweilen können.

:liquid10:

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Beitrag von Wallnuss » 08.10.2013, 21:41

Die Enttäuschungen im schwachen Kinojahr 2013 setzen sich weiter fort...

Gravity

Wieder einmal haben die Kritiker und das US-amerikanische Publikum einen anderen Film gesehen als ich. Ich verstehe das einfach nicht, warum werden mir immer andere (schlechtere) Werke vorgesetzt, als dem Rest der Welt? All die Lobhudeleien, all die Ehrungen und ich würde sogerne laut mit einstimmen, aber... eigentlich ist bei "Gravity" letzten Endes nur wenig zu finden, was man im angemessenen Grade loben kann. Da wäre der beeindruckende und prächtig in Szene gesetzte Anfang, praktisch die erste halbe Stunde des Films hat den Anschein, als sei sie nur mit einer einzigen Kamera komplett ohne Schnitt gedreht worden. Natürlich ist das nicht gänzlich neu, tatsächlich verwendete Regisseur Cuarón selbst diese "Technik" in seinem Endzeit-Thriller "Children of Men", aber nie war es so imposant wie in diesen anfänglichen Szenen, die man filmisch besser wohl kaum gestalten kann. Da haben wir einen beispiellosen Spannungsaufbau, pointierten Humor, famose Effekte und für die fortlaufende Handlung ausreichend Exposition. Doch wie viel ist nachher noch davon übrig und kann die Regie über die gesamte Laufzeit retten? Im Ernst: Genau genommen gar nichts. Eine Geschichte, die man erzählen und inder man verblüffen könnte ist eigentlich gar nicht vorhanden, was aber noch nicht so das Problem ist, da den Aktionen und der Protagonistin eh die eigentliche Aufmerksamkeit gebürt. Viel schlimmer ist, dass man im Mittelteil mehrmals versucht, uns mit Wendungen zu überraschen, die dem Zuschauer im Grunde aber völlig gleich sind, weil die Story an Vorhersehbarkeit nicht zu überbieten ist. Traurig auch, dass die langen Kamerafahrten immer weniger werden und der Schnitt zum Ende hin nahezu konventionell geworden ist. Hier hätte ich mir mehr Konsequenz in der Inszenierung gewünscht. Die Special-Effects bleiben die gesamte Laufzeit über grandios, aber reicht das, um gute Kritiken einzufahren? Sowas sollte im Jahr 2013 eigentlich Voraussetzung und damit selbstverständlich sein. Die darstellerischen Leistungen haben mir gefallen, auch wenn Bullock etwas zu hoch gelobt wurde, sie macht ihre Sache ordentlich und gibt ihrem Charakter trotz eingeschränkter Möglichkeiten eine gehörige Portion Natürlichkeit mit auf dem Weg. Aber auch sie ist nicht fähig über die zahlreichen Defizite in der Dramaturgie und im Aufbau hinweg zu täuschen. Irgendwann habe ich mich beispielsweise nur gefragt, wie oft man diese optischen Tricks jetzt noch einsetzen will... Es flogen gefühlte 40-mal in der Schwerelosigkeit kleine Objekte vor meinem Gesicht rum, mindestens die halbe Laufzeit des Filmes wird im Hintergrund mit der Musik ein Laut-Leise-Kontrast erzeugt, der nichts in einem auslöst, außer leicht aufkommende Aggressionen, wenn es einen mal wieder aus der Atmosphäre herausreißt, obwohl die Melodien insgesamt ganz schön sind. Das süßliche Hollywood-Ende würde ich dann nicht so wie einige wenige als negativ berwerten, dies ist aber möglicherweise einfach der Tatsache geschuldet, dass es sich schon sehr früh abgezeichnet hat und somit alles andere eine Verwunderung sondergleichen gewesen wäre.
Fazit: Ja, so ernüchternd ist der erste Eindruck und die Enttäuschung ist aus diesen Zeilen sicherlich deutlich heraus zu lesen. Denn alles im allen ist "Gravity" ein Film, der optimal mit der 3D-Technologie spielt und im Kino gesehen werden muss, da er nur da ein Erlebnis sein kann. Doch wenn namenhafte Personen wie James Cameron oder Quentin Tarantino in den höchsten Zeilen von dem "Film des Jahres" schwärmen, dann darf ich auch etwas mehr erwarten, als unterhaltsame Sci-Fi-Standartkost. Dies möchte ich noch einmal betonen: "Gravity" ist nicht langweilig und hält den Zuschauer irgendwie dann doch immer bei der Stange, zumal er im Mittelteil anders als sonstige Kinofilme viel Abwechslung bietet. Vielleicht war das mein Hauptproblem: Der Gedanke dahinter hatte soviel Potenzial, man hätte eine spirituellere Erfahrung daraus machen können und sollen, quasi eine Weltraum-Version von "Life of Pi". So läuft es am Ende dann doch nur auf ein (zugegeben) nicht uninteressantes Spektakel hinaus, dass mit guten Darstellern in gut geschriebenen Rollen aufwartet, dem Zuschauer gute Dialoge serviert, einen gut hörbaren Soundtrack hat und durch gute Einzel-Ideen nie in die Belanglosigkeit abdriftet. "Gravity" ist ein guter Film. Aber mehr nicht!

:liquid7: (Sonderbonus für das brillante erste Drittel.)

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Beitrag von Cinefreak » 09.10.2013, 16:03

interessantes Review zu TRUMAN...werde in meinem FTB was zu schreiben ;)

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Zweitsichtung!

Beitrag von Wallnuss » 12.10.2013, 20:33

Die Abenteuer von Tim und Struppi - Das Geheimnis der Einhorn

Über 70 Jahre ist es jetzt schon her, dass der belgische Comiczeichner Hergé seine beiden Kultfiguren Reporter Tim und Hund Struppi erfand und damit einen Mythos erschuf, der viele Künstler Jahrzehnte später noch inspirieren sollte, dies war unter anderem bei Andy Warhol der Fall. Oder halt bei Regisseur Steven Spielberg, der insgeheim immer den Wunsch hegte, eine angemessene Verfilmung im Geiste der beispiellosen Originale ins Kino zu bringen. Ist ihm und seinem Co-Produzenten Peter Jackson dieses Unterfangen geglückt? Nein! Hat er dennoch jedwede Erwartung übertroffen und einen spaßigen Krimi für Jung und Alt gedreht? Aber sowas von! Es ist eigentlich unter diesem Gesichtspunkt sogar unfassbar, wie unterhaltsam "Tintin"s großer Kinoausflug letztendlich geworden ist. Dies liegt auf der einen Seite natürlich an der grandiosen Besetzung, die mit Andy Serkins als saufenden Captain Haddock, Simon Pegg und Nick Frost als ulkiges Kriminalduo Schultze und Schulze und Daniel Craig als boshaften Sakharin mehrere starke Mimen vorweisen kann, welche hier durch das Motion-Capture-Verfahren ihren großen Vorbildern optisch angeglichen wurden. Hinzu kommen aber auch die zahlreichen visuellen Gags, die sich oftmals im Hintergrund abspielen und das rasante Tempo, dass die Handlung vorlegt. Wenn ich es mir recht überlege habe ich eigentlich nie einen Film gesehen, der vergleichsweise schnell erzählt wird, ohne jemals durch den Verlauf der erzählten Geschichte zu hetzen. Hier ist Spielberg in seinem Element, hat seinen Streifen fest im Griff und verliert nie den Überblick, ob nun in der Luft, auf dem Wasser, bei einer wahnwitzigen Verfolgungsjagd quer durch Marokko, die ähnlich wie die famose Exposition des akutellen Kinofilmes "Gravity" so wirkt, als sei sie mit nur einer einzigen Kamerafahrt gefilmt worden und den Höhepunkt des Filmes darstellt oder im spektakulärem Endfight im Hafen... Das Actionverhältniss stimmt, der Humor sowieso, aber wie sieht es mit ernsthaften Momenten aus? Auch hier hat man einiges zu bieten, natürlich sind die Dialoge relativ einfach und leicht verständlich, aber erfüllen stets ihren Zweck und dienen der Entwicklung der Geschehnisse, die immer wieder zu fesseln wissen und richtige Spannung entwickeln. Gekonnt werden hier leichter Grusel, Drama und ein gewisses Maß an Brutalität miteinander verwoben und zu einem spannenden Ganzen geschaffen, dass nicht nur die kleinen Zuschauer mitreißt, dass nebenbei auch noch in einer technischen Perfektion, die Hergés altmodischen Charakteren zu neuem Glanz verhilft. Am besten ist aber die Art und Weise, wie alle Beteiligten hier die Charaktere getroffen haben: Tim ist der neutrale Beobachter, der seine Gedanken (freundlich wie er ist) stets mit uns teilt und ansonsten wenig bis gar keine Charakterisierung benötigt, weil er den Leser (oder in diesem Fall "Seher") wiederspiegelt, Struppi ist der Held der Kleinen, was dieses Mal in einer besonders komischen Verfolgungsjagd gipfelt, Haddock der Säufer und Nörgler (das "Moment des Chaos") und Schultze und Schulze sorgen dann für ordentlich Slapstick. So kennen wir es und so wollen wir es sehen, da verzeiht man Spielberg dann gerne den Umstand, der etwas zu einfach gestrickten Handlung (die immer hin aus drei Comicbänden besteht) und auch die 2-3 Momente, welche dann doch über das Ziel hinausschießen und nicht mehr unbedingt kindgerecht sind. Hier gilt dann für die Eltern, selbst zu entscheiden, ob ihren Sprösslingen dies zuzumuten ist.
Fazit: "Das Geheimnis der Einhorn" ist Kino Pur! Er kann es noch! Regie-Maestro Steven Spielberg zaubert den alten und jungen Fans mit seiner zeitlosen (beinahe sogar altmodisch anmutenden) Interpretation von Tim und Struppi immer wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht und verblüfft mit einer ungewohnt erwachsenen Inszenierung, die so manchen Pixar-Film hinter sich lässt. Ein mehr als gelungener Kinderfilm, dem demnächst mindestens ein weiteres Sequel folgen wird. Fraglich nur, ob Peter Jackson als Regisseur ein ähnliches Feuerwerk der Unterhaltung abliefern kann...

:liquid9:

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Beitrag von Wallnuss » 23.11.2013, 23:22

Fack Ju Göhte

Mit den Lümmeln von der ersten Bank hatte es 1967 begonnen. Eine unbändige Klasse, die erst von einem unausgebildeten Lehrer mit unkonventionellen Methoden gezähmt werden können, der in Wahrheit aber natürlich ein ganz anderes Ziel verfolgt und sich mehr zufällig in seine Kollegin verliebt. Ja, die Geschichte, die "Fack Ju Göhte" von Regisseur Bora Dagtakin erzählt, ist freilich nicht neu und oft viel zu vorhersehbar. Na und? Who cares? Die zweite Zusammenarbeit zwischen Dagtakin und M´Barek ist so ziemlich das witzigste, was in Deutschland seit Jahren über die Bildschirme flimmern durfte und allein deswegen den Eintrittspreis wert. Abgesehen von den grandiosen Darstellern (Uschi Glas mit einem irrsinnig lustigen Kurzauftritt) brilliert diese Komödie nämlich noch mehr als ähnliche Filme jüngeren Datums wie "Bad Teacher" durch wirklich schwarzen Humor und einen sehr derben, aber nicht gewollt wirkenden Umgangston. Für den ein oder anderen mag es zu krass gewesen sein, auf mich wirkte es aber authentisch und ich denke, dass das auch der gewollte Effekt sein sollte. Obwohl man annehmen mag, dass der Streifen eher etwas für die jüngeren Zuschauer ist, ist dem nicht so. Einige Gags überzeugen in der Tat durch Feinsinnigkeit und Intelligenz, die man auf den ersten Blick gar nicht erwartet hätte. Zudem ist der Soundtrack clever gewählt, endlich ist aktuelle Chart-Musik mal nicht nervig, sondern passt perfekt zur gerade auf der Leinwand gezeigten Stimmung. Famos ist es zudem auch, mit welcher Einfachheit Dagtakin die allseits bekannte Geschichte wieder einmal erzählt und ihr zahlreiche kreative Ideen entlocken kann. Da wird dann einfach mal mit falschen Erwartungen gespielt oder ein eigentlich vorhersehbarer Gag trägt dann urplötzlich zur Story bei. Dies sorgt auch dafür, dass selbst erfahrene Kinogänger nicht irgendwann abschalten, sondern interessiert dem turbulenten Treiben folgen. Gut, natürlich ist nicht alles Gold was glänzt. Mehrere Gags werden gefühlt 5-mal zu oft gebracht, nicht jede Pointe zündet immer, die Geschmacklosigkeiten gehen mindestens an zwei Stellen im Mittelteil dann doch zu weit und am Ende haben wir etwas zu viel Kitsch. Am störendsten daran war für mich die Frage, warum man denn nun unbedingt noch eine Message haben musste. Zeichnete sich der Film nicht bislang durch seine unkonventionelle Art mit den Vorbildern zu spielen aus? Weswegen dann im Finale alles mit einer derart belanglosen Aussage verknüpfen? Naja, dass ist wohl dem Zeitgeist und der Zielgruppe geschuldet, zumal es bei all den Lachern, die "Fack Ju Göhte" dem Zuschauer bietet, dann auch nicht allzu sehr ins Gewicht fallen soll. Immerhin muss man einfach mal würdigen, dass wir Deutschen auch abseits von Til Schweigers fünfundzwanzigster Fortsetzung von "Kokowääh" mit seinen Urenkeln in den Hauptrollen doch noch im Comedy-Genre für eine Überraschung zu haben sind. Und jetzt haltet die Fresse und geht ins Kino!

:liquid9:

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Beitrag von Cinefreak » 24.11.2013, 02:10

schön, dass der Film dir gefallen hat...ich kenne Leute, die alleine schon, wenn sie den Titel hören, Anfälle kriegen ;)

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Beitrag von Wallnuss » 04.12.2013, 21:01

Cinefreak hat geschrieben:schön, dass der Film dir gefallen hat...ich kenne Leute, die alleine schon, wenn sie den Titel hören, Anfälle kriegen ;)
Naja, mein Gott, man darf sich halt auch nicht so anstellen oder? Zumal es in keinsterweise so ist, dass der Film Goethe oder Schiller und deren Klassiker als unnützen Schrott darstellen, von daher, war ich damit völlig einverstanden. Der Film ist halt eine Komödie und auf Spaß aus, wer sowas zu ernst nimmt, kann es auch einfach gleich ganz bleiben lassen, gelle? :) Deine Meinung zum Film hab ich mir auch durchgelesen, unfassbar, dass wir beide wohl mal einer Meinung zu sein scheinen.

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Beitrag von Cinefreak » 11.12.2013, 11:58

Das ist ja lustig...ich sehe gerade, dass wir bei "Die Unfassbaren" notenmäßig konform gehen ;) Allerdings fand ich die Charaktere jetzt gar nicht so blass, mir hat da eigentlich nichts gefehlt, außer vielleicht eine Spur mehr Tempo am Ende sowie eine Mega-Überraschung, wobei auch das vorhandene schon pfiffig gemacht war.

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Beitrag von Wallnuss » 10.01.2014, 19:33

OSS 117 - Der Spion, der sich liebte

Es ist nun mittlerweile bereits über 60 Jahre her, seit Ian Fleming 1953 den Spionageroman "Casino Royale" veröffentlichte und damit einen gewissen James Bond erschuf, einen Protagonisten, der heute jedem Kind geläufig ist und wohl gerade wegen seinen weltberühmten Eigenschaften (Vom Frauen vernaschenden Womanzier bis hin zum Martini schlürfendem Auftragskiller) schon mehr als einmal in Parodien wie "Austin Powers" oder "Johnny English" zum Hampelmann degradiert wurde. Doch trotz seines Erfolges ist Agent 007 keinesfalls der dienstälteste westliche Superspion, denn bereits 1949 verfasste Jean Bruce den ersten seiner insgesamt 88 Romane über Hubert Bonisseur de la Bath - Deckname: OSS 117 - der jedoch außerhalb von Frankreich langezeit nur den Allerwenigsten ein Begriff gewesen ist und das obwohl man im Zuge des Hypes um die ersten Connery-Bonds sogar versuchte, in den 60ern eine auf der Buchreihe basierende Agentenfilmreihe zu produzieren. Diese gerieten jedoch so lange in Vergessenheit, bis Martin Campbell 2006 ausgerechnet mit jener Verfilmung von Flemings Erstwerk nicht nur 007 wiederbelebte, sondern auch das Erscheinen dieser "französischen Antwort auf James Bond" nahezu provozierte. Gott sei dank, möchte man dabei nur laut ausrufen. Michel Hazanavicius "OSS 117" ist nämlich eine der vielleicht besten Gerne-Parodien überhaupt und in ihrer Detailverliebtheit durchaus mit Mel Brooks Star-Wars-Verulkung "Spaceballs" vergleichbar. Das gesamte Setting inklusive der Look des Filmes ist schlichtweg umwerfend gut gelungen. Mit auffälligen Rückprojektionen bei Autofahrten und ein paar klassiches 60er-Jahren Kameraperspektiven, Cuts und Einstellungen entsteht tatsächlich der Eindruck, man sehe einen alten Film aus der guten alten Zeit, nichts lässt einen auf die Idee kommen, es würde sich hier um ein aktuelles Werk handeln. Tolle Arbeit leistet unter dem Gesichtspunkt auch der Soundtrack, der neben seiner Sinn- und Zweckerfüllung auch ein paar Ohrwürmer bereit hält. Ebenso überraschend wie die visuelle Gestaltung ist eigentlich nur noch die optisch verblüffende Ähnlichkeit zwischen Hauptdarsteller Jean Dujardin und Ur-Bond Sean Connery. Hier könnte man wirklich von einem verlorengegangenen Sohn oder etwas ähnlichem ausgehen. Bemerkenswert an Dujardin ist aber nicht nur seine Äußerlichkeit, sondern auch sein mimisches Repertoire und seinen Sinn für Komik, den er hier gleich mehrfach unter Beweis stellen darf, wenn er beispielsweise gefesselt und geknebelt von den Brüsten seiner Peinigerin schwärmt, vor lauter Unwissenheit im Sekundentakt die ägyptische Bevölkerung entwürdigt und beleidigt (selten wurde Political-Correctness so mit Füßen getreten), sich undercover als Sänger beweisen muss oder einen erneuten Geschlechtsakt mit der von Aure Atika dargestellten Prinzessin Al Tarouk nur deshalb ablehnt, weil er gerade offenkundig "keine Lust mehr" habe. A propos: Es ist übrigens keinesfalls so, dass man wie bei "Agent Null Null Nix" und ähnlichem alles und jeden zu einer einzigen Lachnummer verkommen lässt. Nein, dieser Film geht da cleverer vor, in dem er Handlungen und Situationen entwirft, die grundsätzlich einen ernsten Unterton haben. Damit ist die Distanz zwischen dem "seriösen Agentenleben" und de la Baths ignorant-arroganter Eigensinnigkeit noch größer und steigert die eh schon lustigen Späße ins Unermessliche. Leider kann der Film seine hohe Gagdichte nicht bis ganz zum Schluss aufrecht erhalten, die Nazi-Episode in der Pyramide ist doch etwas zu albern geraten und bei all den völlig überflüssigen Nebenfiguren (dargestellt unter anderem von Saïd Amadis, François Damiens und dem deutschen Richard Sammel) verliert man am Ende etwas den Fokus von der eigentlichen Hauptfigur. Außerdem erschien mir die Auflösung der Handlung im Finale als nicht unbedingt optimal, da haben wir dann auch den einzigen Moment, der sich atmosphärisch nicht so ganz in den Rest einfügen will. Dennoch bleibt schlussendlich nicht zuletzt durch die fantastische Inszenierung, die erfrischende Respektlosigkeit, den brillanten Hauptdarsteller, der immer dann besonders gut ist, wenn er sich auf seine natürlichen Talente oder sein Zusammenspiel mit der hübschen Bérénice Beyo verlassen kann und die ungewöhnliche Herangehensweise ein bemerkenswertes Werk, dass sich in den letzten 20 Minuten leider etwas zu sehr in unnötigen Albernheiten verliert. Übrigens: Kongenial für alle Nicht-Französisch-Sprecher ist außerdem Oliver Kalkofes wundervolle Synchronisation, die sich viel Mühe gibt, so viele Wortspiele und Doppeldeutigkeiten des Originals wie möglich zu übernehmen. So geht das!

:liquid8: ,5

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Achtung, Spoilergefahr!

Beitrag von Wallnuss » 23.01.2014, 00:53

Man of Steel

Tja, bereits vorab wurde 2013 wohl kaum über eine andere Comicverfilmung so viel diskutiert, wie über den Versuch Hollywoods, den Vater aller Superhelden erfolgreich einem Reboot zu unterziehen. Mit David S. Goyer ("Batman Begins") als Drehbuchautoren und Christopher Nolan ("The Dark Knight"-Legacy, "Inception") als Produzenten hatte man zwei fähige Männer engagiert, auch wenn hin und wieder einen das Gefühl beschleicht, dass vielleicht doch lieber letzterer auch den Regieposten übernommen hätte. Auf diesem saß bei "Man of Steel" nämlich der ebenfalls Comic erprobte Zack Snyder ("300", "Watchmen") und da dessen Stil eigentlich genau gegensätzlich zu dem von Nolan angelegt ist, bestanden bei vielen von vornherein Zweifel an dieser Zusammenarbeit. Zu recht? Festzuhalten ist erst einmal, dass "Man of Steel" mit Sicherheit einer der eindrucksvollsten Blockbuster aller Zeiten geworden ist. Vom epischen Prolog bis hin zu einem der wohl längsten und explosivsten Showdowns der Filmgeschichte wird einem so ziemlich alles geboten, was im Bereich "Action" überhaupt möglich ist. Dramatische Fights in den Lüften, waghalsige Flugmanöver, knallharte Faustkämpfe, einstürzende Wolkenkratzer... diese Gigantomanie, die vor allem zum Ende hin an den Tag gelegt wird, erinnert unter anderem an Michael Bays Transformers-Trilogie. Nie wurde man von visuellen Effekten so erschlagen und geplättet in den Kinositz gedrückt wie hier. Doch im Zuge des Erfolges von Nolans Batman-Streifen (im Grunde folgt "Man of Steel" dem 2005 erschienen "Batman Begins" sklavisch im Aufbau) fühlte man sich offenbar auch dazu gezwungen, sämtliche Charaktere mit einem emotionalen Background auszustatten. Und genau hierbei scheitert Snyder. Während vor allem die Rückblenden mit Kevin Costner als Jonathan Kent noch relativ gelungen sind, fällt einem spätestens nach dem sechsten "Du musst dich entscheiden..." auf, wie wenig man hier eigentlich zu erzählen hat. Weder funktioniert das Aufkommen von Clarks Selbstzweifeln, noch der offenkundig als Höhepunkt gemeinte Tod seines Adoptivsvaters so richtig, zumal es nach all den schlimmen Ereignissen in seiner Kindheit diesen ohnehin als Motivation nicht mehr so richtig gebraucht hätte. Daher wünscht man sich gerade in den ersten 70 Minuten mehr Einflüsse von Produzent Nolan, der hier sicherlich mit mehr Gefühl inszeniert hätte. Auch muss man leider anmerken, dass, so beeindruckend der Cast auch zusammengestellt sein mag (Laurence Fishburne, Amy Adams, Kevin Costner, Russell Crowe...), so sehr leider auch auffällt, dass viele von ihnen anscheinend eher für eine Fortsetzung an Bord geholt wurden, während sie hier noch recht teilnahmslos in der Gegend herumstehen, im Falle von Crowes Auftritt als Wegweiser ist dies sogar mehr als wörtlich zu nehmen. Grade die gesamte Daily-Planet-Crew ist vollkommen überflüssig für die Handlung und wohl mehr dem Comic-Background geschuldet, als irgendeiner anderen dramaturgischen Relevanz. Nachdem die erste Hälfte also zwar durchaus von Nolan inspiriert ist, aber leider an der eher kalten und schemenhaften Darstellung krankt, kann dann endlich Snyder so richtig loslegen und hier kann man nur noch einmal betonen, dass noch niemand die Kraft und Zerstörungswut eines Mannes aus Stahl auch nur annähernd so mächtig und gehaltvoll dargestellt hat, wie er. Klar, inhaltlich hat man spätestens nach der Vernichtung von Smallville genau genommen nichts mehr zu melden, aber lieber kaschiert man es so, als wie in früheren Superman-Streifen durch ausufernde und unfreiwillig komische Dialoge, wobei einem hier mitunter der komplette Verzicht auf jegliche Form von Humor etwas auffallen mag. Bei allem gerechtfertigten Lob an die famosen Effekte und die zahlreichen gelungenen visuellen Effekte darf man aber eines eben nicht vergessen: Wie soll man das jemals übertreffen? Will man im Sequel jetzt zwei Metropolen zerstören? Fünfzig Hochhäuser mehr niederwalzen? Hundert-Millionen zivile Opfer mehr provozieren? Wenn Superman am Ende alleine zwischen all den Trümmern mit Lois Lane steht und sie sich vor dem Hintergrund von völlig zerstörten Büroklötzen zu Hans Zimmers epischer Musik küssen, stellt man sich als Zuschauer unweigerlich die Frage, wohin jetzt die Reise gehen soll.
Fazit: "Man of Steel" war nach der langweiligen Schlaftablette "Superman Returns" die einzig logische Konsequenz für alle Fans des Superman-Franchises: Ein lauter und dramatischer Neubeginn mit mehr Ernsthaftigkeit und deutlich mehr Action. Leider aber braucht man etwas mehr als ein paar Pauschal-Plattitüden à la "Du bist der Auserwählte" und verquaste Bibel-Anspielungen, um beim Zuschauer eine Identifikation mit den Protagonisten zu erzeugen und genau dieses Gespür für Emotionalität fehlt in der langen Exposition beinahe durchgehend. So bleiben einem zwar fantastische Blockbuster-Unterhaltung und spektakuläre (weitestgehend humorlose) Gefechte, wie man sie wohl noch nie in der Form zu sehen bekommen hat, doch sehnt man sich zu oft nach ein paar wirklich dramatischen Momenten, die richtigen Nervenkitzel garantieren. Man sieht viel, fühlt dabei aber leider wenig, zu schizophren ist der Eindruck, dass sowohl die erste als auch die zweite Hälfte des Filmes jeweils einen anderen Gegenüber verlangen. So kann man vom Entertainment-Faktor her zwar durchaus mit den direkten Konkurrenten von den Marvel Studios mithalten, schafft es jedoch trotz aller Ambitionen nicht, dass Genre neuzuerfinden.

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Beitrag von Wallnuss » 23.01.2014, 20:32

The Wolf of Wall Street

Um mich kurz zu fassen: Ich habe mich furchtbar gelangweilt und demzufolge auch gar keine Lust, mich länger als nötig mit dem Gebotenen auseinanderzusetzen. Drei Stunden lang erzählt Scorsese mit viel zu vielen Exzessen eine ohnehin total belanglose Geschichte und verliert sich dann sogar inhaltlich auf verschiedenen Meta-Ebenen des Verständnisses und einer möglichen Deutung der Geschehnisse, während DiCaprio in der Hauptrolle und Jonah Hill als sein Gegenüber vergeblich versuchen zu retten, was da noch irgendwie zu retten ist. Einfach nur traurig, wenn man mit ansehen muss, was aus dem einst so großartigen Regisseur Martin Scorsese geworden ist, da quasi keiner seiner letzten 6-7 Filme sich durch eine eigene Identität auszeichnen konnte, alles wirkt auch hier total beliebig und lässt seine Handschrift, sowie seinen einst so markanten Stil komplett vermissen, auch wenn er hin und wieder kurz hervorzuschimmern scheint. Mittlerweile spiegelt sich dies nun aber auch überdeutlich in den Filmen selbst wieder, mangelt es eben hier nicht nur den Charakteren, sondern auch praktisch jeder Szene an einem Fünkchen Seele und Spaß. Mitreißend sieht anders aus und so verwundert es auch nicht, dass die einzigen interessanten Ansätze nahezu vollständig aus ähnlich gelagerten Genrefilmen wie Oliver Stones "Wall Street" oder J. C. Chandors "Margin Call" transformiert und abgekupfert wirken. Ärgerlich.

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Beitrag von Wallnuss » 04.02.2014, 14:59

Mandela - Der lange Weg zur Freiheit

Es war unausweichlich. Nachdem mit Filmen wie "127 Hours", "The Social Network" und nicht zuletzt "Captain Phillips" die Zuschauer immer mehr nach Biopics zu schreien scheinen, ließ man es sich in Hollywood natürlich nicht nehmen, nun auch das Leben des erst kürzlich verstorbenen Nelson Mandela auf die große Leinwand zu bannen, selbstverständlich basierend auf der Biographie, die Mandela höchstpersönlich geschrieben hatte und in der er all seine Höhen und Tiefen nacherzählte. Für Regisseur Justin Chadwick stand hier ohne Zweifel von Beginn an besonders eine Frage im Vordergrund: Wen verplichtet man mit einer solch großen und komplexen Rolle? Umso erfreulicher, dass man sich letzten Endes nicht für einen Darsteller entschied, der dem Original möglichst ähnlich sieht, sondern für den vielfach ausgezeichneten Idris Elba, den man sonst eher aus Blockbustern wie "Thor", "Prometheus" oder "Pacific Rim" kennt, der aber beispielsweise in der britischen Fernsehserie "Luther" seine Kompetenz als Charakterdarsteller bereits unter Beweis stellen konnte. Das diese Wahl sich aber als absolut perfekt herausstellt, ist das größte Lob, dass man "Mandela" machen kann. Mit einer beeindruckenden Leinwandpräsenz meistert Elba den schwierigen Wandel seiner Figur, fügt ihm immer wieder aufs neue eine weitere aufregende Facette hinzu und kann sogar trotz eines etwas fragwürdigen Make-Ups zum Ende hin die Aura seines Vorbildes aufsaugen und das Publikum mit seinem Charisma ummanteln. Beinahe ebenso gut spielt ansonsten im Film eigentlich nur noch Naomie Harris, die als Mandelas zweite Ehefrau Winnie Madikizela eine ungewohnte Intensität an den Tag zu legen vermag. Doch leider war der Ansatz, sich dieser Geschichte, die man erzählen will, zu widmen, eher unglücklich gewählt. Wenn man auch relativ gut in die Geschichte eingeführt wird, so stellt sich nach einer gewissen Zeit doch große Ernüchterung ein, sobald man für sich realisiert, wie gehetzt hier vorgegangen wird. Grade die eigentlich auch aus dramaturgischer Sicht unglaublich wichtigen Momente des Erlebens der großen Liebe mit seiner Frau, als auch Mandelas Zeit als Revoluzzer werden schnell und mit zu großer emotionaler Distanz zu den handelnden Charakteren abgehandelt, sodass einen danach weder die starke Hingabe des Volkes für den Protagonisten noch das sich anbahnende Familiendrama ernsthaft berühren wird. Zu schnell ist man darauf bedacht, Mandela ins Gefängnis zu stecken und dann die allseits bekannten politischen Geschehnisse detailgetreu nachzuerzählen. Das kann man machen, aber anstatt sich Zeit zu nehmen, den Zuschauer mal wirklich in die Geschichte eintauchen zu lassen, entscheidet man sich lieber dafür, dass komplette Leben eines Mannes flächendeckend aufzugreifen, was das eigentliche Dilemma ist, denn hierbei verbaut man sich nicht nur das Aufkommen von waschechten Höhepunkten, sondern nimmt sich zugleich auch einer Aufgabe an, die wohl kaum in 2 1/2 Stunden zu bewältigen ist. Interessanter wäre es gewesen, den tatsächlich entscheidenden Momenten in der Biografie den nötigen Raum innerhalb der Erzählhandlung einzuräumen und dafür Mandela vielleicht den ein oder anderen inneren Monolog weniger in den Mund zu legen. Überhaupt fällt auf, dass man zur Personalie Nelson Mandela selbst anscheinend gar nicht allzu viel zu sagen hat. Selbstredend ist es schwer genug, der etablierten Vorstellung, die die Öffentlichkeit von einer Person hat, neue Seiten abzugewinnen, aber dass offenbar nicht mal ein Interesse daran bestand, dies zu versuchen, dürfen sich die Produzenten gerne als "mangelnden Mut zur Eigenständigkeit" ankreiden lassen. Seltsam, wo man doch diesen gerade in den schonungslos dargestellten Kriegshandlungen innerhalb von Südafrikas zu haben schien und sich auch auf rein politischer Ebene nie darauf beschränkte, Inhalte grob zu vereinfachen oder zu beschönigen.
Fazit: "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit" ist ein brillant gespielter, sicher und handfest inszenierter, aber eben auch etwas zu konventioneller und mutloser Film über einen der wichtigsten Männer des 20. Jahrhunderts. Zwar versteht es Chadwick vor allem zum Ende hin souverän, eine emotionale Basis für den Zuschauer zu schaffen und über eine Laufzeit von 152 Minuten hinweg die Spannung nie abflachen zu lassen, doch fragt man sich, wozu dieses Biopic denn nun eigentlich nötig war, wenn man in der Theorie ohnehin nicht mehr für sich selbst mit nimmt, als aus den Texten von Geschichtsbüchern. Ohne Frage bleibt es eine ergreifende und packende Geschichte und damit sei dieser Film vor allem Einsteigern in das Schaffenswerk des Friedensnobelpreisträgers empfohlen, doch wer bereits mit einer gewissen Vorkenntnis ins Lichtspielhaus geht, wird sich fragen, wo zwischen dem Aufstand in Soweto, den 27 Jahren in Haft und der Präsidentsschaftswahl Südafrikas eigentlich der Charakter Nelson Mandela abgeblieben ist, über den man leider nur das erfährt, was er selbst über sich in seinen Reden vorgebracht hatte. Eine Entmystifizierung des Phänomens "Mandela" findet praktisch mangels greifbarer Motivationen nicht statt, da man zu Beginn zu schnell darauf bedacht gewesen ist, die Handlung vorwärts zu preschen, anstatt den Grundstein für das zu legen, was folgen wird. Manchmal sollten sich eben selbst die besten Filmemacher daran erinnern, dass man unter Umständen erst einmal zwei Schritte zurückgehen muss, bevor man einen nach Vorne wagen darf.

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Beitrag von Wallnuss » 09.02.2014, 17:44

Django Unchained

Wenn es ein Genre gibt, dass in den letzten Jahren von Hollywood wohl am sträflichsten vernachlässigt wurde, dann ist es ohne Frage der Italowestern. Dies ist auf der einen Seite sehr schade, weil dieses einst so fantastische Meisterwerke wie "Zwei glorreiche Halunken", "Spiel mir das Lied vom Tod" oder eben "Django" hervorbrachte, auf der Anderen jedoch auch absolut verständlich, da diese Filme durch ihre expliziten Gewaltdarstellungen und ihre ansonsten eher simplen Rachestorys heute nur noch wenig salonfähig sind. In Anlehnung an diese großen Klassiker hatte es sich nun jedoch Regie-Wunderkind Quentin Tarantino zur Aufgabe gemacht, diesen Umstand zu korrigieren und mit seiner Version eines modernen Western den alten Haudegen Sergio Leone, Sergio Corbucci oder Enzo Barboni ihren Tribut zu zollen. Ein geglücktes Unterfangen? Man ist versucht, sofort ja zu sagen, denn die ersten zwei Stunden von "Django Unchained" sind Kino in seiner allerbesten Form. Dies beginnt schon mit dem famosen Intro und der kongenialen Einführung des Dr. King Schultzes, der mit Christoph Waltz ideal besetzt ist. Meisterhaft versteht es Tarantino in den ersten Szenen nicht nur den Ton des Filmes, sondern auch die Grundkonstellation seiner beiden Protagonisten klar zu machen und dabei mit viel Humor dennoch zu unterhalten. Praktisch die komplette erste Stunde des Filmes besteht aus lauter gelungenen Einzelszenen, die allesamt als Hommagen an alte Genreklassiker funktionieren, dabei aber dennoch nie losgelöst vom Geschehen sind und ein flüssiges Ganzes ergeben. Neben der Ermordung der Brittle-Brüder und dem Training in der eiskalten Winterlandschaft sticht vor allem die mittlerweile wohl schon legendäre Kapuzen-Szene heraus, die sowohl von ihrer Länge als auch von der Komik her perfekt integriert ist und durchaus dafür sorgen kann, dass man vor lauter Lachen Bauchschmerzen bekommt. Sowas kann Tarantino und es gelingt ihm hier besser denn je. Danach folgt dann die relativ lange Candyland-Passage. Diese kommt zwar weniger abwechslungsreich daher und scheint im Allgemeinen nur aus wenigen langen Sequenzen zu bestehen, ist dafür aber durch ihr gesundes Maß an Hitchcockscher Suspense, ihre menschlichen und authentischen Dialoge und den brillanten Auftritten von Leonardo DiCaprio und Samuel L. Jackson, die beide vielleicht die beste schauspielerische Darbietung ihrer Karriere abliefern, eine wundervolle Ode an den Film und wirklich spannend. Die Dinner-Szene und das Händeschütteln zwischen Candie und Schultz stellen mit Sicherheit den Höhepunkt des gesamten Werkes da, was aber auch schon das erste Problem herauskristallisiert. In all diesen unfassbar guten Momenten bleibt leider ausgerechnet Jamie Foxx als Django total blass und kann weder vom Charisma noch von seinem Schauspiel selbst mit seinen Gegenübern und erst recht nicht mit Genre-Vorbildern à la Franco Nero oder Clint Eastwood mithalten. Das macht jedoch (noch) erstmal nichts, da der Schwerpunkt gar nicht so sehr auf ihm liegt, wie man vielleicht meinen möchte. Wenn sich dann aber die Handlung nach einer relativ krassen und eigentlich als Finale empfundenen Actionszene wieder von Candyland entfernt und Tarantinos obligatorischer Cameo-Auftritt folgt, wird es leider reichlich kurios, da hier nicht nur der Film eigentlich hätte zu Ende sein müssen, sondern auch der gesamte Ton eine 180-Grad-Drehung erfährt. Warum man diesen Ansatz gewählt und ein relativ langes, für die Handlung eigentlich unnötiges Dénouement inszeniert hat, wird nicht richtig klar, da man es erstens mit der Glaubwürdigkeit hier sehr weit treibt und Foxx diese abschließende Dreiviertelstunde als Konsequenz aus dem vorheraufgebauten überhaupt nicht tragen kann. Vielleicht steckt auch hier ein tieferer Sinn dahinter, vielleicht gibt es auch hier eine Hommage an einen Klassiker, die sich dem Rezensenten nicht ganz erschlossen hat. Dies alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass diese letzte beinahe schon surreale Gewaltorgie nicht nur fehl am Platz wirkt, sondern Gewalt als Lösung aller Probleme darstellt und völlig unnötig heroisiert, während man vorher doch gerade so bedacht darauf gewesen ist, den Albtraum des Sklavenhandels der damaligen Zeit (wenn auch überspitzt) korrekt darzustellen.
Fazit: Am Ende verlässt man verwirrt und unschlüssig den Kinosaal. Was hat "Django Unchained" nicht für einen Spaß gemacht? Diese herrlich politisch unkorrekten Dialoge, die verschrobene und völlig überzogene Gewaltdarstellung, die skurrilen Charaktere, die bemerkenswerten Darstellungen von Waltz, Jackson und Di Caprio... Warum also musste nach all diesen tollen und sehenswerten Momenten alles in einem derart einfallslosen und schlaffen Finale münden? War es Tarantino hier wirklich so wichtig, am Ende noch einmal auf pupertärste Art und Weise die Sau rauszulassen? Wäre mit einem gelungenen Abschluss direkt auf Candyland nicht viel mehr drinne gewesen? Musste denn auch dieser Film zwingend Überlänge haben? Was auch immer man sich dabei gedacht hat, so kann man natürlich nicht abstreiten, dass bis auf die letzten 45 Minuten dem Zuschauer alles menschenmögliche geboten wird und man sich perfekt unterhalten fühlt, dass das Timing, die Kompostionen und auch der Soundtrack, in seiner absurden Zusammenstellung aus Morricone-Stücken und Hip-Hop-Musik, irre viel Spaß gemacht haben. Das leider der zum Ende hin auf der Strecke bleibt, ist ein großes Ärgernis, sollte das vorherige Filmerlebnis aber natürlich zu keinem Zeitpunkt vergessen machen. Erstaunlich, wie man doch manchmal erst auf den letzten Metern an einem Meisterwerk vorbeischlittert.

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