Filmtagebuch: deBohli
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Rye Lane
Streaming, Disney+ / Regie: Raine Allen-Miller
Die Farben, die lebendigen Szenerien in den Strassen Londons, die frisch wirkenden Dialoge: Mit «Rye Lane» frischt Debütantin Raine Allen-Miller das RomCom-Genre auf. David Jonsson und Vivian Oparah sind in den Hauptrollen perfekt, inszenatorische Kniffe, wie die Weitergabe von Gegenständen aus den Erinnerungen, sind unterhaltsam. Wunderbar die Kameraarbeit von Olan Collardy.
A Girl Walks Home Alone At Night
DVD / Regie: Ana Lily Amirpour
Vampirgeschichten gibt es (zu) viele, Ana Lily Amirpour hat in ihrem Debüt die Nacht wieder fesselnd gemacht. Schwarzweisse Aufnahmen, stilvolle Details und die wunderbare Sheila Vand in der Hauptrolle (zuletzt bei «Land of Dreams», 2021 von Shirin Neshat, Shoja Azari) – das passt.
Der Film funktioniert nicht nur als schräge Liebesgeschichte, sondern als Sozialdrama und Kritik an der patriarchalen Gesellschaftsordnung im Iran.
Celia
BD / Regie: Ann Turner
Nach dem zähen Beginn wurde ich von «Celia» emotional so stark mitgerissen, dass ich Figuren und die männlichen Teile der Gesellschaft lauthals verfluchte. Der Film von Ann Turner (ihr erster) ist ein märchenhafter, harscher und ehrlicher Blick auf das Leben eines Mädchens.
Rebecca Smart ist als Celia fantastisch, die Geschichte verdichtet sich zum unausweichlichen und brutalen Ende. Dieser Blick auf die Fünfzigerjahre in Australien ist in keiner Weise geschönt.
Tori et Lokita
Streaming, Filmingo / Regie: Luc Dardenne, Jean-Pierre Dardenne
Eine Viertelstunde vor dem Ende von «Tori et Lokita» überlegte ich, die letzten Szenen nicht mehr zu schauen. Dass der Film von Luc Dardenne, Jean-Pierre Dardenne nicht gut ausgehen würde, war klar. Den brutalen Schluss, den die Regisseure zeigen, hätte ich aber niemals erraten.
Der dicht inszenierte und realistisch wirkende Spielfilm ist wie ein Schlag ins Gesicht, ein lauter Ausruf gegen verachtenden Handlungen Europas gegenüber Flüchtlingen. Wichtig und schmerzhaft.
Re: Filmtagebuch: deBohli
AGWHAAN mag ich von allen bisherigen Amirpours (die ich alle auf ihre Art interessant finde) auch immer noch am liebsten. Gerade kürzlich erst "Mona Lisa and the Blood Moon" gesehen, unheimlich viele Parallelen, immer noch sehr entdeckenswert, aber leider nicht mehr ganz mit derselben Wirkung wie ihr Debüt.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Von Amirpour sah ich bisher noch "The Bad Batch", den fand ich allerdings inhaltlich sehr dünn und trashig. Auf "Mona Lisa and the Blood Moon" freue ich mich.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Chaylla
Kino / Regie: Paul Pirritano, Clara Teper
Die Kamera bleibt immer nahe am Gesicht von Chaylla, zeigt jede Regung in der Mimik und lässt uns ihre Probleme und Empfindungen direkt spüren. Das macht aus dem eher unschön gedrehten und montierten Dokumentarfilm eine ergreifende Erfahrung und zeigt viele Aspekte von Fällen häuslicher Gewalt.
Paul Pirritano und Clara Teper durften bei «Chaylla» die Hauptperson während mehreren Jahren begleiten und zeigen ihren Lebens- und Leidensweg auf, zugleich ihre Stärke und ihren Willen, im patriarchalen System als Frau und Mutter zu bestehen.
Fly So Far
Kino / Regie: Celina Escher
In El Salvador werden Frauen bei Verdacht auf Abtreibung oder Tötungsdelikt am Säugling Jahrzehnte lang ins Gefängnis gesteckt. Ohne Beweislage, als ultimatives Mittel zur Abschreckung und Fügung. Die Frau wird so nach Beginn der Schwangerschaft von der Gesellschaft und Regierung zum Brutkasten ohne Rechte umgewandelt.
Diese brutale Realität zeigt Celina Escher in ihrem Dokumentarfilm «Fly So Far», der unter die Haut geht und die Missstände im Land am Beispiel von Teodora Vásquez aufzeigt. Ein gut gemachter und gelungen gedrehter Film, der wütend macht und zu Handlungen inspiriert.
The Trial
DVD / Regie: Orson Welles
Die Schatten sind lang und hart, die Räumlichkeiten entweder einengend oder atemberaubend gross. Mit dem Setdesign und der Kameraarbeit brachte Orson Welles in seine Kafka-Verfilmung «The Trial» eine gehörige Portion Expressionismus mit ein, verbunden mit den Gesetzen eines Albtraumes.
Gemeinsam mit Anthony Perkins stolpert man durch Szenen und Begegnungen, ist überrascht, verwirrt und überfordert. Jeanne Moreau und Romy Schneider bieten scheinbare Sicherheiten, das brachiale Ende folgt alsbald.
Arrebato
BD / Regie: Ivan Zulueta
Welche Macht hat der Film, das Kino? Ist es so stark oder sogar intensiver als Heroin? Macht es abhängig und treibt Menschen in den Wahnsinn? Im fiebrigen Film «Arrebato» von Ivan Zulueta werden alle diese Fragen behandelt, konkrete Antworten gibt es hingegen keine.
Experimentell, direkt und schmutzig wirkt die Präsentation, die verschachtelte Erzählung lässt den Horror der Eventualitäten stärker wirken. Ende der Siebzigerjahre in Spanien gedreht, ist «Arrebato» Untergrund, Antihaltung und überraschende Konfrontation.
VFW
DVD / Regie: Joe Begos
Neonfarbene Beleuchtung, zähneknirschend ausgespuckte Dialogzeilen und alte Haudegen, die sich noch einmal zur Wehr setzen: Style Over Substance bei Joe Begos, «VFW» versagt als Film aber an diversen Orten. Was bei «Bliss» (2019) mit Blut und Rock’n’Roll Spass machte, ödet hier an.
Das liegt daran, dass alles erzwungen cool wirkt, der Regisseur die Geometrie des Raumes missachtet und die zeitlichen Gesetze über den Haufen wirft. Unruhige Kameraführung, merkwürdige Schnitte und selten überzeugendes Schauspiel generierten bei mir vor allem Langeweile und kein Adrenalin.
Dark Star
DVD / Regie: John Carpenter
Wenn ein Studentenfilm zu einem vollwertigen Science-Fiction-Werk heranwächst, das man Jahrzehnte später weiterhin schaut und auf Disc auswertet, dann wurde einiges richtig gemacht. John Carpenter bewies mit «Dark Star» viel Kreativität und Erfindergeist, und einige Schwächen.
Die Elemente der Geschichte sind ausgefallen und spassig, deren Ausführung durchschnittlich. Der Film wirkt zäh, gewisse Effekte (etwa das Alien) sind lachhaft, das Schauspiel sehr schlecht. So bleibt die Produktion als Zeitzeugnis für Carpenters Karriere wichtig und interessant, als wirklich guten Film aber nicht.
F
DVD / Regie: Johannes Roberts
In der High-School gehen Verbrecher um, die ihre Gesichter nie zeigen und alle Menschen im Gebäude bestialisch ermorden. Und dann endet «F», ohne Auflösung oder Versöhnung. Das macht aus dem Slasher von Johannes Roberts ein intensiv wirkender Film, der dem Bösen keine Erklärung bietet.
Die Kombination der Elemente wirkt neu, der Rest ist Horrorfilm-typisch aufgegleist. Knappe Laufzeit, stereotypische Charaktere und etwas nackte Haut nebst blutigen Momenten – aber es funktioniert. Ob der Film als Kritik am britischen Schulsystem gelesen werden soll, wage ich zu bezweifeln.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Suzume
Kino / Regie: Makoto Shinkai
Mit seinen Filmen hat sich Makoto Shinkai zu Recht die Position an der Spitze der aktuellen Anime-Kunst erarbeitet. «Suzume» ist erneut optisch brillant, emotional treffend und vor Ideen sprühend. Besonders im ersten Drittel passen Bilder, Musik und Geschehnisse perfekt zusammen – wie etwa der Moment, in dem der Wurm zum ersten Mal auftaucht.
Wie aber bei «Weathering with You» (2019) kann Shinkai diese Qualität nicht bis zum Ende halten und nicht alle Elemente und Entscheidungen in der Geschichte wirken genügend ausgearbeitet. Besonders der Schluss ist zu zäh.
John Wick: Chapter 4
Kino / Regie: Chad Stahelski
Hätte Rina Sawayama eine grössere Rolle, der Film würde von mir ohne Probleme die Höchstwertung erhalten. Sie ist als Akira die beste Figur in «John Wick: Chapter 4», hat das beste Outfit und ist cooler als Donnie Yen, Bill Skarsgård oder sogar Keanu Reeves. Also: Jetzt alle bitte «This Hell» anhören und mittanzen.
Chad Stahelski macht auch sonst vieles richtig und liefert mit dem längsten Kapitel in der Reihe einen Koloss ab, der vor Action, Ideen und tollen Settings nur so strotzt. Einiges ist unrund, etwa die Fähigkeiten von Caine, das letzte Drittel, das sich sehr zieht und Wick zu einem unsterblichen Superhelden mutieren lässt, und das Finale vor den schlechten CGI-Kulissen. Doch der Spass überwiegt, die Kills sind brutal, die Beleuchtung umwerfend und die Kameraarbeit sehr gelungen (Trackingshot im Pariser Gebäude). Nicht zu vergessen der Score (inkl. Song von Justice), der im Kino wunderbar laut war.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Kalifornia
DVD / Regie: Dominic Sena
Brad Pitt versucht als verrückter, mordlustiger Redneck zu überzeugen, David Duchovny hält mit stoischer Naivität dagegen. Leider entsteht dadurch nicht die gewünschte Spannung, «Kalifornia» steckt zu tief in der Oberflächlichkeit der Neunzigerjahre.
Der Film von Dominic Sena macht dank den guten Bildern, den Songs und dem Spiel von Juliette Lewis und Michelle Forbes trotzdem Laune. Sinn und Logik gibt es aber nicht in grosser Menge.
I Hired a Contract Killer
Stream, Filmingo / Regie: Aki Kaurismäki
Das Leben der Arbeiterklasse, die Isolation der Einzelperson: Der Ausweg bei «I Hired a Contract Killer» scheint der beauftragte Mord zu sein, nachdem Suizid nicht funktionieren wollte. Eine tragische Grundlage, die bei Aki Kaurismäki mit viel schwarzem Humor und satirischen Seitenhieben fast zu gut unterhält.
Ein kleiner Film, der mit passender Ausstattung und dezentem Farbschema aufwartet, die Gesellschaft kritisch betrachtet und herrlich komische Momente bietet.
La donna della domenica
BD / Regie: Luigi Comencini
Ein Mord in der Oberschicht, viel Missgunst und Hass; noch mehr Motive für die verübte Gewalttat. «La donna della domenica» ist eine gelungene Mischung aus Thriller, Kriminalfilm und beissender Komödie, die sich an den Eigenheiten der Wohlhabenden in Turin labt.
Von Luigi Comencini geschickt inszeniert und mit tollen Schauspieler:innen besetzt, macht das Ratespiel bis zum Schluss Freude und serviert nebst der Musik von Ennio Morricone einige auf den Punkt gebrachte Dialoge.
Restless Natives
BD / Regie: Michael Hoffman
Viel Herz hat «Restless Natives» auf jeden Fall, auch wenn gewisse Dinge und Momente im Film von Michael Hoffman zu naiv oder unsicher daherkommen. Die Geschichte um zwei junge Typen, die in Schottland nach Sinn, Status und Geld suchen, erinnert an amerikanische Teenager-Komödien aus der Zeit, wird aber nie plump.
Verliebte Gefühle, Abenteuerdrang und überzeichnete Charaktere umtanzen sich in der Geschichte, die Aussenseiter werden zu den heimlichen Helden. Begleitet von der Musik von Big Country wird die Sehnsucht geweckt.
Hunted
BD / Regie: Peter Crane
Mit der ersten Produktion der kurzlebigen Indie-Firma The Penini Organization wurden diverse Gewohnheiten im englischen Film über den Haufen geworfen. «Hunted» von Peter Crane ist ein Kammerstück über familiäres Trauma, Mordlust und die Frage, was Töten bedeutet.
Konfrontativ, aufreibend und doch nicht immer genügend tief – dafür überzeugen die beiden Schauspieler:innen und die kurze Laufzeit bietet Raum für anschliessende Diskussionen.
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Letzte Einträge vor dem Brugggore Filmfestival:
Foudre
Kino / Regie: Carmen Jaquier
Mit ihrem Debütfilm ist Carmen Jaquier ein echter Kunstgriff gelungen. Ohne, dass «Foudre» viel erzählen oder neue, wichtige Erkenntnisse liefern würde, ist die Geschichte um das sexuelle Erwachen einer jungen Frau in der Bergregion ein betörendes, stellenweise berauschendes Erlebnis.
Der Film funktioniert auf der emotionalen Ebene, wirkt stellenweise ätherisch und liess mich Aspekte wie Geschichte und Stringenz vergessen. Die grossartige Kameraarbeit von Marine Atlan (welch selten gesehene Linsen) und die famose Musik von Nicolas Rabaeus (die Synthesizer, die Gesänge) machten den Film, nebst dem Spiel von Lilith Grasmung in der Hauptrolle, zu einer beeindruckenden Reise.
Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives
DVD / Regie: Apichatpong Weerasethakul
Obwohl wir die Zeit fliessend und fortschreitend wahrnehmen, besteht die Möglichkeit, dass wir alle unsere Leben und Varianten zugleich sein. Apichatpong Weerasethakul untersucht diese Gedanken in dem langsamen und meditativ schönen Film «Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives».
Einzelne Szenen werden zu Sinfonien, minimalistischen Dialoge zu einer neuen Weltanschauung. Die Geister vergangener Zeiten gesellen sich zu uns, die möglichen Visionen der Zukunft werden greifbar. Eine Erzählung, die viele Überlegungen zum eigenen Dasein anregt und lange wirkt.
Cabra Marcado Para Morrer
BD / Regie: Eduardo Coutinho
Dokumentarfilme, in denen die Macher:innen ihren ursprünglichen Plan wegen unvorhergesehenen Ereignissen neu andenken müssen, sind oftmals die besten. So auch «Cabra Marcado Para Morrer» von Eduardo Coutinho. Der Film aus den Achtzigerjahren ist ein grossartiges Beispiel für eine Produktion mit Meta-Aspekten, mehreren Schichten und kritischer Reflektion.
Zusätzlich bietet der Film wichtige Einblicke in die Zeit der Diktatur in Brasilen und stellt Fragen, was lebenswerte Aspekte eines Lebens sind und wofür es sich zu kämpfen lohnt.
The Bullet Train
BD / Regie: Jun’ya Satô
Vor «Speed» war «The Bullet Train», ein langer und rasanter Actionfilm aus Japan, gedreht in den Siebzigerjahren. Ein Shinkansen, dessen Geschwindigkeit niemals unter 80 mph fallen darf, ein terroristischer Plot, der während 150 Minuten diverse Verwicklungen durchmachen darf.
Der Film von Jun’ya Satô besticht durch gute Figuren, packende Momente und dem tollen Setting. Viele Szenen ausserhalb des Zuges verhindern Einengung, das düstere Ende ist nachdenklich.
The Intruder
DVD / Regie: Roger Corman
William Shatner spielte für Roger Corman einen rassistischen Aufwiegler, der in einem Kaff in den Südstaaten der USA in den Sechzigerjahren für Gewaltausbrüche sorgt. Und siehe da, «The Intruder» ist ein wirklich guter Film, der alles aus seinem moderaten Budget, seinem Setting und der Ausstattung holt.
Es finden sich zwar Overacting und klischierte Momente in den 80 Minuten, der Inhalt und die Aussagen haben leider bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren.
Dick Johnson Is Dead
BD / Regie: Kirsten Johnson
Kirsten Johnson wird in wenigen Jahren ihren Vater verlieren, doch wie soll man als Tochter einer solchen Veränderung begegnen? «Dick Johnson Is Dead» bietet als Dokumentarfilm die Möglichkeit, das Ableben und die Beerdigung bereits gemeinsam zu durchleben.
Auf sehr geschickte Weise vermengt der Film die Realität (Interviews und Erinnerungen) mit der Fantasie (inszenierte Todesfälle, überzeichnete Szenarien in schillernden Farben). Das lässt den eigenen Umgang mit dem Tod hinterfragen und spendet Hoffnung. Ein ungewöhnlicher, emotionaler und schöner Film.
Foudre
Kino / Regie: Carmen Jaquier
Mit ihrem Debütfilm ist Carmen Jaquier ein echter Kunstgriff gelungen. Ohne, dass «Foudre» viel erzählen oder neue, wichtige Erkenntnisse liefern würde, ist die Geschichte um das sexuelle Erwachen einer jungen Frau in der Bergregion ein betörendes, stellenweise berauschendes Erlebnis.
Der Film funktioniert auf der emotionalen Ebene, wirkt stellenweise ätherisch und liess mich Aspekte wie Geschichte und Stringenz vergessen. Die grossartige Kameraarbeit von Marine Atlan (welch selten gesehene Linsen) und die famose Musik von Nicolas Rabaeus (die Synthesizer, die Gesänge) machten den Film, nebst dem Spiel von Lilith Grasmung in der Hauptrolle, zu einer beeindruckenden Reise.
Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives
DVD / Regie: Apichatpong Weerasethakul
Obwohl wir die Zeit fliessend und fortschreitend wahrnehmen, besteht die Möglichkeit, dass wir alle unsere Leben und Varianten zugleich sein. Apichatpong Weerasethakul untersucht diese Gedanken in dem langsamen und meditativ schönen Film «Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives».
Einzelne Szenen werden zu Sinfonien, minimalistischen Dialoge zu einer neuen Weltanschauung. Die Geister vergangener Zeiten gesellen sich zu uns, die möglichen Visionen der Zukunft werden greifbar. Eine Erzählung, die viele Überlegungen zum eigenen Dasein anregt und lange wirkt.
Cabra Marcado Para Morrer
BD / Regie: Eduardo Coutinho
Dokumentarfilme, in denen die Macher:innen ihren ursprünglichen Plan wegen unvorhergesehenen Ereignissen neu andenken müssen, sind oftmals die besten. So auch «Cabra Marcado Para Morrer» von Eduardo Coutinho. Der Film aus den Achtzigerjahren ist ein grossartiges Beispiel für eine Produktion mit Meta-Aspekten, mehreren Schichten und kritischer Reflektion.
Zusätzlich bietet der Film wichtige Einblicke in die Zeit der Diktatur in Brasilen und stellt Fragen, was lebenswerte Aspekte eines Lebens sind und wofür es sich zu kämpfen lohnt.
The Bullet Train
BD / Regie: Jun’ya Satô
Vor «Speed» war «The Bullet Train», ein langer und rasanter Actionfilm aus Japan, gedreht in den Siebzigerjahren. Ein Shinkansen, dessen Geschwindigkeit niemals unter 80 mph fallen darf, ein terroristischer Plot, der während 150 Minuten diverse Verwicklungen durchmachen darf.
Der Film von Jun’ya Satô besticht durch gute Figuren, packende Momente und dem tollen Setting. Viele Szenen ausserhalb des Zuges verhindern Einengung, das düstere Ende ist nachdenklich.
The Intruder
DVD / Regie: Roger Corman
William Shatner spielte für Roger Corman einen rassistischen Aufwiegler, der in einem Kaff in den Südstaaten der USA in den Sechzigerjahren für Gewaltausbrüche sorgt. Und siehe da, «The Intruder» ist ein wirklich guter Film, der alles aus seinem moderaten Budget, seinem Setting und der Ausstattung holt.
Es finden sich zwar Overacting und klischierte Momente in den 80 Minuten, der Inhalt und die Aussagen haben leider bis heute nichts von ihrer Wirkung verloren.
Dick Johnson Is Dead
BD / Regie: Kirsten Johnson
Kirsten Johnson wird in wenigen Jahren ihren Vater verlieren, doch wie soll man als Tochter einer solchen Veränderung begegnen? «Dick Johnson Is Dead» bietet als Dokumentarfilm die Möglichkeit, das Ableben und die Beerdigung bereits gemeinsam zu durchleben.
Auf sehr geschickte Weise vermengt der Film die Realität (Interviews und Erinnerungen) mit der Fantasie (inszenierte Todesfälle, überzeichnete Szenarien in schillernden Farben). Das lässt den eigenen Umgang mit dem Tod hinterfragen und spendet Hoffnung. Ein ungewöhnlicher, emotionaler und schöner Film.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
BRUGGGORE 2023: Mittwoch
Sisu
Kino / Regie: Jalmari Helander
(Brugggore 23-01) Dreckige und kernige Gesichter, der unabrückbare Wille: «Sisu» ist ein geradliniger, brutaler Film über einen alten Goldgräber, der sich in Finnland den Nazis entgegenstellt. Ohne viele Worte, mit brutalen Sequenzen und beeindruckenden Aufnahmen.
Während die Optik und der Cast gut passen, wollte für mich die Mischung aus Exploitation-Elementen (Frauen-Gang, Kapitelunterteilung), ernsthafter, brutaler Stimmung und absurd überzeichneten, unrealistischen Momenten nicht aufgehen. Aber hey, scheinbar reicht ein fester Wille dazu aus, um zwei Flugzeugabstürze und vieles weitere zu überleben.
Boneless
Kino / Regie: Dario Bagatin
(Brugggore 23-02) Viel Liebe ist in den Low-Budget-Trash von Dario Bagatin geflossen. Es ist eine Hommage an das Drive-In-Genre, an Filmemacher wie Bill Rebane; beinhaltet tolle Kreaturen, Kostüme und sogar Stop-Motion-Sequenzen.
Doch leider ist die Geschichte verwirrend doof, die Optik viel zu dunkel und die nachträglich synchronisierten Dialoge meist nicht zu verstehen. Ein Partyfilm für «Worst Movie Nights», für alles andere unbrauchbar.
Feed Me
Kino / Regie: Richard Oakes, Adam Leader
(Brugggore 23-03) «Feed Me» hat ein grosses Problem: Die Atmosphäre des Filmes schwankt unentschlossen zwischen brutalen, düsteren und slapstikartigen Momenten. Nicht nur verwirrt dies am Anfang, auch beginnt das übertriebene Spiel von Neal Ward zu nerven.
Handwerklich beweisen Richard Oakes und Adam Leader Können, die erzählte Geschichte hingegen gibt zu wenig her, um packend zu sein. Besonders im letzten Drittel geht dem Film die Luft und Logik aus.
Evil Dead Rise
Kino / Regie: Lee Cronin
(Brugggore 23-04) Alle werden es schreiben und es stimmt: Der Shot mit der Title-Card ist genial und echt geil. «Evil Dead Rise» startet mit viel Wucht und kann die Energie fast über die gesamte Laufzeit aufrechterhalten. Der neuste Teil der altbekannten Franchise ist sehr, sehr blutig, optisch genial und stark gespielt.
Zwar gibt es nichts Neues, dafür sind die Verweise auf vorherige Teile nett, die Kills gnadenlos und der rote Saft fliesst literweise. Mit Lee Cronin wurde der richtige Regisseur für das Projekt gefunden.
Sisu
Kino / Regie: Jalmari Helander
(Brugggore 23-01) Dreckige und kernige Gesichter, der unabrückbare Wille: «Sisu» ist ein geradliniger, brutaler Film über einen alten Goldgräber, der sich in Finnland den Nazis entgegenstellt. Ohne viele Worte, mit brutalen Sequenzen und beeindruckenden Aufnahmen.
Während die Optik und der Cast gut passen, wollte für mich die Mischung aus Exploitation-Elementen (Frauen-Gang, Kapitelunterteilung), ernsthafter, brutaler Stimmung und absurd überzeichneten, unrealistischen Momenten nicht aufgehen. Aber hey, scheinbar reicht ein fester Wille dazu aus, um zwei Flugzeugabstürze und vieles weitere zu überleben.
Boneless
Kino / Regie: Dario Bagatin
(Brugggore 23-02) Viel Liebe ist in den Low-Budget-Trash von Dario Bagatin geflossen. Es ist eine Hommage an das Drive-In-Genre, an Filmemacher wie Bill Rebane; beinhaltet tolle Kreaturen, Kostüme und sogar Stop-Motion-Sequenzen.
Doch leider ist die Geschichte verwirrend doof, die Optik viel zu dunkel und die nachträglich synchronisierten Dialoge meist nicht zu verstehen. Ein Partyfilm für «Worst Movie Nights», für alles andere unbrauchbar.
Feed Me
Kino / Regie: Richard Oakes, Adam Leader
(Brugggore 23-03) «Feed Me» hat ein grosses Problem: Die Atmosphäre des Filmes schwankt unentschlossen zwischen brutalen, düsteren und slapstikartigen Momenten. Nicht nur verwirrt dies am Anfang, auch beginnt das übertriebene Spiel von Neal Ward zu nerven.
Handwerklich beweisen Richard Oakes und Adam Leader Können, die erzählte Geschichte hingegen gibt zu wenig her, um packend zu sein. Besonders im letzten Drittel geht dem Film die Luft und Logik aus.
Evil Dead Rise
Kino / Regie: Lee Cronin
(Brugggore 23-04) Alle werden es schreiben und es stimmt: Der Shot mit der Title-Card ist genial und echt geil. «Evil Dead Rise» startet mit viel Wucht und kann die Energie fast über die gesamte Laufzeit aufrechterhalten. Der neuste Teil der altbekannten Franchise ist sehr, sehr blutig, optisch genial und stark gespielt.
Zwar gibt es nichts Neues, dafür sind die Verweise auf vorherige Teile nett, die Kills gnadenlos und der rote Saft fliesst literweise. Mit Lee Cronin wurde der richtige Regisseur für das Projekt gefunden.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
BRUGGGORE 2023: Donnerstag
Megalomaniac
Kino / Regie: Karim Ouelhaj
(Brugggore 23-05) Langsam schürfen die depressiven und schrecklichen Geschehnisse von «Megalomania» deine Haut und Seele auf. Der Film von Karim Ouelhaj ist nicht nur optisch grau und zermürbend, sondern auch inhaltlich.
Das zieht sich etwas lange hin und tarnt die Wendungen zu wenig gut in der Geschichte, dafür bietet der Film einige interessante Ansätze und Momente. Dass nicht alles funktioniert, liegt nicht an den technischen Aspekten.
Razzennest
Kino / Regie: Johannes Grenzfurthner
(Brugggore 23-06) Horror als Hörspiel, im Kino? Bei Johannes Grenzfurthner werden nach dem schwierigen, aber überzeugenden Film «Masking Threshold» von 2021 die Konventionen erneut gesprengt. Das ist erfrischend anders, bringt die optische Ebene mit der Subjektivität zusammen und zeigt experimentell, was Kino alles sein kann.
Zwar ist die Geschichte selbst etwas unspektakulär und die Aufnahmen geben nicht sehr viel her, die Meta-Kommentare auf das Filmschaffen, der Humor und die Lust am Neuen überzeugen aber.
Pig Killer
Kino / Regie: Chad Ferrin
(Brugggore 23-07) Mögt ihr die kitschige Pop-Rock-Scheibe «No Looking Back» von Gerard McMahon aus dem Jahre 1982? Perfekt, dann werdet ihr «Pig Killer» von Chad Ferrin lieben. Der Film scheint nur aus Needledrops von diesen Songs zu bestehen, die unpassend, abrupt und überlagernd in die Szenen eingebunden wurden.
Der katastrophale Soundmix, die frauenverachtenden Momente, der infantile Humor und die viel zu lange Laufzeit machen aus der idiotischen Geschichte eine Tortur. Da helfen weder Kate Patel, Jake Busey noch der Kurzauftritt von Bai Ling.
Swallowed
Kino / Regie: Carter Smith
(Brugggore 23-08) Da ich Jena Malone jederzeit ein Herz-Emoji senden würde, fand «Swallowed» sehr schnell Platz in meinem Herzen. Der Film von Carter Smith wusste zusätzlich durch seine kleine, nette Geschichte, die gute Inszenierung und die Abkehr von bekannten Gender-Klischees des Genres zu gefallen.
Mit Cooper Koch und Jose Colon in den Hauptrollen sympathisch besetzt, endlich mal nicht mit viel weiblicher, sondern männlicher nackter Haut und stimmungsvollen Horror-Details: Eine Indie-Produktion mit Herz.
She Came From The Woods
Kino / Regie: Erik Bloomquist
(Brugggore 23-09) Aus dem Walde kommt sie, die Hommage an Sommercamp- und Slasherfilme der Achtzigerjahre. Coming Of Age, Comedy und blutiger Horror: Erik Bloomquist bringt in «She Came From The Woods» positive Schwingungen und Adrenalin zusammen.
Das unterhält sehr gut, ist schön gefilmt und lässt die Sehnsucht nach den unbeschwerten Zeiten spürbar werden. Im Gegensatz zu den Filmen der damaligen Zeit nimmt sich die Produktion nicht ernst und spielt mit plumpen Metaverweisen auf das Genre an.
Megalomaniac
Kino / Regie: Karim Ouelhaj
(Brugggore 23-05) Langsam schürfen die depressiven und schrecklichen Geschehnisse von «Megalomania» deine Haut und Seele auf. Der Film von Karim Ouelhaj ist nicht nur optisch grau und zermürbend, sondern auch inhaltlich.
Das zieht sich etwas lange hin und tarnt die Wendungen zu wenig gut in der Geschichte, dafür bietet der Film einige interessante Ansätze und Momente. Dass nicht alles funktioniert, liegt nicht an den technischen Aspekten.
Razzennest
Kino / Regie: Johannes Grenzfurthner
(Brugggore 23-06) Horror als Hörspiel, im Kino? Bei Johannes Grenzfurthner werden nach dem schwierigen, aber überzeugenden Film «Masking Threshold» von 2021 die Konventionen erneut gesprengt. Das ist erfrischend anders, bringt die optische Ebene mit der Subjektivität zusammen und zeigt experimentell, was Kino alles sein kann.
Zwar ist die Geschichte selbst etwas unspektakulär und die Aufnahmen geben nicht sehr viel her, die Meta-Kommentare auf das Filmschaffen, der Humor und die Lust am Neuen überzeugen aber.
Pig Killer
Kino / Regie: Chad Ferrin
(Brugggore 23-07) Mögt ihr die kitschige Pop-Rock-Scheibe «No Looking Back» von Gerard McMahon aus dem Jahre 1982? Perfekt, dann werdet ihr «Pig Killer» von Chad Ferrin lieben. Der Film scheint nur aus Needledrops von diesen Songs zu bestehen, die unpassend, abrupt und überlagernd in die Szenen eingebunden wurden.
Der katastrophale Soundmix, die frauenverachtenden Momente, der infantile Humor und die viel zu lange Laufzeit machen aus der idiotischen Geschichte eine Tortur. Da helfen weder Kate Patel, Jake Busey noch der Kurzauftritt von Bai Ling.
Swallowed
Kino / Regie: Carter Smith
(Brugggore 23-08) Da ich Jena Malone jederzeit ein Herz-Emoji senden würde, fand «Swallowed» sehr schnell Platz in meinem Herzen. Der Film von Carter Smith wusste zusätzlich durch seine kleine, nette Geschichte, die gute Inszenierung und die Abkehr von bekannten Gender-Klischees des Genres zu gefallen.
Mit Cooper Koch und Jose Colon in den Hauptrollen sympathisch besetzt, endlich mal nicht mit viel weiblicher, sondern männlicher nackter Haut und stimmungsvollen Horror-Details: Eine Indie-Produktion mit Herz.
She Came From The Woods
Kino / Regie: Erik Bloomquist
(Brugggore 23-09) Aus dem Walde kommt sie, die Hommage an Sommercamp- und Slasherfilme der Achtzigerjahre. Coming Of Age, Comedy und blutiger Horror: Erik Bloomquist bringt in «She Came From The Woods» positive Schwingungen und Adrenalin zusammen.
Das unterhält sehr gut, ist schön gefilmt und lässt die Sehnsucht nach den unbeschwerten Zeiten spürbar werden. Im Gegensatz zu den Filmen der damaligen Zeit nimmt sich die Produktion nicht ernst und spielt mit plumpen Metaverweisen auf das Genre an.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
BRUGGGORE 2023: Freitag
Curse of Crom: The Legend of Halloween
Kino / Regie: Rob York
(Brugggore 23-10) Darf ich bitte in die Welt dieses Filmes transportiert werden, um mit Mary (die bezaubernde Chelsea Jurkiewicz) und ihren Freund:innen den Alltag zu bestreiten und Abenteuer zu erleben? Das würde all die nostalgischen Sehnsüchte und Coming-Of-Age-Gedanken erfüllen.
«Curse of Crom: The Legend of Halloween» ist ein kleiner und mit viel Liebe gemachter Streifen, der das Herz berührt und durchwegs unterhält. Ohne Blut oder Brutalität, sondern mit einer netten Geschichte, sympathischem Schauspiel und positiven Schwingungen.
Rob York hat gute Arbeit geleistet, das Ensemble spielt die Rollen abseits der üblichen Klischees perfekt. Wie genial etwa ist Monica Moore Smith als Stephanie in ihrem Rehkostüm? «Oh no, my antlers!»
The Once And Future Smash
Kino / Regie: Sophia Cacciola, Michael J. Epstein
(Brugggore 23-11) Ein fiktiver Slasher-Film aus den Siebzigerjahren, den niemand gesehen hat, eine Mockumentary über die beiden Männer, die scheinbar die Hauptfigur gespielt haben: «The Once And Future Smash» von Sophia Cacciola und Michael J. Epstein ist ein überdrehter Klamauk für Horrorfilm-Fans.
Bekannte Namen aus dem Business stehen vor der Kamera, die Eigenheiten von Fantum und Conventions werden satirisch überzeichnet, Michael St. Michaels («The Greasy Strangler», Jim Hosking 2016) holpert griesgrämig durch die Szenen. Ein grosser Spass, der ab der Mitte aber viel von der Energie und der Wucht verliert.
Cult Hero
Kino / Regie: Jesse Thomas Cook
(Brugggore 23-12) Humor in Filmen ist ein schwieriges Thema, da sehr individuell. Leider sagte mir die nordamerikanisch überzeichnete Komik von «Cult Hero» gar nicht zu. Vielmehr nervte mich das Gehabe der Charaktere und die Persiflage auf Reality-TV-Exzesse war nach dem Einstieg bereits ausgelutscht.
Jesse Thomas Cook macht mit seinem Film einiges richtig und bietet eine humorvolle Herangehensweise an das Thema Sekten und Kult. Das Gefühl danach erinnert aber an Konsum von Fast Food.
Mal de ojo
Kino / Regie: Isaac Ezban
(Brugggore 23-13) Getragen von den zwei beeindruckend spielenden Mädchen ist der Gruselfilm «Mal de ojo» ein schöner Genrevertreter aus Mexico. Isaac Ezban beweist eine sichere Hand bei der Regie, die Bilder sind gelungen, Ausstattung und Soundtrack passend.
Leider aber zeigte sich erneut, dass Geschichte über Hexen meinen persönlichen Geschmack selten treffen und auf mich sofort ausgelutscht wirken.
Project Wolf Hunting
Kino / Regie: Hongsun Kim
(Brugggore 23-14) Alles Blut der Welt, versammelt auf einem Frachtschiff. So wirkte «Project Wolf Hunting», die neuste Gewaltorgie aus Südkorea. Jeder Messerstich verursacht eine meterhohe Fontäne, jeder Mensch träg scheinbar hektoliterweise roten Lebenssaft in sich.
Der Film von Hongsun Kim ist ein unterhaltsames Actionvehikel mit supernatürlichen Elementen, Gewaltexzessen nahe an Animes wie «Fist Of The North Star» und rasantem Tempo. Bloss hinterfragen sollte man die Handlung zu keiner Sekunde.
Riki-Oh: The Story of Ricky
Kino / Regie: Ngai Choi Lam
(Brugggore 23-15) Ricki landet im Gefängnis und muss sich dort gegen die bösen Machenschaften von Wachpersonal und Insassen behaupten. Kein Problem, kann er seine «Yin und Yang»-Kräfte bündeln und ist scheinbar unbesiegbar.
Das bedeutet: Gore, sinnfreie Handlung, Gore, überdrehte Synchro in Deutsch, Gore und viele Lacher. «Riki-Oh: The Story of Ricky» ist eine gelungene Manga-Verfilmung und von Ngai Choi Lam ohne Ernsthaftigkeit inszeniert.
Curse of Crom: The Legend of Halloween
Kino / Regie: Rob York
(Brugggore 23-10) Darf ich bitte in die Welt dieses Filmes transportiert werden, um mit Mary (die bezaubernde Chelsea Jurkiewicz) und ihren Freund:innen den Alltag zu bestreiten und Abenteuer zu erleben? Das würde all die nostalgischen Sehnsüchte und Coming-Of-Age-Gedanken erfüllen.
«Curse of Crom: The Legend of Halloween» ist ein kleiner und mit viel Liebe gemachter Streifen, der das Herz berührt und durchwegs unterhält. Ohne Blut oder Brutalität, sondern mit einer netten Geschichte, sympathischem Schauspiel und positiven Schwingungen.
Rob York hat gute Arbeit geleistet, das Ensemble spielt die Rollen abseits der üblichen Klischees perfekt. Wie genial etwa ist Monica Moore Smith als Stephanie in ihrem Rehkostüm? «Oh no, my antlers!»
The Once And Future Smash
Kino / Regie: Sophia Cacciola, Michael J. Epstein
(Brugggore 23-11) Ein fiktiver Slasher-Film aus den Siebzigerjahren, den niemand gesehen hat, eine Mockumentary über die beiden Männer, die scheinbar die Hauptfigur gespielt haben: «The Once And Future Smash» von Sophia Cacciola und Michael J. Epstein ist ein überdrehter Klamauk für Horrorfilm-Fans.
Bekannte Namen aus dem Business stehen vor der Kamera, die Eigenheiten von Fantum und Conventions werden satirisch überzeichnet, Michael St. Michaels («The Greasy Strangler», Jim Hosking 2016) holpert griesgrämig durch die Szenen. Ein grosser Spass, der ab der Mitte aber viel von der Energie und der Wucht verliert.
Cult Hero
Kino / Regie: Jesse Thomas Cook
(Brugggore 23-12) Humor in Filmen ist ein schwieriges Thema, da sehr individuell. Leider sagte mir die nordamerikanisch überzeichnete Komik von «Cult Hero» gar nicht zu. Vielmehr nervte mich das Gehabe der Charaktere und die Persiflage auf Reality-TV-Exzesse war nach dem Einstieg bereits ausgelutscht.
Jesse Thomas Cook macht mit seinem Film einiges richtig und bietet eine humorvolle Herangehensweise an das Thema Sekten und Kult. Das Gefühl danach erinnert aber an Konsum von Fast Food.
Mal de ojo
Kino / Regie: Isaac Ezban
(Brugggore 23-13) Getragen von den zwei beeindruckend spielenden Mädchen ist der Gruselfilm «Mal de ojo» ein schöner Genrevertreter aus Mexico. Isaac Ezban beweist eine sichere Hand bei der Regie, die Bilder sind gelungen, Ausstattung und Soundtrack passend.
Leider aber zeigte sich erneut, dass Geschichte über Hexen meinen persönlichen Geschmack selten treffen und auf mich sofort ausgelutscht wirken.
Project Wolf Hunting
Kino / Regie: Hongsun Kim
(Brugggore 23-14) Alles Blut der Welt, versammelt auf einem Frachtschiff. So wirkte «Project Wolf Hunting», die neuste Gewaltorgie aus Südkorea. Jeder Messerstich verursacht eine meterhohe Fontäne, jeder Mensch träg scheinbar hektoliterweise roten Lebenssaft in sich.
Der Film von Hongsun Kim ist ein unterhaltsames Actionvehikel mit supernatürlichen Elementen, Gewaltexzessen nahe an Animes wie «Fist Of The North Star» und rasantem Tempo. Bloss hinterfragen sollte man die Handlung zu keiner Sekunde.
Riki-Oh: The Story of Ricky
Kino / Regie: Ngai Choi Lam
(Brugggore 23-15) Ricki landet im Gefängnis und muss sich dort gegen die bösen Machenschaften von Wachpersonal und Insassen behaupten. Kein Problem, kann er seine «Yin und Yang»-Kräfte bündeln und ist scheinbar unbesiegbar.
Das bedeutet: Gore, sinnfreie Handlung, Gore, überdrehte Synchro in Deutsch, Gore und viele Lacher. «Riki-Oh: The Story of Ricky» ist eine gelungene Manga-Verfilmung und von Ngai Choi Lam ohne Ernsthaftigkeit inszeniert.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Story of Ricky geistert ja seit dem goldenen DVD-Zeitalter als Kultfilm umher, den hab ich aber erst ziemlich spät kennengelernt mit der britischen Blu-ray von Mediumrare. Fand den ebenfalls ziemlich unterhaltsam, der rutscht einfach gut, auch wenn nicht viel dahintersteckt.
Curse of Crom sieht auch nicht uninteressant aus...
Curse of Crom sieht auch nicht uninteressant aus...
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Kultig ist der Film auf jeden Fall, dazu passte die Screeningzeit von 01:00 Uhr nachts perfekt.
"Curse Of Crom" kam am Festival bei fast niemandem gut weg, ausser mir. Na, ich empfehle dir den Film trotzdem.
"Curse Of Crom" kam am Festival bei fast niemandem gut weg, ausser mir. Na, ich empfehle dir den Film trotzdem.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
BRUGGGORE: Samstag
Good Boy
Kino / Regie: Viljar Bøe
(Brugggore 23-16) Sauber, durchdacht und kleingehalten ist «Good Boy» von Viljar Bøe. Der Film nähert sich Inhalten wie Fetische, sexuelle Unterdrückung und Psychosen auf ungewohnte Art und zeigt einen Menschen als Haustier.
Hätte das Drehbuch mehr Mut bewiesen und die eigentliche Grundlage bis zum Ende durchgezogen, wäre es ein grossartiger Film. Durch gewisse Wendungen allerdings wirkt die Produktion aus Norwegen aber zu durchschnittlich und bekannt.
L’orafo
Kino / Regie: Vincenzo Ricchiuto
(Brugggore 23-17) Wenn alles an der Geschichte sinnlos und idiotisch ist, dann sollte ein Film zumindest auf andere Weise unterhalten. Mit «L’orafo» ist dies Vincenzo Ricchiuto allerdings nur bedingt gelungen, ist vieles am Home-Invasion-Thriller holprig.
Sei es etwa die Charakterzeichnung, das Schauspiel oder die Action-Momente – nichts wirkt gekonnt. Dass der Inhalt am Ende zu einem absurden, unmotivierten OP-Wahn verkommt, hilft sowieso nicht.
Beau Is Afraid
Kino / Regie: Ari Aster
(Brugggore 23-18) Ja, «Beau Is Afraid» ist lang. Und nein, der neuste Film von Ari Aster ist nicht dem Horror-Gebiet zuzuordnen. Erschlagend ist die Reise, welche der grossartige Joaquin Phoenix erleben muss, aber mit jeder Sekunde. Bereits das erste Drittel ist voller überraschender Einfälle, merkwürdigen Handlungen und unerwarteten Wendungen.
Zum Entziffern benötigt der Film viel Raum und Zeit, eine Zweitsichtung ist klar zu empfehlen. Trotz einigen Längen und etwas viel Selbstverliebtheit ist die Geschichte um mütterliche Unterdrückung, Missbrauch, PTSD, Medizinsucht und die verletzte Seele der USA berauschend. Man lacht, weint, denkt nach, ist erschöpft und wird durchgerüttelt.
Mother Superior
Kino / Regie: Marie Alice Wolfszahn
(Brugggore 23-19) Wenn die eigentlichen Grundlagen interessanter sind als das filmische Resultat, könnte man das als negativen Aspekt werten. Bei «Mother Superior» von Marie Alice Wolfszahn störte mich dies aber nicht, weiss die österreichische Produktion mit stilsicherer Inszenierung zu glänzen.
Wunderbare Bilder, toller Score und die sympathische Besetzung trösten darüber hinweg, dass die 70 Minuten Laufzeit leider nicht ausreichen, um die Aspekte der feministischen Gruppierungen in den völkischen Strömungen und der Nazi-Zeit ausreichend zu behandeln.
Good Boy
Kino / Regie: Viljar Bøe
(Brugggore 23-16) Sauber, durchdacht und kleingehalten ist «Good Boy» von Viljar Bøe. Der Film nähert sich Inhalten wie Fetische, sexuelle Unterdrückung und Psychosen auf ungewohnte Art und zeigt einen Menschen als Haustier.
Hätte das Drehbuch mehr Mut bewiesen und die eigentliche Grundlage bis zum Ende durchgezogen, wäre es ein grossartiger Film. Durch gewisse Wendungen allerdings wirkt die Produktion aus Norwegen aber zu durchschnittlich und bekannt.
L’orafo
Kino / Regie: Vincenzo Ricchiuto
(Brugggore 23-17) Wenn alles an der Geschichte sinnlos und idiotisch ist, dann sollte ein Film zumindest auf andere Weise unterhalten. Mit «L’orafo» ist dies Vincenzo Ricchiuto allerdings nur bedingt gelungen, ist vieles am Home-Invasion-Thriller holprig.
Sei es etwa die Charakterzeichnung, das Schauspiel oder die Action-Momente – nichts wirkt gekonnt. Dass der Inhalt am Ende zu einem absurden, unmotivierten OP-Wahn verkommt, hilft sowieso nicht.
Beau Is Afraid
Kino / Regie: Ari Aster
(Brugggore 23-18) Ja, «Beau Is Afraid» ist lang. Und nein, der neuste Film von Ari Aster ist nicht dem Horror-Gebiet zuzuordnen. Erschlagend ist die Reise, welche der grossartige Joaquin Phoenix erleben muss, aber mit jeder Sekunde. Bereits das erste Drittel ist voller überraschender Einfälle, merkwürdigen Handlungen und unerwarteten Wendungen.
Zum Entziffern benötigt der Film viel Raum und Zeit, eine Zweitsichtung ist klar zu empfehlen. Trotz einigen Längen und etwas viel Selbstverliebtheit ist die Geschichte um mütterliche Unterdrückung, Missbrauch, PTSD, Medizinsucht und die verletzte Seele der USA berauschend. Man lacht, weint, denkt nach, ist erschöpft und wird durchgerüttelt.
Mother Superior
Kino / Regie: Marie Alice Wolfszahn
(Brugggore 23-19) Wenn die eigentlichen Grundlagen interessanter sind als das filmische Resultat, könnte man das als negativen Aspekt werten. Bei «Mother Superior» von Marie Alice Wolfszahn störte mich dies aber nicht, weiss die österreichische Produktion mit stilsicherer Inszenierung zu glänzen.
Wunderbare Bilder, toller Score und die sympathische Besetzung trösten darüber hinweg, dass die 70 Minuten Laufzeit leider nicht ausreichen, um die Aspekte der feministischen Gruppierungen in den völkischen Strömungen und der Nazi-Zeit ausreichend zu behandeln.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Domicile conjugal
BD / Regie: François Truffaut
Dass Antoine Doinel seine Ehe nicht lange am Laufen halten kann, war klar. Zu nervös und unentschlossen stolpert die Figur durch seinen vierten Film, erneut mit viel Elan und Witz von François Truffaut inszeniert.
Jean-Pierre Léaud und Claude Jade sind in «Domicile conjugal» erneut grossartig, Hiroko Berghauer betört in ihren kurzen Auftritten. Eine herzerwärmende Weiterentwicklung der Geschichte, welche mit «Les Quatre Cents Coups» ihren Anfang nahm.
The Virgin Queen
DVD / Regie: Henry Koster
Wäre alles an «The Virgin Queen» so unterhaltsam wie Bette Davis als Königin Elizabeth I., dann wäre der Film ein wahres Juwel. Während grossen Teilen der Laufzeit wirkt die Geschichte aber zum Gähnen und kann nebst einigen Kampfszenen und vielen, opulenten Kostümen wenig Nervenkitzel vorweisen. Auch die Regie von Henry Koster und viele Kameraeinstellungen wirken flach.
L'Amour en fuite
BD / Regie: François Truffaut
Ein letztes Mal mit Antoine durch Paris streifen, ein letztes Mal die Wirrungen der doinel’schen Liebe erleben. «L'Amour en fuite» war der finale Film, den François Truffaut über diese Figur gedreht hat und brachte dafür sogar Marie-France Pisier zurück.
Die eigentliche Geschichte sucht für diverse Charaktere ein gutes Ende, weiss aber wenig Neues zu erzählen. Die eingeflochtenen Rückblenden auf die bisherigen vier Filme strecken die Laufzeit, stimmten mich aber tatsächlich wehmütig und nostalgisch.
Electric Dragon 80.000 V
BD / Regie: Gakuryu Ishii
Ein Typ, der elektrische Ladungen aus seinem Körper mit einer Gitarre kontrolliert und ein Buddha-Mensch-Hybrid kämpfen gegeneinander. So verrückt, so sinnbefreit. «Electric Dragon 80.000 V» will in den 50 Minuten gar nicht mehr, als mit optischen und inhaltlichen Verrücktheiten zu unterhalten.
Der kurze Film von Gakuryu Ishii ist ein lebendig gewordener Manga, ein Feuerwerk an schwarzweissen Aufnahmen und Rock’n’Roll pur. Dass in der ersten Hälfte eigentlich nichts passiert; egal.
Bratsch – Ein Dorf macht Schule
Stream, Filmingo / Regie: Norbert Wiedmer
Wirklich gerne ging ich nie zur Schule, die Leistungszwänge, sozialen Ungenauigkeiten und kollektiven Massnahmen wollten mir nie behagen. Hätte ich meine Jahre in einer Schule verbringen können, wie sie im Dokumentarfilm «Bratsch – Ein Dorf macht Schule» portraitiert wird, sähe mein Leben heute wohl anders aus.
Norbert Wiedmer hat während sechs Jahren das Bildungsprojekt von Damian Gsponer begleitet, ein Unterfangen abseits von Lehrplan, Frontalunterricht und Noten. Dafür mit interdisziplinären Aufgaben, praktischem Bezug und viel Sozialkompetenz. Eine nicht wertende Darstellung, eine faszinierend menschliche Möglichkeit.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Something In The Dirt
BD / Regie: Justin Benson, Aaron Moorhead
Nach einigen Filmen, in denen die Magie etwas verloren gegangen war, sind Justin Benson und Aaron Moorhead wieder in höheren Sphären angelangt. «Something In The Dirt» bringt die Faszination der frühen Arbeiten zurück und kombiniert Rätsel, unerklärbare Phänomene, urbane Legenden und Indie-Filmkunst.
Ohne Erklärungen oder grosse Schauwerte ist der Film packend und menschlich. Er bringt die Vergangenheit von Los Angeles mit Science-Fiction zusammen und nutzt die Zeit als Spielball. Faszinierend.
Die bleierne Zeit
BD / Regie: Margarethe von Trotta
Als Kinder direkt nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland aufzuwachsen, brachte einige Schwierigkeiten mit sich. Margarethe von Trotta untersucht diese Probleme anhand zweier Schwestern, die unterschiedliche Wege der Auflehnung einschlugen.
«Die bleierne Zeit» ist ein interessantes Drama über zwischenmenschliche Beziehungen, Vergebung, Auflehnung und der Suche nach Gerechtigkeit.
Columbus
Stream, Sooner / Regie: Kogonada
Architektur und Gebäude schön in Filmen ist darzustellen, ist nicht immer einfach. Mit seinem Regiedebüt «Columbus» erschuf Kogonada ein visuell betörender Film, der den titelgebenden Ort voller Reize eingefangen hat. Eine ruhige und langsame Erzählung, eine Meditation über Aufopferung, Familie und Beziehungen.
Stark gespielt, ohne melodramatisch zu werden und das Herz berührend – diese Figuren und Umgebungen lassen nicht kalt.
Corri uomo corri
BD / Regie: Sergio Sollima
Tomas Milian stolpert als doofer Messerwerfer durch die heisse Landstriche Mexicos, immer auf der Suche nach Vermögen und Gold. Doch Sergio Sollima lässt in «Corri uomo corri» niemanden zur Ruhe kommen und die Ereignisse überschlagen sich teilweise.
Ein Western, der dreckig und brutal ist, aber zugleich auch mit Humor und Überraschungen aufwartet. Das Abenteuer wirkt dadurch nicht immer rund, hält trotz der langen Laufzeit aber bei Laune.
Animals
BD / Regie: Sophie Hyde
Holliday Grainger und Alia Shawkat geben alles, mit ihnen würde man zu gerne durch Nächte in Dublin ziehen und eine Bar nach der anderen unsicher machen. Der darauffolgende Kater liefert «Animals» gleich mit, im Film von Sophie Hyde gibt es viele Streitereien und Probleme durchzumachen.
Das Drama zeigt die Konflikte und Sorgen als junge Erwachsene sehr gut auf und sucht gemeinsam mit den Figuren einen richtigen Weg zwischen Verpflichtungen und Selbstermächtigung. Der tolle Soundtrack unterstützt die nicht klischeefreie Reise.
The 7th Voyage of Sinbad
BD / Regie: Nathan Juran
Eine Kindheitserinnerung, wobei mir nur noch der Zyklop vor Augen war (ha!). «The 7th Voyage of Sinbad» ist ein gelungener Abenteuerfilm, der weniger mit den Weissen Schauspieler:innen als irakische Personen überzeugt, sondern durch die Trickarbeit von Meister Ray Harryhausen.
Da flattern riesige Vögel herbei, es muss ein Skelett im Schwertkampf besiegt werden und der Zyklop ringt mit einem Drachen. Was für ein charmant handgemachtes Vergnügen, dessen Geschichte etwas holprig ist.
L'une Chante, L'autre Pas
DVD / Regie: Agnes Varda
Der feministische Kampf um das Recht auf Abtreibung und die Selbstbestimmung über den Körper ist noch lange nicht beendet, in den Siebzigerjahren war die Situation in Frankreich allerdings noch prekärer. Anges Varda hat der Problematik mit «L'une Chante, L'autre Pas» einen fantastischen Spielfilm gewidmet, der die Schwere des Themas mit Witz und Musical-Einlagen kombiniert.
Dieser Kunstgriff zaubert leichte Momente herbei, bringt Farbe in den Film und zeugt von Vardas Genialität. Die pointierten Songtexte, die real wirkenden Situationen und die geniale Kameraführung sorgen für viele Highlights.
Jeder für sich und Gott gegen alle
BD / Regie: Werner Herzog
Die Erfahrungen und Lehren, welche Werner Herzog aus seinen dokumentarischen Arbeiten ziehen konnte, finden im Spielfilm «Jeder für sich und Gott gegen alle» zusammen. Die Geschichte um den rätselhaften Kaspar Hauser analysiert die menschlichen Verhaltensweisen und hinterfragt unsere moralischen Gesetze.
Gewisse Szenen wirken leicht hölzern und die Geschichte hätte gestraft werden können; als Beobachtung auf unsere gesellschaftlichen Strukturen funktioniert der Film aber weiterhin sehr gut.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
A River Called Titas
DVD / Regie: Ritwik Kumar Ghatak
Je weniger Wasser den Fluss hinunterfliesst, desto grösser wird das Leiden der ländlichen Bevölkerung. «A River Called Titas» zeigt in epischer Grösse den Alltag und die Probleme von Menschen aus Bangladesch und Indien. Ritwik Kumar Ghatak umspannt mit seinem Werk mehrere Generationen, Familien und Dörfer – und vergisst nie den emotionalen Kern.
Die schwarzweissen Aufnahmen sind kontrastreich und wie oft im indischen Kino besonders die weiblichen Figuren packend. Eine Erzählung mit weitreichender Geste, deren Inhalt sehr gut zu den heutigen Klimaproblemen passt.
All the Beauty and the Bloodshed
Kino / Regie: Laura Poitras
Obwohl Laura Poitras mit «All the Beauty and the Bloodshed» zwei dokumentarische Geschichten zusammenbringt, funktioniert das Portrait der Fotografin Nan Goldin und ihrer aktivistischen Tätigkeiten sehr gut. Das Private ist politisch, wieder einmal wird uns das mit diesem Film vor Augen gehalten.
Der Kampf gegen die eigene Sucht, die familiären Trauma und die erdrückende Macht von wohlhabenden Familien und Firmen (in dem Fall die Sackler-Dynastie) wird mit Archivaufnahmen, neuen Interviews und Projektionen von fotografischen Arbeiten verdichtet. Eine Wellenwirkung der Gefühle entsteht, der Wunsch nach Gleichberechtigung und Seelenfriede immer grösser. Diese Produktion hat mich stark berührt.
The Golden Voyage of Sinbad
BD / Regie: Gordon Hessler
Was würde Sinbad bloss machen, wenn er nicht einen Schatz voller Gold suchen könnte und sich dabei gegen einen bösen Magier verteidigen müsste? Die Geschichte von «The Golden Voyage of Sinbad» ist ziemlich irrelevant und benötigt zu viel Zeit, um in die Gänge zu kommen.
Dafür gibt es ab der Hälfte nicht nur die knapp geschnittenen Outfits von Caroline Munro zu bestaunen, sondern wundervolle Stop-Motion-Figuren, Monster und Schwertkämpfe. Tricktechnisch ist der Film bezaubernd.
Rock ’n’ Roll High School
BD / Regie: Allan Arkush
Nieder mit der Schule! Hinfort mit den gesellschaftlichen Zwängen! «Rock ’n’ Roll High School» ist aufmüpfiger Jugendfilm, Liebeserklärung an die Ramones und Trash zugleich. Von Allan Arkush inszeniert, werden selbstironische Überdrehtheiten mit den High-School-Filmen der damaligen Zeit gemischt.
P.J. Soles und Dey Young in den Hauptrollen sind die sympathischen Leitfiguren, denen man sehr gerne durch das Chaos folgt. Liebe, Unterdrückung und Freiheit – am Ende brennt alles nieder und ich weiss; die Musik von The Ramones wird nie mein Herz erobern.
Nezouh
Kino / Regie: Soudade Kaadan
Für ein Drama um Familie und Hoffnung inmitten des Krieges in Syrien, weiss der Film von Soudade Kaadan erstaunlich wenig auszusagen. In der Geschichte werden die herrschenden Zustände in Damaskus mit träumerischen Momenten und jugendlicher Liebe gemischt, Gesellschaftskritik und Humor in offensichtlichen Metaphern verbunden.
Diese Mixtur wirkt unausgegoren, dafür strahlt Hala Zein in der Hauptrolle und zu gerne begleitet man sie durch den gefährlichen Alltag. Eventuell sollte der Film nie mehr sein als eine kurze Pause vom Kriegstreiben, ein oft fehlendes Durchatmen. Das erreicht Kaadan auf jeden Fall.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Die Ramones-Nummern in dem Streifen sind schon Fremdscham pur, aber auch unheimlich unterhaltsam. Ich hätte ja mal gerne die "Disco High School"-Version von Corman gesehen.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Witzig sind die Momente wirklich, auch, weil die Herren so wunderbar doof aussehen.
Ui, das klingt nach einer Version, die mir persönlich wohl stärker zugesagt hätte.
Ui, das klingt nach einer Version, die mir persönlich wohl stärker zugesagt hätte.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Ultra Pulpe
Stream, Mubi / Regie: Bertrand Mandico
Der Kurzfilm «Ultra Pulpe» nimmt vorneweg, was Bertrand Mandico mit dem Langfilm «After Blue» ausformulieren würde. Von Zwängen gelöste Sexualität, bunt schimmernde Fantasiewelten, Lust und Hoffnung, Träume und weibliche Stärke.
Pauline Jacquard, Elina Löwensohn und Anne Lise Maulin werden zu Figuren der Vorstellung, ihre eigenen Wünsche zu einer Meta-Ebene, das Filmemachen wird mit faszinierender Kreativität und vielen Emotionen gekoppelt. Ein Bildersturm, Synthie-Pop und viel Erregung – man verliert sich schwebend.
Durchs Höllentor ins Paradies
Kino / Regie: Peter Reichenbach, Sibylle Cazajus
Die Geschichte des Kunsthaus Zürich, komprimiert in 60 Minuten. Die Dokumentation von Peter Reichenbach und Sibylle Cazajus wirkt didaktisch, packt zu viele Aspekte und Betrachtungsweisen in den Film (Geschichte, Politik, Geschlechterfragen, Architektur, Zukunft) und liefert nicht mehr als einen einleitenden Überblick.
Besonders im Bezug zum Thema der Aufarbeitung der Bührle-Sammlung bleibt «Durchs Höllentor ins Paradies» zu zurückhaltend und wirkt dadurch, als hätte die Stadt Zürich einen wogenglättenden Werbefilm für den Neubau bestellt.
Das Lehrerzimmer
Kino / Regie: İlker Çatak
Unser Schulsystem ist leistungsfixiert und unmenschlich – das musste ich in meiner Bildungszeit selbst erfahren. Mit dem auf Thriller getrimmten Spielfilm «Das Lehrerzimmer» wird die fehlende Menschlichkeit von Regisseur İlker Çatak aufreibend unterstrichen.
In der Hauptrolle brilliert Leonie Benesch, der Film verlässt nie das Schulgelände und lässt Zuschauer:innen immer tiefer in die Spirale von psychologischem Druck, Gewalt und Verzweiflung fallen. Eine packende Erzählung, die mich emotional aufgewühlt zurückliess.
Roter Himmel
Kino / Regie: Christian Petzold
Das immer schneller werdende Verbrennen unserer Welt, das persönliche Fehlverhalten und die verpassten Chancen im Leben: «Roter Himmel» bringt die Intimität mit der kollektiven Ebene zusammen und Christian Petzold hat ein Drama geschaffen, das mit den eigens erlebten Versäumnissen im Leben spielt.
Thomas Schubert und Paula Beer spielen perfekt, die Szenerie wurde genial eingefangen und der Song «In My Mind» von der Gruppe Wallners untermalt das Geschehen auf sehnsüchtige Weise. Eine starke Erzählung, die nicht einmal vom versöhnlichen Schluss getrübt wird.
Flashdance
Kino / Regie: Adrian Lyne
Adrian Lyne, der einige Jahre später mit «Jacob’s Ladder» eine dichte Erzählung verfilmte, lieferte unter der Produktion von Scott und Bruckheimer mit «Flashdance» einen Film ab, der auf Inhalt pfeift. Hauptsache, die Tanzszenen sind flott inszeniert, jede Aufnahme in eine akzentuierte Beleuchtung getaucht und die Songs reissen mit.
Das klappt alles wunderbar, besonders im Kinosaal. Man himmelt Jennifer Beals an, singt mit den Hits mit und ergötzt sich an den Bewegungen. Seit 1994 kenne und liebe ich den Soundtrack (dank einer Musikkassette, zusammengestellt von meiner Grossmutter), nun endlich durfte ich die dazugehörigen Bilder erleben. Macht Laune.
Trash Humpers
Stream, Mubi / Regie: Harmony Korine
Die Gesellschaft ist verkommen, das Leben in den Vorstädten ist am Boden. «Trash Humpers» zeigt dies an einem überzogenen Beispiel von aufmüpfigen Rentnern. Sex, Gewalt und Willkür; alles mit einer Videokamera aufgezeichnet und ohne Geschichte aneinandergereiht.
Der Film von Harmony Korine ist Experiment und Trash zugleich, wirkt wie eine Mischung aus «Idioterne» (Lars von Trier, 1998) und «Jackass» (Jeff Tremaine, 2002), und schaut ironisch auf die moralisierenden Filmerzeugnisse zum Thema der Verrohung der Jugend.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
She Dies Tomorrow
BD / Regie: Amy Seimetz
Wenn als Produzenten Aaron Moorhead und Justin Benson genannt werden, verwundert es nicht, dass der Film mit unserer Wahrnehmung von Leben, Zeit und Tod spielt. «She Dies Tomorrow» ist zugleich eine Studie über Depression, eine stellenweise zähe und nie offensichtliche Erzählung.
Amy Seimetz hat nicht nur eigene Erfahrungen verarbeitet, sondern offeriert einen direkten Einblick in das Innenleben ihrer Figuren. Welches sind die zentralen Werte des Lebens? Erst das scheinbare Ende lässt uns den Kern entdecken.
Computer Chess
BD / Regie: Andrew Bujalski
2013 gedreht, sieht «Computer Chess» wie eine Dokumentation aus den Achtzigjahren aus. Flimmernde Aufnahmen in Schwarzweiss, halbgare Texteinblendungen aus dem PC und eine mit Humor gespickte Annäherung ans Thema der KI.
Während sich Nerds an ihren Kisten abmühen, Schachspiele zu gewinnen, sucht der Film die Menschlichkeit und wahren Werte des Daseins. Faszinierend Lo-Fi und Indie.
Forbrydelsens element
DVD / Regie: Lars von Trier
Ein Film Noir-Versuch, eine Geschichte über ein Verbrechen, inszeniert als Reihe von Diebstählen an den eigenen Vorbildern. «The Element Of Crime» zeigt als Debüt in erster Linie, welche Namen Lars von Trier dazu bewogen haben, Filme zu drehen. Einflüsse aus Frankreich, der Sowjetunion und Amerika kommen in dieser Produktion zusammen, alles wird in einen orangen Farbton getaucht.
Inhaltlich ist der Film starr und der Film zeigt bereits viel von der zukünftigen Egomanie des Regisseurs, ist zugleich als Spurensuche und Zitatenreigen interessant.
6
Le frisson des vampires
BD / Regie: Jean Rollin
Wie kann es sein, dass mich «Le frisson des vampires» nach der Sichtung stärker gepackt hat als währenddessen? Liegt darin der Zauber von Jean Rollin? Denn die einzelnen Aspekte und Elemente des Filmes sind lose betrachtet überholt, mittelmässig gemacht und sexistisch.
Nackte Haut, Vampire, ein bunt beleuchtetes Schloss und schludriges Spiel gibt es zu bestaunen; Jacques Robiolles aus den «Antoine Doinel»-Filmen von François Truffaut tritt als Blutsauger auf. Dank den überraschenden Momenten, der psychedelischen Rockmusik als Soundtrack und dem Flair lässt sich die Faszination aber nicht leugnen.
6
The Whaler Boy
Stream, Filmingo / Regie: Philipp Yuryev
Der Traum von Freiheit, Liebe und Glück: In «The Whaler Boy» versucht ein junger Fischer aus einem Dorf in Russland seine Zukunft neu auszurichten. Das Ziel ist das Leben in den USA, in den Armen einer schönen Blondine.
Tragisch und trist die Situation, mitfühlend der Film von Philipp Yuryev. Zurückhaltend und langsam kommt die Erzählung daher, in traumähnlich gefilmten Sequenzen und mit ausdrucksreichen Gesichtern.
Espíritu sagrado
BD / Regie: Chema García Ibarra
Wenn der Kult um göttliche Mächte und Ausserirdische auf trockene und realistische Weise gezeigt wird, schwankt man als Zuschauer zwischen dem Glauben um Fantastik und der geistigen Gesundheit der Protagonist:innen.
«Espíritu sagrado» von Chema García Ibarra ist Drama, absurdes Krimi-Abenteuer und auf dem Boden gebliebene Betrachtung solcher Handlungen. Die Aufnahmen, die Musik und das Spiel der Laien-Darsteller:innen verbindet sich geschickt mit der Prise Science-Fiction.
Hiruko The Goblin
BD / Regie: Shinya Tsukamoto
Nach dem Metall gewordenen Menschen liess Shinya Tsukamoto Dämonen auf die Erde los. Der Film «Hiruko The Goblin» bringt alte Legenden mit vielen, verrückten Einfällen zusammen. Hyperaktive Sequenzen und Stop-Motion-Monster gibt es zu bestaunen, die klein gehaltene Geschichte lässt nie Langeweile aufkommen.
Der Film überzeugt vor allem optisch und die liebevoll gemachten Effekte sind ein Schmankerl.
Transit
Stream, Filmbulletin / Regie: Christian Petzold
Ein Film über den zweiten Weltkrieg, angesiedelt im 21. Jahrhundert? Was ungewohnt klingt, funktioniert bei «Transit» hervorragend. Christian Petzold hat mit der freien Romanverfilmung (Anna Seghers, 1944) einen weiten Bogen gespannt und lässt die immer brillant spielenden Franz Rogowski und Paula Beer die Geschichte um Flucht im heutigen Marseille durchleben.
Viele Szenen wirken frei, man lässt sich durch die Stadt treiben und sucht die Rettung in der Stille. Die warmen Aufnahmen und die zurückhaltende Tonspur lassen trotz der schwierigen, politisch weiterhin relevanten Thematik eine entspannte Grundstimmung entstehen, die Vermengung der zwei Zeitebenen ist sehr gelungen.
Dass die Entscheidungen der Figuren gegen Schluss wirr werden und die Realität flüchtig, funktioniert ebenfalls. «Transit» wird aus der Perspektive eines ausstehenden Erzählers an die Zuschauer:innen gebracht und relativiert die anachronistischen Elemente durch die persönliche Vorstellungskraft.
Joyland
Kino / Regie: Saim Sadiq
Transpersonen und queere Liebe in Pakistan? Das kann nicht gut gehen, was auch «Joyland», trotz des positiv konnotierten Titels zeigt. Der Film von Saim Sadiq untersucht Existenzen abseits der heteronormativen Gewohnheiten und hat eine packende Geschichte geschaffen, die das Patriarchat verurteilt.
Die wunderbare Kameraarbeit (Licht, Farben, Format), die tolle Musik und das sehr gut spielende Ensemble lassen die Erzählung berührend nachwirken, die herrschenden Strukturen werden demontiert.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Uranes
BD / Regie: Chema García Ibarra
Merkwürdige Artefakte, verschollene Eltern und ein Lo-Fi-Video: «Uranes» ist ein kleiner Film mit übernatürlichen Elementen, die reale Gewalt sichtbar machen. Von Chema García Ibarra geschickt inszeniert, fügen sich die einzelnen Szenen und Momente am Schluss zu einer Gesamtheit mit viel Tiefe zusammen.
Be Kind Rewind
Stream, Mubi / Regie: Michel Gondry
«Eternal Sunshine of the Spotless Mind» von Michel Gondry zähle ich zu meinen Lieblingsfilmen, doch von der Genialität dieser Produktion ist bei «Be Kind Rewind» wenig zu spüren. Als Hommage auf die Leidenschaft von Filmemacher:innen funktionieren viele Momente, der Rest ist zu weichgespült.
Jack Black ist überdreht wie meist, Mos Def funktioniert als Gegenpol, die überzeichneten Charaktere und Handlungen wirken selten nachvollziehbar. Da wäre eine freiere Indie-Herangehensweise besser gewesen.
Raging Bull
DVD / Regie: Martin Scorsese
Harte Schnitte, noch härtere Schläge. «Raging Bull» lässt in den Aufnahmen und Szenenfolgen die Wut der Hauptfigur spürbar werden, die Kameraarbeit ist nicht nur während den Kampfszenen grossartig.
Was Martin Scorsese mit dem Film abgeliefert hat, ist eine wuchtige Studie eines kaputten Mannes. Von Robert De Niro, Joe Pesci und Cathy Moriarty mit viel Leidenschaft gespielt, zu jeder Sekunde packend und laut – ein mitreissendes Erlebnis.
Beach Rats
Stream, Mubi / Regie: Eliza Hittman
Was passiert, wenn ein «Bro» seine homoerotischen Neigungen entdeckt? Verzweiflung, Ablehnung und Sinnsuche – dargestellt im Film «Beach Rats» mit viel Realitätsnähe und Leerstellen.
Der Film von Eliza Hittman ist stimmungsvoll, kommt aber nicht ohne Klischees aus. Dafür überzeugen Harris Dickinson und Madeline Weinstein in ihren Rollen sehr und das Setting von Brooklyn wurde optisch ansprechend eingefangen.
Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto
BD / Regie: Elio Petri
Bevor er ein Jahr später mit «La classe operaia va in paradiso» die Arbeiterklasse thematisierte, zerlegte Elio Petri 1970 mit dem schwindelerregenden Thriller «Indagine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto» die herrschenden Mächte des Gesetzes.
Der ungezähmte Gian Maria Volonté als überheblicher Kommissar, die Geschichte voller absurden Szenen und lauter Kritik. Ein fulminanter Film.
Sinbad and the Eye of the Tiger
BD / Regie: Sam Wanamaker
Der Abschluss der Trilogie um den wagemutigen Seefahrer Sinbad wirkt wie ein lauer Wind gegenüber den vorherigen Filmen, weiss die Geschichte selten etwas Neues oder Aufregendes zu erzählen. Sam Wanamaker bringt die gewohnten Elemente ins Spiel und vergisst die Spannung.
Die Monster und Kreaturen sind wunderbar animiert, «Sinbad and the Eye of the Tiger» wirkt aber trotzdem nur halbgar. Auch die Laufzeit von fast zwei Stunden ist zu lang.
- deBohli
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Wicked World
Kino / Regie: Barry J. Gillis
Nein, einfach nicht. Das ist kein Film, das ist Folter. Die Tonspur, die Schnitte, die Bildqualität, der Inhalt, alles grottenschlecht. «Wicked World» zeigt das misanthropische Gebaren von Regisseur Barry J. Gillis, lässt ihn minutenlang halbnackte Frauen befummeln und will moralische Botschaften verbreiten.
Als Vorstellung im Rahmen der «Worst Night» der KultMovieGang konnte man zumindest im Kollektiv lachen. Die psychischen Schäden bleiben.
Senses
Kino / Regie: Brian Pinkus, Chris Völkle
Bern ist um ein No-Budget-Film reicher: «Senses» von Brian Pinkus und Chris Völkle ist ein Spassprojekt einer Gruppe von Freund:innen, die ihre Geschichte in den «USA» spielen lassen und wilde Ideen mit schlechten technischen Aspekten mischen.
Inhaltlich doof, schlecht gespielt und wackelig gefilmt, ist der Actionfilm für bierselige Abende unterhaltsam, mehr nicht.
Nekromantik
BD / Regie: Jörg Buttgereit
Mit seinem frühen Film «Nekromantik» wollte Jörg Buttgereit wohl in erster Linie schocken, und das gelingt. Leichen werden begattet, Körperteile herumgeschmissen und das alles in langen Sequenzen gezeigt. Viel Inhalt bietet die Geschichte allerdings nicht.
Gewisse Szenen lassen die kreative Vision, welche mit Filmen wie «Der Todesking» aufblühen wird, bereits erahnen, über weite Strecken generierte diese Produktion aber bloss Langeweile.
Heller Wahn
BD / Regie: Margarethe von Trotta
Die Stellung der Frau in der Gesellschaft, im Patriarchat: Margarethe von Trotta zeigt die erdrückenden Umstände und Situationen emotional vielschichtig in diesem Drama auf. Hanna Schygulla und Angela Winkler sind in den Hauptrollen perfekt besetzt, mit jeder Szene vertieft sich die Geschichte von «Heller Wahn».
Optisch bleibt der Film zwar durchschnittlich, die dreidimensionalen Charaktere und die Verdichtung in der zweiten Hälfte wirken umso nachhaltiger.
Yakuza Graveyard
BD / Regie: Kinji Fukasaku
Wenn sich Kinji Fukasaku dem japanischen Verbrechen widmete, war das stets eine wilde, brutale und nervöse Angelegenheit. Mit «Yakuza Graveyard» beleuchtete er nicht nur die Korruption der Polizei und die immer präsente Gewalt, sondern den Stand des koreanischen Bevölkerungsteils.
Alles wurde atemlos eingefangen, wirkt wie ein Wirbelsturm auf der Leinwand und bietet ausreichend Tiefe.
A Forgotten Man
Kino / Regie: Laurent Nègre
Die Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg wurde noch lange nicht genügend aufgearbeitet, die Märchen der Neutralität und des guten Willens beherrschend weiterhin den Konsens. Gut also, versuchte Laurent Nègre mit seinem Spielfilm «A Forgotten Man» dies aufzubrechen.
Die betörenden Aufnahmen in Schwarzweiss, das ansprechende Spiel und die vielen bissigen Kommentare zu Schweizer Politik machen viel wett, leider aber wird die Geschichte mit Plattitüden ergänzt und der Fokus liegt zu stark auf dem persönlichen Schicksal gewisser Figuren.
I Go Gaga: Welcome Home, Mom
Kino / Regie: Naoko Nobutomo
(Ginmaku Film Festival) Herzzerreissend, erquickend und glücklich machend: Die Dokumentation «I Go Gaga: Welcome Home, Mom» von Naoko Nobutomo über ihre Eltern, die im hohen Alter den Altag in Fukushima bestreiten, ist eine emotionale Achterbahnfahrt.
Nah und intim die gezeigten Momente, ein frisch wirkender Blick auf Demenz und das Lebensende. Mutter und Vater schliesst man sofort ins Herz und verbringt mehr als gerne die Zeit mit diesen Menschen.
- deBohli
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Laurence Anyways
Stream, Mubi / Regie: Xavier Dolan
Leute; diese Bilder, diese Bildkompositionen, Farben und Lichter. «Laurence Anyways» betört nicht nur durch die intensive Geschichte über Liebe, Geschlecht und Gender, dargeboten in einer langen Laufzeit, sondern mit der fantastischen Kameraarbeit.
Der Film von Xavier Dolan ist laut, wild, emotional überbordend, bunt und mitreissend. Gewisse Momente sind filmische Perfektion, andere mischen die harte Realität von Transpersonen mit märchenhaften Elementen. Wow.
Voice from the Stone
DVD / Regie: Eric D. Howell
Zum Glück ist Emilia Clarke bezaubernd, denn sonst fehlt es dem Film «Voice From The Stone» an vielem. Anstelle von Grusel verspürte ich Langeweile, statt hübsch ausgeleuchteten Bildern von unheimlichen Umgebungen gab es flache Aufnahmen dröger Innenräume.
Eric D. Howell schafft es leider nicht, aus der Vorlage viel zu machen und die Geschichte will nie Fahrt aufnehmen.
Pariah
BD / Regie: Dee Rees
Als junger Mensch ausserhalb der normierten Gesellschaft zu leben, ist die Hölle. Das zeigt der feinfühlige und emotional packende Film «Pariah» von Dee Rees sehr gut. Die Regisseurin hat ihren Kurzfilm zu einem modernen Portrait junger POC-Frauen in den USA geformt, optisch wunderbar eingefangen.
Gut gespielt, mit toller Musik hinterlegt und die üblichen Klischees auslassend, geht die Geschichte ans Herz.
Die goldenen Jahre
Kino / Regie: Barbara Kulcsar
Wohlstandprobleme, erzählt aus der Perspektive der wohlhabenden Oberschicht in der Schweiz. «Die goldenen Jahre» funktionierte für mich als Komödie selten, da nicht nur alte Plattitüden durchgekaut wurden (Haha, Veganismus!), sondern das Bünzlitum unreflektiert durchdrückte.
Die Charaktere im Film von Barbara Kulcsar hätten viel Zeit und Geld sparen können, wenn sie zu Beginn des Filmes den Figuren das Buch «Trennt euch!» von Thomas Meyer erhalten hätten.
Mannen på taket
BD / Regie: Bo Widerberg
«Mannen på taket» ist zuerst ein Krimi, eine ruhige Betrachtung der Polizeiarbeit in Schweden und wird dann zu einem brachialen Thriller mit viel Blut und Gewalt. Die Buchverfilmung von Bo Widerberg ist Hochspannung und Überraschung, zugleich ein treffender Kommentar auf die übermächtige Position der Ordnungshüter und Polizeigewalt.
Ein Film, der in den Siebzigjahren den schwedischen Film brennen liess und bis heute mit viel Spannung packt.
- deBohli
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Bildrausch Filmfest Basel
Kristina
Kino / Regie: Nikola Spasić
(Bildrausch 23-01) Geschickt bringt Nikola Spasić in seinem ersten Spielfilm «Kristina» die fiktiven und realen Ebenen zusammen. Kristina Milosavljević spielt sich selbst, die impressionistisch gehaltenen Bilder sind wunderbar anzusehen.
Sexarbeit und Transpersonen gegen gesellschaftliche Normen und Religion: Alles kumuliert sich im improvisierten Gespräch auf der Parkbank.
Samsara
Kino / Regie: Lois Patiño
(Bildrausch 23-02) I’ve died in the cinema tonight. «Samsara» ist ein unbeschreibliches Erlebnis, eine Reise durch Leben und Tod, eine Reinkarnation mit geschlossenen Augen und Stroboskoplichtern.
Die Unendlichkeit drängt sich durch die Ritzen und ich wurde mir bewusst, dass ich noch nicht bereit bin zu gehen. Danke Lois Patiño.
Etilaaz Rot
Kino / Regie: Abbas Rezaie
(Bildrausch 23-03) Abbas Rezaie filmte seine Freund:innen bei der Zeitung Etilaaz Rot, als die Taliban Kabul übernahmen. Eine traurige, intensive und starke Dokumentation voller Anspannung. Ein Film, der die klischierte Darstellung des Konflikts umgeht und intime Momente offenbart.
Blix Not Bombs
Kino / Regie: Greta Stocklassa
(Bildrausch 23-04) Was kann eine Person ausrichten? Wie diplomatisch sollte man sich ausdrücken? Wieso war Hans Blix damals bei uns im Unterricht oder bei Gesprächen kein Thema?
«Blix Not Bombs» von Greta Stocklassa ist eine wichtige Dokumentation und beleuchtet zusätzlich die Zusammenhänge von 9/11 zur heutigen Flüchtlingskrise.
Mitsuki / Sekai
Kino / Regie: Marina Tsukada
(Bildrausch 23-05 + 23-06) Zwei Kurzfilme über das wahre Leben, nah, warm und intim. Die 16mm-Kameraarbeit mit langsamen Zooms ist wundervoll, das Portrait der zwei jungen Frauen in Japan berühren.
Marina Tsukada zeigt sich als feinfühlige Regisseurin und die Filme machen Lust auf das zehn Jahre andauernde Projekt «Toki».
5 Seasons of Revolution
Kino / Regie: LINA
(Bildrausch 23-07) Der Beginn der Revolution in Syrien aus weiblicher Perspektive, ein roher Dokumentarfilm mit privaten Geschichten. LINA zeigt in «5 Seasons of Revolution» die grosse Tragik der Entwicklungen und den Verlust vom Glauben in die Medien und an das Festhalten der Ereignisse – die Welt wusste alles, es war allen trotzdem egal.
Orlando, ma biographie politique
Kino / Regie: Paul B. Preciado
(Bildrausch 23-08) Die Dokumentation «Orlando, ma biographie politique» ist eklektisch und jede Art von Binärität umgehend; etwa beim Thema, der Erzählweise und Struktur. Paul B. Preciado hat einen wichtigen Film zum Thema Trans und eine sehr clevere Neubetrachtung des Romans von Virginia Woolf geschaffen. Sehr unterhaltsam.
Kristina
Kino / Regie: Nikola Spasić
(Bildrausch 23-01) Geschickt bringt Nikola Spasić in seinem ersten Spielfilm «Kristina» die fiktiven und realen Ebenen zusammen. Kristina Milosavljević spielt sich selbst, die impressionistisch gehaltenen Bilder sind wunderbar anzusehen.
Sexarbeit und Transpersonen gegen gesellschaftliche Normen und Religion: Alles kumuliert sich im improvisierten Gespräch auf der Parkbank.
Samsara
Kino / Regie: Lois Patiño
(Bildrausch 23-02) I’ve died in the cinema tonight. «Samsara» ist ein unbeschreibliches Erlebnis, eine Reise durch Leben und Tod, eine Reinkarnation mit geschlossenen Augen und Stroboskoplichtern.
Die Unendlichkeit drängt sich durch die Ritzen und ich wurde mir bewusst, dass ich noch nicht bereit bin zu gehen. Danke Lois Patiño.
Etilaaz Rot
Kino / Regie: Abbas Rezaie
(Bildrausch 23-03) Abbas Rezaie filmte seine Freund:innen bei der Zeitung Etilaaz Rot, als die Taliban Kabul übernahmen. Eine traurige, intensive und starke Dokumentation voller Anspannung. Ein Film, der die klischierte Darstellung des Konflikts umgeht und intime Momente offenbart.
Blix Not Bombs
Kino / Regie: Greta Stocklassa
(Bildrausch 23-04) Was kann eine Person ausrichten? Wie diplomatisch sollte man sich ausdrücken? Wieso war Hans Blix damals bei uns im Unterricht oder bei Gesprächen kein Thema?
«Blix Not Bombs» von Greta Stocklassa ist eine wichtige Dokumentation und beleuchtet zusätzlich die Zusammenhänge von 9/11 zur heutigen Flüchtlingskrise.
Mitsuki / Sekai
Kino / Regie: Marina Tsukada
(Bildrausch 23-05 + 23-06) Zwei Kurzfilme über das wahre Leben, nah, warm und intim. Die 16mm-Kameraarbeit mit langsamen Zooms ist wundervoll, das Portrait der zwei jungen Frauen in Japan berühren.
Marina Tsukada zeigt sich als feinfühlige Regisseurin und die Filme machen Lust auf das zehn Jahre andauernde Projekt «Toki».
5 Seasons of Revolution
Kino / Regie: LINA
(Bildrausch 23-07) Der Beginn der Revolution in Syrien aus weiblicher Perspektive, ein roher Dokumentarfilm mit privaten Geschichten. LINA zeigt in «5 Seasons of Revolution» die grosse Tragik der Entwicklungen und den Verlust vom Glauben in die Medien und an das Festhalten der Ereignisse – die Welt wusste alles, es war allen trotzdem egal.
Orlando, ma biographie politique
Kino / Regie: Paul B. Preciado
(Bildrausch 23-08) Die Dokumentation «Orlando, ma biographie politique» ist eklektisch und jede Art von Binärität umgehend; etwa beim Thema, der Erzählweise und Struktur. Paul B. Preciado hat einen wichtigen Film zum Thema Trans und eine sehr clevere Neubetrachtung des Romans von Virginia Woolf geschaffen. Sehr unterhaltsam.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Bei Samsara musste ich zuerst an die Doku von 2011 denken, aber es gibt wohl ein gleichlautendes anderes Werk.
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