Filmtagebuch: deBohli
Moderator: SFI
Re: Filmtagebuch: deBohli
Finde die Filme auch sehr stark. Der dritte fällt etwas ab, alles in allem aber eine richtig gute Trilogie.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Behind the Candelabra
Stream, Mubi / Regie: Steven Soderbergh
Gold, Glitzer, Überfluss: Steven Soderbergh verfilmte einen Teil des Lebens des Pianisten Liberace als Biopic mit einer überschwänglichen Ausstattung. Michael Douglas gibt in der Hauptrolle alles, Matt Damon wird verunstaltet und Rob Lowe holt den Preis für die absurdeste Darstellung.
«Behind the Candelabra» ist leider nicht so mutig, wie es bei diesen gezeigten Leben wünschenswert gewesen wäre und zeigt den realen Wahnsinn, der sich zwischen Konzerten, Selbstzweifel, Schönheits-OPs und Reichtum entfaltete, in genretypischer Weise.
Nightbreed
Kino / Regie: Clive Barker
(Director’s Cut) «Nightbreed» ist zuerst ein Horrorfilm, wird zu einer Satire auf die nordamerikanische, gewaltverherrlichende Gesellschaft und endet in einem Monsterfest, das sich der Vernichtung von Völkern annimmt. Wollte Clive Barker mit seinem Film etwa den Genozid an den Natives verarbeiten?
Wie auch immer, dieser überbordenden Mischung fehlt die Stringenz, der Spannungsbogen und eine fähige Person beim Schnitt. Die Szenen wirken zerhackt, die Geschichte macht selten Sinn und langweilt. Dazu gibt es David Cronenberg als Serienkiller und ganz viele Make-Up-Grossleistungen, die nie zur Geltung kommen. Das lässt ratlos zurück.
Feminism WTF
Kino / Regie: Katharina Mückstein
Katharina Mückstein liefert mit ihrer Dokumentation einen treffenden Rundumschlag zum Thema Feminismus in der heutigen Gesellschaft ab. Die optisch geniale Inszenierung paart interessante und aussagenstarke Interviews mit treibender Musik und dem besten Farbschema ever.
Bei der Vielfalt ist eine Vertiefung zu einzelnen Punkten zwar nicht möglich, der Film reisst dafür emotional mit und regt zu Reflektionen an. «Feminism WTF» war für mich eine nachhaltige Erfahrung, die ich besonders allen Menschen als Herz lege, die sich als Männer identifizieren.
The Boy and the Heron
Kino / Regie: Hayao Miyazaki
Der (wahrscheinlich) letzte Film von Hayao Miyazaki wurde meine erste Begegnung mit dem Studio Ghibli – und ich wurde nicht enttäuscht. «The Boy and the Heron» ist eine gefühlvolle Erzählung in wunderbaren Bildern, perfekt animiert und mit schöner Musik begleitet.
Die Verarbeitung von Trauer und Einsamkeit wird im Film zu einem fantasievollen Reigen an Metaphern, Bildern und Emotionen. Ohne, dass alles sofort Sinn macht oder zu einer Gesamtheit vereint werden kann, berührt die Geschichte in ihrer Form.
Re: Filmtagebuch: deBohli
"Nightbreed" nur ne 4/10? Tzzz.
Mögen die Horror-Genre-Geister Dich dafür in Deinen Träumen heimsuchen!
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Sollen die nur kommen, so gruslig waren die im Film nicht.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Es ist auf jeden Fall Barkers schlechtester Film. Aber die unglaubliche Vielfalt an Masken und die atmosphärischen Kulissen lassen mich da schon zwei Punkte höher greifen.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Ist bei mir auch so, ohne die schönen Matte Paintings, Modelle und Masken wäre die Wertung bestimmt 2 Punkte tiefer.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Una questione privata
DVD / Regie: Paolo Taviani, Vittorio Taviani
Mit dem letzten gemeinsamen Film drehten Paolo und Vittorio Taviani einen Rückbezug zu ihrem meisterhaften «La notte di San Lorenzo». Erneut dreht sich der Inhalt um den Kampf der Partisanen im zweiten Weltkrieg, allerdings mit Fokus auf eine Dreieck-Liebesgeschichte.
Das wirkt gefühlsdusselig und weniger empathisch als ihre alten Werke, wodurch das Schicksal der Figuren selten berührt. Die Aufnahmen hingegen sind sehr gelungen.
Two Lovers
Stream, Mubi / Regie: James Gray
«Two Lovers» war kein Film für mich, litt ich in jeder Sekunde mit der Figur von Joaquin Phoenix mit. Der unsichere, suizidale und verlorene Charakter stolpert unter der Regie von James Gray von einer schlechten Entscheidung in die nächste und findet sich im Liebesdreieck zwischen Gwyneth Paltrow und Vinessa Shaw gefangen.
Das resultiert in einer Kette von unglückbringenden Momenten, die gut eingefangen werden. Bloss das Ende ist fragwürdig. Drücken reale Empfindungen durch, oder wird das Leben einer Lüge propagiert?
Der Unhold
Stream, Mubi / Regie: Volker Schlöndorff
John Malkovich als hilfloser Franzose, der im Zweiten Weltkrieg in die Fänge der Nazis gerät und in Gefangenschaft zum Mittäter wird – ist es bloss ein kindlicher Mann, oder ein pädophiler Unhold? Volker Schlöndorff lässt das in seinem Spielfilm offen.
Die Atmosphäre ist eine krude Mischung, viele Szenen scheinen reine Fantasie zu sein und die Schrecken des Krieges wirken wie ein Spiel. «Der Unhold» ist merkwürdig und generierte in mir Ablehnung. Trotz Cast mit Armin Mueller-Stahl und Gottfried John.
Ikiru
Stream, Filmingo / Regie: Akira Kurosawa
Was macht das Leben lebenswert? Die Sinnsuche in «Ikiru» liefert herzerwärmende und melancholische Antworten. Takashi Shimura spielt unter der Regie von Akira Kurosawa wundervoll, die Bilder sind grossartig komponiert und die platten Selbsthilfe-Weisheiten werden glücklicherweise umgangen.
Ein Film, der mit diversen Wendungen überrascht, das Leben als Vielfalt darstellt und die wirkliche Essenz des Daseins herausarbeitet.
The Criminal
BD / Regie: Joseph Losey
(Noirvember 23-21) Aus dem Knast, in den Knast. «The Criminal» erzählt von einem Gangster, dessen Leben nach einem Raub ins Kreuzfeuer ehemaliger Komplizen gerät. Das ist unter der Regie von Joseph Losey kein Action-Kracher, sondern Film Noir mit Drama-Anteil.
Leider fehlt der Geschichte der Fokus und die emotionale Tiefe kann selten erreicht werden, dafür besticht die Kameraarbeit mit harten Schatten und schicken Bildkompositionen.
Thieves Like Us
BD / Regie: Robert Altman
(Noirvember 23-22) Liebe zwischen Banküberfällen: In «Thieves Like Us» sucht ein junger Gangster das gewöhnliche Leben und findet bloss noch mehr Probleme. Keith Carradine und Shelley Duvall sind wunderbar in ihren Rollen und geben der Story das emotional notwendige Gewicht.
Robert Altman liefert wenig Effekthascherei und viel Menschlichkeit, zwischen Schweiss, Staub und Raubüberfällen, die meist im Off passieren. Dafür gibt es den damaligen Marketingwahn von Coca-Cola in jeder Szene zu erleben und ein Soundtrack der geschickt aus Hörspielen im Radio zusammengebaut wurde.
Fail Safe
BD / Regie: Sidney Lumet
(Noirvember 23-23) Die Welt vor dem Atomkrieg: Sidney Lumet zeigte mit seinem Thriller «Fail Safe» 1964 auf, in welch schreckliche Lage sich die Weltmächte mit ihrer hochtechnischen Kriegsführung manövriert haben. Misstrauen, Hass und Gier drücken die Knöpfe, der gesunde Menschenverstand wird beiseitegeschoben.
Mit hart wirkenden Schwarzweissaufnahmen und ohne Action wird eine Spannung aufgebaut, die sich im depressiven Ende entlädt. Ein beeindruckender Film, in dem Männer in kahlen Räumen diskutieren und dabei die Erde in den Abgrund schupsen.
Devil in a Blue Dress
BD / Regie: Carl Franklin
(Noirvember 23-24) Neo-Noir ist extremer Nähe zu «Chinatown»: Unter der gekonnten Regie von Carl Franklin muss sich Denzel Washington mit Tom Sizemore, Jennifer Beals und Don Cheadle auseinandersetzen. Schweiss und Blut fliesst, alle werden hintergangen und der Soundtrack liefert zusätzliche Hitze.
Bei dieser Geschichte werden alle Elemente des Genres abgearbeitet, Spannung kommt trotzdem auf. Zwar wirkt das Los Angeles der Vierzigerjahre etwas zu glatt, die Kameraarbeit von Tak Fujimoto entschädigt dafür.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Bottoms
Stream, Amazon / Regie: Emma Seligman
Zuerst hatte ich Angst und konnte nicht einschätzen, was der Film will. Dann war klar: Mit «Bottoms» hat sich Emma Seligman einen satirischen, überdrehten und wilden Spass erlaubt. Feminismus, Patriarchat, das US-amerikanische Schulsystem und alle Klischees der High-School-Filme werden als Wirbelsturm präsentiert.
Der Cast ist mit Rachel Sennott, Ayo Edebiri, Ruby Cruz und Havana Rose Liu grossartig aufgelegt, die Kampfszenen sind erstaunlich blutig und die Witze immer wieder herrlich doof. Dazu kommt die treibende Musik von Charli XCX und Schläge unter die Gürtellinie der Gesellschaft – hell yeah.
The Garment Jungle
BD / Regie: Vincent Sherman
(Noirvember 23-25) Im Modeviertel kommt es zum Kampf zwischen dem organisierten Verbrechen und den organisierten Arbeiter:innen. Streit, Schlägereien und Mord – «The Garment Jungle» lässt es heisslaufen. Bloss brennt es selten, konzentriert sich der Film zu stark auf einzelne Figuren und ihre Beziehungen.
Eigentlich von Robert Aldrich gedreht, wurde dieser nach Problemen mit dem Studio von Vincent Sherman ersetzt, der den Film in eine andere Richtung brachte und fast das gesamte Material neu drehte. Mafia gegen Gewerkschaft, das könnte packender sein.
Do It
Stream, Filmo / Regie: Sabine Gisiger, Marcel Zwingli
(Docucember 23-01) Wie jetzt, eine Terrorzelle in Zürich, die europaweit agieren wollte und über deren Personen sogar die CIA eine Akte führte? Die Geschichte, welche Sabine Gisiger und Marcel Zwingli in der Dokumentation «Do it» aufzeigen, passt schlecht in das Bild der braven, biederen Schweiz.
Doch in den Siebzigerjahren knallte es und drei Teenager versuchten sich am bewaffneten Aufstand. Der Film aus dem Jahre 2000 schaut zurück, zeigt private 8mm-Aufnahmen und versucht die verrückte Zeit und die Gedanken der Betroffenen zu erfassen.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Ghostbusters
Kino / Regie: Ivan Reitman
«Ghostbusters» ist ein merkwürdiger Film: Es fehlen die Handlung, der Spannungsbogen und jegliche Charakterentwicklung; dafür erhält man viel Sexismus, improvisierte Dialoge und eine koksgeschwängerte Atmosphäre.
Die Besetzung mit Bill Murray und Co. ist legendär, der Film zündet besonders im letzten Drittel. Dort wird die Willkür des Unterfangens komplett ausgelebt und auf nichts Rücksicht genommen, dafür die Szenen mit praktischen Effekten gefüllt. Das macht Laune.
Ghostbusters 2
Kino / Regie: Ivan Reitman
Dasselbe nochmal? Fast, Ivan Reitman gönnte sich seiner Fortsetzung «Ghostbusters 2» zwar den gleichen Ablauf und fast denselben Showdown, dafür eine Spur mehr Inhalt. Das wirkt kurzweilig und langweilig zugleich und weiss dem Vorgängerfilm wenig Interessantes hinzuzufügen.
Der Cast ist wieder mit dabei, die Witze sind oft lahm und die Effekte gut. Wirklich mitreissenden ist wenig an diesem Film, auch die Songs wirken bloss wie schlechte Kopien der Originale.
Ghostbusters: Afterlife
Kino / Regie: Jason Reitman
Noch einmal wurde das Franchise neu gestartet, dieses Mal mit Jason Reitman auf dem Regiestuhl und direkten Verbindungen zum Original. «Ghostbusters: Afterlife» ist ein gut gemachter, toll aussehender und sehr amerikanischer Film. In der ersten Hälfte gelingt das Unterfangen mit frischen Figuren, Ideen und guter Stimmung, dann kommt die Nostalgie-Falle.
Alle Elemente des Klassikers kehren zurück, damalige Handlungsstränge werden komplett übernommen und das Finale ist ein (für mich als Zyniker) Übelkeit erregendes Schmachtfest mit verklärter, die Familie bejubelnder Moral. Und wie sinnlos war denn die Szene im Wallmart?
Immerhin: So cool wie Mckenna Grace als Phoebe wäre ich auch stets gerne gewesen.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Fand schon als Bub die Zeichentrickserie immer besser als die Filme.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Ja, die fand ich auch immer toll. Die Filme folgten eindeutig später.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Kannte ich ebenfalls vor den Filmen. Ist heute übrigens, obwohl eigentlich für Kinder gemacht, immer noch gut guckbar, ungewöhnlich einfallsreiche Storylines und teilweise sehr schöne Animation. Gibt sogar einige ziemlich gruselige Folgen.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Ich schließe mich mit der "Ghostbusters"-Zeichentrick-Erfahrung an. Damals wusste ich ja nicht, dass die Serie in erster Linie gemacht wurde, um die Spielzeuge weiter zu vermarkten, nachdem es keinen dritten Film gab. Hat bei mir funktioniert. Meine Eltern haben mir dann erklärt, dass es zu der Serie und den Spielzeugen auch Filme gäbe, was wiederum bedeutete, dass dies zum ersten Videothekengang mit meinen Eltern führte, um "Ghostbusters" ausleihen und daheim sehen zu können.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Das ist eine schöne Geschichte. :)
Beim Kino-Marathon waren einige Familien mit ihren Kindern vor Ort und die Kleinen haben die Filme ordentlich abgefeiert.
Syk pike (Sick Of Myself)
DVD / Regie: Kristoffer Borgli
Kristine Kujath Thorp, welche mich bereits in «Ninja Baby» überzeugte, liefert in «Syk pike» eine gelungene Darstellung einer Person ab, die man nur hassen kann. Kristoffer Borgli zeigt uns mit seinem Film eine sarkastische Perspektive auf den Geltungsdrang der heutigen Zeit.
Das ist nordisch zurückhaltend und pointiert zugleich, inklusive grausigen Momenten und absurden Dialogen. Schön auch, verliert sich der Film mit der Zeit immer mehr im Wahn und den Fantasien der Hauptfigur, bis man keiner Szene mehr vertraut.
Escape to the Silver Globe
BD / Regie: Kuba Mikurda
Andrzej Żuławski drehte mit «Na srebrnym globie» (1988 fertiggestellt) nicht nur einer der legendärsten Science-Fiction-Filme aller Zeiten, sondern erschuf ein Mahnmal für sein Ego und den Liebeskummer. Die Dokumentation «Escape to the Silver Globe» von Kuba Mikurda zeigt die Hintergründe gut auf.
Wahn, Eifersucht und Geltungsdrang verbanden sich beim Dreh mit der Auflehnung gegen die polnische Regierung und liessen die Produktion zusammenbrechen. Die Doku scheut sich nicht, Żuławski kritisch zu betrachten und liefert einen interessanten Kontext.
Beim Kino-Marathon waren einige Familien mit ihren Kindern vor Ort und die Kleinen haben die Filme ordentlich abgefeiert.
Syk pike (Sick Of Myself)
DVD / Regie: Kristoffer Borgli
Kristine Kujath Thorp, welche mich bereits in «Ninja Baby» überzeugte, liefert in «Syk pike» eine gelungene Darstellung einer Person ab, die man nur hassen kann. Kristoffer Borgli zeigt uns mit seinem Film eine sarkastische Perspektive auf den Geltungsdrang der heutigen Zeit.
Das ist nordisch zurückhaltend und pointiert zugleich, inklusive grausigen Momenten und absurden Dialogen. Schön auch, verliert sich der Film mit der Zeit immer mehr im Wahn und den Fantasien der Hauptfigur, bis man keiner Szene mehr vertraut.
Escape to the Silver Globe
BD / Regie: Kuba Mikurda
Andrzej Żuławski drehte mit «Na srebrnym globie» (1988 fertiggestellt) nicht nur einer der legendärsten Science-Fiction-Filme aller Zeiten, sondern erschuf ein Mahnmal für sein Ego und den Liebeskummer. Die Dokumentation «Escape to the Silver Globe» von Kuba Mikurda zeigt die Hintergründe gut auf.
Wahn, Eifersucht und Geltungsdrang verbanden sich beim Dreh mit der Auflehnung gegen die polnische Regierung und liessen die Produktion zusammenbrechen. Die Doku scheut sich nicht, Żuławski kritisch zu betrachten und liefert einen interessanten Kontext.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Až přijde kocour
Stream, Mubi / Regie: Vojtěch Jasný
Miau Miau, die Katze ist da. Und alle Menschen offenbaren ihr wahres Wesen; bunt eingefärbt, ohne täuschende Fassaden. Vojtěch Jasný mischt in seinem Film «Až přijde kocour» märchenhafte Elemente, kindlicher Spass und Gesellschaftskritik zum kreativen Erlebnis.
Der Film der Tschechisches Neue Welle tanzt geschickt zwischen humorvollen Momenten und ernstgemeinter Beobachtung umher. Die Figuren sind spannend, die optischen Einfälle gelungen und die Prise Anarchie sehr willkommen.
Été 85
Stream, Filmingo / Regie: François Ozon
«Été 85» handelt von einem Sommer, in dem das Herz gleichermassen brennt, wie die Sonne. Jugendliche Verwirrungen, extreme Gefühle und die grosse Liebe – alles verbindet sich zu einem Sturm, bei dem nicht nur die Segelboote kentern.
François Ozon erzählt in seinem Film routiniert von zwei jungen Männern, bietet schöne Aufnahmen und passenden Songs. Wirklich Neues wird mit der Story aber nicht geboten, da es dem Regisseur selten gelingt, Tiefe zu generieren.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
The Lineup
BD / Regie: Don Siegel
Wie gnadenlos und leicht wahnsinnig sich Eli Wallach als Dancer durch die Geschichte bewegt, da konnte ich nur an Joe Pesci denken. Passenderweise liefert «The Lineup» gleich zu Beginn eine wilde Actionsequenz und endet mit einer tödlichen Autoverfolgungsjagd.
Die TV-Serie wurde unter der Regie von Don Siegel zum Film Noir, der sich weniger auf den Inhalt, als die Spannung konzentriert. Das macht Laune und liefert dank den Aussenschauplätzen viele tolle Bilder von San Francisco.
Visages, villages
BD / Regie: Agnès Varda, JR
(Docucember 23-03) Ein Freund von mir sagt gerne: Das Leben ist schön. Nach der Sichtung von «Visages, villages» muss ich ihm zustimmen, Regie-Ikone Agnès Varda und Fotografie-Künstler JR haben gemeinsam eine Dokumentation purer Menschlichkeit geschaffen.
Begegnungen im Alltag werden zu berührenden Momenten, ohne, dass Varda die Verletzlichkeit verstecken würde. Kunst und Freude finden zusammen, der Film lässt ein beschwingtes Gefühl entstehen.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Im Nordwind
Stream, Filmo / Regie: Bettina Oberli
Der bürgerliche Traum platzt, der Vater wird entlassen. Ohne dies seiner Familie zu erzählen, hofft er weiterhin, die Wohlstandsträume aufrechterhalten zu können. Logisch sorgt das für Spannungen und die Teenagertochter wendet sich noch mehr von den Eltern ab.
«Im Nordwind» gewinnt keinen Innovationspreis, das Debüt von Bettina Oberli steckt zu fest in den klischierten Handlungen und Charakterisierungen fest. Leider wirken auch die Mundartdialoge oft gestellt und schrecklich, das Spiel hölzern, die Bilder grau. Immerhin gibt es kein Happy-End, sondern eine depressive Sicht auf das kapitalistisch gesteuerte Leben.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Theater Camp
Stream, Disney+ / Regie: Molly Gordon, Nick Lieberman
Die Herzlichkeit macht es aus, denn eigentlich hätte ich nicht gedacht, dass ich eine eher plumpe Komödie über ein Theater-Sommercamp wirklich gut finden könnte. Unter der Regie von Molly Gordon und Nick Lieberman ist aber ein witziges Vergnügen entstanden, das trotz Überzeichnungen echte Emotionen liefert.
Warum alles im Rahmen eines Mockumentary passieren muss, wollte sich mir nicht erschliessen, dafür sind die Musical-Nummern gut und deren Texte zum Schiessen komisch. Kreativität und Toleranz sind halt geil.
Senna
BD / Regie: Asif Kapadia
(Docucember 23-04) «Senna» von Asif Kapadia ist eine Dokumentation über den verunglückten Formel-1-Fahrer Ayrton Senna. Aber auch viel mehr: Es ist ein nervenzerfetzender Thriller, ein Rennsport-Blockbuster mit adrenalindurchtränkten Bildern, ein menschliches Drama und eine grosse Tragödie.
Der geniale Schnitt, die Gestaltung der Geschichte und die Blicke hinter die Kulissen des geldgesteuerten Zirkus sind fesselnd. Am Ende ist man den Tränen nahe und hat viele Gefühle durchlaufen. Wow.
Utopia Blues
Stream, Filmo / Regie: Stefan Haupt
Der Traum vom eigenen Platz in der Welt: Mit seinem ersten Spielfilm «Utopia Blues» lieferte Stefan Haupt eine emotionale und rau wirkende Geschichte ab, die sich jugendlichen Sehnsüchten und Träumen widmet.
Aus Auflehnung wird Depression, aus Energie Destruktion. Mit digitalen Bildern und tiefen Budget gedreht, ist die Produktion ein Kind ihrer Zeit, weiss aber mitzureissen. Auch, weil die Mundart-Dialoge selten gestellt wirken.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Io Capitano
Kino / Regie: Matteo Garrone
Mit dem Flüchtlingsdrama «Io Capitano» lässt Matteo Garrone uns am verzweifelten Vorhaben zweier junger Männer aus Senegal teilhaben, die in der Hoffnung auf eine gute Zukunft den tödlichen Weg nach Europa auf sich nehmen.
Das erinnert von der Struktur her an «Hope» von Boris Lojkine und zeigt in gleicher Weise Hoffnung, Sehnsucht und die brutale Wirklichkeit. Die gute Kameraarbeit, die starke Leistung der Laiendarsteller und die Umschiffung üblicher Klischees macht den Film zu einer tragischen, aber wichtigen Erfahrung.
The Imposter
BD / Regie: Bart Layton
(Docucember 23-05) «The Imposter» ist immer wieder ein fesselndes und schwer zu glaubendes Erlebnis. Die Geschichte eines vermissten Jungen aus den USA, der einige Jahre später scheinbar in Spanien gefunden und mit seiner Familie wiedervereint wurde, ist als Dokumentation ein heftiger Thriller.
Bart Layton demontiert mit seiner genialen Inszenierung die herrschenden Vorurteile, baut das Mysterium des Falles geschickt auf und lässt die Zuschauer:innen die Vergangenheit in sehr gut gefilmten Nachstellungen durchleben. Unglaublich, mitreissend, berührend.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Tótem
Kino / Regie: Lila Avilés
«Tótem» erzählt nicht bloss vom Umgang mit Trauer und Angst, sondern verdichtet das gesamte Leben mit allen Emotionen auf einen Tag. Dieses Vorhaben gelingt Lila Avilés sehr gut und lässt uns mit der mexikanischen Familie mitfühlen.
Die Perspektive von Kindern, das Verkraften des Todes und die alten Traditionen und Geistergeschichten – alles in warmes Licht getaucht, nah gefilmt und mit poetischer Atmosphäre veredelt.
Master Gardener
DVD / Regie: Paul Schrader
Was Paul Schrader mit «Master Gardener» macht, funktioniert. Er zeigt uns das Leben eines Mannes, der sich gewandelt hat und den Geistern der Vergangenheit doch nicht komplett entfliehen kann. Vieles wirkt an der Geschichte zu konstruiert, die Darsteller:innen Joel Edgerton, Sigourney Weaver und Quintessa Swindell mindern diesen Makel.
Die ruhige Stimmung, die gelungene Kameraarbeit und die hübschen Blumen bieten Harmonie in der brutalen Erzählung.
The Blind Man Who Did Not Want to See Titanic
Stream, Filmingo / Regie: Teemu Nikki
Wie Teemu Nikki mit seinem Film «The Blind Man Who Did Not Want to See Titanic» die Perspektive des blinden Mannes (sehr stark von Petri Poikolainen gespielt) zeigt, ist filmisch überzeugend. Unschärfe, Bildtiefe und Ausschnitte wurden überlegt gewählt.
Von der Liebeskomödie zum Thriller hangelt sich der Film in 80 Minuten an einer dünnen Geschichte entlang, die herzerwärmend ist. Auf das Gute im Menschen.
Burroughs: The Movie
BD / Regie: Howard Brookner
(Docucember 23-06) Texte oder Bücher von William Burroughs habe ich nie gelesen, trotzdem hat sein Name eine mystische Wirkung auf mich. Diese wird mit der Dokumentation «Burroughs: The Movie» aus den Achtzigerjahren noch verstärkt.
Howard Brookner hat es geschafft, während den fünf Jahren andauernden Dreharbeiten intime Momente, Aussagen und Aufnahmen zu sammeln. Sexualität, Politik, Drogenkonsum, Familienleben und Kreativität finden im interessant geschnittenen Film zusammen, ohne den Zauber der Figur zu zerstören.
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Godzilla Minus One
Kino / Regie: Takashi Yamazaki
Das Nachkriegsjapan ist zerstört, demoralisiert und entmachtet. Die gesellschaftliche Schuldfrage lastet auf allen Schultern, Einzelpersonen hadern mit dem Leben. Genau in dieser Situation lässt Takashi Yamazaki Godzilla wüten. Das sorgt beim fulminanten «Godzilla Minus One» nicht nur für kaputte Städte und Schiffe, sondern heftige Emotionen und spürbare Verzweiflung.
Der Film ist packend, mitreissend und depressiv. Politische und soziale Fragen werden angesprochen, eine hohe Spannung aufgebaut und mit sehr gut geschriebenen Figuren eine dichte Geschichte erzählt. Die guten Bilder, der super Score (das Theme, wow!) und Szenen, die unter die Haut gehen (Angriff auf Ginza, Trauermomente) bilden einen unerwartet grossartigen Eintrag der Kaijū-Reihe.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Jip... nicht so wie bei "the Host"
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Re: Filmtagebuch: deBohli
Wobei "The Host" mit anderen Grundsätzen arbeitet und die Wechsel zwischen Melancholie und Komik als Mittel nutzt. Damit würde ich Yamazakis Film eher nicht vergleichen - ausser, dass beide zum Kaijū-Genre gehören.
Re: Filmtagebuch: deBohli
Dank Filme wie "the Host" und "Godzilla vs. Kong" weiß ich ein Werk wie "Godzilla Minus One" umso mehr zu schätzen.
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